Autorin: Saskia Nimierski //
Die Prostitution hat einen enormen Einfluss auf das Sexualleben der Prostituierten. Meiner Erfahrung nach einen zunehmend negativen, je länger man dieser Beschäftigung nachgeht und je mehr sich die Bedürfnisse des eigenen Körpers in denen wildfremder Menschen, die genug Scheine auf den Tisch legen, auflösen. 18 Jahre Prostitution haben in meinem Fall selbstverständlich ziemliche Narben in meinem Sexualverhalten hinterlassen, auch wenn man sich von dem “Abdruck”, den die Prostitution hinterlassen hat, regenerieren und sich wieder ein natürlicher Bezug zum eigenen Körper einstellen kann.
Der “Abdruck” bleibt aber, und wenn man vor oder direkt beim Einstieg in die Prostitution ev. kein Problem damit hatte, mit verschiedenen Partnern Sex zu haben (aufgrund einer manischen Erkranung hatte ich diese Schübe ohnehin) und es faszinierend fand, so belehrt die Branche einen schon bald eines Besseren. Zu Beginn hatte ich nur die Bilder von lasziven, coolen, attrakiven Pornostars oder Pop-Stars wie Madonna im Kopf, die, indem sie Erotik öffentlich lebten, nicht nur bewundert, sondern auch (so schien es mir damals) eine gewisse Macht über die Männer hatten. So mag es vielleicht auch von außen aussehen, bis man dann tief in dem sogenannten “Job” verwurzelt bzw finanziell zur Gänze darauf angewiesen ist und die eigene Sexualität des Geldes und des Freiers wegen immer mehr in den Hintergrund treten muss, ja, gar mit Füßen getreten werden muss, bis sie irgendwann nur noch den Ansprüchen des Marktes unterliegt. Sie ist nicht mehr Privatsache und die “schönste Nebensache der Welt”, sondern etwas, das man unabhängig von Lust, Laune und Verlangen je nach finanzieller Lage mit einem perfekten Lächeln im Gesicht aus dem Hut zaubern können muss.
Durch diese Übersättigung von Körperkontakt mi Männern, die man privat vermutlich nicht einmal angeschaut hätte, fühlt man sich irgedwan wie ein zwangsgekuscheltes Tier. Die eigene Sexualität verliert immer mehr an Bedeutung und man ist zunehmend froh, wenn man von niemandem angefasst, angehaucht, geschweige denn penetriert wird! Vom “Spaß am Sex” kann keine Rede mehr sein, wenn Alkohol, Drogen, Psychopharmaka und betäubendes Gleitgel zum Einsatz kommen müssen, um es auszuhalten einen weiteren Freier über sich drüber zu lassen.
Da solche Alltagsgeschichten aus dem Leben der Prostituierten von Freiern natürlich nicht gerne gehört werden, werden sie auch kaum ausgesprochen. Es ist ein fagwürdiges “Geschäft”, bei dem die Illusion, gegen den Willen der Frau gewollt zu werden, gekauft wird. Da gehört die ganze Hässlichkeit, die das Leben von Prostituierten prägt, einfach nicht dazu. Aber sollte man nicht auch als “Konsument” darüber informiert sein, unter welchen Bedingungen das, was man als “Dienstleistung” bezeichnet, stattfindet?
Es ist das Unaussprechliche, aber jedem gesundhen Menschenverstand Klare, und es muss zwangsläufig von den Freiern verdrängt werden, um diesen Akt überhaupt vollbringen zu können, ohne sich dabei wie ein Vergewaltiger zu fühlen. Wie man es an den Zahlen der Männer, die jährlich in Deutschland und Österreich zu Prostituierten gehen, merkt, funktioniert es für die Freier ganz gut, dieser kognitiven Dissonanz zu entkommen.
(c) Saskia Nimierski