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Die Basics, Teil 2

    Sprache ist etwas Merkwürdiges. Sie hilft uns, Dinge klar zu benennen, Konzepte abzugrenzen und eine gemeinsame Diskussionsbasis zu finden. Richtig eingesetzt, kann sie Brücken schlagen selbst zwischen den abgelegensten, voneinander entferntesten Positionen.

    Aber sie kann auch das Gegenteil erreichen. Wenn Sprache zu reinen rhetorischen Kampfmitteln verkümmert und Argumente vorrangig dazu aufgeführt werden, um inhaltsleere Worte anstelle der eigentlichen Debatte mit Bedeutung zu füllen. Ad absurdum geführt wird es dann, wenn wir uns nur noch unterschiedliche Begrifflichkeiten entgegenschreien – die eine ruft „Es heißt Bordellbetreibende!“ die andere „Das sind aber Zuhälter!“.

    Als „Bordellbetreibenden“ kann ich mir den freundlichen Nachbarn Peter vorstellen, der mehr oder weniger selbstständigen Frauen Räumlichkeiten bietet, damit diese ihrer Tätigkeit nachgehen können. Wenn ich über Missstände nachdenke, frage ich mich, ob Peter die Räumlichkeiten in Ordnung hält und vielleicht ab und zu auch mit den Frauen spricht.

    Denke ich an den „Zuhälter“ Peter, habe ich ein ganz anderes Bild. Der „Zuhälter“ Peter heißt wahrscheinlich gar nicht Peter, das ist nur ein Pseudonym. Von diesem Peter erwarte ich unechten Charme, um Frauen um den Finger zu wickeln, und dann Gewaltbereitschaft, um sie gefügig zu halten, sobald sie einmal für ihn arbeiten. Emotionale Kälte, sich jederzeit zu „nehmen was ihm gehört“. Wenn ich über Missstände nachdenke, denke ich an Ausbeutung, an Manipulation und Gewalt und Vergewaltigung, an Menschenhandel, Zwangsprostitution und an Minderjährige, denen Peter sagt, sie sollen behaupten sie seien 18. Außer bei manchen Kunden, denen sie ihr wahres Alter ruhig verraten dürfen – da sagt er dann vorher Bescheid.

    Der „Bordellbetreibende“ Peter ist der freundliche Nachbar, der „Zuhälter“ Peter ein grausamer Krimineller.

    An dieser Stelle schlürfen wir metaphorisch oder tatsächlich an unserem warmen Kaffee und atmen durch. Bevor wir uns in den nachfolgenden Teilen der Basics-Reihe mit inhaltlichen Argumenten auseinandersetzen, führen wir uns vor Augen, worüber wir überhaupt sprechen. So sprach-neutral wie möglich.

    Was passiert in der Prostitution, ganz allgemein gesprochen?

    Mindestens ein Mensch bezahlt dafür, mindestens eine sexuelle Handlung an mindestens einem weiteren Menschen vorzunehmen und/oder diese von diesem Menschen einzufordern. Manchmal wird das Geld direkt an die betroffene Person gezahlt und bleibt auch bei dieser Person, manchmal nimmt eine dritte Person Teile oder das gesamte Geld in Anspruch.

    Für jetzt belassen wir es bei dieser nüchternen Formulierung und schließen mit einigen Fragen ab:

    – Welche Menschenrechte spielen hier eine Rolle?

    – Was glaubst du selbst: Wieso bezahlt jemand für sexuelle Handlungen? Wieso lässt sich jemand bezahlen? Was motiviert dritte Personen, sich zu beteiligen?

    – Oben haben wir das Thema „Missstände“ ins Spiel gebracht. Wenn man sich diese nüchterne Formulierung anschaut, was Prostitution ist: Welche Missstände können vorherrschen? Wo können Grenzen überschritten werden, wo kann Gewalt ins Spiel kommen?

    – Was müsste umgekehrt gegeben sein, damit Prostitution für dich in Ordnung ist? Kannst du dir „gute“ Szenarien vorstellen und wenn ja, welche?

    – Wenn du (falls vorhanden) diese möglichen guten Szenarien mit den möglichen Missständen vergleichst, welche Gedanken und Emotionen löst das aus?

    Natürlich haben wir einen eigenen festen Standpunkt, wie wir diese Fragen beantworten. Ab dem nächsten Mal gehen wir daher auf unsere Argumente näher ein. Bis dahin bleibt Zeit zum Durchatmen, zum Reflektieren der eigenen Position und zum Bewusstmachen, was Worte in uns auslösen.

    Habt eine gute Woche!

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