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Der Betroffenen-Bullshitter Rote Flaggen, die zeigen, dass du als von Prostitution Betroffene die Diskussion abbrechen kannst (und solltest)

    Es gibt eine ganz bestimmte Art von Menschen (meistens Männer), die mir in Diskussionen über Prostitution immer wieder begegnen, und deren Verhalten ich in diesem Text mal beschreiben will. Diese Menschen betreiben das, was ich „Betroffenen-Bullshitting“ nenne: Betroffene der Prostitution so lange zuzudiskutieren, bis einer heult. Und WER heult am Ende, ist von vornherein klar. Leider habe ich selbst viel zu oft erst mitten in der Diskussion gemerkt, an wen ich geraten bin bzw. dass etwas nicht stimmt. Da war das Kind dann meistens schon in den Brunnen gefallen und ich hatte mir meine Verletzung schon abgeholt. Da ich das schon öfter gesehen habe, dass diese Typen auf (ehemals) prostituierte Frauen anspringen – welche Muster da ineinandergreifen, das wäre mal einen eigenen Text wert, Stichwort: „toxische Personen / Narzissten treffen auf traumatisierte Frauen“ –, habe ich hier mal ein paar rote Flaggen gesammelt, die definitiv ein Anzeichen dafür sind, dass Du als (ehemals) prostituierte Frau die Diskussion verlassen kannst und solltest.

    Die erste und einzige Regel lautet: Diskussionen mit einem Betroffenen-Bullshitter bringen nie was. Nie. Diese Diskussionen fangen an, damit, dass:

    • Dein Gegenüber sich am Thema interessiert zeigt und mit Dir darüber reden möchte
    • Du vielleicht sogar leicht die Vermutung hast, diese Person könnte auf deiner Seite sein
    • Du die Person als offen und zugewandt erlebst
    • Die Person zugibt, keine Ahnung von Prostitution zu haben.

    Lass dich davon nicht einlullen. Das ist eine falsche Spur, auf der du noch immer stehen und dich fragen wirst, was schiefgelaufen ist, während dein Gegenüber in der Diskussion schon lange falsch abgebogen ist.

    Rote Flaggen, die dich darauf hinweisen, dass du die Diskussion beenden kannst und solltest, um heil rauszukommen, sind:

    weiterlesen auf www.huschkemau.de

    Wie ich in die Prostitution eingestiegen bin – und wie ich meine Illusionen verloren habe

      Autorin: Mimi //

       

      Meinen ersten Freier hatte ich mit Anfang 20. Ich hatte seit Jahren massive Probleme meine Sexualität auszuleben, aber fand keinen Zusammenhang zu den sexuellen Übergriffen in der Vergangenheit.

      Sex war für mich immer ein Leistungsfach, etwas, was ich zu erfüllen hatte, nicht nur ein bisschen, sondern ganz hervorragend. Das war mein eigener Anspruch gewesen. Mein erster Freund erpresste mich mit Liebesentzug, wenn ich mal keine Lust hatte. Also hatte ich immer Lust. Er wusste, dass ich es nicht aushalte, wenn er mich ignorierte und tagelang links liegen lies, wenn ich mal wieder nicht mit ihm schlafen wollte. Warum ich ihn nicht verließ? Diese Logik war mir einfach nicht vorhanden. Er kümmerte sich doch um mich, er kochte mir Kaffee, er nahm mich mit zu Freunden, er schien sich irgendwie für mich zu interessieren. Vorausgesetzt, ich war mit ihm vorher im Bett gewesen. Ich war abhängig von ihm und nicht in der Lage mein eigenes Leid zu beenden.
      Als ich fortzog von zuhaus, zum Studium, war mein Leben schon ein viel besseres geworden. Ich schöpfte neuen Mut, freute mich am Lernen und versuchte sogar, ein wenig eine normale Studentin zu werden, mit WG- Zimmer und BaföG. Ich arbeitete auch, doch für Sonderausgaben wie beispielsweise für die geforderten Exkursionsfahrten, schaffte ich es trotz Nebenjob nicht, derartige Summen aufzubringen. Da mein Sexleben brach lag, und ich nichts anrüchiges daran fand, beschloss ich, meinen Körper zu verkaufen. Geld stinkt schließlich nicht, und so schlimm kann es auch nicht sein. Dachte ich.

      Über die sozialen Netzwerke traf ich auf einen jungen Mann, nicht viel älter als ich, erfolgreich im Beruf, aber nicht wirklich mein Typ. Er fand mich sexy und bot mir an, gegen eine kleine Gefälligkeit meine Geldsorgen zu minimieren. Wir verabredeten uns und ich ging zu ihm. Ich war ja so naiv. Ich hatte weder jemandem vorher bescheid gegeben,  noch eine Ahnung wie man sich bei Hausbesuchen schützt, noch wie man vorher richtig verhandelt. Was ich erlebte war ein Martyrium. Bereits im Hausflur griff er mir ins Haar und zerrte mich durch den Flur. Seine sexuellen Handlungen schloss er ab, indem er mir ins Gesicht ejakulierte und mich ein „braves Mädchen“ nannte. Ich bekam mein Geld und ging. Ich habe seitdem nie wieder allein die Wohnung eines Mannes betreten und bekomme immer noch Panikattacken, wenn bei einer ärztlichen Untersuchung nicht sofort eine Schwester im Raum ist. Die Übertragung der Angstgefühle geschieht vollkommen unwillkürlich und ohne erkennbaren Zusammenhang. Jeder Mann könnte der nächste Täter sein.
      Jahre später, ich war einige Jahre im Beruf, wurde ich arbeitslos. Mein Leben zeichnete sich durch instabile Partnerschaften und anstrengende Berufsjahre aus. Ich war oft für wenig Geld angestellt gewesen, war ich doch oft froh, überhaupt Arbeit in meiner Branche gefunden zu haben. Als der Bescheid des Arbeitsamtes ins Haus kam, war ich vor Schock wie gelähmt. Das Arbeitslosengeld 1, welches mir für ein halbes Jahr zugesagt wurde, war viel zu gering, ich konnte gerade so meine Fixkosten decken, aber nicht weiteres, und schon gar nicht konnte ich mein Kind ernähren. Ich bekam Panik. Für den langen Behördenweg mit Wohngeldbeantragung etc. fehlte mir einfach die Zeit, denn die Bearbeitung dauert in unserer Gemeinde gern sehr lang und ich hatte einfach keine großen Ersparnisse. Ich entschied mich also für das schnelle Geld und meldete mich im nächstgelegensten Bordell an.

      So wurde ich Vollzeithure und legte meine Kommunikation mit dem Amt lahm. Ich hasse es, vom Amt abhängig zu sein, ich hatte sooft schon schlechte Erfahrungen gesammelt, unschlüssige Verwaltungsakte, Entscheidungen und manchmal mündliche Zusagen und schriftliche Absagen, ich wollte mich nicht mehr auf diese Menschen verlassen. Ich brauchte etwas Sicheres, und was ist sicherer als dass Männer Sex kaufen. Es war mir anfangs ein leichtes, Tag ein und Tag aus arbeitete ich, 3, 5, 10 Freier am Tag, kein Problem. Ich war eine selbstbestimmte Prostituierte, die ja schließlich keinerlei Probleme mit dem Job hatte- ja nur die Gesellschaft hatte schließlich ein Problem mit diesem! Das war allgemein Konsens im Bordell und ich wiederholte mantraartig diese und andere befürwortende Phrasen, wie auswendiggelernt, als wollte und sollte man das auch so sagen und empfinden.
      Anfangs wollte ich das nur für ein paar Wochen machen, doch es wurden Jahre daraus. Als ich mich in eine Wohnung eingemietet hatte, die das Wort Wohnung nicht wirklich verdiente, denn es war eher ein Dreckloch gewesen (wie fast alle Wohnungen für Prostituierte), um auf einem Wochentermin mal richtig Geld zu verdienen, brach ich das erste Mal zusammen. Ich lag in diesem Bett, indem vorher massig Frauen und Männer Sex gehabt hatten, in einem Bett, das vor Traurigkeit und Verzweiflung triefte, an einem Ort, dessen Grauenhaftigkeit kaum zu beschreiben war. Wieviele Frauen wurden hier schon für Geld missbraucht? Wieviele Träume starben hier? Wieviele Schmerzen wurden hier ertragen? Wieviel Schmerz konnte ich ertragen? Ich lag bewegungslos in diesem Bett, allein und einsam, und ich dachte, wie könnte ich es jemals schaffen, aus diesem trostlosen Loch zu entfliehen, zu vergessen, was war, ein Mensch zu werden, der glücklich ist? Ich war ratlos. Und ich konnte nicht mehr. Als sich der Zuhälter dieser Bruchbude ankündigte, um mich „kennenzulernen“, brach ich den Termin ab, hatte einen Haufen Geld zum Fenster herausgeworfen, war vollkommen erschöpft und aufgelöst und konnte mich nicht mehr regen.

      Ich raffte all meine letzte Kraft zusammen suchte mir einen kleinen Job, einen, den ich mir zutraute, den ich mir noch vorstellen konnte und reduzierte meine Bordelltage drastisch. Von einer stolzen, selbstbestimmten Prostituierten war genau nichts mehr übrig. Mir war klar, dass ich den Absprung schaffen musste. Dass es sonst nie wieder gut wird, sondern nur noch schlechter. Und dass es wie eine Sucht ist. Etwas, was man nie im Leben ganz vergessen wird, aber auch etwas, mit dem man umgehen lernen kann. Ich befinde mich gerade auf der Zielgeraden zum Ausstieg. Ich zähle die Tage bis ich endlich ganz aufhören kann, ich konnte ein wenig Kraft schöpfen und das erste Mal in einer Therapie Vertrauen aufbauen, ohne dass ich etwas dafür entgegenbringen muss. Ich bin sehr optimistisch, dass ich all das bald zur Gänze hinter mir lassen kann und ich hoffe, dass ich niemals mehr den Weg zurückgehen muss, weil Umstände mich dazu zwingen. Seien es meine eigenen inneren Mechanismen oder äußere Umstände. Der Ausstieg kostet sehr viel Kraft und wäre ohne die Hilfe anderer Frauen (und auch wenigen Männern!) nicht auszudenken. Diese Hilfe geschieht auf freiwilliger Basis, in der Freizeit, im Ehrenamt, selten gut bezahlt. Der Staat hat „für uns“ nichts übrig, denn außer ständige Kontrollen im Bordell, auf der Suche nach weiteren Steuereinnahmequellen*, kann man nichts erwarten.  Ich wünsche mir, dass jede Frau, die hinaus will aus dem Kreislauf der Anschafferei, die Chance bekommt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. „Sexindustry kills“las ich neulich im Netz, und das stimmt in sovieler Hinsicht. Die Gesellschaft muss aufhören, dieses leise Sterben zu tolerieren. Jeder sollte sich Fragen, ob er diese Zustände in einer aufgeklärten Gesellschaft haben möchte. Ich für meinen Teil kann dies aus Erfahrung nur verneinen.

      * In einigen Gemeinden ist es üblich, dass Prostituierte eine Vergnügungssteuer zahlen- 6 Euro am Tag. Das ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten, denn es gibt wohl nur wenige Prostituierte, die sich im Job amüsieren.

      Prostitution und Scham

        Autorin: Mimi //

         

        Viele Frauen, denen ich in der Prostitution begegnet bin, haben Probleme, das Leben außerhalb zu bewerkstelligen.
        Das klingt im ersten Moment nicht positiv, doch so ist es nichtmal gemeint. Gemeint ist eher, dass wir Frauen  essentielle Erfahrungen, unseren Selbstwert betreffend, einfach nicht gemacht haben.
        Vielen ist gemein, dass sie aus schwierigen Elternhäusern und Heimen kommen, Gewalt und Missbrauch erlebt haben. Die Aufarbeitung wurden ihnen lange Jahre verwehrt und die Überlebensmechanismen erschweren einen Zugang zu traumatischen Erfahrungen.
        Doch was hält die Frauen dann in einem System, was ihnen offenkundig mehr schadet denn nützt? Diese Frage lässt sich nicht leicht beantworten und ist immer ein Mix aus indivuellen Entscheidungen und Prozessen. Neben den zahlreichen Varianten der erfahrenen Gewalt in der Vergangenheit und Gegenwart, sowie destruktiven  Beziehungserfahrungen, Lebensproblemen und Geldmangel, ist in vielen Fällen auch ein fehlender Selbstwert ein Faktor, weiterhin anzuschaffen als auszusteigen.
        Als ich ein kleines Mädchen war, war ich ängstlich und unselbständig. Ich hatte vor allem Angst. Vor der Kita, vor anderen Kindern, auch Angst, den Anforderungen nicht zu genügen. Man hatte mir daheim eingebläut, dass nur ein braves, stilles und angepasstes Kind, welches niemals Ärger macht, ein Gutes ist.
        Ich heulte fortan in fast jeder Unterrichtsstunde der Klassen 1 und 2, und da, wo möglicherweise heute Menschen eingreifen würden, weil sie das Verhalten einfach nicht normal fänden, schaute bei mir einfach jeder weg. Gefühlt war ich allein mit meiner großen Lebensangst.
        Daheim herrschte diese Angst fort. Nie war absehbar, wie die Eltern drauf sind. Gut oder schlecht, Schläge oder nicht, das war unvorhersehbar und niemals kalkulierbar.
        Ich war in meiner Kindheit recht pummelig, was meinen Klassenkameraden genügend Anlass für Spott und Häme gab und mich noch weiter beschämen lies.
        Scham, das war mein bekanntes, heimeliges Gefühl. Ich schämte mich einfach für alles. Für meinen Körper, mein Aussehen an sich,  meine mindere Intelligenz, meine Unsportlichkeit und dergleichen mehr. Ja, es war gefühlt nichts was ich wirklich konnte. Zuhause war es nicht möglich, gut genug zu sein. Denn selbst ein gutes Zeugnis war nicht gut genug, denn meine Mutter fand sofort etwas, was ihr an mir einfach nicht passte. Hatte ich eine eins in der Schule, so war ich eben nachmittags die faule Brut, die einfach nichts konnte und nie was richtig machte. Ich konnte einfach nichts.
        Dieses Schamgefühl begleitet mich seither. Ich werde gelobt? Sicher aus Mitleid. Mir gelingt etwas? Zufall!
        Und genauso verhält es sich in der Prostitution. Die Scham, die über dem „Job“ der Hure liegt, ist eine genausolche, die ich sonst im Leben empfinde. Es ist halt einfach nur ein weiterer Bereich, den ich verstecken muss, der einen sonst bloßstellt und hilflos macht. Ja, der anderen Grund gibt zur Attacke. Daher schweigen viele, peinlich berührt. Oder das Schweigen wird ins schiere Gegenteil verkehrt, die Scham überzeichnet durch agressives Werben, ja nahezu mit Schamlosigkeit für die Prostitution einstehend. Doch Schamlosigkeit ist nicht zu vergleichen mit einer gesunden Schamfreiheit. Beides ist in der Prostitutiuon nicht zu erreichen.
        Da es allen anschaffenden Damen irgendwie ähnlich geht, man im selben Boot sitzt, dieselben Wunden hat und dieselben Gesprächsthemen, entsteht ein sehr familiäres Klima. Mal von ein paar Ausnahmen abgesehen, empfand ich das Dasein im Bordell immer sehr familiär, nahezu heimisch. In diesen Kreisen musste man sich nicht schämen, nein, man war jemand. Allen ging es ja ähnlich, wovor sich eigentlich schämen? Nein, ich schämte mich nie, und der Zuspruch der anderen tat mir gut. Ich erfuhr in der Prostitution das, was ich nie zuvor erfahren hatte: einfaches angenommensein.
        Natürlich ist das eine Falle. Denn wenn man es sich in der scheinheiligen Welt der Bordelle bequem macht, sie zu seiner Familie ernennt und fortan jeglichen Fokus darauf richtet, schwimmt die Welt mit jedem Tag weiter weg. Die Welt, zu der Menschen gehören, die nicht ihren Wert missachten und die ein Leben führen jenseits von Gewalt und Qual. Doch das erkannte ich anfänglich nicht. Ich dachte, ich sei angekommen, zuhause in einer schrägen Parallelwelt, doch das war ich gewohnt. Die echte, die „normale“ Welt, die machte mir so zu schaffen. Ich fühlte mich immer seltsam und schaffte nie, mich richtig zu integrieren. Für solche Frauen wie mich, sind Zuhälter(innen)* ein gefundenes Fressen.
        Sehr leicht lassen sich Frauen mit Minderwertigkeitsgefühlen in der Prostitution nieder. Denn ohne Erkenntnis über den eigenen Wert und den Wert der eigenen Grenzen, sind diese Frauen, mich eingeschlossen, sehr empfänglich für derartige Parallelwelten. Hier wird ihnen das Gefühl gegeben, etwas Wert zu sein, nämlich das, was der Freier bereit ist zu zahlen. Wieoft habe ich interne Wettstreits erlebt, werd die meisten Männer pro Tag schafft und wer die extremsten Services anbietet. Das freut den Betreiber und das freut einen erstmal auch selbst.
        Bis zu dem Tag, andem man erkennt, dass man einer Scheinwelt aufgesessen ist. Und der Weg daraus eine Ochsentour mit vielen Rückschlägen und Verlusten ist. Denn man muss sich lösen von dieser großen Lebenslüge, die einen begleitet hat. Man muss sich loslösen von alten Denkstrukturen. Man muss sich selbst eingestehen, dass man nicht abhängig sein MUSS, sondern einen eigenen Wert hat, und dass man diesen pflegen und schützen muss.
        Dieser Weg ist sehr sehr schwer. Jahrzehntelange Mechnismen müssen neu gedacht, neu gelernt und eingepflegt werden. Das ist mühsam. Doch der Weg lohnt sich. Ich wünsche mir, dass alle Frauen die Möglichkeit bekommen, ihren Wert kennenzulernen, ohne dass ein Mann einen Geldschein auf sie legt. Dass sie wissen, dass sie nicht dienen müssen, sich nicht kleinmachen müssen, dass sie mehr sind als eine Sexmaschine. Dass es auch außerhalb des Bordells und des Rotlichts Freunde gibt, Menschen, die einem Halt geben, die mit einem alles durchstehen. Dass niewieder eine Frau ihren Wert in der Prostitution suchen muss. Ich wünsche mir, dass bereits Mädchen nicht zu kleinen braven Zuhörerinnen erzogen werden, sondern ihnen begreiflich gemacht wird, dass sie wertvoll sind und niemandem gefallen müssen.
        Und ich wünsche mir, dass die Scham, die ich erlebe, irgendwann nicht mehr mich trifft, sondern dass Männer sich schämen, die Frauen kaufen. Dass es ein beschämendes Verhalten ist, eine Frau zu gebrauchen, zu kaufen, als wäre sie ein beliebiges Stück Fleisch. Dass es schlimm ist, wie Frauen in Foren bewertet werden. Ich wünsche mir, dass nicht die Frauen sich schämen, die sich aus Not oder aus Gründen ihrer Vergangenheit anschaffen, sondern ausschließlich Männer und Frauen, die von diesem Umstand profitieren. Betreiber(innen) gehören mit dazuzu. Ein Gesellschaftliches Umdenken ist hier nötig, um Prostitution und seine Mechanismen zu schwächen und sie gänzlich ganz auszulöschen.

        *Betreiberinnen und Betreiber von Bordellen, Clubs etc…Zuhälterei ist zwar offiziell verboten, Strukturen bestehen aber nach wie vor in Größenordnungen und wurden umbenannt

        (c) Mimi 2017

        Wie wäre das mit Liebe, Lust und Leidenschaft? Rollen, Identität & Prostitution

          Autorin: Mimi //

          Jeden Morgen, wenn ich aufwache, stelle ich nach einer kurzen Zeit der Entspannung fest, dass sich all die guten und schlechten Geschehenisse wie Popups ins Gedächtnis drängen.
          Ähnlich wie bei einem Computer, der hochfährt und alle Programme und Termine lädt, meldet auch mein Kopf zahlreiche Informationen. Viele von ihnen, so wünschte ich, würden niemals mehr auf meinen inneren Desktop springen, aber leider ist es nicht möglich, die Dinge einfach im Archiv zu belassen.
          Als ich eine junges Mädchen war, so vorpubertär, da dachte ich vieles von Liebe und Leidenschaft und all diesen Dingen. Wie es wohl sein würde, wie es sich anfühlen würde.
          Doch leider konnte ich diese Erfahrung niemals sammeln, wie es gewesen wäre, wenn ich mein eigenes Tempo hätte gehen können. Denn dazu kam es einfach nicht.
          Schon als Kind wurde ich konditioniert auf Befehslgehorsam, stillsein, aushalten, unsichtbar sein und immer immer lieb und nett und brav. Ich befolgte. Mich selbst zu spüren kam kaum in Frage, denn mein Überleben hing von meinem Verstecken ab.
          Das Verstecken gewohnt, war es gewalttätigen Menschen möglich, ihre Taten unentdeckt an mir vollziehen zu können.
          Eine selbst und langsam entdeckte Sexualität? Nicht machbar. Zerstört von einem Mann, dessen Macht und Perversion wichtiger für ihn umzusetzen war, als meine eigene Unversehrtheit zu wahren. Dieses Ereignis zieht sich wie ein roter Faden durch mein sexuelles Erleben, wenn es das Wort überhaupt verdient, denn ich erlebe eigentlich kaum etwas, ich halte entweder aus oder ich bin gedanklich nicht mehr anwesend.
          Meine Beziehungen zu Männern waren durchweg von Gewalt und Qual geprägt. Oftmals fand alles sehr subtil statt, ich wurde erpresst, bedroht, gegaslightet, missbraucht, alle Verantwortung übertragen und schlussendlich war ich nie mehr als eine Pornodarstellerin im Kopf der Männer.
          „Tu dies, mach jenes, dreh dich um, guck mehr so als ob es geil ist, tut dir das weh? ja das ist geil, Gott ich wusste immer dass du eine verdorbene Hure bist“.
          Wenn man sich diese Sätze in sensiblen Phasen des Lebens anhören muss, und man sich selbst nichts wert ist, weil das Leben nur aus Anpassung und Abducken besteht, dann fühlt man sich irgendwie auch dennoch nach einem Menschen, einem degradierten Menschen zwar, einem Stück Fleisch, einem Altherrentraum, aber immerhin, man IST jemand. Man ist eine verdorbene Hure, eine, die jegliche Wünsche erfüllt, eine, die einfach alles mitmacht. Als Kind denkt man, man ist irgendwie besonders, weil man so gelobt wird. Das ist ja scheinbar nicht allzuhäufig. Und später, wenn man weiß, dass man dich missbraucht hat, dann denkst du es immernoch, weil du als Prostituierte wirklich einen ähnlichen Status innehast, man hört die gleichen Sätze von anderen Männern, die dasselbe tun aber es ok finden, denn man ist ja erwachsen und es gab dafür auch Geld.
          Ich habe viel zu spät und in der Prostitution entdeckt, dass meine eigens geglaubte Sexualität, gar nicht meine ist. Ich bin abhängig. Abhängig vom Urteil der Männer, abhängig vom Wollen der Männer, von ihren Wünschen, von ihren Phantasien.
          Ohne sie bin ich nichts. Ich weiß nicht, wie sich Sexualität anfühlt, wenn man selbst bei sich ist, in einem guten Kontakt zur eigenen Person.
          Die Frage, die mich sooft umtreibt, nämlich: „wer bin ich?“ gilt ebenso für all meine sexuellen Bereiche. Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.
          Also warte ich auf Befehle, wie ich mich zu geben habe, was ich tun soll, ich warte mein ganzes Leben lang nur auf andere, was sie wollen, wünschen und träumen.
          Nichts passt da besser, als der „Beruf“ der Hure. Wo sonst kann man gleichzeitig sein und sterben? Sein, weil man erfüllt, ausfüllt, weil man jemand ist, der etwas gut macht. Und sterben, weil man mit jedem Freier, mit jeder weiteren Gewalt, soweit davon abrückt, jemals zu sein. Im eigentlichen wie auch sexuellen Sinne.
          Es geht soweit, dass man sich selbst nicht mehr spüren kann. Wieoft habe ich gesehen, dass meine Hand über den Rücken eines Freiers glitt, und ich fragte mich, wessen Hand das wohl gerade sei, als ich merkte, dass diese zu mir gehörte.
          Der Weg zu einer eigenen Sexualität führt demnach nur über ein eigenes Bewusstsein. Ohne eigenen Wert, ohne eigene Empfindungen, kann das niemals geschehen.
          Und obwohl ich keine Ahnung habe, wie dieses Sein auszusehen hat, da lediglich Schmerz mein derzeitiges Leben bestimmt, so hoffe ich, dass ich, im guten Kontakt mit mir selbst, eines Tages dieses Wissen haben werde. Dass ich nicht mehr sein muss, um zu dienen, um anderen eine Projektionsfläche sein zu können. Nein, dass ich bin, wie ich bin, und dass es gut so ist.

           

          (c) Mimi, 2017

          Von der schwierigen Beziehung zu Männern und davon, wie sich Privatbeziehungen und Prostitution vermischen

            Autorin: Hilde //

             

            Ich habe bereits mehrfach im Ellaforum von schwierigen Beziehungen zu Männern gelesen.
            Und es ist schwierig – weil ich drum weiß, wie das System mit der Anziehung funktioniert.
            Und auch ich meinen Weg gegangen bin und noch gehe.

            Aber hin und wieder tut es mir weh, was ich hier lese und es tut mir Leid.
            Ich bin betroffen und es schmerzt.
            Und weiß doch, jede von uns muß ihren eigenen Weg gehen. Durch jedes einzelne Tal und jeden Schmerz.

            Und sowieso bin ja auch ich längst noch nicht angekommen; heil…
            Auch ich selbst renne noch gegen mehr als zu viele Wände und muß noch lernen.

            Meinen ersten Mann lernte ich kennen mit 16.
            Gerade raus aus dem langjährigen und dauerhaften Mißbrauch im Elternhaus hielt ich Gewalt für normal.
            Mein (1.) Mann kam aus einer Trinkerfamilie. Die Mutter war gestorben, als er 12 war und er vermutete, der Vater habe die Mutter in den Tod getrieben.
            Auch er kannte nur Gewalt.
            Wir waren 2 Menschen, die keine Ahnung von Liebe hatten.

            Mein Kind gebar ich ihm, weil er dies von mir verlangte.

            Mein Mann zwang mich damals mit Drohungen und Gewalt in die Prostitution.
            Er wichste sich eins vor unserer Schlafzimmertüre während die Freier mich fickten; trank mit ihnen hinterher Kaffee; redete mit ihnen darüber, wie geil ich sei und nahm dann mein Geld, um es zu anderen Huren zu tragen – weil ich so scheiße war.
            Und mein Kind weinte währenddessen in ihrem Zimmer, weil es fühlte, dass etwas falsch war. Es war ca. 1 Jahr alt.

            Er versuchte 2x mich umzubringen; vergewaltigte und schlug mich ständig – oder ignorierte mich tagelang, wenn ich nicht „brav“ war.

            Ich übernahm ihm alle Schulden.
            Zahlte sämtliche laufenden Kosten und jedwelchen Luxus den er wollte.

            Und trotzdem hielt ich das alles für Liebe.
            Wir waren 8 Jahre zusammen.
            Und als ich ging, hatte ich 28 Gläubiger.

            Als ich ihn verließ, hatte ich hierzu nur den Mut, weil da bereits ein anderer Mann war.
            So wundervoll, weltgewandt und erfahren.
            Er war fast 30 Jahre älter als ich.

            Dieser Mann versuchte NICHT, mich zu töten.
            Er schlug mich NICHT.
            Aber er konnte wunderbar mit Worten schlagen, verletzen und manipulieren.
            Mich erniedrigen und formen, wie er es brauchte.

            Auch für ihn schaffte ich an.
            Auch ihm zahlte ich sämtliche Lebenshaltungskosten und Schulden.
            Nach 3 Jahren ging ich – und war stolz, dieses Mal keine 8 Jahre mehr gebraucht zu haben.

            Es folgten 2 Jahre, in denen ich nahm, was kam.
            Ich hatte Angst, alleine zu sein.
            Hielt mich für zu dumm, zu blöd, zu bescheuert und lebensunfähig, um ohne Mann existieren zu können.
            Meist war ich 2.-Frau.
            Und ich hielt es für etwas besonders Tolles, dass verheiratete Männer mich so viel besser fanden, als die eigene Ehefrau.
            Ich fühlte mich hochgradig überlegen und ganz besonders wertvoll.
            Und sobald solche Männer anriefen und Sex wollten, legte ich mich bereit.
            Egal, ob tagsüber oder mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen.

            Ich glaubte mich unabhängig, selbstbewußt, stark und frei.
            Und merkte nicht, wie sehr sie mich benutzten.

            Irgendwann fiel mir dann aber doch auf, dass etwas nicht stimmte.
            Und ich hatte eine Zeitlang immer 2 Jahre lang keinen Mann – um es wieder mal zu versuchen – und wieder 2 Jahre alleine zu sein.

            In dieser Zeit veränderten sich auch die Männer, die ich wählte.
            Vorallem, DASS ich wählte.
            – zuvor hatten die Männer immer MICH gewählt.

            Und nach und nach wurden sie besser.
            Die Gewalt und die Benutzung meines Körpers gegenüber reduzierten sich zunehmend.
            Sie waren inzwischen oft unbewußt – nicht mehr absichtlich und gezielt.

            Doch schon als Kind hatte man mir beigebracht, dass ich in meinem Leben niemals etwas kostenlos bekomme.
            Dass ich IMMER bezahlen muß
            IMMER in Vorkasse gehen muß
            IMMER zuerst etwas GEBEN muß
            – weil ich es niemals Wert sein werde, etwas GESCHENKT zu bekommen.

            Und so gab ich meinen Männern immer alles, was ich hatte.
            Völlig selbstverständlich machte ich ihnen den Haushalt; ließ mich sexuell benutzen und gab ihnen mein Geld.

            Dafür bekam ich ja schließlich deren Liebe.
            Und meine Sexualität war ohnehin so dermaßen mutiert, dass ich auf Zuruf innerhalb von 1-2 Minuten einen Höhepunkt haben konnte.
            Schließlich brauchen das Männer ja – dieses Erfolgserlebnis, gute Ficker zu sein.
            Und mit diesem oder jenem Knöpfchen; Phantasiechen und Schönmalen war es ja auch ganz einfach für mich, den Männern diesen (meinen) Höhepunkt zu schenken. Man hatte mich ja bereits als Kind auf sowas trainiert.

            Es ist so verdammt traurig, was man alles für Liebe zu halten vermag, wenn man wirkliche Liebe noch nie im Leben erfahren hat.

            Als ich nun meinen jetzigen Mann kennenlernte, war alles anders.

            Es gab nichts, das er so gewollt hätte, wie die Männer zuvor.
            Mein trainierter Sex gefiel ihm nicht.
            Mein Geld wollte er nicht.
            Meine Unterwerfung wollte er nicht.
            All jenes wollte er nicht, das Männer mir zuvor antrainiert hatten, um mich benutzen zu können.
            Er fühlte sich schlecht dabei und traurig.

            Und seitdem bewegen wir uns auf dem Weg der Heilung.
            Was sehr oft auch schwierig ist – weil wir begreifen, was Scheiße ist. Aber oft nicht wirklich wissen, wie es GUT wäre.

            Und sehr oft weinen wir – manchmal einzeln und manchmal auch gemeinsam – weil wir gegen Wände rennen, uns weh tun und doch die Türe nicht finden.

            Gestern bei der Therapie hatte ich ansich das Thema „Glaubenssätze“ angesprochen.

            Von den Glaubenssätzen meines Mannes kam sie auf MEINE.
            Mein Glaubenssatz war „Geld ist nur buntes Papier“.

            So kamen wir auf WERT.

            Und ich begreife nun, dass ich SELBST mir nie Wert war.

            Dass all der alte Mist noch immer in mir steckt.
            Keine Liebe wert.
            Kein Geld Wert.
            Keine Mühe Wert.
            Kein Vertrauen Wert.

            Ich merke, wie sehr Beziehungen zu anderen Menschen auch zu tun haben mit der Beziehung zu sich SELBST.

            Doch – gewußt habe ich das schon lange.
            Mit dem Intellekt begriffen, verstanden und analysiert.
            Je heiler ich werde, desto heiler wird auch das Gemeinsam mit anderen.

            Aber gefühlt… gefühlt habe ich es noch nie.

            Ich bin heute sehr traurig.
            Es tut mir in mir selbst sehr Leid.
            Mir selbst Wert sein…. – welch eine Mamutaufgabe.

            Und auch wie viel Streit, Schmerz und Gespräche mit meinem Mann, die noch auf uns zukommen werden.

            Früher hatten Männer oft gerne zu mir gesagt, ICH HÄTTE SIE DOCH ERST ZU ZUHÄLTERN GEMACHT.

            Kann man jemanden zu etwas machen, das er im Innen garnicht ist?!
            Hätten sie nicht alle die selbe Wahl gehabt, wie mein jetziger Mann?
            Hätten sie nicht einfach ebenso NEIN sagen können?

            Aber ja – ich denke durchaus, dass mein zerstörtes, konditioniertes und mutiertes Innen versucht hat, meine Lebenspartner dahin zu formen, dass sie wurden wie jenes, das ich kannte.
            Das ich gewohnt war.
            Auch aus Angst vor Neuem. Und vor all den Seelenschmerzen, die Heilung mit sich bringt.

            Was sagt die Therapie immer?
            Andere kann man nicht ändern. – Sobald Du jedoch dein eigenes Innen änderst, änderst Du damit auch alles Außen.

            Ich wünsche Euch von Herzen schnelle Heilung im Innen – auf dass uns allen im Außen das Zerstörte nichts mehr anhaben kann.

            (c) Hilde (nach fast 35 Jahren Gewalt)