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Warum es mich verletzt, wenn Allies gegen Prostituierte, die von der Prostitution Anderer profitieren, wettern und gehässig werden…

    Autorin: Sabrina //

    In letzter Zeit wurde ich in sozialen Netzwerken mit dem Prostituiertenhass aus den eigenen Reihen konfrontiert. Verbündete im Kampf für das Nordische Modell zogen über bekannte Prostituierte her, die öffentlich ihre Branche verteidigen. Die, die eigene Bordelle oder Escortagenturen führen, wurden mit MenschenhändlerInnen in einen Topf gesteckt und öffentlich geächtet. Ihnen wurden hohe Strafen gewünscht und ich konnte kaum fassen, dass ich solche Gemeinheiten in meinem „safe space“, also meinen abolitionistischen Verbündetengruppen zu lesen bekomme.

    Weil ich nun aber nicht allen unterstellen will, dass sie prostituierte Frauen hassen, gehe ich davon aus, dass sie wegen ihrer andersartigen Lebensrealität das System Prostitution vielleicht nicht ganz erfassen und verstehen können.

    Wie konservative ProstitutionsgegnerInnen tendieren sie vielleicht ein wenig zur Einteilung der Frauen in „Heilige und Huren“.

    Die Heiligen sind für sie die armen Zwangsprostituierten, die von Menschenhändlern verschleppt und misshandelt und eingesperrt worden sind und wirklich ABSOLUT nicht mehr handlungsfähig sind und keine Möglichkeit haben, aus der Prostitution auszusteigen.

    Dem, was ich den Kommentaren so entnommen habe, beginnt man eine Hure zu sein dann, wenn man die Möglichkeit hat(te), auszusteigen, diese aber nicht genutzt hat.

    Ein User hat unter einen Post zumThema Wiedereinstieg z.B. kommentiert, dass es genug Stellen in der Pflege gebe. Dieser User bezeichnet sich selbst als Abolitionisten und verkehrt auch in etwaigen Gruppen zum Thema. Ohne solchen Idioten zuviel Aufmerksamkeit schenken zu wollen, hat mich das dazu veranlasst, einen Text dazu schreiben zu wollen.

    Denn auch andere Userinnen und User lassen ihre teils frauen- teils prostituiertenfeindliche Kommentare bei uns oder in Diskussionen mit uns ab.

    Diese Einteilung in schützenswerte Opfer und Prostituierte, die ihren „Job“ „freiwillig“ machen, ist schon einmal von Grund auf falsch, wenn man für das Nordische Modell eintritt. Man möchte doch mit allen Prostituierten solidarisch sein und man sollte zumindest schon soweit informiert sein, dass man weiß, dass auch die „freiwilligen“ Prostituierten eine Lebensgeschichte haben und gewissen Zwängen erliegen. Frauen zu kaufen ist, wie wir uns vielleicht auch einig sind, nämlich von grundauf falsch. Ob die Frau sich nun selbst anbietet, oder von ihrem Zuhälter angeboten wird, ist dabei doch völlig irrelevant. Wir wollen das Nordische Modell, weil wir wissen, dass es mit JEDER Frau etwas macht, wenn sie für Geld wie eine Ware benutzt wird. JEDE Prostituierte ist dem Risiko ausgesetzt, von einem Freier misshandelt oder getötet zu werden. Wollen Menschen, die in „freiwillige“ und „unfreiwillige“ Prostitution dann etwa sagen, dass das Geld, das die „freiwillige“ Prostituierte verdient hat, ihren Tod entschädigen? Dass sie das ja gewollt hat? Dass sie ihn sogar verdient hat, weil sie das System Prostitution gefördert hat?

    Sorry, aber so muten eure Aussagen manchmal an. Eure Ansichten sind absurd, weltfremd und empathielos. Undifferenziert und unerträglich. Das kotzt mich an !

    Schwesta Ewa hat Auszüge ihrer Biographie veröffentlicht. Ich kenne sie persönlich und habe vor ein paar Jahren für ein paar Wochen als Bedienung in ihrer Bar gearbeitet. In meiner Zeit als Prostituierte habe ich mich stark mit ihrer Musik identifiziert und habe mich im Nachhinein auch immer auf dem Laufenden gehalten über ihr Leben, den Gerichtsprozess usw. usf.

    Ich selbst habe sie als sehr aggressive Person erlebt, auch habe ich davon gewusst, dass sich einige Frauen für sie prostituierten. Das finde ich natürlich schlimm.

    Nun aber zu lesen, welch ein massives Ausmaß der Gewalt sie erlebt hat, hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Ein Freier habe ihr beim Sex ein Messer ins Bein gesteckt, einer ihr eines in den Hintern und das dann auch noch hochgezogen. Ihre Mutter habe sie misshandelt, zum Klauen angestiftet, all solche Sachen, die man wirklich KEINEM wünscht.

    Und dann liest man in einer Aboli-Gruppe einfach Kommentare, die beschreiben, dass Täterinnen ausschließlich Täterinnen sind und somit kein Mitleid verdient hätten.

    Auch in einer anderen Diskussion wurde sich schon über Josefa Nereus aufgeregt. Klar, die Pro-Lobby ist nervig, es ist mühsam, sich mit ihnen zu beschäftigen, aber Frauen wie Nereus sind immernoch Prostituierte. Durch ihre Tätigkeit in der Lobby wird sich doch nicht ihr Status als menschliches Wesen verändern. Für mich ist sie weiterhin eine prostituierte Frau, die schützenswert ist, denn auch sie hat Gründe, zu tun, was sie tut, auch wenn sie der Öffentlichkeit vielleicht nicht alles zeigt, das in ihrem Inneren ist.

    Mir ist auch bewusst, dass z.B. Ewa Täterin ist, weil sie von der Prostitution anderer Frauen profitierte. Natürlich ist es jetzt auch gut, dass sie dafür bestraft wurde. Aber ich kriege es einfach nicht zusammen, weshalb so viele Menschen in der abolitionistischen Bewegung so gegen diese Frauen wettern und hetzen. Ihnen wird Knast gewünscht, Leid und es wird sich gefreut, dass Ewa jetzt in den Mutter-Kind-Knast muss.

    Leute, was ist los mit euch? Hat euch schonmal jemand ein Messer in Körperöffnungen gesteckt? Euch mit einer Pistole im Mund vergewaltigt (das ist Ewa auch passiert)? Habt ihr selbst auch Freier bedient? Seid von frühester Kindheit an auf Gewalt sozialisiert worden? Habt ihr all das erlebt und es trotzdem besser gemacht? Glückwunsch. Mein höchster Respekt. Das ist ein wirklich erstaunlicher Grad an Resilienz, aber den haben nunmal nur wenige.

    Wenn man von klein an nur Gewalt erlebt hat, dann wird das doch irgendwann normal. Wenn man merkt, dass der Gewalttätigste der ist, der sich durchsetzt, überlebt und selbst nicht mehr Opfer wird, dann ist es doch erstrebenswert, selbst Gewalt auszuüben und sich somit von der Opfer- in die Täterrolle emporzuheben. Das Empfinden von Recht und Unrecht ist doch von Anfang an korrumpiert, wenn man so aufwächst. Sich alles immer wieder wiederholt. Das ist dann halt einfach das Leben.

    Ich kenne das von mir.

    Meine Mutter hat mich psychisch fertiggemacht, sie war paranoid schizophren und eine für ein Kind absolut nicht verlässliche Person. Sie hatte wechselnde Beziehungen, ging oft auf Parties und gab mich zum Babysitten entweder zu meinen Großeltern oder zum pädophilen Nachbarn, der mich auch missbrauchte. Eine zeitlang war sie mit einem Zuhälter zusammen, der ihr schlimme Dinge antat, nachdem sie ihm klargemacht hat, dass sie sich nicht für ihn prostituieren möchte. Ihren Schmerz ließ sie dann an mir raus. Warum auch immer, war immer ich schuld und deshalb bekam ich das dann ab.

    Zum Glück kam ich recht früh zu Pflegeeltern. Weil aber schon viel in mir kaputt war, geriet ich trotzdem auf die „schiefe Bahn“, wie man das ja nennt. Mit 11 fing mein Pflegebruder an, mir Geld zu zahlen, wenn er mich begrapschen dürfe, mit 12 filmten Mitschüler, wie ich in der Mittagspause mit einem Mitschüler sexuelle Handlungen auf einer Restauranttoilette neben meinem Gymnasium ausführte. Das wurde verbreitet und ich wurde beschämt. Letztlich war es meine Schuld, ich flog von der Schule. Dass es nicht meine Idee war und ich von dem Video nichts wusste, war egal.

    Ich fing zur selben Zeit auch an, mich mit fremden Männern zu treffen. Das war vollkommen zwanghaft, ich brauchte die Gefahr. Ich brauchte die Dissoziation, die einsetzte, wenn ich es tat, weil ich dann nicht nachdenken musste. Nicht nachdenken darüber, dass ich erst 12 war und schon völlig kaputt. Nicht nachdenken darüber, dass ich mein Leben überhaupt nicht im Griff hatte. Dass es eigentlich krank war, wie ich war und ich mich überhaupt nicht mehr verstand. Durch den Missbrauch als Kind war so viel in mir kaputt und keiner verstand das. Ich war so einsam. Alle fanden mich komisch, dachten ich wäre ein unsittliches, frühreifes, junges Mädchen, das einfach nur Männer verführt. Sexsucht oder so. Ich war ein Alien. Dass ich permanent sexuelle Gewalt reinszenierte checkte man nicht und deshalb brauchte ich auch die Anerkennung von den Männern, ohne die ich mich sonst elend fühlte. Dass ich eigentlich Angst hatte und mich schrecklich einsam gefühlt habe, war dann ausgeblendet. Das war halt der Preis.

    Schnell habe ich ein hohes Ausmaß an Gewalt erlebt. Meine Grenzen wurden nie respektiert. Als 12-14 Jährige „Nein“ zu sagen, wird entweder ignoriert, oder man wird überredet, oder es wird mit einem „Ich sag’s deinen Eltern“ quittiert. Mit 14 wurde ich dann so brutal rektal vergewaltigt, dass mir an den Beinen Blut herunterlief und ich mich die darauffolgende Woche in den Schlaf weinte. 

    Danach begann ich mich zu prostituieren.

    Die Gewalt wurde nicht weniger, aber ich kam immer besser mit ihr klar. In meiner Freizeit prügelte ich mich, Gewalt verschaffte mir Adrenalin. Wenn ich Opfer wurde, Dissoziation, war ich jedoch selbst Ausübende, kickte mich das. Plötzlich hatte ich Macht. Ich war nicht mehr ohnmächtig. Nicht mehr ich war die, die immer einsteckte, nein, auch andere steckten jetzt mal ein. Da begann für mich das Verständnis, dass es besser war, selbst Gewalt auszuüben, als welche einzustecken. Irgendwie wurde das immer normaler. Schließlich hatte ich gelernt, dass Gewalt unvermeidbar war. Prostituierte ich mich nicht, würde ich eh immer vergewaltigt werden. Prügelte ich mich nicht mit anderen Mädchen, würden sie sich mit anderen Mädchen prügeln. Ob ich dabei bin oder nicht, es passiert eh. Ob ich mich dafür hingebe oder nicht, es passiert. Das waren meine Gedanken dazu, ob sie wahr waren oder auch nicht.

    Das ging alles so weiter, bis ich mit 16 meinen bisher brutalsten Freund kennenlernte. Weil ich inzwischen von meinen Pflegeeltern abgehauen war, wurde er mein einziger emotionaler Halt. Er war Sadist, total narzisstisch und paranoid. Nach seinen heftigen Eifersuchtsattacken verprügelte er mich regelmäßig, sperrte mich ein, riss mir meine Extensions aus, vergewaltigte mich oder zwang mich, mit ihm Sextapes zu drehen, nachdem er mich stundenlang angebrüllt, verprügelt und mit dem Leben bedroht hat. Das passierte immer wieder, eine Never-Ending-Story. Natürlich kann man sich nun fragen, warum ich mich nicht von ihm getrennt habe. Ich war emotional total abhängig und dachte, dass er sich bessert, wenn ich ihm nur einfach keinen Grund mehr gebe. Wenn ich ihm vorwarf, mich zu vergewaltigen, sagte er, ich würde darauf stehen. Wenn ich ihm vorwarf, mich zu misshandeln, erklärte er mir, dass ich mir die blauen Flecken woranders geholt hätte und wohl wie meine Mutter halluzinierte. Er gaslightete mich, was das Zeug hielt und außerdem hatte ich wahnsinnige Angst vor ihm. Für mich war er immernoch ein 8 Jahre älterer unberechenbarer Drogendealer, der nicht davor zurückschrecken würde, mich oder meine Familie umzubringen. Und dennoch war er alles, was ich hatte. In gewisser Weise war er mein Retter, denn während wir zusammen waren, prostituierte ich mich nicht. Ambivalent sind diese Gewaltbeziehungen ja immer. Aber auch hier wurde mein Weltbild wieder einmal gefestigt. Der einzige Moment, in dem ich das Gefühl hatte, nicht komplett ohnmächtig zu sein, war als ich ihm zur Verteidigung, als er mich umbringen wollte, ein Messer in die Brust steckte. Er fiel um, auch wenn er nicht ernsthaft  verletzt war, aber das war wirklich der einzige und erste Moment in dieser Beziehung, bei dem ich nicht das Gefühl hatte, absolut keine Kontrolle mehr über mein Leben zu haben. Mein Leben war immer von der Gunst der Männer um mich herum abhängig. Ich wurde nur dann verschont, wenn man mich verschonen wollte. In diesem Moment bin ich in unserer Beziehung das erste mal aktiv gewesen und das fühlte sich gut an. Um ehrlich zu sein, hätte ich mir in diesem Moment gewünscht, ihn getötet zu haben. Ich hatte Glücksgefühle, ein Kribbeln in meinem ganzen Körper, während er mit aufgerissenen Augen zu Boden ging. Vor 5 Minuten hatte ich mir noch fast eingepinkelt vor Angst und überlegt, aus dem Fenster zu springen, um nicht getötet zu werden und plötzlich war ich wieder Herrin meines Lebens. Jedoch stand er nach wenigen Minuten wieder auf und ab da habe ich einen Blackout.

    Was ich damit aber sagen will, ist dass solche Erlebnisse prägen. Es prägt sich ein, dass es im Leben darum geht, entweder zu fressen, oder gefressen zu werden. Es gibt kein dazwischen. Wer Mitleid hat, verliert. Wer Herz hat, stirbt. Wer nicht an sich selbst denkt, wird vergessen. Wer sich nicht bereichert, wird geplündert. Es war ein Naturgesetz für mich, dass nur die Starken überleben und deshalb wollte ich auch stark sein. Hauptsache kein Opfer mehr, und wenn man doch Opfer wurde, was als Frau nunmal unvermeidlich war in diesem Milieu, dann musste man das verbergen, weil dann zeigte das den anderen Leuten ja nur, dass sie es mit einem machen konnten. Hatte man ein blaues Auge von seinem Freund, holte man eine Geschichte darüber raus, wie man es ihm doch gezeigt hat, hauptsache kein armes Opfer. Wurde man vergewaltigt, fügte man schnell noch hinzu, dass man es ja selbst provoziert hat, ja, es sogar auch ein bisschen geil war, hauptsache nicht zugeben, dass man die Kontrolle verloren hat.

    Aber warum erzähle ich das überhaupt? Wozu die ganzen Stories?

    Naja, was macht man denn, wenn das schlimmste, was einem passieren kann, ist, Opfer zu sein? Was tut man in einem Milieu, das einem vermittelt, dass man als Opfer nicht überlebt? Wie gewinnt man die Kontrolle über sein Leben zurück, in dem es nur entweder oder gibt, schwarz und weiß, ja OPFER oder TÄTER?

    Natürlich, man wird zum Täter.

    Als ich 18 wurde, ging ich zum Escort. Ich versprach mir davon High-Life und Schickimicki, was ich in gewisser Weise auch bekam. In den ersten Monaten verdiente ich zwischen 15.000-20.000€ im Monat und dachte, mein Leben sei noch nie so gut gewesen. Meine nächste Beziehung war diesmal auch nicht mehr nach dem alten Muster. Diesmal war ich die „Starke“. Ich kommandierte herum, mein Freund musste putzen, einkaufen, Drogen holen gehen und meine Bankgeschäfte erledigen gehen. Wenn er nicht spurte, flippte ich aus, bewarf ihn mit Gegenständen, vorzugsweise mit meinem Kristallaschenbecher. Da er auf Flucht vor der Polizei war und kein eigenes Geld hatte, war er vollkommen abhängig von mir und das nutzte ich aus. Meine Prostitution belastete ihn und ich liebte es, ihm detailreich zu erzählen, wie geil der Sex mit den Freiern war (was natürlich nicht stimmte). Auch meine beste Freundin lebte bei mir, die ich auch immer wieder versuchte, dazu zu bringen, sich zu prostituieren, weil meine Agentur mir 1000€ Prämie für angeworbene Frauen versprach. Das klappte zwar bei ihr nicht, brachte mich aber auf Ideen. So ging ich eine Freundin in einer anderen deutschen Großstadt besuchen, die ich länger nicht mehr gesehen hatte. Wir quatschten eine Weile und ich erzählte ihr, wie toll mein Beruf war. Außerdem schwärmte ich von Heroin und gab ihr ihren ersten Schuss. Ein paar Tage später stellte ich den Kontakt zu meiner Agentur her und fühlte mich ganz toll. Als sei ich in der Hierarchie aufgestiegen. Mein Chef war stolz und begrüßte mich am Telefon mit dem Satz: „Willkommen im Club der Zuhälter“.

    Das kickte mich, das gab einen Adrenalin- und Serotoninstoß frei, der mir heute noch klar in Erinnerung ist. Und so machte ich weiter. Ich gab Freundinnen und Bekannten ihre ersten Heroindrucks. Menschen draufzubringen gab mir Macht. Jetzt war ich zwar eine von den Bösen, aber immerhin kein Opfer. Dass mir beim Escort auch Gewalt und ekelhafte Dinge passierten, spaltete ich ab. Das hatte nichts mit mir zu tun, denn ich tat meinen Job ja gern. Hobby zum Beruf gemacht und so. Ficken war wohl mein Hobby und das Einzige, was ich konnte. Wenn man mir dabei in die Fresse schlug, hielt ich das auch gut aus, Nasenbluten quittierte ich mit einem Lachen und sagte: „Ach komm, ich hab mal geboxt, ich kann das ab“. Ja keine Schwäche zeigen. Freier waren meine Freunde. Ihnen verdankte ich ja meinen Reichtum und dass ich Kontrolle über die Menschen in meiner Umgebung hatte. Ihnen verdankte ich, dass ich mich nach Lust und Laune zuballern konnte und immer hübsch aussah. Die Gewalt, die sie mir antaten, durfte es in meinem Kopf nicht geben und um sicherzugehen, dass ich kein Opfer war, musste ich nur einfach wieder die Kontrolle über mein Leben gewinnen und mir bewusst machen, dass ich böse war. ICH war doch die, die Gewalt ausübte. ICH schlug jeden, der mir Geld schuldete oder nicht spurte. ICH gab Minderjährigen Heroin und schickte meine Freundinnen anschaffen. ICH rippte doch sogar einen Behinderten ab und verkaufte meine 15jährige Freundin an doppelt so alte Männer, die mich kurze Zeit vorher auch schon vergewaltigt hatten.

     Ich konnte also kein Opfer sein und WENN, dann hatte ich es doch wohl verdient. Später setzte ich auch meinen Freund öfter in meiner Unterwäsche vor die Webcam und es war mir immer ein Bedürfnis, dass jeder am eigenen Leib erfährt, wie Prostitution sich anfühlt. Wie DANKBAR sie mir sein müssen, dass ich so großzügig bin. Dass ich Koksparties schmeiße und alles bezahle. Ich wollte, dass jeder am eigenen Leib erfährt, wie es ist, vergewaltigt zu werden. Ich wollte, dass sie verstehen, dass ich nicht von ungefähr zu der geworden bin, die ich war. Wenn Menschen aus meinem Umfeld solche Erfahrungen machten und danach geweint haben, habe ich sie für ihre Schwäche verachtet. Sie könnten sich mal zusammenreißen, denn schließlich tat ich das auch. Ich musste es. Für mich war keiner da, der sich meine Geschichte anhören wollte, meine Tränen trocknen wollte. Ich war selbst schuld, weil ich schließlich so eine gestörte lüsterne Jugendliche war, die sich kurze Röcke anzog und sich dann auch noch FREIWILLIG mit Männern traf. Diese Ansicht ist selbstmitleidig, ich weiß, aber das war nun einmal das verletzte Kind in mir, das so dachte.

    Ich denke, es ist jetzt genug mit persönlichen Anekdoten. Fakt ist ja, dass ich heute nicht mehr so bin und das alles auch sehr sehr schlimm finde.

    Jedoch will ich einfach nochmal klarmachen, dass ihr soliden Frauen und Männer da einfach nicht drinsteckt. Ihr steckt nicht in einer Ewa und ihr steckt nicht in einer Neureus. Ihr steckt nicht in Balthus und nicht im BesD. Ihr steckt auch nicht in mir und ich will euch einfach nur sagen, dass mich euer Prostituiertenhass ankotzt. Selbst nichts erlebt haben und dann meinen, Täter sei Täter, das zählt nicht, Leute. Klar hätte auch ich Knast verdient, ich weiß. Aber trotzdem ist das nicht dasselbe, als hätte ich mich ohne diese Geschichte einfach an Prostituierten bereichert.

    Man muss da differenzieren. Ich war konditioniert, die Gewalt hat mich indoktriniert, für mich war das Realität. Ein Freier einer anderen, an der ich verdiente, war einer weniger für mich. Einmal weniger Lebensgefahr, einmal weniger die Gefahr, wie Schwester Ewa ein Messer in den Arsch zu bekommen. Denkt mal bitte nochmal nach über eure Beschämungen und die Scheiße, die ihr eigentlich verzapft, ich bin echt sauer.

    (c) Sabrina

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