Alle Artikel mit dem Schlagwort: Nordisches Modell

Über das wichtige Gespräch mit Betroffenen/Aussteigerinnen/Überlebenden und warum wir trotzdem oft nicht sprechen (können)…

Autorin: Ronja // Oft gibt es bei Veranstaltungen oder Texten von unseren großartigen Mitstreitenden für das Nordische Modell Fragen, manchmal gar Beschwerden à la: „Wenn Prostitution angeblich für viele Betroffene so schlimm ist, wieso sprechen/schreiben hier nur Menschen, die nie in der Prostitution waren? Daraus kann ja nur folgen, dass das NM gar nicht im Interesse der eigentlichen Menschen in der Prostitution wäre!“ Ich bin diese Haltung, die uns manchmal gar in Rechtfertigungszwang drücken will, so leid!Daher mal ein paar Worte dazu:Wir im Netzwerk Ella bemühen uns nach Kräften, über unsere Erfahrungen und Forderungen zu schreiben. Manchmal geben wir auch schriftliche Interviews. Einige von uns zeigen sogar auf Veranstaltungen oder für filmische Produktionen ihr Gesicht. ABER wir brauchen unsere engagierten und mutigen Mitstreiterinnen, die uns auch dann eine Stimme geben, wenn wir sie nicht haben können oder wollen. Denn viele Frauen, denen der Ausstieg gelingt, wollen all das aus guten Gründen hinter sich lassen. Manche haben inzwischen Familie und einen Beruf, weswegen sie sich erstens nicht öffentlich outen wollen/können und zweitens gar keine Zeit und …

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Pornographie und Prostitution

Autorin: Ronja // Es folgt ein langer Rundumschlag zum Thema Porno, der Verschränkung von Pornografie und Prostitution und vor allem der Problematik der „Teen“-suchenden Konsumenten und Freier. Ausgelöst wurde das Ganze durch eine private FB-Diskussion und ich möchte meinem lieben Freund ganz herzlich für seine unterstützende Haltung hinsichtlich dieses Postings danken. Triggerwarnung: Porno, Missbrauch von Minderjährigen, zum Teil explizite Sprache (die ich mir hier wirklich mal nicht verkneifen konnte) Neulich gab es in meinem privaten Umfeld eine Diskussion zur Porno-Kategorie „Teen“. Ein lieber Freund von mir hat dazu kritisch gepostet und zwei Männer kamen dann aber gleich mit Pseudo-Rechtfertigungen an. Von wegen: „Naja, aber das sind eh keine Teens und denen sieht man das ja eh auch an.“ (gleich noch diese Wertung reindrücken, gell, Mann kann’s ja…) Das hat mich auf die Palme gebracht, denn:Darum, ob die Darstellerin ja (bestenfalls!) gar kein Teenager mehr ist, geht es doch nicht mal nur!Sondern um die Kategorie!Wer „Teen“ sucht/schaut, sucht zumindest die Phantasie und die Szenen sind ja oft auch so konstruiert, dass diese Phantasie mehr als deutlich …

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Warum hast du ihn nicht einfach angezeigt?!

Autorin: Marlene // …eine Frage, die mir häufig gestellt wird, wenn ich meine Geschichte erzähle.Aus der Prostitution kam ich dann meiner Schwester, der ich mich irgendwann, als es nicht mehr anders ging, anvertraute. Sie kam zu mir und holte mich ab. Ich war damals noch der Meinung, ich sollte noch ein paar Tage bleiben und arbeiten- das Geld hatte ja mein Zuhälter kassiert, der in diesem Moment nicht in der Stadt war. So wollte ich zumindest noch etwas für meine „Flucht“ zusammen kriegen. Natürlich ließ sie mich das nicht durchziehen und kam sofort zu mir, was das Beste war, was sie hätte tun können.Obwohl ich sie bat, nicht die Polizei einzuschalten, tat sie es. Wer den genaueren Verlauf vor Gericht nachlesen möchte, kann das gerne hier tun. Worüber ich heute schreiben möchte, sind die Gründe, wieso ich das nicht wollte und auch lange Zeit damit gehadert habe- gerade, weil ich darauf auch oft angesprochen werde.Ich hatte damals absolut kein Vertrauen in die Polizei. Zum Einen ist die im Milieu geradezu „der Feind“, mit dem man …

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Eine normale Beziehung führen nach Prostitutionserfahrung?

Autorin: Anna // Für mich kaum möglich. Ich bin seit 3 Jahren in der Prostitution. Immer wieder sage ich mir, dieses Mal ist es das letzte mal, wenn ich es mache. Und trotzdem kann ich heute immer noch nicht von mir behaupten, dass ich ausgestiegen bin. Die Prostitution war für mich zerstörend. Widerlich, primitiv, Abneigung – all das sind Wörter die ich mit ihr verbinde. Und trotzdem lerne ich hier etwas über Menschen. Während ich mich mit ihren Männern unterhalte, mit ihnen schlafe , lerne die Gründe wieso verheiratete Männer ihren Frauen fremdgehen – auch die von Männern die von sich behaupten sie wären glücklich verheiratet. Natürlich tun mir diese Frauen leid. Den Männern gegenüber empfinde ich Abneigung. Ich habe viele meiner Freier nach Gründen für ihren Betrug gefragt. Ich wollte es wissen, um es in meiner zukünftigen Beziehung zu verhindern. Sie nannten mir andere Gründe wie „meine Frau ist zu dick, ich finde sie unattraktiv.“ „wir sind uns beide zu alt, wie finden uns nicht mehr anziehend.“ „Hier kann ich junge attraktive Mädchen f*cken …

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Warum sind Freier Arschlöcher? -Teil 3:

Autorin: Marlene // Bereits vor einem Jahr kamen andere Ellas auf die Idee, im Rahmen einer Serie über ihre Erlebnisse mit Freiern zu schreiben.Von Anfang an war ich von der Idee begeistert, aber habe erst jetzt geschafft, die Worte zu finden. Hier ist meine Geschichte. Mit 20 lernte ich meinen Zuhälter kennen und geriet durch ihn schnell in dieses menschenverachtende System.Ich kam aus einer zerrütteten Familie, war es von meiner Mutter gewohnt, nur „Liebe“ zu bekommen, wenn ich dafür etwas geleistet hatte, lebte seit einem guten Jahr alleine und fühlte mich genau so- ohne Familie, ohne Bindungen. Für ihn war ich also leichte Beute, gutgläubig und leicht zu manipulieren. In meinen fast zwei Jahren in der Prostitution wanderte ich durch Bordelle, Saunaclubs und „Privathäuser“, machte Haus- und Hotelbesuche.Widerliche Begegnungen hatte ich überall.Begonnen im Saunaclub, wo damals die WM übertragen wurde und die Männergruppen in Scharen kamen. Es war das normalste für diese Männer, mit Kumpels oder Kollegen einen Ausflug in den Puff zu machen, dort die Fußballspiele zu sehen und in den Pausen oder danach …

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DANKE

Heute möchte ich euch mal kurz mit Liebe überschütten – und DANKE sagen. Ganz dick. Ihr seid einfach solche Schatzis.  Denn ihr habt geholfen, dass eine Frau, die sich aus Armut prostituiert hat und die deswegen im Gefängnis sitzt, dieses bald verlassen kann. Ich fasse mich kurz: Ihr erinnert euch an mein Posting vor einiger Zeit, in der es um eine 31-jährige Bulgarin ging, die in München verhaftet worden ist? Sie hatte keine Wohnung. Aber zwei Kinder. Sie kann weder lesen noch schreiben, und sie spricht sehr schlecht deutsch. Sie hat im Sperrbezirk rund um den Münchner Hauptbahnhof angeschafft – und wurde erwischt. Sie bekam ein Bußgeld, das sie nicht zahlen konnte, denn es war sehr viel Geld für eine Frau, die auf den Strich geht, damit sie und ihre Kinder was zu essen haben… Außerdem hatte sie sich mit einem Freier um Geld gestritten. Er bezichtigte sie des Diebstahls, das Gericht glaubte ihm. Dann kam Corona. Ihre Notlage verschärfte sich. Also ging sie wieder anschaffen. Obwohl Prostitution in der Zeit verboten war. Sie wurde …

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Freundschaft in der Prostitution

Autorin: Marlene // Nach meiner Erfahrung gibt es wirkliche Freundschaft in der Prostitution kaum- denn man weiß nie, wem man wirklich vertrauen kann. Echten Zusammenhalt und Solidarität habe ich erst später nach meinem Ausstieg erfahren. Es kommt nicht selten vor, dass eine Frau von ihrem Zuhälter darauf angesetzt wird, eine andere auszuspionieren, sei es, um ihr selbst zu schaden, sie für ihn zu gewinnen, oder um dann an ihren Zuhälter zu berichten, ob sie ehrlich ist oder womöglich Geld unterschlägt- Gründe gibt es genug und kaum etwas ist im Milieu wichtiger, als Loyalität.Erschwerend kommt hinzu, dass man mit manchen Frauen gar nicht erst reden darf- etwa wenn man noch nicht weiß, wer „hinter ihr steht“ oder die jeweiligen Zuhälter verfeindet sind. Dass die Frauen dann beide in dem gleichen Bordell sind, ist ohnehin sehr unwahrscheinlich, denn in der Regel ist das Revier gut abgesteckt, aber es kam vor, dass ich solche Redeverbote (Ja, kein Witz- selbst darüber, mit wem du sprechen darfst, kann dein Zuhälter bestimmen) miterlebt habe. Trotz allem hatte ich in meiner Zeit …

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Freiheit

Autorin: Marlene // !!! Triggerwarnung – Sexuelle/körperliche Gewalt, explizite Sprache Du hast mich von Puff zu Puff geschickt. Du hast mir selbst das Geld, das ich eigentlich behalten durfte, weggenommen. Du hast mich körperlich und seelisch missbraucht, wie es dir gerade gepasst hat. Du hast mich in ein Wesen verwandelt, das ich selbst nicht mehr erkannte, das ich nicht sein wollte- nicht so sein wollte. Du hast mich belogen. Nie wusste ich, wo du bist, mit wem oder was du tust. Heute bin ich froh, dass ich nicht alles wusste, ich hatte schon so genug auszuhalten. Wegen dir musste ich es über mich ergehen lassen, dass mir ein Freier ins Gesicht kackt, immer wieder mit den widerlichsten Typen ins Bett zu gehen und ihre Fantasien zu erfüllen, ihren Schweiß und ihre Schuppen auf meinen Körper tropfen zu sehen, gegen AO-Freier anzukämpfen. Du selbst hast mich geschlagen, angespuckt, zu Sex gezwungen. Mehr als ein Jahr musste vergehen. Dann hast du mich eines Abends ausgelacht, weil du der Meinung warst, ich könnte sowieso nie von dir gehen. …

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Vergewaltigung

Autorin: © Pani K. – Netzwerk Ella – Mai 2021 Alle wissen, was eine Vergewaltigung ist. Der Gesetzgeber sagt dazu: „(1) Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung)…“ (2) Das ist ein entscheidender Faktor: Eindringen in den Körper. Was genau kommt hier in Betracht? Mund, Vagina, Anus, Harnröhre. Womit in den Körper eingedrungen wird, scheint zweitrangig – Finger, Faust, Penis, Dildo, Dilatator, Flasche – alles ist verwendbar. Damit wäre die objektive oder sachliche Ebene geklärt. Aber: Wie ist es mit der subjektiven Ebene? Was bedeutet Vergewaltigung für die Opfer – wie erleben und überleben sie das, was ihnen angetan wird und wurde? Ich kann nicht für andere sprechen – nur für mich. Und das will ich hier tun – subjektiv und persönlich. Denn eine Vergewaltigung ist immer persönlich – verdammt persönlich. Zuerst …

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Freiwilligkeit und Folter

Autorin: Pani K. Freiwilligkeit in der Sexualität bedeutet: Die Zustimmung wird ohne Einfluss von Außen, wie Druck oder Belohnung, aus eigenem Antrieb gegeben und kann jederzeit ohne negative Folgen widerrufen werden. Sind wirtschaftliche oder soziale negative Folgen zu befürchten oder zu erwarten, ist Freiwilligkeit nicht mehr gegeben.Die Zustimmung muss vor der Handlung persönlich und ausdrücklich mitgeteilt und zur Kenntnis genommen werden. Sie muss während der Handlung fortbestehen und ist frei widerruflich. Die Zustimmung kann nicht nachträglich erteilt werden. Sie kann sowohl spezifisch (wer macht was und auf welche Weise) als auch bedingt sein (solange bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind, ist die Zustimmung unwirksam).Eine Zustimmung ist ungültig wenn: • die Person nicht einwilligungsfähig ist (Alkohol, Drogen, Schlaf etc),• ein Willensmangel vorliegt (Irrtum, arglistige Täuschung, Bestechung, Sittenwidrigkeit etc),• ein Wissensmangel vorliegt (Was wird passieren? Wie wird es passieren? Welche Folgen können eintreten?)• eine Notlage ausgenutzt wird (Obdachlosigkeit, Hunger, Geldmangel, Krankheit etc),• eine Nötigung vorliegt (Erpressung, Drohung, Einschüchterung etc – den Willen beugende Gewalt),• unmittelbarer Zwang vorliegt (Überwältigen, Einsperren, Fixieren, Betäuben etc – den Widerstand brechende Gewalt),• unveräußerliche Rechte …

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