Alle Artikel mit dem Schlagwort: Prostitution

Freundschaft in der Prostitution

Autorin: Marlene // Nach meiner Erfahrung gibt es wirkliche Freundschaft in der Prostitution kaum- denn man weiß nie, wem man wirklich vertrauen kann. Echten Zusammenhalt und Solidarität habe ich erst später nach meinem Ausstieg erfahren. Es kommt nicht selten vor, dass eine Frau von ihrem Zuhälter darauf angesetzt wird, eine andere auszuspionieren, sei es, um ihr selbst zu schaden, sie für ihn zu gewinnen, oder um dann an ihren Zuhälter zu berichten, ob sie ehrlich ist oder womöglich Geld unterschlägt- Gründe gibt es genug und kaum etwas ist im Milieu wichtiger, als Loyalität.Erschwerend kommt hinzu, dass man mit manchen Frauen gar nicht erst reden darf- etwa wenn man noch nicht weiß, wer “hinter ihr steht” oder die jeweiligen Zuhälter verfeindet sind. Dass die Frauen dann beide in dem gleichen Bordell sind, ist ohnehin sehr unwahrscheinlich, denn in der Regel ist das Revier gut abgesteckt, aber es kam vor, dass ich solche Redeverbote (Ja, kein Witz- selbst darüber, mit wem du sprechen darfst, kann dein Zuhälter bestimmen) miterlebt habe. Trotz allem hatte ich in meiner Zeit …

Weiterlesen ...

Freiheit

Autorin: Marlene // !!! Triggerwarnung – Sexuelle/körperliche Gewalt, explizite Sprache Du hast mich von Puff zu Puff geschickt. Du hast mir selbst das Geld, das ich eigentlich behalten durfte, weggenommen. Du hast mich körperlich und seelisch missbraucht, wie es dir gerade gepasst hat. Du hast mich in ein Wesen verwandelt, das ich selbst nicht mehr erkannte, das ich nicht sein wollte- nicht so sein wollte. Du hast mich belogen. Nie wusste ich, wo du bist, mit wem oder was du tust. Heute bin ich froh, dass ich nicht alles wusste, ich hatte schon so genug auszuhalten. Wegen dir musste ich es über mich ergehen lassen, dass mir ein Freier ins Gesicht kackt, immer wieder mit den widerlichsten Typen ins Bett zu gehen und ihre Fantasien zu erfüllen, ihren Schweiß und ihre Schuppen auf meinen Körper tropfen zu sehen, gegen AO-Freier anzukämpfen. Du selbst hast mich geschlagen, angespuckt, zu Sex gezwungen. Mehr als ein Jahr musste vergehen. Dann hast du mich eines Abends ausgelacht, weil du der Meinung warst, ich könnte sowieso nie von dir gehen. …

Weiterlesen ...

Vergewaltigung

Autorin: © Pani K. – Netzwerk Ella – Mai 2021 Alle wissen, was eine Vergewaltigung ist. Der Gesetzgeber sagt dazu: “(1) Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung)…” (2) Das ist ein entscheidender Faktor: Eindringen in den Körper. Was genau kommt hier in Betracht? Mund, Vagina, Anus, Harnröhre. Womit in den Körper eingedrungen wird, scheint zweitrangig – Finger, Faust, Penis, Dildo, Dilatator, Flasche – alles ist verwendbar. Damit wäre die objektive oder sachliche Ebene geklärt. Aber: Wie ist es mit der subjektiven Ebene? Was bedeutet Vergewaltigung für die Opfer – wie erleben und überleben sie das, was ihnen angetan wird und wurde? Ich kann nicht für andere sprechen – nur für mich. Und das will ich hier tun – subjektiv und persönlich. Denn eine Vergewaltigung ist immer persönlich – verdammt persönlich. Zuerst …

Weiterlesen ...

Freiwilligkeit und Folter

Autorin: Pani K. Freiwilligkeit in der Sexualität bedeutet: Die Zustimmung wird ohne Einfluss von Außen, wie Druck oder Belohnung, aus eigenem Antrieb gegeben und kann jederzeit ohne negative Folgen widerrufen werden. Sind wirtschaftliche oder soziale negative Folgen zu befürchten oder zu erwarten, ist Freiwilligkeit nicht mehr gegeben.Die Zustimmung muss vor der Handlung persönlich und ausdrücklich mitgeteilt und zur Kenntnis genommen werden. Sie muss während der Handlung fortbestehen und ist frei widerruflich. Die Zustimmung kann nicht nachträglich erteilt werden. Sie kann sowohl spezifisch (wer macht was und auf welche Weise) als auch bedingt sein (solange bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind, ist die Zustimmung unwirksam).Eine Zustimmung ist ungültig wenn: • die Person nicht einwilligungsfähig ist (Alkohol, Drogen, Schlaf etc),• ein Willensmangel vorliegt (Irrtum, arglistige Täuschung, Bestechung, Sittenwidrigkeit etc),• ein Wissensmangel vorliegt (Was wird passieren? Wie wird es passieren? Welche Folgen können eintreten?)• eine Notlage ausgenutzt wird (Obdachlosigkeit, Hunger, Geldmangel, Krankheit etc),• eine Nötigung vorliegt (Erpressung, Drohung, Einschüchterung etc – den Willen beugende Gewalt),• unmittelbarer Zwang vorliegt (Überwältigen, Einsperren, Fixieren, Betäuben etc – den Widerstand brechende Gewalt),• unveräußerliche Rechte …

Weiterlesen ...

Brief an die MinisterpräsidentInnen

Aktion Anker – Hilfe statt Strafen für Frauen in der Prostitution! Wir vom Netzwerk Ella verteilen und verschicken gerade Lebensmittelgutscheine an Frauen aus der Prostitution und haben darüber in den letzten Beiträgen berichtet. Diese Aktion läuft weiter und ist unglaublich wichtig, denn viele Betroffene werden derzeit nicht nur vom Staat im Stich gelassen, sondern ihre Notlage wird durch Bußgelder bis hin zu Haftstrafen aufgrund des coronabedingten Prostitutionsverbots noch weiter verschärft!Doch viele Frauen haben gar keine andere Wahl als weiter anzuschaffen um zu überleben. Oder, seit inzwischen gut einem Jahr, zusätzlich auch noch Bußgelder „abzuarbeiten“. Mit unserer Aktion Anker wollen wir nicht nur ganz direkt dort helfen, wo die Politik versagt, sondern auch dafür sorgen, dass sie nicht länger wegschaut und die Opfer des Systems Prostitution bestraft – statt die Täter und Profiteure.Deshalb versendeten wir heute Briefe an alle MinisterpräsidentInnen und fordern:Aufhebung der Strafen für Ausübung der Prostitution!Zumindest Berlin geht dort seit dem 30.05.2020 mit gutem Beispiel voran. Dort sind Menschen in der Prostitution seitdem entkriminalisiert und Bußgelder erhalten Freier und Betreiber. Das ist ein Schritt …

Weiterlesen ...

Was Medien mit dem Einstieg in die Prostitution zu tun haben

Autorin: Diana // Das hier ist mein erster Text für die Ella Seite, also bear with me.Ich versuche selten, mich mit dem Thema der Prostitution und meiner Geschichte damit zu beschäftigen. Weil es unangenehm ist. Aber manchmal ist es eben notwendig. Vor allem, wenn ich sehe, dass ich andere Frauen eventuell vor den Fehlern, die ich gemacht habe, schützen könnte. Oder warnen.  Ich habe und hatte einen sehr holprigen Lebensweg und hab schon früh mit psychischen Problemen gekämpft. Und diese Probleme wurden mehr und mehr zu meiner Fassade, Persönlichkeit. Ich wollte kaputt sein. Weil das war ja irgendwie cool. Ich bin den kleinsten Hindernissen aus dem Weg gegangen, hab mir eine Blase gebastelt. In dieser Blase stand die Welt still, ich war immer das Opfer, traumatisiert, drogensüchtig, krank. Es war die Hölle doch ich kannte mich aus. Ich war in Sicherheit.Und irgendwann hab ich mal ein Buch gelesen, darüber, dass eine junge Frau anschaffen geht um sich neben dem Studium ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Das hat mich angesprochen, denn genau so wollte ich sein: unkonventionell, kaputt, trotzdem irgendwie …

Weiterlesen ...

Über die Rolle der Organisationen von Überlebenden der Prostitution und Betroffenen in der abolitionistischen Bewegung

Können Sie sich eine “Black-lives-matter”-Bewegung vorstellen, in der weiße Menschen die führende Rolle übernehmen? Oder in der schwarze Menschen ausgeschlossen sind? Wir, das Netzwerk Ella, können und wollen das nicht. Eine politische Bewegung für Rechte und gegen Ausbeutung und Benachteiligung betroffener Personen kann nicht in “ihrem Namen” angeführt werden – und niemals ohne sie. Auch nicht die Bewegung für die Abschaffung der Prostitution.Aber genau diese unheilvolle Entwicklung findet seit einigen Jahren in der deutschen abolitionistischen Bewegung statt. Das ist nicht nur ein politischer Skandal, sondern ein fataler Fehler, der dazu führt, dass Abolition in Deutschland seit Februar 2014 nicht weiter gekommen ist, im Vergleich zu unseren Nachbarn in Frankreich. Wir schreiben das Jahr 2020. Seit Jahren kämpfen solidarische Abolitionistinnen zusammen mit Frauen aus der Prostitution dafür, dass Betroffene einbezogen werden und politische Entscheidungskompetenzen bekommen. Und genau dafür wurde das Netzwerk Ella gegründet: Damit Überlebende der Prostitution und Betroffene eine starke gemeinsame und unabhängige Stimme bekommen, eigene Forderungen stellen und politisch agieren können. Wir wollen Prostitution abschaffen, ohne gegen Frauen in der Prostitution vorzugehen! Wir, die Überlebenden und …

Weiterlesen ...

Forderungen des Netzwerks Ella

1. Aktuelle Forderungen in Bezug auf Corona-Pandemie:    1.1. Prostitution wird nicht bestraft. Bussgelder und Sperrbezirks-Verordnungen für Prostituiere werden ausgesetzt.   1.2. Sexkauf wird untersagt. Freier, auch “Empfänger der körpernahen Dienstleistungen” genannt, werden mit Bussgeld ab 1000 Euro bestraft und unter Quarantäne gestellt.   1.3. Frauen in der Prostitution werden als Risiko-Gruppe aufgefasst. Corona-Tests und andere medizinische Hilfen werden ihnen kostenlos angeboten.   1.4. Es werden Unterbringungs-Möglichkeiten geschaffen: Hotels, Ferienwohnungen und andere Optionen. Als Notunterkünfte können in Ausnahmefällen auch Prostitutions-Stätten genutzt werden, sofern sichergestellt werden kann, dass Freier und Zuhälter keinen Zutritt bekommen.   1.5. Notgeld und andere finanzielle Hilfen für Prostituierte werden gewährt, auch Fahrkarten für die Heimreise, falls erwünscht. Müttern in der Prostitution wird ausserdem finanzielle Hilfe für Versorgung ihrer Kinder angeboten.   1.6. Hilfe und Unterstützung bei drohender oder erlittener Gewalt, Bestrafung, Erpressung oder Zwang.   1.7. Hilfsangebote bei Substanz-Missbrauch und entsprechende Prävention. Hilfe bei Suizidalität und psychischen Problemen.   1.8. Geeignetes und geschultes Personal, möglichst keine männlichen Fachkräfte im Kontakt mit Frauen. Keine “Freier in Uniform” – Gefahr der Retraumatisierung und Reviktimisierung!   1.9. Gewaltfreie und konstruktive Kommunikation, Akzeptanz und Solidarität für …

Weiterlesen ...

Der massenhafte Einzelfall

Autorin: Ronja // Seit ich mich für das Nordische Modell engagiere und damit weit mehr Einzelschicksale in der Prostitution als sogar während meiner aktiven Zeit mitbekommen habe, verblüffen und verstören mich einige der Parallelen zwischen uns (Ex-)Betroffenen immer wieder und immer mehr. Und ihre Instrumentalisierung ebenso. Die pro-Prostitutions-Lobby grenzt sich natürlich ab von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Denn natürlich möchte das niemand unterstützen oder gar anpreisen und zumindest ein Teil der Freier legt ja sogar Wert auf die Illusion der Freiwilligkeit. Doch diese Unterscheidung in „Menschenhandelsopfer“ und „die frohe, freiwillige Hure“ – die ist schwierig. Wo beginnt denn Menschenhandel und Zwang? Nein, nicht erst bei einem abgenommenen Pass nach einer illegalen und gewalttätigen Verschleppung an den Ort, an dem eine Frau zur Prostitution gezwungen wird. Er liegt vor, wenn eine Frau von Bekannten oder gar Verwandten unter falschen Job-Versprechungen nach Deutschland „eingeladen“ wird, nur um dann vor der „Wahl“ Bordell oder Obdach- und Mittellosigkeit zu stehen, weil der Putzjob im Hotel gar nicht existiert. Er liegt vor, wenn der (vermeintliche) Partner eine Frau dazu nötigt und …

Weiterlesen ...

Die politischen Kämpfe und Überzeugungen der „Lobby“ und der AbolitionistInnen

Autorin: Sophie // Die Hurenbewegungen entstanden einst aus der Kritik an einer doppelmoralischen Gesellschaft, die einerseits in die Prostitution involviert ist, indem sie sie nutzt und auf sie baut, andererseits jedoch die in der Prostitution Tätigen für ihre Ausübung bestraft. Im Patriarchat wurde immer schon zwischen „Heiligen“ und „Huren“ unterschieden, von welchen die Heiligen diejenigen ehren- und schützenswerten Frauen sind, auf deren Unberührtheit der Ausdruck der Familienehre projiziert wird, die Huren hingegen sind das personifizierte Schandmal einer Gesellschaft. Jedoch wurden die „Huren“ von der katholischen Kirche und auch vorher im antiken Griechenland und Rom zwar stigmatisiert, aber geduldet. Bis zur Reformation gab es sogar Bischöfe, die selbst Bordelle betrieben, was man unter anderem durch ein Zitat vom heiligen Thomas von Aquin legitimierte, das besagt: „Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden“. Dass der Klerus jedoch nicht Bordelle betrieb, um die öffentliche Ordnung zu bewahren, sondern einfach das politische und wirtschaftliche Machtmonopol, das die Kirche innehatte, zur eigenen Bereicherung …

Weiterlesen ...