Alle Artikel mit dem Schlagwort: Sexarbeit

Feministischer Verrat

Autorin: Ljubow Kollontai Es gab mal eine Zeit, da wussten Feministinnen, dass Prostitution nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Dies hieß selbstverständlich nicht, dass man Prostituierte zu verachten hatte, sondern, dass die Institution der Prostitution an sich nicht mit den Idealen der Frauenbefreiung zu vereinbaren war. Denn: Es hat weder mit Befreiung noch mit Gleichberechtigung zu tun, Männern und ihren Orgasmen unter Zuhilfenahme von Frauenkörpern zu Diensten zu sein. Und jene Männer, die auf ihr Recht auf Prostitution pochen haben eines nicht verstanden: Sie verbauen sich selbst die Chance, für eine wirklich sexuell befreite Gesellschaft einzustehen – eine Gesellschaft, in der Sex dann stattfindet, wenn alle Beteiligten ihn hundertprozentig wollen und genießen. Und so ist irgendwann etwas Seltsames geschehen: Innerhalb von wenigen Jahrzehnten hat uns das Patriarchat davon überzeugt, dass Prostitution ein Job wie jeder andere ist und feministisches Empowerment darstellt. Der Stunt war genial: Kritik an der Prostitution selbst ist jetzt frauenfeindlich, denn Frauen hätten ja das Recht dazu, ihren Körper Männern zur Verfügung zu stellen! Durch Talkshows werden reihenweise glückliche Prostituierte gereicht. Was …

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OnlyFans: der moderne SMS-Chat?

Autorin: Ronja // Neulich habe ich auf VICE einen Artikel namens „Dieser Typ verdient als OnlyFans-Account-Manager mehrere 10.000 Euro im Monat“ gelesen und fühlte mich sofort unangenehm an meine 2,5 Jahre im SMS-Chat erinnert. Moment. Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen?OnlyFans, diese Plattform, auf der viele weibliche Nutzerinnen erotischen bis pornografischen Foto- und Video-Content gegen Zahlung von ihren „Fans“ veröffentlichen? Und SMS-Chat? Jüngere Lesende hier fragen sich vielleicht gar, was das überhaupt war…Deshalb folgt nun erst ein Blick in die Vergangenheit. Anfang 2006 bin ich in die Prostitution geraten und erst 2017 sollte mir der endgültige Ausstieg gelingen. Von Mitte 2006 bis Ende 2008 zählte aber auch noch etwas anderes als die Prostitution, wie man sie sich vorstellt, zu meinen Berührungspunkten mit all den schädlichen Arten, durch die Sex zur Ware/Dienstleistung erklärt wurde und wird: der SMS-Chat.Ich bin durch meinen damaligen Partner da reingeraten und für eine Weile war ich sogar selbst Betreiberin unseres Chats.Aber was ist/war denn jetzt ein SMS-Chat?Vor vielen Monden hatte noch nicht jeder (potentielle) Freier Flatrates und High Speed …

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Im Escort

Autorin: Eva // “Du bist aufgeschlossen, niveauvoll, selbstbewußt…? Interessiert an Glamour und einem unabhängigen, stilvollen Leben…? Hast gute Allgemeinbildung und Umgangsformen…?” “Ja, klar!” dachte ich mir als junge Frau in den 20ern rund um das neue Jahrtausend in Wien. Es war eine Aufbruchsstimmung.So werben nämlich Escortagenturen um Mädchen und Damen. Seit Jahrzehnten suggeriert uns die Gesellschaft der westlichen Welt, Erotikarbeit ist doch ganz etwas Normales, ein wichtiger Beruf, das älteste Gewerbe der Welt. Einfach toll, oder? Da können sich Frauen und natürlich auch Transgender und Callboys endlich ausleben. In der Realität sieht es dann doch ganz anders aus. Diies kann nur Jemand feststellen, der/die in der Szene war und sich den kritischen Blick bewahrt hat; den nüchternen Blick. Moment, nüchtern? Ah, da beginnt es schon…………..Als Escort ist Dein ständiger Begleiter …der Alkohol. Die Männer lieben es, mit Dir zu trinken; viele von ihnen trinken sehr viel (2-3 Flachen Wein) -täglich.Andere Aufputschmittel bekommt man auch sehr oft angeboten. Der Kunde/Freier will seine Freizeit mit der Escortdame so richtig geniessen, das gehört das für ihn dazu. Die …

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Über das wichtige Gespräch mit Betroffenen/Aussteigerinnen/Überlebenden und warum wir trotzdem oft nicht sprechen (können)…

Autorin: Ronja // Oft gibt es bei Veranstaltungen oder Texten von unseren großartigen Mitstreitenden für das Nordische Modell Fragen, manchmal gar Beschwerden à la: „Wenn Prostitution angeblich für viele Betroffene so schlimm ist, wieso sprechen/schreiben hier nur Menschen, die nie in der Prostitution waren? Daraus kann ja nur folgen, dass das NM gar nicht im Interesse der eigentlichen Menschen in der Prostitution wäre!“ Ich bin diese Haltung, die uns manchmal gar in Rechtfertigungszwang drücken will, so leid!Daher mal ein paar Worte dazu:Wir im Netzwerk Ella bemühen uns nach Kräften, über unsere Erfahrungen und Forderungen zu schreiben. Manchmal geben wir auch schriftliche Interviews. Einige von uns zeigen sogar auf Veranstaltungen oder für filmische Produktionen ihr Gesicht. ABER wir brauchen unsere engagierten und mutigen Mitstreiterinnen, die uns auch dann eine Stimme geben, wenn wir sie nicht haben können oder wollen. Denn viele Frauen, denen der Ausstieg gelingt, wollen all das aus guten Gründen hinter sich lassen. Manche haben inzwischen Familie und einen Beruf, weswegen sie sich erstens nicht öffentlich outen wollen/können und zweitens gar keine Zeit und …

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Pornographie und Prostitution

Autorin: Ronja // Es folgt ein langer Rundumschlag zum Thema Porno, der Verschränkung von Pornografie und Prostitution und vor allem der Problematik der „Teen“-suchenden Konsumenten und Freier. Ausgelöst wurde das Ganze durch eine private FB-Diskussion und ich möchte meinem lieben Freund ganz herzlich für seine unterstützende Haltung hinsichtlich dieses Postings danken. Triggerwarnung: Porno, Missbrauch von Minderjährigen, zum Teil explizite Sprache (die ich mir hier wirklich mal nicht verkneifen konnte) Neulich gab es in meinem privaten Umfeld eine Diskussion zur Porno-Kategorie „Teen“. Ein lieber Freund von mir hat dazu kritisch gepostet und zwei Männer kamen dann aber gleich mit Pseudo-Rechtfertigungen an. Von wegen: „Naja, aber das sind eh keine Teens und denen sieht man das ja eh auch an.“ (gleich noch diese Wertung reindrücken, gell, Mann kann’s ja…) Das hat mich auf die Palme gebracht, denn:Darum, ob die Darstellerin ja (bestenfalls!) gar kein Teenager mehr ist, geht es doch nicht mal nur!Sondern um die Kategorie!Wer „Teen“ sucht/schaut, sucht zumindest die Phantasie und die Szenen sind ja oft auch so konstruiert, dass diese Phantasie mehr als deutlich …

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Freiwilligkeit und Folter

Autorin: Pani K. Freiwilligkeit in der Sexualität bedeutet: Die Zustimmung wird ohne Einfluss von Außen, wie Druck oder Belohnung, aus eigenem Antrieb gegeben und kann jederzeit ohne negative Folgen widerrufen werden. Sind wirtschaftliche oder soziale negative Folgen zu befürchten oder zu erwarten, ist Freiwilligkeit nicht mehr gegeben.Die Zustimmung muss vor der Handlung persönlich und ausdrücklich mitgeteilt und zur Kenntnis genommen werden. Sie muss während der Handlung fortbestehen und ist frei widerruflich. Die Zustimmung kann nicht nachträglich erteilt werden. Sie kann sowohl spezifisch (wer macht was und auf welche Weise) als auch bedingt sein (solange bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind, ist die Zustimmung unwirksam).Eine Zustimmung ist ungültig wenn: • die Person nicht einwilligungsfähig ist (Alkohol, Drogen, Schlaf etc),• ein Willensmangel vorliegt (Irrtum, arglistige Täuschung, Bestechung, Sittenwidrigkeit etc),• ein Wissensmangel vorliegt (Was wird passieren? Wie wird es passieren? Welche Folgen können eintreten?)• eine Notlage ausgenutzt wird (Obdachlosigkeit, Hunger, Geldmangel, Krankheit etc),• eine Nötigung vorliegt (Erpressung, Drohung, Einschüchterung etc – den Willen beugende Gewalt),• unmittelbarer Zwang vorliegt (Überwältigen, Einsperren, Fixieren, Betäuben etc – den Widerstand brechende Gewalt),• unveräußerliche Rechte …

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Brief an die MinisterpräsidentInnen

Aktion Anker – Hilfe statt Strafen für Frauen in der Prostitution! Wir vom Netzwerk Ella verteilen und verschicken gerade Lebensmittelgutscheine an Frauen aus der Prostitution und haben darüber in den letzten Beiträgen berichtet. Diese Aktion läuft weiter und ist unglaublich wichtig, denn viele Betroffene werden derzeit nicht nur vom Staat im Stich gelassen, sondern ihre Notlage wird durch Bußgelder bis hin zu Haftstrafen aufgrund des coronabedingten Prostitutionsverbots noch weiter verschärft!Doch viele Frauen haben gar keine andere Wahl als weiter anzuschaffen um zu überleben. Oder, seit inzwischen gut einem Jahr, zusätzlich auch noch Bußgelder „abzuarbeiten“. Mit unserer Aktion Anker wollen wir nicht nur ganz direkt dort helfen, wo die Politik versagt, sondern auch dafür sorgen, dass sie nicht länger wegschaut und die Opfer des Systems Prostitution bestraft – statt die Täter und Profiteure.Deshalb versendeten wir heute Briefe an alle MinisterpräsidentInnen und fordern:Aufhebung der Strafen für Ausübung der Prostitution!Zumindest Berlin geht dort seit dem 30.05.2020 mit gutem Beispiel voran. Dort sind Menschen in der Prostitution seitdem entkriminalisiert und Bußgelder erhalten Freier und Betreiber. Das ist ein Schritt …

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Über die Rolle der Organisationen von Überlebenden der Prostitution und Betroffenen in der abolitionistischen Bewegung

Können Sie sich eine “Black-lives-matter”-Bewegung vorstellen, in der weiße Menschen die führende Rolle übernehmen? Oder in der schwarze Menschen ausgeschlossen sind? Wir, das Netzwerk Ella, können und wollen das nicht. Eine politische Bewegung für Rechte und gegen Ausbeutung und Benachteiligung betroffener Personen kann nicht in “ihrem Namen” angeführt werden – und niemals ohne sie. Auch nicht die Bewegung für die Abschaffung der Prostitution.Aber genau diese unheilvolle Entwicklung findet seit einigen Jahren in der deutschen abolitionistischen Bewegung statt. Das ist nicht nur ein politischer Skandal, sondern ein fataler Fehler, der dazu führt, dass Abolition in Deutschland seit Februar 2014 nicht weiter gekommen ist, im Vergleich zu unseren Nachbarn in Frankreich. Wir schreiben das Jahr 2020. Seit Jahren kämpfen solidarische Abolitionistinnen zusammen mit Frauen aus der Prostitution dafür, dass Betroffene einbezogen werden und politische Entscheidungskompetenzen bekommen. Und genau dafür wurde das Netzwerk Ella gegründet: Damit Überlebende der Prostitution und Betroffene eine starke gemeinsame und unabhängige Stimme bekommen, eigene Forderungen stellen und politisch agieren können. Wir wollen Prostitution abschaffen, ohne gegen Frauen in der Prostitution vorzugehen! Wir, die Überlebenden und …

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Der massenhafte Einzelfall

Autorin: Ronja // Seit ich mich für das Nordische Modell engagiere und damit weit mehr Einzelschicksale in der Prostitution als sogar während meiner aktiven Zeit mitbekommen habe, verblüffen und verstören mich einige der Parallelen zwischen uns (Ex-)Betroffenen immer wieder und immer mehr. Und ihre Instrumentalisierung ebenso. Die pro-Prostitutions-Lobby grenzt sich natürlich ab von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Denn natürlich möchte das niemand unterstützen oder gar anpreisen und zumindest ein Teil der Freier legt ja sogar Wert auf die Illusion der Freiwilligkeit. Doch diese Unterscheidung in „Menschenhandelsopfer“ und „die frohe, freiwillige Hure“ – die ist schwierig. Wo beginnt denn Menschenhandel und Zwang? Nein, nicht erst bei einem abgenommenen Pass nach einer illegalen und gewalttätigen Verschleppung an den Ort, an dem eine Frau zur Prostitution gezwungen wird. Er liegt vor, wenn eine Frau von Bekannten oder gar Verwandten unter falschen Job-Versprechungen nach Deutschland „eingeladen“ wird, nur um dann vor der „Wahl“ Bordell oder Obdach- und Mittellosigkeit zu stehen, weil der Putzjob im Hotel gar nicht existiert. Er liegt vor, wenn der (vermeintliche) Partner eine Frau dazu nötigt und …

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Die politischen Kämpfe und Überzeugungen der „Lobby“ und der AbolitionistInnen

Autorin: Sophie // Die Hurenbewegungen entstanden einst aus der Kritik an einer doppelmoralischen Gesellschaft, die einerseits in die Prostitution involviert ist, indem sie sie nutzt und auf sie baut, andererseits jedoch die in der Prostitution Tätigen für ihre Ausübung bestraft. Im Patriarchat wurde immer schon zwischen „Heiligen“ und „Huren“ unterschieden, von welchen die Heiligen diejenigen ehren- und schützenswerten Frauen sind, auf deren Unberührtheit der Ausdruck der Familienehre projiziert wird, die Huren hingegen sind das personifizierte Schandmal einer Gesellschaft. Jedoch wurden die „Huren“ von der katholischen Kirche und auch vorher im antiken Griechenland und Rom zwar stigmatisiert, aber geduldet. Bis zur Reformation gab es sogar Bischöfe, die selbst Bordelle betrieben, was man unter anderem durch ein Zitat vom heiligen Thomas von Aquin legitimierte, das besagt: „Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden“. Dass der Klerus jedoch nicht Bordelle betrieb, um die öffentliche Ordnung zu bewahren, sondern einfach das politische und wirtschaftliche Machtmonopol, das die Kirche innehatte, zur eigenen Bereicherung …

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