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Schein, Sein und Schuld – Do stop believin‘!

    Autorin: Ronja //

    Inspiriert durch zwei andere Ellas habe ich mich nochmal dem Bild der Prostitution gestellt, das ich einmal hatte – und dem, das aber im Gegensatz dazu meiner Realität entsprach.

    Als Teenagerin entdeckte ich meine Liebe zur Rock Poesie und insbesondere zu einem ganz bestimmten Literaten. Einer, der viel und gern über Rock’n’Roll und Boxen und, kurz und klischeetriefend gesagt, über ’schwere Jungs‘ und ‚leichte Mädchen‘ geschrieben hat.
    Ganz besonders über Domenica [1].
    Erst nachdem ich viele Jahre später die Prostitution hinter mir lassen konnte, lernte ich, wie tragisch und traurig auch Domenicas Schicksal zuweilen war und dass im folgenden Absatz wohl genau der Rock Poet, der meine Teenagerjahre so prägte, gemeint ist: „Für einen namhaften Dichter, der sie einst als Muse schätzte, habe Domenica, so erzählen andere Freunde, nur noch Verachtung empfunden.“ [2]

    Damals, lange vor diesem Wissen, war der Samen aber gepflanzt.
    Durch ihn und sie und andere Frauen im Milieu wie Felicitas Schirow, in deren Café Pssst! ich auch mal anschaffen war und über das ich hier später noch schreiben werde. Und durch Shows wie „Rotlicht-Experten im Einsatz“, die das Gewerbe auch so darstellten, als könne es ein Traumjob sein sofern die Bordellleitung Ansprüche hat und sich ins Zeug legt. Einer der Puff-Tester wurde später wegen „Beihilfe zu Zuhälterei, Beihilfe zu schwerem Menschenhandel, Betruges und Beihilfe zum Betrug“ [3] im sogenannten Paradise-Prozess verurteilt. Auch das ahnte ich damals natürlich noch nicht.

    Auch heute gibt es, so glaube ich, denn ich meide zumindest solche Serien und Filme heute, immer wieder Medienprodukte, die das Rotlicht romantisieren. Und auch einzelne AkteurInnen aus den Reihen der Prostituierten und Betreibenden, die das Milieu als zahnlos und kuschelig und luxuriös darstellen. Eine bekannte Berliner Prostituierte, die auch als Kolumnistin arbeitet, meinte einmal, niemand würde als Edel-Escort geboren werden, die Frauen müssten sich aber trauen, so hohe Preise zu verlangen und sich gegen Demütigungen wehren. [4]

    Das ist alles die Scheinwelt, die auch mich damals angezogen hat: Hedonismus, Nightlife, die eingeschworene Gemeinschaft derer, die zu freigeistig oder zu unbequem für die brave Alltagsgesellschaft sind, die Bad Boys, die trotz allem ein Herz aus Gold haben und wir Frauen, Inbegriff der von aller Welt begehrten oder beneideten Femme Fatale, mit Sexappeal und Köpfchen und frei wie der Wind.

    Die Realität ist aber meistens: freier Fall. Harter Aufprall. Raubbau an Körper und Geist weil man den Scheiß bald nicht aushält ohne zu jedem Termin beschwipst zu sein oder hinterher zur Belohnung eine Line zu ziehen. Bad Men, Profiteure und Freier, ohne einen Funken Anstand und immer wieder werden Frauen in der Prostitution durch ihre Hand sogar umgebracht. Depressionen vom Leben nur nach Sonnenuntergang, weil man sich bald zu aussätzig fühlt, noch am Tag rauszugehen. Irgendwann dann aber doch die Tagestermine, irgendwo in einem dreckigen Hinterhof oder auf der Ladefläche eines Transporters. Nicht um Hedonismus zu leben. Sondern weil man verdammt nochmal Hunger hat.

    Schuld. Das klebte auch an mir als ich mich in dieser Realität fand statt in dem Schein, den ich mal geglaubt habe. Ich dachte, dass ich mich einfach nur zu blöd anstelle. Mich nicht genug anstrenge. Zu mäkelig bin und zu wenig Praktiken anbiete um schnell „aufzusteigen“ und ein sicheres Auskommen zu haben. Irgendwie doch nicht cool und geheimnisvoll und schlagfertig genug zu sein. Weder genug Sexappeal noch genug Köpfchen zu haben.

    Aber die Wahrheit ist: Die Realität wie ich sie erlebte, ist der Regelfall. Der Schein beruhigt die Gesellschaft, denn es gibt ja auch die Handvoll, die es geschafft haben, nicht wahr?
    Und er lockt weiter junge Frauen, die sich meistens bereits durch Gewalterfahrungen im freien Fall befinden, so war es bei mir ja auch, und dieser Schein scheint so verführerisch versprechend, aber, vermutlich ahnten wir das unbewusst, auch irgendwie tröstlich vertraut.
    Trauma-Bonding verkauft als rebellische „Berufs“wahl.
    Und einfach höhere Preise verlangen und sich gegen Demütigungen wehren ist für die meisten von uns einfach auch nicht drin.
    Eingeschüchtert und im Existenzkampf ist es schon eine Errungenschaft, unvorstellbare extra Demütigungen vorab für einen Zehner mehr zu verhandeln.

    Aber ich wollte ja noch vom Café Pssst! erzählen.
    Es gab dort eine Nacht, die ich nie vergessen werde.
    Es lief schlecht, ich hatte keinen einzigen Freier und schon fast im Morgengrauen kam eine andere Prostituierte rein, sie war vielleicht fünfzehn Jahre älter als ich, mit stark vergrößerter Brust und auch im Gesicht mehrfach operiert, optisch Typ Männerphantasie-entsprungene Barbie aber mit Augen und einer Mimik und Gestik und Sprechweise, die ich in ihrer intelligenten Eindringlichkeit nie vergessen werde.

    Sie hat über die Männer geschimpft und über das, was aus ihr geworden ist, und dass sie in ihrem Alter keinen Lauf mehr hätte, wenn sie nicht die vielen Tausender in Schönheits-OPs investiert hätte und scheißteure Klamotten und Taschen kauft, die sie gar nicht haben will, damit sie ein bestimmtes Bild für bestimmte Freier bedient.
    Sie war gefangen in einem Hamsterrad und sagte das auch so und ich fand sie trotzdem so bewundernswert und dachte aber auch: „Na, ich kann es ja trotzdem irgendwie besser machen.“

    Als wir langsam merkten, dass diese Nacht für uns beide ein Minusgeschäft wird (weil wir jeweils was auf eigene Kosten getrunken hatten ohne einen einzigen Freier), haben wir mit der Barkraft kurz vor Schichtende aus vollem Herzen Journeys „Don’t stop believin’“ mitgesungen.

    Irgendwie bleibt das meine eindringlichste Erinnerung an das Café Pssst!. Dieses Ladens von Felicitas Schirow, die später mit 60 Jahren und mit drückenden Schulden wieder in die Prostitution einsteigen sollte. [5]

    Die allermeisten von uns können es nicht besser machen.
    Und das Milieu spuckt uns aus oder nicht und redet uns dabei noch ein, dass unser Schicksal unsere eigene Schuld gewesen ist.

    Ich sage: wir müssen aufhören, die Prostitution zu verklären!
    Wir brauchen keine Filme und Bücher mehr über die Edel-Escort, die glücklich und selbstbestimmt durch die Nacht tanzt. Es mag sie ja geben. Aber das wäre, wie Elon Musks Einkommen und Lebensstil zu versprechen wenn eine Fließbandkraft für Tesla angeworben werden soll.
    Schein, der für die allermeisten illusorisch bleibt, weil das System gar nicht anders funktionieren kann!

    Wir brauchen mehr Darstellungen über die Realität der großen Mehrheit. Über die Schuld des Patriarchats, die Verkapitalisierung von Sexualität, das Frauenbild der Freier und Gewalt und Trauma.

    Weg mit den Romantisierungen und dem Schein!
    Do stop believin‘!
    Und schau dir die Realität für die allermeisten Opfer des Systems Prostitution an!

    (c) Ronja

    [1] Domenica Niehoff (1945-2009)
    [2] https://www.sueddeutsche.de/panorama/domenica-begraebnis-der-kiez-trauert-1.480604 (zuletzt abgerufen am 01.06.2023)
    [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Paradise_(Bordell) (zuletzt abgerufen am 01.06.2023)
    [4] Tweet vom 16.05.2022, Screenshot liegt vor
    [5] https://www.bild.de/regional/berlin/zuhaelterei/berlins-bekannteste-prostituierte-geht-wieder-anschaffen-54318302.bild.html (zuletzt abgerufen am 01.06.2023)

    Freier und ihr Sex-Privileg

      Autorin: Pani K. //

      Vorweg: Prostitution existiert, weil es Menschen gibt, die dafür bezahlen.
      Was sind das für Menschen? Wie leben und denken sie? Wie handeln sie und welche Folgen hat das? Was geht es die Außenstehenden an? Das sind nur einige Fragen zu diesem Thema…
      Ich beginne mal mit einer Definition, um Klarheit zu schaffen: – Freier, der
      Substantiv, maskulin; Genitiv: des Freiers, Plural: die Freier. Bedeutung: Ein Mensch, der zum Zweck seiner eigenen sexuellen Stimulation oder Befriedigung andere Menschen gegen Entgelt benutzt oder ihnen Entgelt anbietet.
      Übliche Formen des Entgelts: Geld, Obdach oder Drogen.
      Übliche Formen der Benutzung: Oralsex, Analsex, Vaginalsex, erotische Massage, Praktiken des BDSM, Live-Cam-Sex, Striptease sowie andere sexuelle Praktiken ohne Eindringen in die Körper der Beteiligten.
      Übliche alternative Bezeichnungen: Gast, Kunde, Klient, Sexkäufer.
      Ich benutze den Begriff Freier, weil alternative Bezeichnungen missverständlich und verharmlosend sind.
      Kaum jemand spricht offen über Freier oder mit ihnen, obwohl sie keine soziale Randgruppe darstellen.
      Freier sind in der Regel männlich, gut sozial integriert, in fast allen Altersgruppen und sozialen Schichten zu finden: von Studenten bis Professoren, von Auszubildenden bis Rentnern, von Politikern bis Polizisten, von Firmenchefs bis Arbeitslosen, von Singles bis mehrfachen Großvätern. Oft sind es unauffällige Typen von der Sorte „netter Nachbar“ zwischen 30 und 60 Jahren. Es sind unsere Nachbarn, Kollegen, Vorgesetzte,
      Kommilitonen, Mitschüler, Freunde, Partner; gewiss sogar unsere Väter, Brüder, Ehemänner und Söhne – denn Freiertum ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.


      Freier selbst präsentieren sich gerne als liberal, progressiv, tolerant, frei von Vorurteilen, sexuell offen und hedonistisch. Sie sehen sich in der Regel als Kunden oder Gäste der Prostituierten, manchmal als ihre
      Freunde oder sogar – Opfer.
      Menschen außerhalb der Prostitution sehen Freier meistens so, wie diese selbst gesehen werden wollen, und übernehmen oft widerspruchslos ihre Mythen, wie etwa von „einsamen traurigen Männern“ und „gierigen herzlosen Huren“. Diese Sicht und Erzählungen erfüllen eine wichtige Funktion: Sie schützen Freier vor Kritik, lassen sie unbehelligt agieren, befreien sie vor Verantwortung und Konsequenzen, halten die entsprechende Doppel-Moral und oft auch ein Doppel-Leben der „Paysex“-Konsumenten aufrecht.
      Freier sagen oft, sie hätten keine andere Wahl, als für Sex zu bezahlen. Dabei leben die meisten von ihnen in einer Beziehung und verfügen über mehrere akzeptable Alternativen, wie zum Beispiel:
      – Selbstbefriedigung, auf Wunsch auch mithilfe von Sexspielzeugen wie Masturbator oder Sexpuppe;
      – Sexuelle Treffen mit Gleichgesinnten, die ebenfalls unkomplizierte Sexualität bevorzugen;
      – Unverbindliche Sex-Partys und Swinger-Clubs, die sowohl Singles als auch Paare besuchen;
      – Partnerschaftliche Sexualität innerhalb der eigenen Beziehung.


      Sie haben also eine Wahl. Mehr noch: Niemand belohnt Freier mit Geschenken oder Geld dafür, dass sie zu Prostituierten gehen. Und niemand bestraft sie, etwa durch Schläge oder Erwerbsverlust, wenn sie es nicht
      tun. Sie folgen allein ihrer inneren Motivation.
      Freier entscheiden sich in der Tat freiwillig dazu, ihre Sexualität in der Prostitution auszuleben. Sie handeln aus ihrem eigenen Antrieb, oft sogar aus Überzeugung. Denn viele Freier sind fest davon überzeugt, dass sie ein „Recht auf Sex“ haben. Damit ist nicht lediglich das Anrecht auf selbstbestimmte Sexualität gemeint, das ja allgemeingültig ist. Nein, damit ist ein Sonder-Recht gemeint: der berechtigte Anspruch auf Sex mit
      anderen Menschen, insbesondere mit Frauen.
      Dieses Privileg der Verfügungsmacht über Andere, insbesondere zum Zweck der eigenen sexuellen Befriedigung, ist für die meisten Freier basal in Bezug auf ihr Verständnis der Maskulinität – der „echten Männlichkeit“ – sowie der männlichen Sexualität im Allgemeinen.


      Maskulinität bedeutet für Freier in erster Linie: Eigene sexuellen Bedürfnisse als vorrangig erachten und aktiv durchsetzen, selbst auf Kosten anderer Menschen. Vor allem auf Kosten und zum Leid der Frauen und
      Mädchen, denen dieses Privileg erklärtermaßen nicht zusteht, weil sie eben nicht männlich sind.
      Freiertum ist wesentlich mehr als nur „bezahlter Sex“. Es ist eine maskuline Subkultur mit eigenen Regeln und Wertvorstellungen, eine alltägliche Praxis und ein Lebens-Stil für „echte Kerle“, getreu dem Motto: „Ein richtiger Mann nimmt sich, was er will!“
      Wie selbstverständlich werden geschäftliche Abschlüsse in Bordellen gefeiert, sogar Abitur-Partys.
      Leistungs-Prämien für männliche Mitarbeiter werden von Firmen als „Paysex“-Reisen gewährt.
      Auch Bordell-Rundreisen mit „exklusivem Programm“ werden für Freier von darauf spezialisierten Reise-Agenturen organisiert und beworben. Sex-Tourismus ermöglicht Freiern weltweite Erlebnisse.
      In dieser Subkultur sind prostituierte Frauen sowohl Währung als auch Ware. Manche Freier zahlen ihren Söhnen die erste sexuelle Erfahrung, meistens mit einer Frau in einem Bordell. Sie sehen es als ihr väterliches Geschenk und sind stolz darauf, dass ihre Söhne nun „echte Männer“ seien.
      Auch unter Freunden und Kollegen ist es gute Sitte, sich gegenseitig Prostituierte zu schenken oder sie gemeinsam zu benutzen. So wie man eine Flasche Wein als kleine Aufmerksamkeit verschenkt oder
      feierlich zusammen genießt.
      In speziellen Internet-Foren für Freier geben sie sich gegenseitig Tipps und Empfehlungen, berichten über ihre Erfahrungen und Strategien, bestärken sich gegenseitig in ihrem „Anrecht“ auf faire und zufriedenstellende sexuelle Dienste durch prostituierte Frauen. Diese werden auch direkt im gleichen Forum offen und ausführlich beurteilt nach solchen Kriterien wie etwa: frisch, eng, fest, verbraucht, gierig, kaputt, lustlos, willenlos, zickig… Punkte oder Schulnoten für körperliche Merkmale und sexuelle
      Fertigkeiten oder Bewertungen nach Preis-Leistungs-Verhältnis sind genauso üblich.

      Das Entgelt hat dabei sowohl eine materielle als auch eine moralische Bedeutung.
      Erstens demonstriert und bestätigt es die finanzielle Macht des Freiers, zweitens – seine gesellschaftliche Überlegenheit. Für ihn ist eine Prostituierte sowohl eine bezahlte als auch eine käufliche Frau.
      Als bezahlte Frau ist sie einer Dienerin gleich, die seinen Ansprüchen genügen muss und seine Wünsche erfüllen soll – möglichst folgsam und befriedigend. Als käufliche Frau ist sie einer Sklavin gleich: sie verliert ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit, ihr Anspruch auf Respekt und Rücksichtnahme – und damit ihre menschliche Würde…
      Eine Dienerin wird nicht gefragt, ob sie jemanden mag und ob sie jemanden bedienen will.
      Eine Sklavin darf man mieten oder kaufen, teilen oder schenken, ausbeuten oder austauschen, vergewaltigen oder misshandeln, foltern oder töten. Und das alles machen Freier mit Frauen in der Prostitution…
      Sie sagen auch gerne: „Einmal Hure – immer Hure!“ Es ist ein Urteil und ein Schicksal, ohne Ausweg und ohne Gnade – ein ewiges Stigma bis in den Tod hinein. Die „Hure“ ist verfügbar und entmenschlicht zugleich, was dem Freier ein Hochgefühl der absoluten Macht beschert – einen Kitzel der Omnipotenz.
      Diese gekaufte Omnipotenz wirkt nicht nur mental, sie wird direkt erotisiert und zeigt sich auch körperlich: Freier werden dadurch erregt. Sie werden geil und hemmungslos, respektieren weder Absprachen noch
      Grenzen. Erstens, weil sie die prostituierten Frauen nicht respektieren. Zweitens, weil sie dieses geilmachende Gefühl der Allmacht möglichst intensiv und lange aufrechterhalten wollen. Ein Nein ist für diesen sexuellen Machtrausch abtörnend und in der Welt der Prostitution daher auch nicht vorgesehen.


      Freier erkaufen sich ein Ja, weil sie ein Nein nicht akzeptieren. Sprüche wie: „Stell dich nicht so an!“ – „Was glaubst du, wer du bist?!“ – „Du hast das zu tun, was ich sage!“ sind allgegenwärtig. Entweder zahlt der Freier mehr, damit die Prostituierte nachgibt, oder er greift zur Nötigung, Zwang und Gewalt. Ein Nein kann sie sich kaum leisten, wenn sie heil bleiben und überleben will… Freier zahlen nicht nur für eine Dienstleistung oder kaufen bloß Sex. Sie wollen über den Körper eines anderen Menschen selbstherrlich verfügen und alles damit machen können, was ihnen beliebt.
      Freier fragen oft: „Was ist dein Preis?“ – „Was kostest du?“ – „Kann man dich auch für eine ganze Nacht kaufen?“ – „Bist du dein Preis auch wert?“ – „Was kann man so alles mit dir machen?“ Aber sie fragen niemals: „Magst du mich?“ oder „Hast du Lust auf Sex mit mir?“ Denn Freier wissen, dass
      Prostituierte sie sexuell nicht begehren, sondern nur erdulden – aus finanziellen Gründen und wegen existenzieller Notlagen. Würden Freier wirklich glauben, dass Geld jemanden geil machen kann, würden sie wohl Münzen schlucken, statt Viagra oder andere Potenz-Mittel.
      Dennoch verlangen Freier von prostituierten Frauen wie selbstverständlich Fröhlichkeit, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Entgegenkommen, Lust und Enthusiasmus. Sie reagieren oft aggressiv und empört, wenn sie so
      etwas wie Widerwillen, Lustlosigkeit, Trauer, Ekel oder Langeweile bei Prostituierten wahrnehmen. In der Regel zahlen Freier nicht gerne und nutzen die Notlagen der Frauen in der Prostitution aus, um weniger oder gar nicht zu zahlen. Dagegen versuchen spendable Freier die Prostituierten bis zum letzten Tropfen auszupressen, bis sie all das bekommen, was ihnen vermeintlich zusteht. Ihre angebliche Großzügigkeit dient nur dazu, ihre extrem hohe Erwartungen und Forderungen zu legitimieren.


      Die Ansprüche der Freier in Deutschland steigen stetig, denn Sexhandel wurde gesellschaftlich normalisiert und das Angebot wird immer größer. Auch Flatrate-Sex-Clubs und Sex-Wettbewerbe, wie etwa Blowjob- Contests, sind relativ neu und sehr beliebt bei Freiern. Und es gibt immer mehr junge Freier oder Paare, die gemeinsam Prostituierte benutzen. Früher waren Extrawünsche wie Gruppen-Sex oder Gang-Bang selten, mit der Zeit wurden es immer mehr. Die Nachfrage nach Girlfriend-Sex oder intimen Praktiken, wie etwa Küssen, Kuscheln oder Streicheln, wird auch größer. Praktiken wie Sex ohne Kondom, Analsex und Sperma-Spiele sind fast schon zum Standard geworden.

      Freier fordern schädliche und gefährliche sexuelle Praktiken. Sie sagen oft: „So ist es halt im Huren-Job!“ – „Sie hätte es doch wissen müssen!“ – „Bezahlt ist bezahlt…“ Mit der Bezahlung und dem „Huren“-Stigma
      rechtfertigen sie das eigene Verhalten und verharmlosen die daraus entstehenden Schäden. Freier konsumieren Menschen wie Kondome, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie bevorzugen „leichte Beute“: unerfahrene, verzweifelte, benachteiligte und wehrlose Menschen – etwa Drogenabhängige, Obdachlose oder Geflüchtete. Viele Freier verlangen nach Sex mit minderjährigen, schwangeren, magersüchtigen und
      anderen besonders verletzlichen Frauen. Andere Menschen wie Sex-Puppen zu behandeln, verändert ihre eigene Wahrnehmung und Menschlichkeit: Freier zeigen kaum Mitgefühl oder Reue, spüren weder Schuld noch Verantwortung.


      Dabei spielt Pornografie eine entscheidende Rolle: viele Freier konsumieren Pornografie und viele Porno-Konsumenten werden zu Freiern. Erst werden reale Frauen in einer pornografischen Video- Aufnahme benutzt, dann – live im eigenen Haus, in einem Hotel oder Bordell. Insbesondere Prostitution ist der Ort, wo das nachgemacht wird, was Pornografie vorführt und verspricht. Pornografie wird oft an starke Emotionen gekoppelt und deshalb verinnerlicht, wie „eingebrannt“ – das
      macht sie enorm wirksam. Viele Freier bekommen durch ihr Porno-Konsum spezifische fixe Ideen und verlangen dann, dass alles exakt so gemacht wird – denn sie wollen diese pornografischen Inhalte und
      Vorbilder selbst nachstellen und nacherleben können. Abweichungen werden dabei selten geduldet.
      Frauen in der Prostitution müssen sich diesen Vorbildern anpassen: von Gel-Fingernägeln, Waxing und Intim-Bleiche bis zu Brust-Vergrößerung, Labien-Verkleinerung und Vaginal-Straffung. Immer öfter, denn
      ihre Körper müssen konkurrenzfähig und profitabel bleiben. Aber auch im privaten Bereich stellen Freier und Porno-Konsumenten ebenfalls hohe Ansprüche an ihre Freundinnen und Partnerinnen. Damit steigt
      der Anpassungs-Druck an die Normen der pornografischen Vorlagen auch dort immer mehr. Diese „neue Porno-Welt“, die wie Prostitution auch kein Nein kennt, funktioniert nach einem simplen Prinzip: „Er genießt, sie hat zu liefern“. Diese „geile Botschaft“ ist stets präsent und überall verfügbar,
      denn Pornografie ist Propaganda des Sexismus, vor allem die heterosexuellen Mainstream-Pornos.


      Freier konsumieren, praktizieren und perpetuieren Sexismus und Frauen-Verachtung. Sie benehmen sich oft auch außerhalb der Prostitution respektlos, aufdringlich, aggressiv und rücksichtslos gegenüber Frauen.
      So wird unbekannten Frauen auf Dating-Plattformen „Taschen-Geld“ für unverbindliche sexuelle Treffen angeboten, manchmal auch für ihre getragene Unterwäsche. Sogenannte „Sugar-Daddys“ bezahlen Geld für sexuelle Affären, insbesondere mit jungen Frauen. Freier verlangen Sex als Gegenleistung für Arbeit, Wohnung, Urlaub, sogar für Hilfe in einer Notlage.
      Oder sie suchen gezielt nach Studentinnen und „Hobby-Huren“ für kleines Geld. Viele Freier glauben, dass Frauen prinzipiell verfügbar oder käuflich sind, sie sagen: „Jede Frau verkauft sich doch irgendwie – entweder im Bordell, oder in der Ehe!“ Manche Freier setzen ihre Partnerinnen auch direkt unter Druck: „Wenn du nicht machst, was ich will, muss ich zu einer Hure gehen!“ – „Du bist daran Schuld, dass ich mir Sex bei Prostituierten hole!“ Doch in der Regel belügen sie ihre Partnerinnen und Familien. Wenn Freier ihre Ehefrauen, Freundinnen oder Kinder mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken – verheimlichen sie es, leugnen oder
      bestreiten ihre eigene Schuld. Sie riskieren damit die Gesundheit und das Leben von Prostituierten, von sich selbst und sogar von unbeteiligten Familienmitgliedern.


      Für ihr vermeintliches „Recht auf Sex“ gehen Freier in Deutschland sogar vor Gericht, oder wenden sich an die Politik und Abgeordnete, damit ihre Interessen und Ansprüche gewährt bleiben. Freier verklagen soziale Versicherungen auf Übernahme der Kosten für sexuelle Dienste und begründen das mit ihrem Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. Und deutsche Richter geben ihnen Recht. Und deutsche Versicherungen zahlen ihnen die sogenannte „Sexual-Assistenz“. Freier verklagen auch Prostituierte, wegen ungenügender Leistung, fehlendem Orgasmus oder zu frühem Orgasmus. Aber auch wegen angeblichen Betrugs, Diebstahls oder Körperverletzung. Sie zeigen Frauen sogar wegen illegaler Prostitution an. Und deutsche Richter geben ihnen Recht. Und Prostituierte in
      Deutschland zahlen Strafen und Bußgelder, werden verfolgt, verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Unzufriedene Freier fordern oft ihr Geld zurück und beschweren sich bei den Bordell-Betreibern, Zuhältern und in Internet-Foren über mangelnde „Professionalität der Sexdienstleister“. Manche von ihnen beklauen Prostituierte oder holen ihr Geld einfach selbst zurück, als Entschädigung für schlechten „Service“.


      Am Anfang der Pandemie war Prostitution in vielen deutschen Städten verboten, doch in der Regel hatten Freier keine Sanktionen zu befürchten. Sie hatten die Notlagen der prostituierten Frauen meistens zum
      eigenen Vorteil ausgenutzt. So kauften manche Freier „Sex-Gutscheine“, um sie später für Sex mit Prostituierten einzulösen, so wie man Schuld-Scheine oder Bank-Schecks einlöst.
      Mit solchen und anderen Methoden werden Frauen in der deutschen Prostitution von Freiern unter Druck gesetzt und dazu gebracht, wie gewünscht zu funktionieren. Ehemalige Freier antworten auf die Frage, warum sie nicht mehr für Sex bezahlen, oft so: „Es hat mir nicht
      gefallen, war nicht schön!“ – „Es war das Geld nicht wert!“ – „Es ist mir doch zu teuer!“ – „Ich habe es im Moment nicht nötig, bekomme auch so genug Sex!“ – „Ich mag kein Sex mit Kondom, aber ohne Kondom ist es mir bei Prostituierten zu gefährlich!“ Jedoch sagen sie nie: „Ich habe erkannt, dass es Unrecht ist!“ – „Ich habe mich geschämt!“ – „Prostituierte haben mir leid getan“.
      Fragt man Ex-Freier, ob sie eine Vergewaltigung begehen würden, sagen manche empört: „Niemals!“
      Gleichzeitig halten sie es für möglich, irgendwann mal wieder eine Prostituierte zu benutzen, es scheint ihnen legitim: „Aber sie hat doch zugestimmt!“ – „Es ist doch nicht verboten!“


      Wären die meisten Freier weiblich – wären Sexkauf und Pornografie sicher längst verboten. Denn die Verfügungsmacht über andere Menschen ist nach wie vor ein Privileg der Männer. Davon profitieren Freier
      auf eine sehr intensive, ja intime Weise – sie sind nicht einfach „Kunden“ oder „Sexkäufer“. Freier begehen aktiv schwere Straftaten: von sexueller Belästigung und Nötigung bis Vergewaltigung und Mord. Sie dürfen
      keine „Schutzgebiete mit Rotlicht“ zum Austoben bekommen.
      Freier sind Verbrecher! Deshalb gehören sie hinter Gitter, so wie andere Verbrecher auch. Doch dort wo Freiertum gesellschaftlich normalisiert ist, ist auch die Gewalt in der Prostitution normalisiert. Das führt
      dazu, dass Opfer und Überlebende allein gelassen, verschwiegen, bagatellisiert, verhöhnt und vergessen werden. Das sind wahre Stigmatisierung und Diskriminierung der Prostituierten hier und jetzt.
      Prostitution hat ihre Wurzeln in der Sklaverei, das ist bis heute deutlich sichtbar. Überwiegend sozial benachteiligte und marginalisierte Frauen geraten in Prostitution und erleiden dort Gewalt. Frauen, die
      wegen ihrer ethnischer, ökonomischer, geschlechtlicher oder gesundheitlicher Merkmale zu einer Gruppe am Rande der Gesellschaft wurden. Und von dieser Gesellschaft weder gehört noch gesehen werden. Wir haben leider sowohl einen „Black Lives Matter“, als auch einen „Whores Lives Matter“ Protest nötig. Denn Rassismus wie Sexismus sind tödlich.


      Freier verursachen einen enormen individuellen und gesellschaftlichen Schaden. Mehr als hundert Frauen sind in der deutschen Prostitution in den letzten 20 Jahren gestorben. Die meisten von ihnen wurden von
      Freiern ermordet. Viele dieser Opfer waren Mütter – ihre verzweifelten Kinder bleiben als Waisen zurück, meistens im Ausland und oft ohne Hilfe… Wofür? Für welche hohen Ideale mussten diese Frauen sterben? Für welche universellen Werte müssen diese Kinder auf ihre Mütter verzichten? Damit irgendwelchen Schwänzen die Eier nicht jucken?..
      Ist das wichtiger, als das Leben oder das Glück von Frauen und Kindern? Ist das die neue deutsche Vorstellung von Demokratie, vom Rechts-Staat und von unveräußerlichen Menschen-Rechten?
      Offensichtlich ist es so, zumindest seit der Legalisierung des Sexkaufs im Jahr 2002, als Prostitution zur „Sexarbeit“ und „körpernahen Dienstleistung“ erklärt wurde.
      Doch Prostitution ist weder Sex noch Arbeit, sondern bezahlte Vergewaltigung. Der Freier will Sex, die Prostituierte will Geld – das ist kein Konsens. Sie erträgt unerwünschten Sex und wird von ihm dafür
      „entschädigt“. Aber je größer ihre Notlage, desto geringer wird diese „Entschädigung“ sein. Sexualität ist in der Prostitution von sich aus unfrei: Du hast einen Vertrag abgeschlossen und damit ist Sex deine Pflicht. Du schuldest dem Freier deinen Körper: jeden verdammten Zentimeter davon! Doch kein Mensch hat das Recht, andere Menschen auszubeuten oder zu vergewaltigen, ob mit oder ohne Vertrag.
      Das legale Freiertum hat einen hohen Preis: verletzte und ermordete Frauen; verwaiste Kinder und zerstörte Familien; wachsende organisierte Kriminalität wie Drogenhandel, Zuhälterei, Menschenhandel,
      Sklaverei und Kinderprostitution. Ohne die Bekämpfung der Nachfrage durch Freier, kann Prostitution nicht abgeschafft werden. Ohne die Abschaffung der Prostitution können weder Menschenhandel noch
      Sklaverei effektiv bekämpft werden.
      Die Gewalt gegen Frauen, Jugendliche und Kinder durch männliche Täter steigt auch außerhalb der Prostitution seit Jahren. Aber der Zusammenhang mit legalisiertem Freiertum, allgegenwärtiger
      Pornografie und staatlich regulierter sexueller Ausbeutung wird nicht erkannt.


      Mehr noch: Einflussreiche Freier in der Politik, Justiz, Polizei und Medien, gemeinsam mit anderen Profiteuren der Sex-Industrie, verhindern mit allen Mitteln sowohl den sozialen Wandel als auch die effiziente Bekämpfung der Nachfrage nach Prostitution. Freiertum ist eine sexistische und menschenverachtende Praxis. Es gibt reale Faktoren, die das Freiertum
      legitimieren und verstärken: Sex-Industrie, Pornografie, sexistische Kultur und Gewalt, sowie sexistische Strukturen in der Gesetzgebung und in der Gesellschaft.
      Doch es gibt auch andere Faktoren: Ohne das Sex-Privileg kann das Freiertum nicht existieren.
      Ohne das Geld der Freier kann das System der Prostitution nicht existieren.
      Immer mehr Menschen setzen sich entschlossen gegen Freiertum und Sexhandel ein und machen so klar:
      Eine Welt frei von Prostitution und Sklaverei ist möglich!
      Freiertum ist Gewalt! Und Gewalt lässt sich nicht per Gesetz regulieren – sie muss bekämpft werden!
      Und sie kann bekämpft werden. Von uns allen – gemeinsam – in jeder Stadt, in jedem Land, weltweit!


      © Pani K. – Netzwerk Ella – August 2022

      Feministischer Verrat

        Autorin: Ljubow Kollontai

        Es gab mal eine Zeit, da wussten Feministinnen, dass Prostitution nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Dies hieß selbstverständlich nicht, dass man Prostituierte zu verachten hatte, sondern, dass die Institution der Prostitution an sich nicht mit den Idealen der Frauenbefreiung zu vereinbaren war.

        Denn: Es hat weder mit Befreiung noch mit Gleichberechtigung zu tun, Männern und ihren Orgasmen unter Zuhilfenahme von Frauenkörpern zu Diensten zu sein. Und jene Männer, die auf ihr Recht auf Prostitution pochen haben eines nicht verstanden: Sie verbauen sich selbst die Chance, für eine wirklich sexuell befreite Gesellschaft einzustehen – eine Gesellschaft, in der Sex dann stattfindet, wenn alle Beteiligten ihn hundertprozentig wollen und genießen.

        Und so ist irgendwann etwas Seltsames geschehen:

        Innerhalb von wenigen Jahrzehnten hat uns das Patriarchat davon überzeugt, dass Prostitution ein Job wie jeder andere ist und feministisches Empowerment darstellt. Der Stunt war genial: Kritik an der Prostitution selbst ist jetzt frauenfeindlich, denn Frauen hätten ja das Recht dazu, ihren Körper Männern zur Verfügung zu stellen!

        Durch Talkshows werden reihenweise glückliche Prostituierte gereicht. Was offenbar nicht verstanden wird: Sie werden vorgeschoben, sind die sympathischen Gesichter einer Kampagne, deren Nutznießende nicht die Prostituierten selbst sind.

        Man kann ja durchaus in der Prostitution reich werden: Nämlich dann, wenn man nicht Prostituierte ist, sondern von Prostituierten profitiert. Die Profiteure sind Bordellbetreiber, Agenturbesitzer und nicht zuletzt natürlich die Freier selbst. Vehement wird das Recht der Prostituierten verteidigt, sich anbieten zu dürfen. Das ist, wofür ihr einsteht, wenn ihr auf Demos geht, Parolen wie “Sexarbeit ist Arbeit” auf eure Schilder schreibt und euch revolutionär fühlt.

        Prostituierte werden entweder als geldgeile Schlampen, gewiefte Unternehmerinnen oder ungebildete, anderweitig nicht Geld verdienen könnende Individuen dargestellt.

        Dabei gibt es sehr viele Gründe, weshalb man sich prostituieren kann. Das Spektrum der Prostituierten ist sehr breit, eine Fixierung auf sie und ihre Beweggründe kontraproduktiv. Deshalb sollte der Fokus auf die Profiteure der Prostitution gelenkt werden, auf Freier und Betreiber. Denn ein Recht auf die Ausbeutung von Frauen lässt sich nicht so einfach verteidigen wie das Recht von Frauen, Geld auf die Weise zu verdienen, die ihnen zur Verfügung stehen.

        Diese einfache Analyse sollte jede feministische Strömung leisten können.

        Auch werden wir auf viele Art und Weisen gegroomt: Sei es durch sexuellen Missbrauch, sei es durch die Gesellschaft, die dir Prostitution als attraktive Alternative vermittelt, sei es dadurch, dass wir ohnehin schon „damaged goods“ sind und Prostitution da keinen Unterschied mehr machen würde.

        Dann kommen da „Feministinnen“, die in ihren Altbauwohnungen mit Parkett Matcha Latte trinken und Texte darüber schreiben, dass Schwangere ein Recht auf Prostitution hätten und dass Sex ja gut zur Geburtseinleitung sei – während man selbst es problematisch findet, dem eigenen Kind Janoschs Tigerente vorzulesen. Weil dort der Frosch dem unbelebten Holzspielzeug Tigerente einen Kuss aufdrückt, ohne explizit um Erlaubnis zu fragen (Teresa Bücker)

        Oder eine Theologieprofessorentochter gone wild wie Madita Oeming, die Seminare zu “Porn Studies” gibt und es laut ihrer Tweets unter Selfcare versteht, Rektumprolaps-Porno zu schauen während sie dabei alleine Omelettes isst. Oder eine Sibel Schick, die keinerlei Expertise besitzt, aber sich sehr laut darum bemüht stets auf der “richtigen Seite” zu sein und die Prostitution glorifiziert. Oder eine “feministische Influencerin” wie Suzie Grimes, die zwei Monate nach Eröffnung ihres Only Fans-Account (“Keine Nacktbilder!”) vom ÖRR zu Sexarbeit als Expertenstimme interviewt wird und Bilder von sich schießt, wie sie irgendwelche Typen in Fetischkleidung vor dem KaDeWe an die Leine nimmt.

        All diese „Feministinnen“ nehmen sich die Frechheit heraus, Prostitutionskritikerinnen, AUCH UNS, DIE WIR EHEMALIGE UND AKTIVE PROSTITUIERTE SIND, als SWERFs zu bezeichnen – also als höchstproblematische „Sex Worker Exclusionary Radical Feminists“.

        Anscheinend gilt: Hört Betroffenen zu, aber nur dann, wenn sie das sagen, was wir hören wollen.

        Lasst euch nicht hinters Licht führen.

        Ich bin unter anderem Prostituierte, Mittel- bis oberes Mittelfeld. Auch immer noch aktiv. Ich persönlich habe auch nicht die schlimmsten Freier.

        Ich weiß, dass die Freier, zu denen ich “Nein” sage, zu denjenigen Frauen gehen, die nicht “Nein” sagen können. Daher ist für mich ein Bekenntnis zum Nordischen Modell und der Solidarität mit jeder einzelnen Prostituierten eine Selbstverständlichkeit. Denn nur das Nordische Modell könnte einen Normenwechsel herbeiführen, dafür sorgen, dass Prostitution nicht mehr so selbstverständlich konsumiert wird wie jetzt. Nur so lässt sich Prostitution langfristig abschaffen – natürlich nicht auf Kosten der betroffenen Prostituierten.

        Wir können eine gleichberechtigte Welt nur dann erreichen, wenn wir schrittweise auf diese zugehen. Und ie Prostitution als das zu erkennen, was sie ist, nämlich ein mit Gleichberechtigung und einem Geschlechterverhältnis auf Augenhöhe nicht kompatibler Überrest der Sklaverei. Das ist, woraus die Prostitution historisch gesehen hervorgegangen ist. Machen wir uns nichts vor, verschließen wir nicht die Augen. Stehen wir gemeinsam ein: Für das Ziel einer Welt ohne Prostitution. Und bitte, liebe fehlgeleiteten „Feministinnen“: Hört auf feministische Werte zu verraten.

        Rede von Ronja auf der Studienvorstellungskonferenz über Freier in Deutschland

          Autorin: Ronja //

          W: Vergewaltigung, sexuelle Gewalt


          Am 9. November ging es in Berlin bei einer eintägigen Konferenz um „Männer in Deutschland, die für Sex zahlen“. Also um die Studienergebnisse der Freierstudie von Melissa Farley et al. sowie um deren Einordnung, Analyse und sich daraus ableitenden Schlüsse, die von Überlebenden der Prostitution aus mehreren Ländern, sowie von weiteren Fachfrauen und einem Fachmann vorgestellt wurden.


          Auch das Netzwerk Ella war bei dieser Konferenz vertreten: mit Redebeiträgen von Pani K. und mir (in Präsenz) und später einem Videobeitrag von Huschke, die leider doch nicht persönlich vor Ort sein konnte. Dafür saßen mehrere weitere Ellas im Publikum nachdem sie teilweise lange Anreisen auf sich genommen haben.
          Für uns alle war dieser Tag mit seinen zum Teil nur schwer erträglichen Themen natürlich enorm anstrengend. Auf der anderen Seite tat diese Konferenz uns unglaublich gut, weil wir dank der Internationalität der Überlebenden unglaublich viel Sisterhood und Support spüren durften und wir auch dank des großen Interesses (über 100 Teilnehmende und das, obwohl die Konferenz an einem Werktag stattfand): es bewegt sich etwas!

          Immer mehr Menschen können und wollen die Augen nicht mehr vor der Tatsache verschließen, dass Prostitution/Freiertum und Gewalt nicht voneinander trennbar sind und die deutsche Prostitutionspolitik so, wie sie ist, eine gescheiterte ist!


          Heute möchte ich denjenigen, die nicht vor Ort sein konnten, die Möglichkeit geben, meine Rede nachzulesen. Pani K.´ s Rede folgt. Am 9.11. habe ich durch mein Stottern hier und da spontan andere Formulierungen verwenden müssen, habe in der ersten Hälfte an manchen Stellen spontane
          Ergänzungen eingefügt und in der zweiten Hälfte dafür aus Zeitgründen einiges übersprungen. Trotzdem ist dies das Gerüst dessen, was zu hören war. Und noch eine letzte Vorbemerkung, da hier ja die Worte fehlen, mit denen wir am 9.11. vorgestellt wurden:


          Ich habe mich für den Aspekt der sogenannten Prostitutions- und Vergewaltigungsmythen, zu dem ich die entsprechenden Studienergebnisse vorgestellt habe, ohne zu zögern und aus gutem Grund
          entschieden: Ich kann mir nicht anmaßen über Erfahrungen mit Menschenhandel, Zuhälterei, Rassismus in der Prostitution oder manch andere scheußliche Dinge zu sprechen. Obwohl sie leider auf so viele
          Opfer des Systems Prostitution zusätzlich zutreffen. Auf mich jedoch nicht.
          Meine Expertise ist die einer Frau, die sogenannt freiwillig und selbstbestimmt in die Prostitution gegangen ist. Und trotzdem bin auch ich Überlebende von Gewalt und auch solche Mythen hatten in
          Kombination mit vorherigen Gewalterfahrungen, geringem Selbstwertgefühl und einem völlig schädlichen Männer- und Frauenbild ihren Anteil daran, dass ich in die Prostitution geraten bin und so viele Jahre lang immer wieder in sie zurückgefallen bin.
          Diese Mythen gehen uns ALLE an!
          Diese Mythen schaden ALLEN!


          Ich hoffe, das habe ich in der folgenden Rede deutlich machen können.
          Ronja


          Liebe Melissa Farley und liebes Team,
          liebe Sprecherinnen am heutigen Tag,
          liebe Teilnehmenden,


          ich bin sehr dankbar, heute hier sprechen zu können. Gerade auch, obwohl ich Stotterin bin.
          Trotzdem spreche ich öffentlich, weil ich hoffe, damit einen kleinen Beitrag leisten zu können um
          Mädchen und Frauen in der Zukunft vor Erfahrungen wie meinen zu bewahren.
          Vor dem zu bewahren, was die Prostitution mit mir gemacht hat.
          Oder genauer: was die Freier mit mir gemacht haben.
          Denn ohne Freier keine Prostitution, also ohne Freier keine Opfer der Prostitution.
          An dieser Stelle noch eine Triggerwarnung: in den kommenden Minuten werde ich über Vergewaltigungen und sogenannte Vergewaltigungsmythen sprechen.
          Kein einfaches Thema, aber ein Thema, über das wir sprechen müssen, wenn wir verstehen wollen, warum Prostitution inhärent gewalttätig und misogyn ist und mit welchen entlarvenden, vermeintlichen Argumenten ihre Profiteure, also auch Freier, sie dennoch rechtfertigen.
          Die nun vorliegende Studie macht deutlich, dass die meisten Freier sehr wohl wissen, dass Prostitution für die Frau nichts mit Einvernehmlichkeit und Sexualität zu tun hat und dass sie auch nicht als Dienstleistung oder selbstgewählter Job angesehen werden kann.
          Viele Freier wissen oder ahnen zumindest, dass die Frau nicht freiwillig mit ihnen schläft, sondern weil sie Opfer von Menschenhandel, Zuhältern oder einem Loverboy ist. Oder aber durch Trauma, Sucht, Wohnungslosigkeit oder aus anderen Lebenskrisen heraus in finanzielle Not geraten ist.


          Es folgen Zitate:
          „Die Prostituierte war durch Zuhälter verängstigt; sie war wehrlos.“ (S. 28)
          „Ich sah ihre blauen Flecken und Teilnahmslosigkeit.“ (S. 32)
          „Ich glaube, dass der Großteil der Prostitution aus Zwang heraus passiert, zum Beispiel aus finanzieller Not. […]“ (S.34)


          Das sind nur drei von vielen schockierenden Statements von Freiern, die bei den Interviews deutscher Freier protokolliert wurden.
          Schockierend ist natürlich die Realität der Prostitution. Aber hier schockiert vor allem auch, dass Freier all das wissen und sogar formulieren können und trotzdem Freier sind!
          Sie nehmen es in Kauf, Sex zu kaufen, der mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Zwang oder aus einer Notlage heraus passiert. Und damit müsste es als Vergewaltigung angesehen werden.
          Der Freier fühlt sich aber durch die Legalität der Prostitution in Deutschland, die gängigen Mythen und durch sein Bezahlen legitimiert.


          Zitat: „Sie war gezwungen. Ich konnte es an ihrem Verhalten sehen: sie hatte kein Willen. Sie war da wie eine Sexmaschine. Ich hatte trotzdem mit ihr Sex weil ich dafür bezahlt habe.“ (S. 3)

          Statement eines deutschen Freiers, das stellvertretend für das Mindset vieler deutscher Freier steht.
          Sie denken einerseits, dass sie sich von Verantwortung und Mitgefühl freikaufen können. Und andererseits glauben und reproduzieren sie den Prostitutionsmythos, dass man eine Prostituierte gar nicht vergewaltigen könne. Unter den deutschen Freiern stimmten 35% diesem Mythos zu – der
          höchste Wert im Vergleich mit Freierbefragungen in den USA, dem Vereinigten Königreich und Schottland! (vgl. S. 44)
          Perfide ist zudem, dass insbesondere deutsche Freier auch den sogenannten Vergewaltigungsmythos als Rechtfertigung für ihr empathieloses Freiertum heranziehen.
          Erschreckende 76% der deutschen Freier glauben, dass die Verfügbarkeit von Prostitution Vergewaltigungen verhindern würde. Auch damit ist Deutschland trauriger Spitzenreiter unter den Freierbefragungen im globalen Norden und weist sogar einen höheren Wert als Kambodscha auf.
          Unter den untersuchten Ländern stimmen nur Freier in Indien noch häufiger diesem Mythos zu. (vgl. S. 44)
          Dass dieser Mythos noch in so vielen Köpfen sitzt – bis vor einigen Jahren sogar leider auch in meinem – macht mich wirklich so betroffen und wütend!
          Denn was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
          Diese Freier sagen da im Prinzip ganz unverblümt: „Ja, ich bin potenzieller Vergewaltiger!“
          Alle Menschen, die diesem Mythos zustimmen, und das sind auch viele Frauen, die damit legale Prostitution rechtfertigen, sagen damit: „Ja, all diese Freier sind potenzielle Vergewaltiger. Männer sind triebgesteuerte Monster, die Konsens niemals beherrschen können werden!“
          Und sie sagen damit im Prinzip auch: „Auf Frauen in der Prostitution kann man diese hoffnungslos triebgesteuerten Monster ruhig loslassen. Besser die als ich oder meine Frau oder Tochter oder Kollegin.“
          Wollen wir in einer Gesellschaft mit so einem Männerbild leben?
          Unter all diesen Freiern, denen wir aktuell in Deutschland ständig und überall begegnen ohne es zu wissen? Damit unter Männern, die sich und all ihre Freier-Kumpanen als potenzielle Vergewaltiger ansehen?
          Ich möchte das nicht!
          Denn Freier richten damit so viel Schaden an.
          Heute kenne ich kaum eine Frau aus der Prostitution, die nicht von sich sagt, dass sie vergewaltigt wurde.
          [Anm.: hier sind aus Gründen, die ich an dieser Stelle nicht erläutern möchte, für diese Form der
          Veröffentlichung meiner Rede wenige Zeilen gestrichen]
          All diesen Fällen ist aber gemeinsam, dass diese Prostitutions- und Vergewaltigungsmythen dieses Leid mitverursacht haben und Schuld daran tragen, wie ungesund viele von uns damit leider nur umgehen konnten.
          Ich selbst habe Jahre gebraucht zu sagen: „Ich wurde vergewaltigt.“
          Denn die Mythen, denen ich durch die Freier auch ständig ausgesetzt war, haben mich auch glauben lassen, dass man „eine wie mich“ gar nicht vergewaltigen kann.
          Und so ging es vielen von uns.
          Durch den ständigen Kontakt mit Freiern, durch die Dissonanz zwischen dem Glauben der Prostitutions- und Vergewaltigungsmythen, die in unserer Gesellschaft mit ihrer liberalen Prostitutionsgesetzgebung bis heute auf so fruchtbaren Boden stoßen, und dem tatsächlich Erlebten in der Prostitution – durch diese Dissonanz wird man krank und glaubt seinen Empfindungen selbst nicht mehr.
          Dadurch sind diese Mythen auch ein Hemmnis beim Ausstieg. Wir dürfen nicht benennen was wir fühlen, denn der Freier nennt es Dienstleistung und sich selbst vielleicht Kunde.
          Wir werden damit indoktriniert, dass wir etwas total Relevantes für die Gesellschaft tun: die Vergewaltigungen von anderen verhindern!
          Solche Glaubenssätze machen auch krank und halten emotional in der Prostitution.
          Doch was ist nun mit diesem angeblichen Nutzen der Prostitution?
          Kurz und deutlich: es gibt ihn nicht, im Gegenteil!
          Legalisierte Prostitution und ein damit einhergehende hohe Nachfrage und gesellschaftlich normalisiertes beziehungsweise akzeptiertes Freiertum schützen Frauen außerhalb der Prostitution nicht vor Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen, wie Studien und Statistiken belegen.
          Im Gegenteil sogar! Vergewaltigungen und Übergriffe geschehen tausendfach in der Prostitution und in einem höheren Maß rund um Prostitutionsstätten, einschlägigen Straßen und anderen Anbahnungsorten.
          Und ich frage mich wirklich, warum es nicht längst jeder und jedem einleuchtet, dass Prostitution und das damit transportierte Männer- und Frauenbild, das ja auch die Studie sehr gut abbildet, nicht vereinbar mit der Gleichstellung der Geschlechter ist!
          Das Nordische Modell hingegen ebnet meiner Meinung nach den Weg hin zu einer zukünftigen Gesellschaft, in der Männer keine Freier sein wollen, sondern empathisch und verantwortungsvoll handeln.
          Und in der Opfer des Systems Prostitution ernstgenommen werden und Hilfe erhalten statt das Gefühl für sich oder noch viel mehr zu verlieren, weil sie konstant Freiern und diesen Mythen ausgesetzt sind.


          Zitat: „Weil wenn ein Mann nicht befriedigt ist, dann nimmt er sich das mit Gewalt.“ (S.3)


          Diese Denkweisen bleiben in den Köpfen von Freiern wenn wir mit legalem und gesellschaftlich akzeptiertem Freiertum und den Prostitutions- und Vergewaltigunsmythen, die dieses Freiertum legitimieren, weiterleben.
          Sie bleiben in den Köpfen und bestimmen das Handeln von Freiern, also von so vielen Männern im heutigen Deutschland. Wir alle begegnen ihnen, vermutlich jeden Tag.
          Wenn wir als Gesellschaft aber solche Denkweisen, Misogynie, Zwang und Rape Culture verringern und schließlich überwinden wollen, gibt es hinsichtlich der Prostitutionspolitik nur einen Weg:
          Nordisches Modell jetzt!


          Vielen Dank

          Ronja

          Was er ihr angetan hat

            Autorin: Anna //

            Was er ihr angetan hat
            Dein Ehemann
            Dein Bruder
            Dein Sohn
            Dein Vater
            Dein Vorgesetzter
            Dein Freund
            Mein Freier
            Dieser Mann war all das für unterschiedliche Personen. Er war Ehemann. Er war ein Bruder. Er war
            ein Sohn. Er war ein Vater. Er war ein Vorgesetzter und ein Freund.
            Dieser Mann hat jemandem Leid zugefügt. Er hat ein frisch 18 gewordenes Mädchen in die
            Prostitution gelockt, er wusste von ihren starken psychischen Problemen, davon, dass ihre Familie
            diese nicht ernst nahm und ihr keiner half. Sie hatte keine Hilfe. Sie hatte niemanden. Sie hatte starke
            Depressionen und Borderline (diagnostiziert inzwischen), Suizidgedanken, wenig Selbstwertgefühl,
            starke Minderwertigkeitskomplexe. Sie hatte aufgrund von Erfahrungen ein schlechtes Männerbild.
            Sie lernte durch den Umgang mit Männern, zieht sie sich aus, kriegt sie Komplimente. So ein junges
            Mädchen ohne Selbstbewusstsein ist natürlich ein gefundenes Fressen für so manche Männer.
            Sie hatten Kontakt und schrieben jeden Tag als sie noch 17 war, er wollte Nacktbilder, löschte diese
            jedoch alle als er sich erinnerte, dass das ja strafbar war. Also wartete er bis sie 18 wurde, bis er sie
            für Sex bezahlte. Sie hatte Angst. Tat es dennoch. Fühlte nichts danach. Fühlte sich leer. Als das
            Treffen vorbei war und sie heim fuhr, fühlte sie eine Euphorie. Tage danach hasste sie sich selbst,
            hasste Männer, war angeekelt, war wütend, war traurig.
            Das Mädchen hatte Geldprobleme, er wusste, indem er im Voraus zahlte, kann er sie immer haben.
            Sie kann das Geld ja nicht mehr zurück zahlen, wenn sie es bereits ausgegeben hat.
            So zog sich die Prostitution über Jahre. Sie schaffte den Ausstieg nicht, rutschte stärker ab.
            Dieser Mann hat ein Mädchen manipuliert zu seinen Zwecken. Er hat sie angefasst, obwohl sie das
            nicht wollte, obwohl sie sich ekelte und es einfach über sich ergehen ließ, weil sie Geld brauchte und
            das im Voraus gezahlte Geld nicht mehr zurück zahlen konnte.
            Dieses Mädchen war ich. Wieso ich ein Problem damit habe, wenn Männer zu Prostituierten gehen?
            Weil ich eine davon war. Und auch wenn es ohne Zuhälter und „freiwillig“ war, war es ekelhaft,
            traumatisierend und ungewollt. Und nun stell dir vor, eine junge Frau steht vor dir, und sagt dir „dein
            Ehemann (oder Bruder, oder Freund oder Vater, usw.) hat mir weh getan. Er hat mich traumatisiert
            und meine Notsituation ausgenutzt um mit mir Sex zu haben“. Und sie weint.
            Würdest du so einen Mann wollen? Würdest du so einen Bruder, Vater, Freund usw wollen? Würdest
            du wollen, dass er das tut?
            Diese Menschen leben unter uns. Wir begegnen ihnen tagtäglich.

            (c) Anna

            OnlyFans: der moderne SMS-Chat?

              Autorin: Ronja //

              Neulich habe ich auf VICE einen Artikel namens „Dieser Typ verdient als OnlyFans-Account-Manager mehrere 10.000 Euro im Monat“ gelesen und fühlte mich sofort unangenehm an meine 2,5 Jahre im SMS-Chat erinnert. Moment. Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen?
              OnlyFans, diese Plattform, auf der viele weibliche Nutzerinnen erotischen bis pornografischen Foto- und Video-Content gegen Zahlung von ihren „Fans“ veröffentlichen? Und SMS-Chat? Jüngere Lesende hier fragen sich vielleicht gar, was das überhaupt war…Deshalb folgt nun erst ein Blick in die Vergangenheit.

              Anfang 2006 bin ich in die Prostitution geraten und erst 2017 sollte mir der endgültige Ausstieg gelingen. Von Mitte 2006 bis Ende 2008 zählte aber auch noch etwas anderes als die Prostitution, wie man sie sich vorstellt, zu meinen Berührungspunkten mit all den schädlichen Arten, durch die Sex zur Ware/Dienstleistung erklärt wurde und wird: der SMS-Chat.Ich bin durch meinen damaligen Partner da reingeraten und für eine Weile war ich sogar selbst Betreiberin unseres Chats.
              Aber was ist/war denn jetzt ein SMS-Chat?Vor vielen Monden hatte noch nicht jeder (potentielle) Freier Flatrates und High Speed Internet zur Verfügung. Stattdessen gab es Telefonsex-Hotlines. Und eben auch sogenannte SMS-Chat-Services.Der Kunde zahlte 1,99 je SMS für diesen Premium-SMS-Dienst. Wenige in dem naiven Glauben, dass da eine willige Frau mit ihm simst und ebenso 1,99 je Nachricht ausgibt. Oder, und das traf weit häufiger zu, das System dahinter bekannt war, aber Mann die 1,99 Euro gern ausgegeben hat, um dafür Sexting zu betreiben und explizite MMS zu erhalten (quasi das Foto-Sende-Tool vor Smartphones ;)).
              In der Realität saßen sogenannte Animateure, Menschen wie mein Ex und ich, den ganzen Tag vor dem PC und bekamen dort, eingeloggt in eine Chat-Software, die SMS der Kunden auf den Monitor. Inklusive Verlauf, Steckbrief der Persona, die man darstellt, bereits gesendete Bilder und Notizen.
              Für die MMS wurden Bilderpakete, zumeist aus Osteuropa, gekauft. Das waren manchmal Unterwäsche-Shootings, manchmal eine Nude-Serie oder auch explizite Fotos von Genitalien und Geschlechtsverkehr.Und ich habe mich auch damals schon gefragt, ob die Frauen in den Bildern das alles freiwillig machten und/oder überhaupt davon wissen, was irgendwo in Deutschland mit diesem Bildmaterial passiert. (Nämlich dass sich ein Typ, der 1,99 für die „MMS-Zustellung“ ausgibt, sich darauf einen runterholt…)It fucked my mind.
              [TW für den nächsten Absatz: sexualisierte Gewalt!]……Und dann waren da die Erzähl-Typen. Entweder hatten die noch kein MMS-fähiges Handy oder es war einfach ihr Ding. Und mein „Job“ war es, sie immer zum Weiterschreiben zu animieren. Und dabei kamen mir Typen unter, die davon faselten, eine Frau in eine verlassene Waldhütte zu schleppen, sie zur Besinnungslosigkeit mit Wodka abzufüllen und dann zu „benutzen“ ohne dass sie vorher wüsste, was das genau heißt. Oder solche mit der Fantasie, eine Frau solange unter Wasser zu drücken, dass Überleben wirklich als Glücksspiel provoziert werden soll.Was willst du da machen? Ist ja alles nur Fantasie, aber es kriecht in deinen Kopf.Schlussendlich habe ich mir eingeredet, dass ich als „Blitzableiter“ fungiere, in dem Denken: solange er das HIER ablässt, macht er es nicht real – denn ich selbst war ja damals auch noch mit der „’Sexwork‘ verhindert reale Übergriffe“ – Denke verblendet. Heute weiß ich, dass das genau der FALSCHE Ansatz war.And it fucked my mind…….[TW Ende]
              Und das waren die Extreme. Aber der Durchschnitt war im Prinzip schon extrem, gerade wenn ich bedenke, dass ich oftmals 12 Stunden am Stück vor diesem Bildschirm sitzen musste, auf dem mir ständig die eingetroffenen Nachrichten angezeigt wurden. Abwertungen von Freundinnen/Ehefrauen, Beleidigungen, wenn der „Content“ nicht mehr befriedigend genug war, Typen, die man heutzutage als Incels bezeichnen würde, immer neue Kinks und Fetische die mich dazu gezwungen haben, mir pornografisches Material anzuschauen, das mir in einem Leben ohne Prostitution und SMS-Chat wohl nie begegnet wäre…das war Alltag.It fucked my mind.

              Ach, aber das Geld! Dafür hab ich das doch gemacht, oder? Gut leben, in Saus und Braus, mit easy Arbeit von Zuhaus!Nein!
              Ja, manchmal habe ich ganz gut verdient. Aber es gab existenziell gefährliche Flautezeiten und nötige Investitionen (Werbung für den Chat, Bilderserien). In der Prostitution war es manchmal ja ähnlich. Erst habe ich geschaut, ob ich neues Makeup, Dessous oder Schuhe benötige, damit auch der nötige nächste Freier hoffentlich zufrieden sein wird und zahlt – und dann erst daran gedacht, den Kühlschrank zu füllen. Und dass ich nach einer 12-Stunden-SMS-Chat-Schicht und nach jedem Freier ordentlich gesoffen habe/saufen musste, ging auch ins Geld.
              Aber wie komme ich jetzt bitte auf OnlyFans?In „woken“ Kreisen wird „sexwork“ ja als Empowerment verstanden und „Mädels“, die sich „nicht mal anfassen lassen“ (bitte bedenkt, dass ich hier durchaus immer mal auf Freier-/ Konsumenten-Sprech und Denke zurückgreife, denn es sind diese Männer, die wir einfach in den Fokus nehmen müssen!) sind ja wohl besonders clever, oder?Wenig Gefahr aber ein easy Einkommen mit einer sexy Bilderserie alle paar Tage? Nein!
              Ich will mich hier zu den Gefahren von OnlyFans nicht allumfassend äußern, sondern zu diesem Artikel, den ich eingangs schon erwähnte: https://www.vice.com/…/interview-mit-onlyfans-account…

              Ich halte das quasi für ein modernes Revival des SMS-Chats.
              Warum? Der Typ „managed“ also die eintreffenden Nachrichten von zahlenden „Fans“, erhält eine Illusion aufrecht, beschafft zugeschnittenen Content.Ja, okay, die Person hinter dem Profil ist dann ja bestenfalls echt. Aber wie lange noch? Ich ahne, dass heute schon auf OnlyFans die neue Generation von „Animateuren“ ganz ohne reale Person dahinter aktiv und erfolgreich ist.
              Und Grenzen? Er sagt im Interview: „Jeder Mensch hat Grenzen. Deswegen frage ich die Models auch immer zuerst, wie weit sie auf Plattformen wie OnlyFans gehen würden und was sie alles zeigen wollen.“Schön und gut. Aber gerade, wenn noch ein „Manager“ dazwischen steht, wird sich das eher schneller als langsamer ändern. Und das ist eine allgemeine Gefahr.
              Ich hatte auch bestimmte Grenzen in der Prostitution. Aber die Zeit prägt. Je länger Frau „im Geschäft“ ist, umso mehr sieht sie sich durch den Freier-/“Fans-“/Konsumentenblick und oft verschlechtern sich auch die Lebensumstände (statt des Märchens der reichen, horny Hure, die ihre Honorare für Markenhandtaschen ausgibt) und schließlich bietet man doch immer mehr an, was eigentlich mal tabu war. Im SMS-Chat habe ich allzu heftige BDSM-Kunden anfangs an meinen Ex abgegeben – bis wir uns nicht mehr leisten konnten, auch nur einen Kunden zu verlieren, weil man nicht zeitnah antwortet.

              Einen „OnlyFans-Account-Manager“ zu haben, der dir vielleicht sagt: „Hey, 75% deiner Abonnenten wollen DIESEN Fetisch. Und wenn du es mal ganz harmlos probierst…?“ und das bei dem Konkurrenzdruck auf der Plattform – Ich brauche meine Fantasie da nicht…
              Makaber im Artikel ist auch das Honorarmodell dieses „Managers“: eine fixe monatliche Gebühr von 2.500 Euro (!) und ein dreistes Kommissionsmodell, dass sich bei 50.000 Euro sogar zum Negativgeschäft für seine Auftraggeberin entpuppt. Stell dir vor, du nennst dich „Manager“ von irgendwas, ein Medium in Deutschland veröffentlicht dein Interview und keinem fällt deine dreiste Mathematik auf..!Aber dann eben: solche krassen Zahlenjonglagen und Abzocken innerhalb des Milieus sind eben auch immer schon da gewesen, auch im SMS-Chat und eigentlich sollte das auch aufhorchen lassen, wenn es doch angeblich ein normaler Job sein soll.
              Und zum Schluss: hier schreibt ja ein Typ als OnlyFans-Account-Manager. Auch im SMS-Chat gab es mehr männliche Animateure. Ich gehörte zur weiblichen Minderheit, die diesen „Job“ zumindest länger als ein paar Wochen ausgehalten hat.
              Und auch der OnlyFans-Manager sagt über seinen Job den denkwürdigen Satz: „Wenn sie ihre Nachrichten und Anfragen wirklich selbst beantworten müssten, würden sie den Typen in bestimmt 99 Prozent der Fälle sagen, dass sie sich verpissen sollen.“ Zeigt uns das was?Ja!
              Aber es zeigt nicht, dass doch „sexwork“ bitte „gender neutral“ sei oder so!Denn wir reden hier in beiden Fällen von Kerlen, die sich für den Job als Frauen ausgeben. Das heißt, dass natürlich auch ihr male gaze auf eine verrückt-verzerrte Art den male gaze der Freier/Konsumenten bedient, bestätigt und prägt.
              Und es heißt, dass wir Frauen es in allen Lebensbereichen auch mit Typen zu tun haben, die Freier sind, oder OnlyFans-Abonnenten oder damalige SMS-Chat-Kunden. Männer, die schlimmstenfalls dadurch so abgestumpft sind, dass sie Frauen, stark vereinfacht gesagt, in „tabulos und käuflich“ (ohne Sorgen um die Freiwilligkeit…) und „prüde, aber taugt als Ehefrau“ kategorisieren.Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die diese Folgen auf Konsumentenseite ausblendet und „sexwork“ auf der anderen Seite gar als Empowerment verklärt?Ich sage: Nein!
              Prostitution, Telefonsex, SMS-Chat, Porno-Seiten….. OnlyFans: Nein!
              Stattdessen wünsche ich mir für das Jahr 2022 sehnlichst das Nordische Modell, das ja unter anderem auch die Säule der antisexistischen Erziehung beinhaltet. So dass die Jungs von heute bereits lernen, dass es nicht okay ist, morgen Frauenkörper als Ware in irgendeiner Form zu betrachten.Und Mädchen von heute davor bewahrt werden, dass OnlyFans und/oder Prostitution ihr Bild von Männern und Sexualität genauso zerstört, wie es Prostitution und SMS-Chat bei mir taten.

              (c) Ronja

              Im Escort

                Autorin: Eva //

                „Du bist aufgeschlossen, niveauvoll, selbstbewußt…? Interessiert an Glamour und einem unabhängigen, stilvollen Leben…? Hast gute Allgemeinbildung und Umgangsformen…?“

                „Ja, klar!“ dachte ich mir als junge Frau in den 20ern rund um das neue Jahrtausend in Wien. Es war eine Aufbruchsstimmung.
                So werben nämlich Escortagenturen um Mädchen und Damen. Seit Jahrzehnten suggeriert uns die Gesellschaft der westlichen Welt, Erotikarbeit ist doch ganz etwas Normales, ein wichtiger Beruf, das älteste Gewerbe der Welt. Einfach toll, oder? Da können sich Frauen und natürlich auch Transgender und Callboys endlich ausleben.

                In der Realität sieht es dann doch ganz anders aus. Diies kann nur Jemand feststellen, der/die in der Szene war und sich den kritischen Blick bewahrt hat; den nüchternen Blick.

                Moment, nüchtern? Ah, da beginnt es schon…………..Als Escort ist Dein ständiger Begleiter …der Alkohol. Die Männer lieben es, mit Dir zu trinken; viele von ihnen trinken sehr viel (2-3 Flachen Wein) -täglich.
                Andere Aufputschmittel bekommt man auch sehr oft angeboten. Der Kunde/Freier will seine Freizeit mit der Escortdame so richtig geniessen, das gehört das für ihn dazu. Die meisten sind in seriösen Berufen und verheiratet, ihr Umfeld weiß meist wenig bis nichts über diese Escapes. Oft haben sie ein 2.Handy für diese Sidesteps. Geschäftsmänner aus anderen Ländern wollen von der Escortdame auch Tipps, wo man Drogen kaufen kann…..das muß die doch wissen, oder….?

                Ich habe dezent mitgetrunken, andere Substanzen diplomatisch abgelehnt, das zerstört für viele Kunden dann leider die Stimmung und unter Umständen gibt es dann eine Beschwerde bei der Agentur oder auch in Freierforen. Da schreibt er aber nicht was wirklich war, sondern „geht nicht gut mit, ist alt und eingebildet, hässliches Gesicht….“

                Die Rache durch Bewertungen. Diese Internetbewertungen der persönlichsten „Dienstleistung“ der Welt haben der Sache die letzte Freiheit und Freiwilligkeit genommen. Nichts bleibt übrig von der im Inserat gesuchten, stilvollen,entspannten Escortlady. In den für alle seit Jahren zugänglichen Foren wird jede Körperöffnung, jedes Detail (Zähne, Figur, Alter, zerlegt, diskutiert und meistens runtergemacht)
                Bei jedem Kunden der letzen Jahre dachte ich „hoffentlich schreibt der nicht im Nachhinein schlecht“ ja, es gibt Freier, die sich ganz nett geben und dann trotzdem kritisieren, warum sie das machen habe ich bis heute nicht herausgefunden. Bipolar? Ich weiß es nicht.

                Als Independent Escort ohne Agentur ist es dasselbe. Der Zeitdruck der Agentur ist zwar weg, man kann den Freiern/Kunden Zeit dazu schenken und bekommt dafür….seltsame Sprüche.

                „Du bist eine ganz Schlaue, kombinierst Spaß mit jeder Menge Geld“ „Du raffinierte Verführerin, ohh wenn ich eine Frau wäre, würde ich es so machen wie Du..“ solche Sätze sagen die Männer einem ständig. Sie vermuten immer, man verdient Unmengen, versuchen aber gleichzeitig den Preis für ihr Treffen niedrig zu halten.
                In der Prostitution verdient man nichts wenn man krank ist, menstruiert (echt? die menstruieren auch…?)
                sich nach einer Operation erholt und man wird im Alter nur eine Mindestpension haben (all das wissen die Kunden, es tangiert sie nicht)
                Sie sind fest davon überzeugt, eine Nymphomanin vor sich zu haben, die nur Geilheit im Kopf hat und sich irgendwie aufbraucht #wasted. „Für das was Du machst braucht es schon eine besondere Veranlagung“ ist auch so ein Satz der oft kommt.

                Das Aussehen. Egal wie Du aussiehst, die Freier werden Dein Aussehen zerlegen. Wenn Du schlank bist sagen sie „noch dünner wäre noch schöner“ wenn Du natürlich alterst….“mah schaust Du müde aus“ wenn Du Botox, etc. machst „ach, dieses Künstliche ist garnicht schön“ wenn Du mollig bist „ja Kurven, aber paß auf, daß es nicht zu viel wird“ der Busen ist immer zu klein/zu groß/zu hängend/zu operiert, usw……es ist endlos.

                Dein Outfit. Viele Kunden wünschen sich bei winterlichen Temperaturen um 0° sehr luftige Kleidung (dünne Strümpfe, Pumps und Minikleid) natürlich nur wenn sie im Hotel sind, wo sie keiner kennt. Wenn Du sie zuhause besuchst….unauffällig, ja bitte der Fahrer/das Taxi soll Dich schon 10 bis 20 Meter vor seinem Wohnhaus absetzen, damit die Nachbarn nichts mitbekommen.
                Ist doch nicht alles so normal und gesellschaftlich anerkannt, seltsam.

                Escort/Sexarbeit im Covid Zeitalter. Ein Tabuthema. Man will ja den AnbieterInnen nicht ihr tägliches Brot wegnehmen. Es wäre für den Staat die Chance gewesen, Menschen aus der Erotikbranche/Prostitution mehr Ausstiegsmöglichkeiten zu bieten.
                Viele in der Branche haben trotz Impfung Angst sich und ihr Umfeld mit Covid anzustecken. Man kommt seiner Kundschaft doch näher als in anderen Jobs. Bekommt man einen Krisen Bonus? Nein, im Gegenteil. Der Kunde ist knallhart und meint, Du mußt jetzt froh sein, Kundschaft zu haben und er hat ja jetzt auch so viele Zahlungen. Er sieht gekauften Sex abseits seiner Beziehung als Wellness und Erholung, die ihm zusteht.

                Ich kann mich ganz genau an Mitte März 2020 erinnern. Lockdown.
                Momentan war ich wie die meisten Menschen irr überrascht, aber ich empfand es nach kurzer Zeit so angenehm……kein Streß, keine anzüglichen mails (ja auch SexarbeiterInnen wollen nicht 24/7 -eigentlich überhaupt nicht sexuell belästigt werden! Viele halten Dich für öffenliches Gut, das Mann im Whatsapp Zeitalter zuspammen und natürlich auch stalken kann….) keine Treffen.
                Ich schaute mir im TV die Nachrichten an; Kontakteinschränkungen. Gut.
                Nach einigen Tagen waren sie wieder da -die Anfragen. Freier waren ganz nervös, wie denn das jetzt wäre mit den Treffen. Hotels haben ja zu, bei ihnen geht es nicht wegen der Partnerin. Da wurde ich wirklich sauer und habe höflich aufmerksam gemacht, über den Sinn von diesen Einschränkungen nachzudenken.

                Im Sommer 2020 wurde dann das meiste wieder wie es war. „Covid ist nur eine Grippe, die NWO will nur mehr Überwachung“ ist jetzt ein neues Thema der Freier. Die meisten (90%) sind dieser Meinung. Ebenso, daß dieses #metoo, Gendern ja generell der Feminismus und die Klimaschutzbewegung ein Übel der heutigen Zeit sind. Die Migrationsbewegungen der letzen Jahre finden die Freier auch total schlimm, sie haben aber kein Problem mit Frauen in der Prostitution mit Migrationshintergrund….nicht gerade logisch.

                All diese Dinge entzaubern den Mythos der freien, lasziven, für beide Teile spassigen Sexarbeit.

                In den letzten Jahren haben mir ein paar Männer erzählt sie waren spielsüchtig. (Das sogenannte kleine Glücksspiel wurde vor einigen Jahren in Wien abgeschafft -die Glücksspiellobby hat getobt: „60 Mio € Steuergeld werden jährlich der Stadt Wien fehlen, die Spieler werden in die Illegalität abwandern, sie werden im Ausland spielen…“ waren die Argumente. De facto war der Nutzen, Menschen nicht weiter in Schulden und jede Menge andere Probleme zu stürzen, doch höher.)
                Die Ex Spielsüchtigen sagen, sie sind froh, daß es so kam und sie haben keine Lust, illegal zu spielen, im Internet ja -aber es ist nicht dasselbe und reizt nicht mehr.

                Freier selbst bezeichnen sich oft als süchtig nach der oben beschriebenen Sex Wellness, die ja täglich verfügbar und bestellbar ist. Neue, junge Frauen (am beliebtesten sind 18 – 20Jährige. Ein Freier bezeichnete sich selbst mal als „Soft Pädo“ weil er das bevorzugt, schon erlaubt aber fast zu jung)
                dieses Gefühl an ihnen zu Schnuppern, vielleicht doch einen echten Orgasmus von ihr zu erleben? Squirtet sie? Macht sie Anal? Macht sie Lesbenspiele, Gruppensex? Wie weit geht sie? Kann ich sie zu mehr überreden, manipulieren..? Alles Dinge, die der Freier heutzutage erwartet und wie ein Getriebener sucht und sucht und weiter sucht.


                Alles einfach zum Nachdenken.

                Eva, beim Ausstieg, selbsterklärend, warum.

                Über das wichtige Gespräch mit Betroffenen/Aussteigerinnen/Überlebenden und warum wir trotzdem oft nicht sprechen (können)…

                  Autorin: Ronja //

                  Oft gibt es bei Veranstaltungen oder Texten von unseren großartigen Mitstreitenden für das Nordische Modell Fragen, manchmal gar Beschwerden à la: „Wenn Prostitution angeblich für viele Betroffene so schlimm ist, wieso sprechen/schreiben hier nur Menschen, die nie in der Prostitution waren? Daraus kann ja nur folgen, dass das NM gar nicht im Interesse der eigentlichen Menschen in der Prostitution wäre!“

                  Ich bin diese Haltung, die uns manchmal gar in Rechtfertigungszwang drücken will, so leid!
                  Daher mal ein paar Worte dazu:
                  Wir im Netzwerk Ella bemühen uns nach Kräften, über unsere Erfahrungen und Forderungen zu schreiben. Manchmal geben wir auch schriftliche Interviews. Einige von uns zeigen sogar auf Veranstaltungen oder für filmische Produktionen ihr Gesicht.

                  ABER wir brauchen unsere engagierten und mutigen Mitstreiterinnen, die uns auch dann eine Stimme geben, wenn wir sie nicht haben können oder wollen.

                  Denn viele Frauen, denen der Ausstieg gelingt, wollen all das aus guten Gründen hinter sich lassen. Manche haben inzwischen Familie und einen Beruf, weswegen sie sich erstens nicht öffentlich outen wollen/können und zweitens gar keine Zeit und Nerven für Aktivismus haben.

                  Und wo ich beim Thema Nerven bin: der Großteil von uns leidet an Traumafolgestörungen. Entweder durch Erfahrungen in der Prostitution und/oder weil viele von uns schon durch eine Vortraumatisierung überhaupt erst in die Prostitution geraten sind oder sich vermeintlich freiwillig dafür entschieden haben.
                  Ich gehöre zu den Wenigen von uns, die überhaupt auch Gesicht zeigen können und mache das seit gut 1,5 Jahren regelmäßig. Mit der Folge, dass mir nach jeder größeren Veranstaltung mindestens 1,5 Tage lang die Nerven blank liegen, selbst, wenn die Veranstaltung wohlgesonnen war.
                  Wenn ich aktuell keine Vollzeitstudentin mit gesicherter Studienfinanzierung wäre, die es sich erlauben kann, hin und wieder 1,5 Akku-Auflade-Tage unter der Bettdecke zu verbringen, könnte ich auch nicht öffentlich für Netzwerk Ella sprechen. Und es kam auch schon vor, dass ich mich in Folge solcher Dinge von meinem Glücksgriff von Psychiaterin für 2-5 Tage hab krankschreiben lassen müssen.

                  Wir mussten jahrelang wenigstens überleben, mussten jahrelang psychische und physische unmenschliche Belastungen ertragen. Logisch, dass wir heute oftmals nicht die Kraft haben, uns zu dem Thema ständig zu streiten, vor allem nicht mit Menschen, die uns unsere Erfahrungen absprechen wollen oder gar Täter-Opfer-Umkehr betreiben, weil diejenigen, die sich als Opfer von Prostitution verstehen, ja irgendwo selbst doof gewesen sein müssen, weil sie es nicht zur häppy selbstbestimmten Sexwörkerin gebracht haben. Nein!
                  (übrigens gehörte ich ja zu den „Freiwilligen und Selbstbestimmten“, hatte nie Zuhälter oder andere äußere Zwänge, die viele Frauen im Netzwerk Ella außerdem aus Angst abhalten, sich nach außen wie innen wieder und wieder damit auseinandersetzen zu müssen… dennoch ist es für mich heute so schwer, nachdem ich aufarbeite, wieso ich überhaupt in die Prostitution und für viele Jahre in die Schiene ihrer Verteidigung abgerutscht bin und heute die psychischen und physischen Folgen betrauern muss)

                  Aus all diesen Gründen können wir nicht auf jedem Podium zum Thema sitzen, können nicht ständig vor Fremden über schlimme Erfahrungen reden, können nicht springen, wenn irgendwo wieder eine social media Diskussion eskaliert und die NM-Gegner hämisch ins Feld führen, dass sich mal wieder keine Betroffene zu Wort meldet.

                  Wir als Netzwerk Ella sind vor allem auch dafür da, dass wir intern arbeiten. Das heißt, dass wir uns untereinander (be)stärken, auffangen, diskutieren, Wege aufzeigen, Spenden sammeln, wenn sie nötig sind damit eine von uns eine schwierige Lebenslage übersteht ohne nur aus diesem Druck heraus wieder in die Prostitution gehen zu müssen.
                  Darüber hinaus versuchen wir auf social media und bei Medienanfragen politisch zu wirken, weil wir wissen, dass nur das Nordische Modell den gesellschaftlichen Wandel bringen kann, der irgendwann einmal Mädchen und Frauen vor dem bewahren kann, was uns allen über Jahre widerfahren ist.
                  Und nein, da rede ich nicht von Menschenhandel und Zwangsprostitution allein, denn auch die Lobby ist ja logischerweise gegen diese Dinge und sie sind eh gesetzeswidrig.
                  Aber die männliche Anspruchsdenke hinsichtlich „käuflichem Sex“ macht den illegalen Markt in seinen Dimensionen erst nötig und attraktiv und hat ALLE von uns geschädigt.

                  Deshalb wollen wir laut sein für das Nordische Modell, na klar, aber oftmals versagt die Stimme oder die Nerven oder wir können eben kein Gesicht zeigen.

                  Bitte habt das im Hinterkopf! Immer, wenn euch etwas begegnet à la: „Wenn Prostitution angeblich für viele Betroffene so schlimm ist, wieso sprechen/schreiben hier nur Menschen, die nie in der Prostitution waren? Daraus kann ja nur folgen, dass das NM gar nicht im Interesse der eigentlichen Menschen in der Prostitution wäre!“

                  Und supportet uns, auch wenn wir manchmal still sind/sein müssen.
                  Und diejenigen, die uns in solchen Situationen eine Stimme geben, weil sie es dank persönlichem Abstand können aber trotzdem die Empathie aufbringen, die uns Wind unter den Flügeln ist! ❤

                  (c) Ronja