Alle Artikel mit dem Schlagwort: Nordisches Modell

Brief an die MinisterpräsidentInnen

Aktion Anker – Hilfe statt Strafen für Frauen in der Prostitution! Wir vom Netzwerk Ella verteilen und verschicken gerade Lebensmittelgutscheine an Frauen aus der Prostitution und haben darüber in den letzten Beiträgen berichtet. Diese Aktion läuft weiter und ist unglaublich wichtig, denn viele Betroffene werden derzeit nicht nur vom Staat im Stich gelassen, sondern ihre Notlage wird durch Bußgelder bis hin zu Haftstrafen aufgrund des coronabedingten Prostitutionsverbots noch weiter verschärft!Doch viele Frauen haben gar keine andere Wahl als weiter anzuschaffen um zu überleben. Oder, seit inzwischen gut einem Jahr, zusätzlich auch noch Bußgelder „abzuarbeiten“. Mit unserer Aktion Anker wollen wir nicht nur ganz direkt dort helfen, wo die Politik versagt, sondern auch dafür sorgen, dass sie nicht länger wegschaut und die Opfer des Systems Prostitution bestraft – statt die Täter und Profiteure.Deshalb versendeten wir heute Briefe an alle MinisterpräsidentInnen und fordern:Aufhebung der Strafen für Ausübung der Prostitution!Zumindest Berlin geht dort seit dem 30.05.2020 mit gutem Beispiel voran. Dort sind Menschen in der Prostitution seitdem entkriminalisiert und Bußgelder erhalten Freier und Betreiber. Das ist ein Schritt …

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Was Medien mit dem Einstieg in die Prostitution zu tun haben

Autorin: Diana // Das hier ist mein erster Text für die Ella Seite, also bear with me.Ich versuche selten, mich mit dem Thema der Prostitution und meiner Geschichte damit zu beschäftigen. Weil es unangenehm ist. Aber manchmal ist es eben notwendig. Vor allem, wenn ich sehe, dass ich andere Frauen eventuell vor den Fehlern, die ich gemacht habe, schützen könnte. Oder warnen.  Ich habe und hatte einen sehr holprigen Lebensweg und hab schon früh mit psychischen Problemen gekämpft. Und diese Probleme wurden mehr und mehr zu meiner Fassade, Persönlichkeit. Ich wollte kaputt sein. Weil das war ja irgendwie cool. Ich bin den kleinsten Hindernissen aus dem Weg gegangen, hab mir eine Blase gebastelt. In dieser Blase stand die Welt still, ich war immer das Opfer, traumatisiert, drogensüchtig, krank. Es war die Hölle doch ich kannte mich aus. Ich war in Sicherheit.Und irgendwann hab ich mal ein Buch gelesen, darüber, dass eine junge Frau anschaffen geht um sich neben dem Studium ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Das hat mich angesprochen, denn genau so wollte ich sein: unkonventionell, kaputt, trotzdem irgendwie …

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Über die Rolle der Organisationen von Überlebenden der Prostitution und Betroffenen in der abolitionistischen Bewegung

Können Sie sich eine „Black-lives-matter“-Bewegung vorstellen, in der weiße Menschen die führende Rolle übernehmen? Oder in der schwarze Menschen ausgeschlossen sind? Wir, das Netzwerk Ella, können und wollen das nicht. Eine politische Bewegung für Rechte und gegen Ausbeutung und Benachteiligung betroffener Personen kann nicht in „ihrem Namen“ angeführt werden – und niemals ohne sie. Auch nicht die Bewegung für die Abschaffung der Prostitution.Aber genau diese unheilvolle Entwicklung findet seit einigen Jahren in der deutschen abolitionistischen Bewegung statt. Das ist nicht nur ein politischer Skandal, sondern ein fataler Fehler, der dazu führt, dass Abolition in Deutschland seit Februar 2014 nicht weiter gekommen ist, im Vergleich zu unseren Nachbarn in Frankreich. Wir schreiben das Jahr 2020. Seit Jahren kämpfen solidarische Abolitionistinnen zusammen mit Frauen aus der Prostitution dafür, dass Betroffene einbezogen werden und politische Entscheidungskompetenzen bekommen. Und genau dafür wurde das Netzwerk Ella gegründet: Damit Überlebende der Prostitution und Betroffene eine starke gemeinsame und unabhängige Stimme bekommen, eigene Forderungen stellen und politisch agieren können. Wir wollen Prostitution abschaffen, ohne gegen Frauen in der Prostitution vorzugehen! Wir, die Überlebenden und …

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Forderungen des Netzwerks Ella

1. Aktuelle Forderungen in Bezug auf Corona-Pandemie:    1.1. Prostitution wird nicht bestraft. Bussgelder und Sperrbezirks-Verordnungen für Prostituiere werden ausgesetzt.   1.2. Sexkauf wird untersagt. Freier, auch „Empfänger der körpernahen Dienstleistungen“ genannt, werden mit Bussgeld ab 1000 Euro bestraft und unter Quarantäne gestellt.   1.3. Frauen in der Prostitution werden als Risiko-Gruppe aufgefasst. Corona-Tests und andere medizinische Hilfen werden ihnen kostenlos angeboten.   1.4. Es werden Unterbringungs-Möglichkeiten geschaffen: Hotels, Ferienwohnungen und andere Optionen. Als Notunterkünfte können in Ausnahmefällen auch Prostitutions-Stätten genutzt werden, sofern sichergestellt werden kann, dass Freier und Zuhälter keinen Zutritt bekommen.   1.5. Notgeld und andere finanzielle Hilfen für Prostituierte werden gewährt, auch Fahrkarten für die Heimreise, falls erwünscht. Müttern in der Prostitution wird ausserdem finanzielle Hilfe für Versorgung ihrer Kinder angeboten.   1.6. Hilfe und Unterstützung bei drohender oder erlittener Gewalt, Bestrafung, Erpressung oder Zwang.   1.7. Hilfsangebote bei Substanz-Missbrauch und entsprechende Prävention. Hilfe bei Suizidalität und psychischen Problemen.   1.8. Geeignetes und geschultes Personal, möglichst keine männlichen Fachkräfte im Kontakt mit Frauen. Keine „Freier in Uniform“ – Gefahr der Retraumatisierung und Reviktimisierung!   1.9. Gewaltfreie und konstruktive Kommunikation, Akzeptanz und Solidarität für …

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Der massenhafte Einzelfall

Autorin: Ronja // Seit ich mich für das Nordische Modell engagiere und damit weit mehr Einzelschicksale in der Prostitution als sogar während meiner aktiven Zeit mitbekommen habe, verblüffen und verstören mich einige der Parallelen zwischen uns (Ex-)Betroffenen immer wieder und immer mehr. Und ihre Instrumentalisierung ebenso. Die pro-Prostitutions-Lobby grenzt sich natürlich ab von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Denn natürlich möchte das niemand unterstützen oder gar anpreisen und zumindest ein Teil der Freier legt ja sogar Wert auf die Illusion der Freiwilligkeit. Doch diese Unterscheidung in „Menschenhandelsopfer“ und „die frohe, freiwillige Hure“ – die ist schwierig. Wo beginnt denn Menschenhandel und Zwang? Nein, nicht erst bei einem abgenommenen Pass nach einer illegalen und gewalttätigen Verschleppung an den Ort, an dem eine Frau zur Prostitution gezwungen wird. Er liegt vor, wenn eine Frau von Bekannten oder gar Verwandten unter falschen Job-Versprechungen nach Deutschland „eingeladen“ wird, nur um dann vor der „Wahl“ Bordell oder Obdach- und Mittellosigkeit zu stehen, weil der Putzjob im Hotel gar nicht existiert. Er liegt vor, wenn der (vermeintliche) Partner eine Frau dazu nötigt und …

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Die politischen Kämpfe und Überzeugungen der „Lobby“ und der AbolitionistInnen

Autorin: Sophie // Die Hurenbewegungen entstanden einst aus der Kritik an einer doppelmoralischen Gesellschaft, die einerseits in die Prostitution involviert ist, indem sie sie nutzt und auf sie baut, andererseits jedoch die in der Prostitution Tätigen für ihre Ausübung bestraft. Im Patriarchat wurde immer schon zwischen „Heiligen“ und „Huren“ unterschieden, von welchen die Heiligen diejenigen ehren- und schützenswerten Frauen sind, auf deren Unberührtheit der Ausdruck der Familienehre projiziert wird, die Huren hingegen sind das personifizierte Schandmal einer Gesellschaft. Jedoch wurden die „Huren“ von der katholischen Kirche und auch vorher im antiken Griechenland und Rom zwar stigmatisiert, aber geduldet. Bis zur Reformation gab es sogar Bischöfe, die selbst Bordelle betrieben, was man unter anderem durch ein Zitat vom heiligen Thomas von Aquin legitimierte, das besagt: „Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden“. Dass der Klerus jedoch nicht Bordelle betrieb, um die öffentliche Ordnung zu bewahren, sondern einfach das politische und wirtschaftliche Machtmonopol, das die Kirche innehatte, zur eigenen Bereicherung …

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Warum sind Freier Arschlöcher? – Teil 2

Autorin: Ronja Ich bin im Herbst 2017 aus der Prostitution ausgestiegen, doch erst jetzt habe ich die Kraft und auch den Rückhalt, meine Erfahrungen ehrlich zu reflektieren und mich für das Netzwerk Ella zu engagieren. Da ich diese Serie wichtig finde, möchte ich in meinem ersten Text an die von Huschke und Sophie bereits verschriftlichen Antworten darauf, warum Freier Arschlöcher sind, anknüpfen. Meinen allerersten und für lange Zeit einzigen Freier hatte ich im Jahr 2006. Aufgewachsen in einem von Alkoholmissbrauch, Gewalt und Morddrohungen geprägtem Elternhaus brach ich kurz vorher das Abitur und den Kontakt zu meinen Eltern ab. Ich hatte bereits eine Traumafolgestörung, die mir aber erst Jahre später bewusst werden sollte, und vor allem Bulimie, die auch finanziellen Druck mit sich brachte. Auch wenn ich im Jahr 2006 schon 20 Jahre alt war, lag auch mein erstes Mal noch nicht lange zurück, denn, vermutlich aus Angst vor Männern, die mein Vater mein ganzes bisheriges Leben lang schürte, war ich eine sogenannte Spätzünderin. Mein erstes Mal fand noch vor Abbruch des Abiturs statt – mit …

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Ellas erklären, warum Freier Arschlöcher sind. Eine Serie über die Erfahrung in der Prostitution. Teil 1: Sophie

Autorin: Sophie // Warum sind Freier Arschlöcher? Vor kurzem hat Huschke Mau einen Auszug aus ihrem Text über Freier gepostet. Am selben Tag beim Einkaufen habe ich mir unabhängig davon Gedanken über Freier gemacht. Es ging mir nahe, dass sich Freier in der Facebookgruppe des Frankfurter Bahnhofsviertels darüber austauschen, wann sie wieder zu Prostituierten gehen werden und wie sie diese benutzen möchten. Diese Konversation erinnerte mich an meine eigene Zeit im Bahnhofsviertel und daran, dass es auch im Escort nicht wirklich besser war. Aus diesem Grund dachte ich mir, dass wir Frauen vom Netzwerk Ella ja zusammen einen Text oder mehrere erstellen könnten, in dem verschiedene Frauen von ihren Erfahrungen berichten, die sie mit Freiern gemacht haben. Und damit meine ich nicht nur die Horrorerlebnisse. Denn auch die Freier, die einen vermeintlich „gut“ behandeln, sind misogyne Wichser. Weshalb das so ist, wird deutlich, wenn man das Erzählte der politischen Analyse unterzieht. Dieser Bericht ist nun von mir, Sophie. Ich war von meinem 14.-22. Lebensjahr in der Prostitution. Anfangs prostituierte ich mich noch nicht in Vollzeit, …

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Ich habe mal gedacht, Prostitution wäre gut und super. Bis ich es selbst erlebt habe. Mein Einstieg

Autorin: Mary // Heutzutage liest man im Internet, sofern man in den richtigen, oder wohl eher falschen, Kreisen unterwegs ist, ein Haufen Zeug darüber, wie toll Prostitution ist. Dass es super ist, dass es solche Menschen gibt, dass es ein ganz normaler Job ist, wie auch Bäcker, Lehrer, Bauer oder irgendetwas anderes. Nur, dass es nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Dass man dafür sorgen muss, dass Prostituierte genauso als normal angesehen werden, wie andere Berufe. Dass sie genauso viel Respekt entgegengebracht bekommen.   Sex positivity, oder so, haben sie das genannt. Und ich stand auch total dahinter, damals. Als ich 16 war und nicht genug Geld hatte. Ich habe mir gedacht… Warum nicht? Es ist eine ganz normale Dienstleistung.   Warum ich nicht auch?   Es war auch viel zu einfach. Ich musste nicht mal suchen. Ich habe lediglich Bilder von mir in verschiedenen Facebook Gruppen hochgeladen und wollte am Anfang bloß Freunde finden, neue Kontakte knüpfen, die ähnliche, oder vielleicht sogar die gleichen Interessen hatten wie ich. Ich bekam einen Haufen Nachrichten. Viele davon einfach …

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Solidarität mit wem?

Autorin: Mimi // Die Polizei und Behörden sollen für prostituierte Frauen die erste Anlaufstelle sein- ob bei Problemen oder Beratungsansprüchen, der deutsche Staat garantiert den Frauen Schutz und Informationen. Soweit so gut. Wir als prostituierte Frauen, dass das nur bedingt der Wahrheit entspricht: Repressalien der Behörden sind an der Tagesordnung, der unterschwellige Generalverdacht zeigt sich bei fast jeder Kontrolle durch Finanzamt oder Polizei, ein leicht angewidertes Gesicht ist beim Betreten der Etablissements keine Seltenheit. Wir vom Netzwerk Ella kennen uns gut aus mit behördlichen Auflagen und Bestimmungen und jeder, der in der Bundesrepublik lebt, weiß wie groß bürokratische Hürden sein können. Wie schwer es ist, einen Brief vom Amt zu verstehen, wie schwer es ist, seine Rechte zu kennen, alles zu durchblicken und zur rechten Zeit richtig zu reagieren. Eine Vielzahl von Gesetzen ermöglicht oft kein spontanes Handeln- man braucht einen gewissen Durchblick. In anderen Ländern ist die Polizei ganz anders drauf: Korruption und Seilschaften geben sich die Klinke in die Hand. Auch die Bewohner der jeweiligen Länder haben Kenntnis darüber, und kooperieren aus Angst …

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