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Was Medien mit dem Einstieg in die Prostitution zu tun haben

    Autorin: Diana //

    Das hier ist mein erster Text für die Ella Seite, also bear with me.Ich versuche selten, mich mit dem Thema der Prostitution und meiner Geschichte damit zu beschäftigen. Weil es unangenehm ist. Aber manchmal ist es eben notwendig. Vor allem, wenn ich sehe, dass ich andere Frauen eventuell vor den Fehlern, die ich gemacht habe, schützen könnte. Oder warnen. 


    Ich habe und hatte einen sehr holprigen Lebensweg und hab schon früh mit psychischen Problemen gekämpft. Und diese Probleme wurden mehr und mehr zu meiner Fassade, Persönlichkeit. Ich wollte kaputt sein. Weil das war ja irgendwie cool. Ich bin den kleinsten Hindernissen aus dem Weg gegangen, hab mir eine Blase gebastelt. In dieser Blase stand die Welt still, ich war immer das Opfer, traumatisiert, drogensüchtig, krank. Es war die Hölle doch ich kannte mich aus. Ich war in Sicherheit.
    Und irgendwann hab ich mal ein Buch gelesen, darüber, dass eine junge Frau anschaffen geht um sich neben dem Studium ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Das hat mich angesprochen, denn genau so wollte ich sein: unkonventionell, kaputt, trotzdem irgendwie intelligent und erfolgreich. Das war das erste Mal, dass ich mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe und sich meine Meinung darüber positiv angefärbt hat.Über die Jahre hab ich dann öfters auf Instagram diesen ‚Pro-Sexwork‘ Accounts gefolgt. Meißt junge, attraktive Frauen mit vielen Followern, viel Kohle, lebten das absolute Luxusleben. Ein weiterer Pluspunkt schlich sich ein.Was mich dann wirklich dazu gebracht hat, anzufangen, mich selbst zu prostituieren, war ein Ex-Freund. Er sagte ständig sowas wie ‚Du solltest N*tte werden. Für deine Blowjobs würden die meisten ein Vermögen zahlen‘.Ein anderer Ex davor sagte mir, ich wäre ein tolles Cam-Girl.Und irgendwann dachte ich fuck it. Habs gemacht.
    Ich war ‚freiwillig‘ Prostituierte. Ich hab ohne Zuhälter gearbeitet. Mir ist nie etwas wahnsinnig schlimmes passiert.Was geblieben ist, nachdem ich all das Geld verprasselt habe (das scheinbar leichte Geld) ist mein gestörtes Verhältnis zu Sexualität. 


    Ich kann keinen Sex haben mit Männern die ich mag. Weil Liebe und Sex sind in meiner Welt zwei Dinge, die absolut nicht zusammen passen.Ich kann mit Männern schlafen, die mich wie Dreck behandeln, die narzisstisch sind, mich ausnutzen, mir wehtun. Das geht. Aber Männer die mich gut behandeln… das geht nicht.Weil ich das Gefühl habe, dass diese Typen sich dann von ihrer animalistischwn Seite zeigen, bzw, dass ich sie sehen muss, wie sie kommen. Oder wenn sie geil sind. Dann werde ich wieder zu einem Stück Fleisch.Deshalb kann ich keine Beziehungen führen. 


    Heute also lese ich, dass AufKlo ein Video postet, das von einer asexuellen Frau handelt, die sich prostituiert. AufKlo hat ein Publikum von größtenteils Teenagern. Genau solche Pro-Prostitutions Dinge haben mich damals dazu gebracht, anzufangen. Weil ist ja nix schlimmes. Nur ein Job. So wie jede Lohnarbeit.Das macht mich so wütend. Wieso wird Prostitution in solch einem positiven Licht dargestellt? Und das vor einem leicht beeinflussbaren Publikum.Das ist nicht progressiv, das ist regressiv. Wir begeben uns gerade in eine Richtung, in der Frauen, die patriarchale Strukturen zu ihrem eigenen ‚Wohl‘ nutzen, als empowered dargestellt werden. Solche Frauen unterstützen die Aufrechterhaltung dieser Strukturen. Und sie werden dorthinmanipuliert von Medien, die größtenteils von Männern dominiert werden, die es gern sehen, dass wir uns unterwerfen. 

    (c) Diana

    Über die Rolle der Organisationen von Überlebenden der Prostitution und Betroffenen in der abolitionistischen Bewegung

      Können Sie sich eine „Black-lives-matter“-Bewegung vorstellen, in der weiße Menschen die führende Rolle übernehmen? Oder in der schwarze Menschen ausgeschlossen sind?

      Wir, das Netzwerk Ella, können und wollen das nicht. Eine politische Bewegung für Rechte und gegen Ausbeutung und Benachteiligung betroffener Personen kann nicht in „ihrem Namen“ angeführt werden – und niemals ohne sie. Auch nicht die Bewegung für die Abschaffung der Prostitution.
      Aber genau diese unheilvolle Entwicklung findet seit einigen Jahren in der deutschen abolitionistischen Bewegung statt. Das ist nicht nur ein politischer Skandal, sondern ein fataler Fehler, der dazu führt, dass Abolition in Deutschland seit Februar 2014 nicht weiter gekommen ist, im Vergleich zu unseren Nachbarn in Frankreich.

      Wir schreiben das Jahr 2020. Seit Jahren kämpfen solidarische Abolitionistinnen zusammen mit Frauen aus der Prostitution dafür, dass Betroffene einbezogen werden und politische Entscheidungskompetenzen bekommen. Und genau dafür wurde das Netzwerk Ella gegründet: Damit Überlebende der Prostitution und Betroffene eine starke gemeinsame und unabhängige Stimme bekommen, eigene Forderungen stellen und politisch agieren können. Wir wollen Prostitution abschaffen, ohne gegen Frauen in der Prostitution vorzugehen!

      Wir, die Überlebenden und Betroffenen, sind nicht die Mitläufer oder Handlanger der abolitionistischen Bewegung. Wir sind nicht das Feigenblatt oder die „Alibi-Opfer“, die man präsentiert, um Mitleid zu erwecken und für Spenden zu sorgen, nachdem die Expertinnen gesprochen haben. Unsere eigene Expertise ist nicht immer erwünscht. Denn die, die als Experten „für uns“ sprechen, teilen unsere Forderungen und Anliegen zuweilen ganz und gar nicht. Einige Abolitionistinnen hatten zum Beispiel kein Problem mit dem Prostitutionsverbot wegen Corona-Pandemie. Wir aber schon! Und es wurde in Berlin auch dank Netzwerk Ella durchgesetzt, dass Frauen trotz Prostitutionsverbots keine Bußgelder mehr zahlen mussten. 
      Es ist unsere Aufgabe, den Prohibitionismus nicht zu dulden, nicht nur weil das den Betroffenen, sondern auch der abolitionischen Idee schadet! Wenn wir schweigen, wird sich Deutschland irgenwo zwischen Prohibition und Freier-Bestrafung verirren.
      In allen Ländern, in denen das Abolitionistische Modell, auch das Nordische Modell genannt, eingeführt wurde, gab und gibt es Betroffenen-Verbände, die einen maßgeblichen und führenden Einfluß auf die dortige abolitionistische Bewegung hatten und immer noch haben. Frauen mit Erfahrungen in der Prostitution sind die Speerspitze der Bewegung! Das muss uns allen bewusst sein.

      In Frankreich zum Beispiel ist die abolitionistische Gesetzgebung seit 2016 rechtskräftig. Dagegen herrschen in Deutschland für Prostituierte katastrophale Zustände: Prostitutionsverbote, Sperr-Zonen und Bußgelder, Erzwingungs-Haft, Obdachlosigkeit, mangelhafte finanzielle Hilfe und medizinische Versorgung, Gewalt und Ausbeutung durch Freier, Zuhälter und Staat. Ja, der deutsche Staat kassiert nicht nur die Gewerbe-Steuern bei Bordell-Betreibenden, sondern auch die „Vergnügungs-Steuer“ von jeder Frau in der Prostitution! 
      In Deutschland dürfen Freier entscheidende und verantwortungsvolle Positionen bekleiden: in der Politik, Justiz und bei der Polizei. Es gibt bis heute keine verbindlichen ethischen Richtlinien, die Politikern und Beamten den Sexkauf und jegliche Profite aus Prostitution Anderer untersagen.
      Nach sechs Jahren seit der „Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung und Prostitution“ (2013/2103(INI)) im Februar 2014, ist Deutschland immer noch das Bordell Europas und ein Paradies für Sex-Touristen aus aller Welt!
      Das ist die schmerzhafte deutsche Realität, es gibt wenig zu feiern… Doch Frankreich und andere Länder haben es geschafft und wenn Deutschland von Nachbarländern und Vorgängern lernt, haben auch wir Hoffnung auf eine Zukunft frei von Prostitution!

      Daher ist das hier hochpolitisch: Welchen Einfluß sollen Betroffene haben? Sind Überlebende ein Anhängsel der abolitionistischen Bewegung?
      Nein! Wir sind die, die sie anführen und lebendig machen. Wir sind eine starke Stimme und sprechen für uns selbst. Wir haben weitreichende Forderungen und klare Positionen:
      – Es darf keine Änderung der Prostitutions-Gesetzgebung geben, ohne dass Überlebende und Betroffene maßgeblich involviert sind – mit ihrer Expertise, Kritik und Ideen!
      – Netzwerk Ella unterstützt keine Bündnisse ohne Betroffenen-Organisationen! Das sind wir uns selbst, allen Betroffenen und auch der abolitionistischen Idee schuldig.
      Denn Abolitionismus kann nur erfolgreich sein, wenn die abolitionistische Bewegung fragt, wie sie die Forderungen der Überlebenden und Betroffenen unterstützen kann, und sich danach richtet. Alles andere schadet dem Abolitionismus und den Betroffenen. Wir sind niemals gegen Prostituierte – jedoch unbeirrbar gegen das System der Prostitution und sexueller Ausbeutung!

      Und was bedeutet das alles für deutsche abolitionistische Bewegung? Die Rolle der abolitionistischen Bewegung in jedem Land war und ist nicht, den Überlebenden und Betroffenen eine Bühne und eine Stimme zu geben oder für sie zu sprechen – nein!
      Wir, Frauen aus der Prostitution, können und wollen für uns selbst sprechen.
      Wir haben unsere Bühne – die Straßen und die Netzwerke.
      Wir haben eine Stimme – sie ist laut und deutlich.

      Die Aufgaben der bürgerlichen abolitionistischen Bewegung bestehen darin:
      – die führende Rolle der Überlebenden und Betroffenen in der Abolition anzuerkennen;
      – uns dabei zu unterstützen, dass unsere Anliegen gehört werden und unsere Forderungen politisch umgesetzt werden;
      – uns wertschätzend Beistand zu leisten in unserem Bestreben eine Welt ohne Sexkauf und sexuelle Ausbeutung zu erreichen;
      – uns solidarisch zur Seite zu stehen und als ebenbürtige Mitstreiter für das Abolitionistische Modell in Deutschland zu kämpfen.
      Ja, kämpfen statt strategisch lavieren! Denn Sex- und Porno-Industrie sind einflussreiche Gegner, mit beträchtlichen finanziellen Mitteln und vielen Lobbyisten hinter sich. 
      Uns wird nichts geschenkt, wir müssen gemeinsam für Abolition streiten, werben und aufklären!

      „The abolitionist movement has to be survivor-led.“ – Die abolitionistische Bewegung wird von Betroffenen angeführt.
      Diese Parole gilt weltweit – orientieren wir uns daran!


      05. Oktober 2020

      © Netzwerk Ella

      Forderungen des Netzwerks Ella

        1. Aktuelle Forderungen in Bezug auf Corona-Pandemie: 


          1.1. Prostitution wird nicht bestraft. Bussgelder und Sperrbezirks-Verordnungen für Prostituiere werden ausgesetzt.  

        1.2. Sexkauf wird untersagt. Freier, auch „Empfänger der körpernahen Dienstleistungen“ genannt, werden mit Bussgeld ab 1000 Euro bestraft und unter Quarantäne gestellt.  

        1.3. Frauen in der Prostitution werden als Risiko-Gruppe aufgefasst. Corona-Tests und andere medizinische Hilfen werden ihnen kostenlos angeboten.  

        1.4. Es werden Unterbringungs-Möglichkeiten geschaffen: Hotels, Ferienwohnungen und andere Optionen. Als Notunterkünfte können in Ausnahmefällen auch Prostitutions-Stätten genutzt werden, sofern sichergestellt werden kann, dass Freier und Zuhälter keinen Zutritt bekommen.  

        1.5. Notgeld und andere finanzielle Hilfen für Prostituierte werden gewährt, auch Fahrkarten für die Heimreise, falls erwünscht. Müttern in der Prostitution wird ausserdem finanzielle Hilfe für Versorgung ihrer Kinder angeboten.  

        1.6. Hilfe und Unterstützung bei drohender oder erlittener Gewalt, Bestrafung, Erpressung oder Zwang.  

        1.7. Hilfsangebote bei Substanz-Missbrauch und entsprechende Prävention. Hilfe bei Suizidalität und psychischen Problemen.  

        1.8. Geeignetes und geschultes Personal, möglichst keine männlichen Fachkräfte im Kontakt mit Frauen. Keine „Freier in Uniform“ – Gefahr der Retraumatisierung und Reviktimisierung!  

        1.9. Gewaltfreie und konstruktive Kommunikation, Akzeptanz und Solidarität für Prostituierte. Klare Ablehnung und Kritik des Sexkaufs, der Zuhälterei und des Profits aus der Prostitution Anderer (wie Betreiber, Vermieter) sowie der Sexindusrie insgesamt. Keine Verharmlosung der Ausbeutung und Inhumanität in der Prostitution.  

        1.10. Frauen, die sich aufgrund illegaler Prostitution oder Prostitution im Sperrbezirk in Haft befinden, werden amnestiert und freigelassen. Bereits verhängte Bussgelder werden erlassen. 

        2. Grundsätzliche Forderungen: 


        Ausgehend von der Überzeugung, dass: 

        A. Prostitution mit Menschenwürde nicht vereinbar ist; 

        B. Prostitution insbesondere Frauen und Mädchen betrifft und mit Gleichstellung der Geschlechter nicht vereinbar ist; 

        C. Sexkauf eine Form der sexuellen Gewalt ist, eine Vergewaltigung gegen Entgelt und eine schwere Verletzung der Menschenrechte darstellt; 

        D. Nachfrage nach Sexkauf sowohl die Prostitution, als auch alle Formen des Sexhandels, der Pornographie und der sexuellen Ausbeutung verursacht; 

        E. Sexhandel eine moderne Form der Sklaverei ist und eine schwere Verletzung der Menschenrechte darstellt; Fordern wir, das Netzwerk Ella, als Überlebende der Prostitution, der sexuellen Ausbeutung, der Zwangsprostitution oder des Menschenhandels: 


        2.1. Unterstützung und Begleitung für Menschen in der Prostitution oder Pornographie und danach. Der Paragraph 184f StGB wird abgeschafft: „Ausübung der verbotenen Prostitution: Wer einem durch Rechtsverordnung erlassenen Verbot, der Prostitution an bestimmten Orten überhaupt oder zu bestimmten Tageszeiten nachzugehen, beharrlich zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen bestraft.“ Solche Gesetze sind frauenfeindlich und inhuman; Vollständige Entkriminalisierung bei Ausübung der Prostitution, keine Besteuerung der Einnahmen durch eigene Prostitution; Anerkennung als Opfer der Gewalt; Asylrecht für Opfer der sexuellen Ausbeutung und Prostitution; Existenzsicherung, Sprachkurse, Weiterbildung und Angebote für berufliche Alternativen; Mitgefühl und Akzeptanz für Menschen in der Prostitution bei strikter Ablehnung des Sexkaufs. Keine Verharmlosung der Ausbeutung und Inhumanität in der Prostitution; Medizinische und soziale Angebote, wie Traumatherapie, Drogenentzug, Erziehungshilfe, Schutzwohnungen etc.; Geeignetes und geschultes Personal, keine „Freier in Uniform“, genügend weibliche Fachkräfte; Information und Hilfe für betroffene Familienmitglieder der Menschen in der Prostitution, insbesondere für ihre Kinder. 


        2.2. Bekämpfung der Nachfrage nach Sexkauf und Pornographie. Einwilligung in sexuelle Handlungen gegen Entgelt muss als ungültig gelten, analog der ungültigen Einwilligung unter Einfluss von Alkohol oder Drogen. Da das Entgelt die freie Willensbildung beeinflusst, ist das beugende Gewalt und Sexkauf ist damit sexuelle Nötigung. Die aktuelle Gesetzgebung lässt das unberücksichtigt und muss daher geändert werden!Konsequente und harte Bestrafung der Freier, auch bei Sexkauf im Ausland oder bei Nachfrage nach Sexdiensten, bereits beim Anbieten des Entgelts; Konsequente und harte Bestrafung der Konsumenten pornographscher Inhalte mit realen Menschen in Bildform;Therapieangebote für sexsüchtige Freier sowie bei Porno-Sucht. Informationen und Hilfe für betroffene Familienmitglieder der Freier und Porno-Konsumenten;Verbindliche ethische Richtlinien, die Sexkauf und Konsum der Pornographie explizit untersagen, für alle Mitarbeiter der staatlichen Behörden, insbesondere bei der Polizei, Justiz, Politik, Bildung, Medizin, Pflege und Sozialdiensten. 


        2.3. Bekämpfung des Sexhandels und Pornoindustrie. Konsequente und harte Bestrafung der Zuhälter, Händler, Betreiber, Vermittler, Zeitungen, Internetseiten, Werbeagenturen und aller sonstigen Akteure, die von Prostitution Anderer profitieren; Konsequente und harte Bestrafung der Hersteller und Vertreiber pornografischer Inhalte mit realen Menschen in Bildform, ausgenommen Sex-Darsteller. Intensive internationale diplomatische und polizeiliche Zusammenarbeit und Austausch mit anderen Ländern, die Sexkauf und Pornographie nach dem Gleichstellungs-Modell bzw. nach dem Nordischen Modell bestrafen. 


        2.4. Prävention und Aufklärung in der Gesellschaft. Aufklärung und Prävention in der Öffentlichkeit, Medien und Bildungswesen, insbesondere bei Jugendlichen, als Zielgruppe der Sexindustrie. Hilfsangebote und Unterstützung, vor allem für gefährdete Jugendliche und deren Eltern;Informationen und Aufklärung über Ursachen und Zusammenhänge zwischen Prostitution und Gewalt, Menschenhandel, Pornographie, Armut, Rassismus, Sklaverei, Sexismus und Frauenhass;Aufklärungskampagne über freie und einvernehmliche Sexualität, sexuellen Konsens und sexuelle Selbstbestimmung;Überlebende der Prostitution und sexuellen Ausbeutung als Experten und Berater bei allen Maßnahmen hinzuziehen und einbinden.

        26. September 2020, Bonn 
        © Pani K. für das Netzwerk Ella

        Der massenhafte Einzelfall

          Autorin: Ronja //

          Seit ich mich für das Nordische Modell engagiere und damit weit mehr Einzelschicksale in der Prostitution als sogar während meiner aktiven Zeit mitbekommen habe, verblüffen und verstören mich einige der Parallelen zwischen uns (Ex-)Betroffenen immer wieder und immer mehr.

          Und ihre Instrumentalisierung ebenso.

          Die pro-Prostitutions-Lobby grenzt sich natürlich ab von Menschenhandel und Zwangsprostitution. Denn natürlich möchte das niemand unterstützen oder gar anpreisen und zumindest ein Teil der Freier legt ja sogar Wert auf die Illusion der Freiwilligkeit. Doch diese Unterscheidung in „Menschenhandelsopfer“ und „die frohe, freiwillige Hure“ – die ist schwierig.

          Wo beginnt denn Menschenhandel und Zwang? Nein, nicht erst bei einem abgenommenen Pass nach einer illegalen und gewalttätigen Verschleppung an den Ort, an dem eine Frau zur Prostitution gezwungen wird.

          Er liegt vor, wenn eine Frau von Bekannten oder gar Verwandten unter falschen Job-Versprechungen nach Deutschland „eingeladen“ wird, nur um dann vor der „Wahl“ Bordell oder Obdach- und Mittellosigkeit zu stehen, weil der Putzjob im Hotel gar nicht existiert.

          Er liegt vor, wenn der (vermeintliche) Partner eine Frau dazu nötigt und ihr einredet, sie müsste für beide auf diese Art Geld verdienen, denn die Beziehung hätte ihn bis dahin schon genug „gekostet“ und nun wäre es einmal an ihr, sich zu „revanchieren“.

          Er liegt vor, wenn Frau sich aus Verzweiflung auf erste Treffen gegen Geld aber noch ab vom Milieu einlässt und der souverän wirkende Freier vorschlägt, dass er ihr Connections verschaffen könne – natürlich gegen Anteil.

          Er liegt schlicht vor, wenn eine dritte Partei durch die Ausbeutung der Frau, egal in welcher Form und in welchem Beziehungsgefüge (siehe auch Leihmutterschaft gegen Geld) profitiert.

          So viel zum Menschenhandel.

          Und Zwang trifft noch viel öfter zu.

          Zwang, weil Frau aus dem sozialen Netz gefallen ist.

          Oder ihre psychische Gesundheit keinen anderen Weg erkennen lässt und Hilfsangebote erst gar nicht bei ihr ankommen.

          Weil irgendwas oder irgendwer ihren Selbstwert und ihr Männerbild schon so nachhaltig beschädigt hat, dass sie sich tatsächlich zwanghaft prostituiert um die Abwertung ihrer Selbst oder (teilweise auch gleichzeitig) die vermeintliche Aufwertung, weil Freier für ihren Körper bezahlen, als einzige zwischenmenschliche Konstante sieht, die sie in ihrem Leben aufrechterhalten kann.

          Zwang, weil Menschen ihr „einmal Hure, immer Hure“ sagen.

          Das klingt immer noch sehr abstrakt. Und vor allem so weit weg von den „Selbstbestimmten“.

          Aber das ist es nicht.

          Nicht nur jemand, der sowieso schon eine schlechte „Sozialprognose“ (schrecklicher Begriff, aber des Verständnisses halber verwende ich ihn) hatte und hat, fällt durch das Netz der Sozialleistungen.
          Abgelehnte Anträge, weil eine Unterschrift der Eltern bei unter 25-Jährigen nicht beizubringen ist (z.B. weil eine junge Frau ihr gewalttätiges Elternhaus fluchtartig verlassen musste und jeder weitere Kontakt gefährlich wäre), abgelehnte Bildungsmaßnahmen, weil irgendeine verbürokratisierte Voraussetzung nicht im Lebenslauf erfüllt wurde, Scham, aus der man sich nicht ofW (ohne festen Wohnsitz) melden will und ergo versucht, sich ganz ohne Sozialleistungen, von Amtswegen getragene Krankenversicherungsbeiträge und der Aussicht, mit dieser Zäsur im Lebenslauf je wieder eine eigene Wohnung zu finden, durchzuschlagen.

          DAS passierte und passiert vielen der sogenannten „Selbstbestimmten“.

          Und nein, wir sind auch nicht zu doof um Anträge zu stellen.

          Es erstaunt mich auch immer wieder, wie viele von uns insbesondere nach dem Ausstieg aber teilweise auch noch während der aktiven Zeit, aktiv versuchen, Bildungsaufsteigerinnen zu werden.

          Der zweite Bildungsweg und die Hörsäle sind voll von Frauen wie uns.

          Aber diese Türen waren uns dereinst aus genannten Gründen verschlossen und sie bleiben es leider für noch viel mehr Frauen in der Prostitution, die z.B. keine Ausbildung oder alternative Zulassungsvoraussetzungen zum zweiten Bildungsweg nachweisen können.

          Auch aus diesen Gründen. Wer durch das Netz fällt, hat meistens andere Dinge zu retten als den ermüdenden und verhassten Schriftverkehr mit Ämtern.

          Nur warum sind wir als massenhafte Einzelfälle dort gelandet?

          Auch das ist ein Punkt der Parallelen, der von der pro-Lobby gern negiert wird.
          Gewalterfahrung wird als Einzelfall gestempelt und es heißt, so eine Frau sollte sich diesen „Beruf“ eben nicht aussuchen.

          Und dennoch bilden wir das Gros der Frauen, die dort gelandet sind.

          Denn es muss nicht einmal sexualisierte Gewalt sein, die einer Frau widerfahren ist. Wobei auch schon der Anteil an denen, auf die das zutrifft, erschüttert hoch ist und die Statements der Lobby wie gewalttätigen Hohn an sich erscheinen lassen.

          Aber selbst wenn diese schlimmste Gewalt in Kindheit und/oder Jugend nicht erfahren werden musste, eint uns doch meist trotzdem eine Historie der Gewalt. Physisch und/oder psychisch in Form von Abwertungen und Vernachlässigung.

          Und DAS trifft nun wirklich auf mindestens 90% der Frauen zu, mit denen ich selbst seit über einem Jahrzehnt in Kontakt gekommen bin.

          Als ich mich selbst noch prostituiert habe, glaubte ich sogar, dass ich mit dieser falschen, gekauften und damit missbräuchlichen „Zuneigung“ und „Wertschätzung“ etwas, das mir widerfahren ist, kompensieren könnte.

          Ein prominenter Selbstbetrug im Milieu.

          Ich prangere mit diesem Text also die Instrumentalisierung von uns Aktivistinnen durch eine Schwarz-Weiß-Denke an.

          Menschenhandel versus Selbstbestimmtheit.

          Alternativlosigkeit versus Selbstbestimmtheit.

          Gewaltfolge versus Selbstbestimmtheit.

          Es gibt keine Trennlinie zwischen diesen Dingen und einer vermeintlichen Selbstbestimmtheit. Tatsächlich verhöhnt eine derartige Trennlinie die Lebensrealität so vieler Prostituierter, die sich in einem oder mehreren dieser Punkte irgendwo im Bereich dazwischen sehen. Damit können sie sich nicht mit der pro-Lobby identifizieren aber wissen auch sonst nicht wohin mit ihrer Identität, die im Diskurs kaum ein Ohr findet, weil es nur um diese Extreme zu gehen scheint.

          Das Netzwerk Ella bietet genau dieses Ohr. Und Support.

          Und wir nehmen uns einander an, ganz egal, wo auf dem „Schieberegler“ zwischen  diesen Extreme unsere eigene Geschichte verortet ist.

          Trotzdem erstaunt und erschüttert es mich immer wieder, dass selbst die meisten „Selbstbestimmten“ eben nicht auf der einen extremen Seite stehen, sondern doch irgendwo von diesen Dingen, die es doch eigentlich nicht geben dürfte unter den „frei gewählt dort Gelandeten“ betroffen waren.

          Schlussendlich eint uns aber vor allem eines, und das ist die Erkenntnis, dass nur das Nordische Modell andere Frauen davor bewahrt, sich prostituieren zu müssen und ein gesamtgesellschaftliches Umdenken in Hinsicht auf Geschlechterrollen und der Rolle der Prostitution darin zu erwirken.

          Von Menschenhandel betroffen, durch soziale Netze gefallen, Gewalt erlebt…

          Patriarchat verinnerlicht, der Geschlechterrolle ergeben, Selbstbetrug.

          Jede individuelle Geschichte einer Prostituierten ist ein massenhafter Einzelfall.

          Nordisches Modell, jetzt!

          Die politischen Kämpfe und Überzeugungen der „Lobby“ und der AbolitionistInnen

            Autorin: Sophie //

            Die Hurenbewegungen entstanden einst aus der Kritik an einer doppelmoralischen Gesellschaft, die einerseits in die Prostitution involviert ist, indem sie sie nutzt und auf sie baut, andererseits jedoch die in der Prostitution Tätigen für ihre Ausübung bestraft.

            Im Patriarchat wurde immer schon zwischen „Heiligen“ und „Huren“ unterschieden, von welchen die Heiligen diejenigen ehren- und schützenswerten Frauen sind, auf deren Unberührtheit der Ausdruck der Familienehre projiziert wird, die Huren hingegen sind das personifizierte Schandmal einer Gesellschaft.

            Jedoch wurden die „Huren“ von der katholischen Kirche und auch vorher im antiken Griechenland und Rom zwar stigmatisiert, aber geduldet. Bis zur Reformation gab es sogar Bischöfe, die selbst Bordelle betrieben, was man unter anderem durch ein Zitat vom heiligen Thomas von Aquin legitimierte, das besagt: „Die Prostitution in den Städten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden“. Dass der Klerus jedoch nicht Bordelle betrieb, um die öffentliche Ordnung zu bewahren, sondern einfach das politische und wirtschaftliche Machtmonopol, das die Kirche innehatte, zur eigenen Bereicherung ausnutzte, sollte selbstverständlich sein.

            Luther, der auch heute noch von Protestanten dafür verehrt wird, die Kommerzialisierung des christlichen Glaubens abgeschafft oder durch die Übersetzung der Bibel zumindest dazu beigetragen zu haben, dass sie nicht mehr theologisch legitimiert war, hatte ganz andere Pläne mit den Prostituierten: Man solle sie rädern und ädern lassen. Sie waren ihm ein Dorn im Auge und störten die öffentliche Moral.
            Seine Lösung für das Problem der Unsittlichkeit der Prostitution war es, das Heiratsalter auf zwölf Jahre herabzusetzen, damit Männer es nicht mehr nötig hätten, Prostituierte aufzusuchen. Fortan wurden Prostituierte polizeilich verfolgt, gefoltert, weggesperrt und umgebracht. Die katholische Kirche stellte ihre ausbeuterischen Tätigkeiten auf diesem Wirtschaftszweig nun auch ein, weil sie durch die theologische Konkurrenz ihr Monopol verlor und mitziehen musste, um nicht an Glaubwürdigkeit einzubüßen.


            Zwar erkannte das Vatikanische Konzil im 17. Jahrhundert Prostitution wieder als ein notwendiges Übel an, jedoch blieben die Repressalien gegen Prostituierte in den meisten Ländern bestehen.
            Luther läutete mit seinen Schriften über die Arbeit, die Rolle der Frau in der Familie und den Pamphleten gegen die Bauernaufstände die kapitalistische Gesellschaft ein.

            Luthers Denken bildet die Grundlage des alten Preußens, seines Kadavergehorsams und der bürgerlichen Gesellschaft als solcher.
            Auch die bürgerliche Kleinfamilie liegt in Luther begründet. So zementiert Luther die Rolle der Frau auf das Kinderkriegen und ihr Hausfrauendasein. Er weichte das Scheidungsrecht unter den Aspekten auf, dass sich geschieden werden dürfe, wenn ein Ehepartner sich dem anderen im Ehebett verweigere oder ein Ehepartner unfruchtbar sei. Sterbe eine Frau im Kindsbett, sei das nur Recht, denn das sei ja ihre Aufgabe gewesen. Dies und die Tatsache, dass Frauenklöster abgeschafft wurden, stärkte das Abhängigkeitsverhältnis zu Männern immens.

            Frauen werden auch heute noch nur selten als eigenständige Subjekte wahrgenommen.
            Während die ehrbare Frau in dem Sinne Objekt ist, dass sie als Eigentum behandelt wird, auf das aufgepasst werden muss und das die Funktion erfüllt, Erben zu gebären und großzuziehen, um das Privateigentum in der Familie behalten zu können, wird die Hure auf die Weise Objekt, dass sie ihren Körper der Gesellschaft zur Verfügung stellen muss.
            Die Hure, das „leichte Mädchen“, gilt als anrüchiges, schmutziges und hinterlistiges Geschöpf, das zu faul ist, sich sein Brot auf ehrliche Weise zu verdienen.

            Ihrer Raffgier nachgehend macht sie es sich leicht. Sie legt sich lieber nachts auf den Rücken, um nicht mit schwitzendem Angesicht unter der Sonne stehen zu müssen.
            Eine Dirne treibt sich mit dem Abschaum der Gesellschaft herum, trinkt, klaut und lügt, einen moralischen Kompass hat sie nicht.
            Das nymphomanische Mädchen kann ihre Hände nicht bei sich behalten und verführt deshalb den unschuldigen, hart arbeitenden Familienvater, dessen treues Eheweib sehnsüchtig zuhause wartet.
            Schon mit Eva fing es an, die den Adam mit dem Apfel verführte, welcher sinnbildlich für den Geschlechtsakt steht.
            Außerdem ist sie schmutzig.

            Sie hat keinen Ekel und auch kein Problem mit Dreck und Krankheit, weshalb sie die Männer mit allen möglichen Seuchen ansteckt, die diese wiederum an ihre armen Ehefrauen und Kinder weitergeben.
            Die Prostituierte ist eine verkommene Person, die sich ihren unmoralischen Lebenswandel selbst ausgesucht hat und es deshalb nicht anders verdient, als schlecht behandelt zu werden.

            All diese Ressentiments nennt man Stigma. Die Prostituierte ist stigmatisiert und zu einer Kreatur zweiter Klasse degradiert. Kreatur, weil man bei diesen Zuschreibungen von Mensch nun wirklich nicht sprechen kann.
            Um die Ambivalenzen mit der eigenen Ehefrau nicht austragen zu müssen, werden sie vom Mann externalisiert. Wünsche, die man an die Heilige nicht richten möchte, gibt man nun an die Prostituierte ab. Wut, mit der man nicht weiß, wohin, richtet man gegen die Prostituierte.
            Jedes Bedürfnis nach Macht kann man an der Prostituierten ausleben. Wenn der Arbeitstag hart war und man vom Chef zur Schnecke gemacht wurde, geht man zu einer Nutte, um sich wieder als Mann zu fühlen.
            Die Prostitution ist eine vom Über-Ich befreite Institution. Man bezahlt, um ohne schlechtes Gewissen seiner Triebstruktur freien Lauf lassen zu können.


            Erich Fromm sagt genau dies auch in Anatomie der menschlichen Destruktivität über die Nazis und ihre politischen Gegner. Die Foltermethoden, die an den Gegnern des Regimes praktiziert wurden, sind komplett des Über-Ichs befreit. Alles, was man bei Menschen der eigenen Gruppe nicht darf, darf man beim Feind, beim Menschen zweiter Klasse eben schon. Destruktivität entlädt sich, wo der Mensch keiner potentiellen, durch Regelbruch verursachten, Ächtung unterworfen ist.

            So ist es auch mit allen Frauen, die durch das Hurenstigma oder durch die Tatsache, dass sie zuviel Haut zeigen, zu Vogelfreien erklärt werden. Die Männer, die zu ihnen gehen, benutzen sie zum Aggressionsabbau und zur Wiederherstellung ihrer Männlichkeit. Der Geldschein, der die Gewalt zu einer Dienstleistung verklärt, erlaubt dem Mann, jede mögliche Praktik vorzunehmen, die bei einer „ehrenwerten Frau“ selbstverständlich Schmerzen verursachen würde.

            Es ist, als bestünde die Prostituierte nicht aus Fleisch und Blut.
            Sie ist eine Ware. Eine Projektionsfläche.
            So sagt es auch der konservative Medienwissenschaftler Norbert Bolz in seinem antifeministischen Pamphlet „Helden der Familie“: „Im Geschlechtergenuss verhalte ich mich gerade nicht zum anderen als solchem. Sein Selbst könnte da nur störend dazwischenkommen. Deshalb wird die Faszinationskraft einer schönen Frau durch ihre Dummheit nicht beschädigt, sondern gesteigert. Sie ist, mit der unüberbietbaren Formel von Oscar Wilde, die Sphinx ohne Rätsel.“

            Auch Theodor Adorno äußert sich in der Minima Moralia wie folgt: „Phantasie wird entflammt von Frauen, denen Phantasie gerade abgeht. (…) Ihre Attraktivität rührt her vom Mangel des Bewusstseins ihrer selbst, ja eines Selbst überhaupt.“

            Also ist das, was Frauen für den Mann sexuell attraktiv macht, eben nicht in ihrer Funktion als Subjekt, als ein Selbst mit eigenem Willen, eigenen Wünschen und eigenen Bedürfnissen begründet. Das, was Männer bei Prostituierten suchen, ist eine Leinwand. Eine Leinwand, deren Schönheit darin besteht, körperlich makellos zu sein, und möglichst viel von dem, was sie einzigartig, ja was sie zum Subjekt machen könnte, für sich zu behalten.
            Diese menschliche Leinwand ist das Objekt, auf das der Freier seine inneren Bilder projiziert. Deshalb ist es in der Prostitution auch ein Verkaufstrick, sich nicht zu sehr zu spezialisieren. Möglichst allgemein zu bleiben und möglichst alles anzubieten, lässt die Aussicht auf viele Freier steigen. Auch zuviel Haut zu zeigen ist nicht von Vorteil.
            Wenn ein Freier die Vulva schon vor dem Date kennt, kann er sie nicht mehr idealisieren.

            Die Prostituierte soll nämlich ein Platzhalter sein.
            Sie ist für ihn die Gespielin, mit der er das, was er aus Pornos kennt, ausleben kann.

            Wo ihre eigene Sexualität dabei ist, ist ihm egal. Teuer verkaufen kann sie sich dann, wenn sie entweder psychisch und körperlich belastende Praktiken anbietet, oder in der Lage ist, sich in die Phantasien der Freier hineinzudenken und sie vorauszusehen. Wer es schafft, sich selbst komplett aus sich zurückzuziehen und nur noch das ist, was der Freier sehen und erleben möchte, hat in Kombination mit dem Privileg des selbsbestimmten Arbeitens gute Verdienstmöglichkeiten.
            Dass dies nur auf wenige Frauen zutrifft, geschenkt.

            Aber dass das selbst unter privilegierten Umständen noch frauenverachtend ist, muss unbedingt erkannt werden. Der Freier objektifiziert die Prostituierte. Ob die Arbeitsbedingungen gut oder schlecht sind, die Hure ist für den Freier kein Mensch mit Gefühlen, die er zu achten hätte. Bekäme sie tatsächlich einen Orgasmus, würde er sich nicht für sie als Mensch freuen, nein, es würde sein Ego pushen und er könnte sich als toller Hecht und sehr männlich fühlen. Genau das ist der Grund, weshalb so viele Frauen Orgasmen vortäuschen: ein aufgrund seiner fragilen Männlichkeit narzisstisch gekränkter Mann ist kein angenehmer Zeitgenosse. Er wird mindestens passiv aggressiv, in der Prostitution aber, wo er sich ja, weil er wie beim Ablasshandel sein schlechtes Gewissen freigekauft hat, nicht zusammenreißen muss, kann es durchaus sein, dass er auch aktiv aggressiv wird.


            Natürlich kann man sagen, dass man durch jede Dienstleistung für etwas benutzt wird und es dem, der die Dienstleistung in Anspruch nimmt, egal ist, ob die Dienstleistende diese gerne ausführt.

            Jedoch ist es ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft, wenn man eine Handlung, die außerhalb des Körpers stattfindet, mit einer Handlung vergleicht, die in einem Körper stattfindet.
            Es ist einfach nicht dasselbe, wenn man nackt, schutzlos und ausgeliefert auf einem Bett liegt und ein Mensch, dem egal ist, was man fühlt, in einen eindringt, wie wenn man angezogen am Tresen steht und Bier einschenkt. Auch ist es nicht dasselbe, wenn man mit einem fremden Mann, der einen mit jeder Faser seines Körpers verachtet und aus jeder Pore seiner Haut nach saurem Schweiß riecht, in einer billigen Absteige unterkommt, der einem mit seinen viel zu langen schmutzigen Fingernägeln in Körperöffnungen eindringt, die so nicht abgemacht waren und man danach blutet und sich am liebsten anschließend mit einer Stahlbürste und Kernseife von innen ausreinigen möchte, wie wenn man einer alten Dame im Friseursalon mit Rückenschmerzen vom langen Stehen die Haare schneidet.

            Das eine ruft in zwei Dritteln der Fälle, je nach Sozialprognose, eine PTBS hervor und das andere nicht.
            Das eine beeinträchtigt die körperliche Integrität, das Sicherheitsgefühl, die Selbstwahrnehmung , das Selbstwertgefühl, das Vertrauen in die Außenwelt oder das Vertrauen in sich und das andere aber ist zwar unangenehm, aber es verändert einen Menschen nicht auf einer derart existenziellen Ebene.
            Wenn es nicht Konsens wäre, dass nicht-konsensueller Sex so problematisch und traumatisierend für die Psyche des Menschen ist, wäre in unserem Strafrecht nicht so ein hohes Strafmaß für sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung verankert.

            Geschlechtsverkehr so eine hohe Bedeutung beizumessen geschieht nicht aufgrund von christlicher Moral, es geschieht auf der Basis von Empirie.
            Dass ungewollte sexuelle Kontakte traumatisieren ist Fakt.
            Und dass nur die Minderheit der Prostituierten sich in ihrem Job wohlfühlt auch.


            Der Freier, der zu einer Prostituierten geht, kann nicht wissen, ob die Frau den Sex möchte und er nimmt billigend inkauf, dass dieses Erlebnis traumatisierend für sie wird.

            Er stellt sein eigenes Bedürfnis über ihres. Der Freier übt Macht aus, wie Max Weber sie definiert: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“
            Bei Prostitution also Fürsprache für das Recht auf Sex für die prostituierte Frau zu halten ist zynisch. Das Machtgefälle bezahlender Mann – bezahlte Frau lässt Geschlechtsverkehr auf Augenhöhe nicht zu.
            Die Frau ordnet sich immer dem Willen des Mannes unter, selbst wenn sie den dominanten Part einnimmt. Denn selbst dann hat der Mann sich konkret sie als Domina ausgesucht und bezahlt sie dafür, seinen Wunsch unterworfen zu werden zu erfüllen.


            Ich finde das ähnlich zynisch wie die von den Grünen angestoßene Debatte in den 80ern, in der es um ein Recht auf Sex für Kinder ging. Sex innerhalb eines Machtgefälles beziehungsweise die Ausnutzung eines Machtgefälles ist immer Missbrauch.

            Deshalb ist auch der Kauf von Konsens sexueller Missbrauch.
            Außerdem ist Prostitution auch Entfremdung. Die Prostituierte entfremdet sich von ihrem eigenen Körper, ihrer eigenen Sexualität, sie verdinglicht sich selbst, apriori wird sie verdinglicht.
            Ihr Körper wird wie eine Ware benutzt.

            Und die Frauen, die verächtlich auf sie hinabblicken, benutzen die Hure auch. Sie sind der Meinung, dass es für einen Mann nicht möglich sei, seine sexuelle Appetenz zu kontrollieren und dass all die ehrbaren Frauen und Töchter vergewaltigt würden, wenn es die Prostitution nicht gäbe. So wie Augustinus sind sie der Meinung, dass die Ünterdrückung der öffentlichen Dirnen dazu führen würde, dass die Gewalt der Leidenschaften alles über den Haufen werden würde .

            Außerdem sind viele Frauen mit Männern verheiratet, die sie eigentlich verachten und ihnen ist es lieber, dass ihr Mann, natürlich ohne dass sie es erfahren, zu einer Prostituierten geht, mit der der Sex nichts bedeutet, als dass er im eigenen Ehebett aktiv bleibt.
            Und auch bei Frauen zeigt sich der autoritäre Charakter. So wie der Mann die Hure braucht, um nach einer Rüge vom Chef, dem er demütig ergeben ist, seine Männlichkeit wiederherzustellen, so braucht sie auch die Frau, um sich in der Hierarchie nach oben zu befördern.
            Während man die Unschuld der Frau immer im Blick hat und die Anzahl ihrer Sexualpartner ihr gesellschaftliches Ansehen definieren, überlegt sie sich, wie sie sich Freiheit verschaffen kann.


            Da Frauen häufig von der Gunst des Mannes abhängig sind oder diese Abhängigkeit, selbst wenn sie de facto gar nicht besteht, dennoch internalisiert haben, tendieren sie eher dazu, sich Männern anzubiedern, um ihr Leben zu sichern, als mit anderen Frauen solidarisch zu sein.
            Also agieren sie ganz nach dem Schema „nach oben lecken, nach unten treten“ und suchen sich Frauen, die in der Hierarchie unter ihnen stehen, um auf diese herabzublicken.

            Gleichzeitig jedoch geschieht das genaue Gegenteil.
            Bürgerliche, den Zwängen der bürgerlichen Gesellschaft ergebene Frauen verklären und romantisieren die Prostitution sehr häufig, weil sie sie als das Gegenmodell zum moralischen Korsetts des Bürgertums interpretieren. Die Hure ist eine Vogelfreie, die sich nicht an Konventionen zu halten hat. Sie verdient Geld, ist selbstbestimmt und frech. Sie benutzt die Männer und wickelt sie um den Finger. Ihr proletarischer Charme wird exotisiert.
            Es ist aufregend, einmal eine Bordellführung im Frankfurter Bahnhofsviertel zu besuchen, danach fühlt man sich weltoffen und hat Anteil an der gespielten Erotik des Milieus.
            Denn Erotik existiert dort bisweilen keine. Es ist Schauspielerei. Das Rotlicht ist hochgradig ideologisch.


            Auch wenn SexarbeitsaktivistInnen gerne propagieren, dass die Prostitution der Inbegriff sexueller Freiheit sei, ist sie nur die Reproduktion und Sexualisierung gesellschaftlicher Verhältnisse.

            Für den Mann ist der Kauf von Frauen ein Versuch, seine narzisstische Kränkung durch die Mutter zu kompensieren. Während in den Massenmedien ein Bild des potenten, dominanten, solventen und Frauen unterwerfenden Mannes propagiert wird, fällt dem Individuum auf, dass die Person, die am meisten Macht über ihn hat, eine Frau ist, seine Mutter, die sich seiner Sauberkeitserziehung angenommen hat und über die elementaren Dinge seines Lebens entscheidet. Diese Kränkung versucht er zu überwinden, indem er Macht über Frauen erlangt.
            Außerdem sind Männer dazu sozialisiert, im Leben nach Lustgewinn zu streben, statt, wie im Gegensatz zu Frauen eher unlustvermeidend zu agieren.
            Dies ist aber nicht genetisch in Mann und Frau angelegt, sondern durch die Sozialisation bestimmt.

            Schon Karl Marx sagt, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt und deshalb sehe ich die Gründe für die Situation, die mit der Legalisierung der Prostitution geschaffen wird, bei den aktuell und ehemals bestehenden Verhältnissen. Man denkt nicht im Geist der Utopie über die Verhältnisse hinaus, sondern verbleibt ideologieimmanent. Man denkt, dass die Prostitution eine nicht abzuschaffende anthropologische Konstante sei.
            Statt den Versuch zu wagen, ihre Ursachen zu bekämpfen, die meist Armut, Zwang, Sucht, Trauma oder andere toxische Prägungen, die ein schwaches Selbstwertgefühl verursachen, sind, macht man es sich bequem in diesem System und versucht, sich wohlzufühlen. Kapitalismus macht frei!
            Er gibt dem Menschen ein Recht auf Sex. Doch wäre Sex wirklich etwas, auf das man ein Recht hätte, müsste man ihn gratis bekommen, so wie es mit Trinkwasser ist.

            Während man denkt, man bekämpfe die bürgerliche Ehe durch die Prostitution, festigt man diese nur durch sie. Denn wie wir wissen, kann die Ehe ohne die Prostitution nicht existieren. 1/3-50% aller Freier sind verheiratet.


            In unserer Gesellschaft, in der Respekt und Frieden untereinander noch kein echtes Bedürfnis geworden sind, weil die Inhaber der durch die patriarchale Gesellschaft resultierenden Privilegien diese nicht abgeben wollen und es auch nicht leicht ist, sie ihnen zu entreißen, weil sie die gesamte Vergnügungsindustrie und alle gesellschaftlichen Institutionen in der Hand haben, braucht es die Prostituierte für die Aufrechterhaltung des dichotomischen Objektstatuses der Frau.
            Würde man die Frau als ein Selbst sehen, würde man ihr sowohl promiskuitive Anteile, als auch mütterliche Anteile zugestehen, sowie auch sonst alle Anteile, die sich in ihr befinden, als ihren individuellen Charakter anerkennen.
            Die Frau würde sich vom Objekt zum Subjekt emporheben, vom Besitz zum Menschen werden.

            Würden Männer sich um die Sexualität einer Frau, die sie respektieren, bemühen, gäbe es mehr Geschlechtsverkehr, weil sich Frauen der pornographisch aufgeladenen und egoistischen Benutzung durch den Mann nicht mehr verweigern würden.
            Und selbst wenn sie es dennoch täten, könnte der Mann es einfach akzeptieren, weil er erkennen würde, dass es auf die Benutzung eines anderen Menschen einfach kein Recht gibt und das Erzwingen von Sexualität Gewalt ist.

            Während man also denkt, man sei ein hipper antikapitalistischer Freigeist, weil man die sonst unbezahlte Sorgearbeit, (wie der Koitus von Menschen dieser Couleur auch gesehen wird) kapitalisiert, festigt man die Ausbeutung alternativloser Frauen und euphemisiert sie als Sexarbeit.
            Doch wo Sexualität industrialisiert wird, verliert sie die Erotik. Durch die Einebnung in die Gesellschaft verliert sie das Anrüchige, Verbotene und Spannende.
            Die Zeit Freuds, der im Viktorianischen Zeitalter geboren wurde, war sexuell sehr aufgeladen. Weil Frauen sehr hochgeschlossen gekleidet waren, war schon das durchblitzen eines Handknöchels ein erregender Moment für den Mann.

            Die Tabuisierung von Sex machte ihn spannend. Jetzt, wo nichts mehr pervers scheint, weil alles normal ist und man alle Perversionen im Internet findet, kommen Erotik und Phantasie abhanden.
            Die Menschen haben weniger Sex als jemals zuvor. Zwar geht es immer früher los, doch die Praktiken sind entmenschlicht. Es ist eine kollektive Masturbation, bei der der andere denselben Zweck wie Sexspielzeug erfüllt, aber keiner mehr weiß, dass Erotik nicht im Körper sondern zwischen den Körpern liegt. Das Knistern, das Sex eigentlich verursachen sollte, verschwindet mehr und mehr. Letztlich hat der Kapitalismus nicht nur unsere Arbeitskraft von uns entfremdet, nein, nun nahm er uns auch noch die Sexualität.

            Und während man denkt, es schicke sich, seinen abolitionistischen GegnerInnen Rassismus vorzuwerfen, weil das Nordische Modell armen Osteuropäerinnen die Lebensgrundlage entziehe, macht man sich eins mit einem System, das schon immer auf menschenverachtender Basis funktioniert und im Nationalsozialismus in KZ-Bordellen und Lebensborn-Projekten kumulierte.
            Auf der einen Seite wurden „Deutsche Asoziale“ Frauen zur Prostitution gezwungen, um die KZ-Häftlinge in ihrer Arbeitsmoral anzuheizen, damit sie sich noch stärker ausbeuten ließen und ihnen zu suggerieren, ihr Dasein in dieser menschenverachtenden Maschinerie werde tatsächlich irgendwie entlohnt.
            Außerdem ging es darum, Distinktion zu den Juden zu betreiben, die die Prostitution in Kzs nicht in Anspruch nehmen durften.

            Andererseits schreibt Adorno in seinem Aufsatz „Sexualtabus und Recht heute“: „Die Lebensborn-Gestüte der SS, die Ermunterung der Mädchen zu temporären Beziehungen mit denen, die sich selber zur Elite erklärt und als solche eingerichtet hatten, sind, wie viele Pionieruntaten des Dritten Reiches, bloß die extreme Vorwegnahme gesamtgesellschaftlicher Tendenzen.“
            Genau das passiert nämlich auch noch heute. Jungen Mädchen wird eingeredet, dass es empowernd sei, sich an reiche alte Männer hinzugeben, die sie aushalten. Der Lifestyle als Sugarbabe und die schillernde Party-Prostituierte werden glorifiziert. Das Materielle wird über das Persönliche gestellt. Es wird suggeriert, dass es aufregend ist, als Escort in teuren Hotels den Geschmack der Bourgeoisie schmecken zu dürfen.

            Letztlich wird die Proletarierin durch diese Suggestion zur Sklavin gemacht. Sie wird nie zur Oberschicht dazugehören und durch das Versprechen, sich durch sexuelle Gefälligkeiten aber irgendwie nach oben katapultieren zu dürfen, glaubt sie bereitwillig eine Lüge, die sie dazu bringt, ihre Versklavung gern hinzunehmen. Sie verbringt ihre Zeit in der Prostitution vielleicht wie eine Verliebte in freudiger Erwartung auf Besserung. Doch sobald sie die Lüge als eine solche entlarvt hat, wird bittere Enttäuschung einsetzen.
            Auch dem Mann wird in diesem ideologischen Gebilde eingeredet, dass er Erfolg bei Frauen nur dann haben könne, wenn er beruflichen Erfolg hat oder „genetisch“ ansprechend ist.
            Es ist ein ekelhafter Biologismus, der besagt, es sei naturgegeben, dass Frauen qua Geburt entweder auf Körperkraft (Schutz) oder Finanzstärke (Sicherheit) aus seien. Es ist faschistisch, dass die Ideologie des „Survival of the Fittest“, also nur der Fitteste solle sich paaren, so weiterpropagiert wird.
            Doch die Prostitution baut auf rassistischen und faschistischen Elementen auf.
            So soll sich der aufmerksame Rezipient vielleicht einmal in Freierforen herumtreiben und nachlesen, wie zutiefst rassistisch die Kommentare der Freier sind.

            Aber nicht nur die Seite der Nachfragenden bedient solche Narrative. Auch die Seite der Betreiber wirbt im Internet oft damit, dass die Frauen in ihrem Etablissement keine billigen Osteuropäerinnen seien. Oder was Salome Balthus auf der Seite ihrer Escortagentur über die russischstämmige jüdische Frau Tamara schreibt, suggeriert das Bild eines jüdischen jungen Mädchens, das dem deutschen Freier als postnazistischen Herrrenmenschen unterwürfig seine Bedürfnisse zu erfüllen hat.
            Salome Balthus appelliert außerdem dazu, sich als Prostituierte nicht billlig zu verkaufen. Die sonst so sozialrevolutionär klingende inszeniert sich selbst als It-Girl des BesD. Wie Marie Antoinette denkt sie wohl, das Volk könne Kuchen essen, wenn es kein Brot gibt. Denn in Wahrheit haben die Frauen oft keine Wahl, für welchen Preis sie sich verkaufen. Wenn man der deutschen Sprache nicht mächtig ist und das Überangebot an Prostitution zu einem Dumping der Preise führt und die ökonomische Not das Annehmen von Angeboten unter Wert erzwingt, wird es schwierig, wie eine Frau Balthus 1000€ pro Stunde zu nehmen, sofern ich diesen Preis gerade richtig wiedergebe.

            Die Prostitution ist sexistisch, rassistisch und klassistisch. Ihre Euphemisierung als Empowerment ist extrem regressiv und bescheinigt dem Sprechenden eine Unfähigkeit, nicht aus seiner Matrix herausdenken zu können.
            Statt, dass Respekt, Frieden und Freiheit zu echten Bedürfnissen würden, wie Herbert Marcuse sie sich für die „Great Society“ erträumt, versucht man die Benutzung des Frauenkörpers nur positiv zu reclaimen. Doch wie Adorno in eben erwähntem Aufsatz auch sagt, gibt es keine freie Sexualität in einer unfreien Gesellschaft.
            Solange wir im Patriarchat leben und die Ursachen der Prostitution nicht bekämpfen, wird das so bleiben, aber wenn wir uns unserer stetigen sich wiederholenden Performance dessen, was schon immer war, bewusst werden und das dann verändern, werden wir ermächtigt, neue Paradigmen für unser Handeln zu setzen. Die Ursachen für Prostitution sind auf der einen Seite die bereits genannten Einstiegsgründe für die Frauen und auf der anderen Seite das Frauenbild der meisten Männer.

            Ich weiß, von Erziehung zu sprechen, hat den Geschmack einer ideologischen Gehirnwäsche, aber tatsächlich glaube ich, dass wir nicht umhin kommen, Männer dazu zu erziehen, Frauen als Menschen wahrzunehmen, statt sie weiterhin als zur unterschiedlichen Benutzung freigegebene Objekte zu betrachten.

            Und das meine ich nicht in einer Art und Weise, die eine freie Sexualität so definiert, dass die Frau sich, wie die Radikalfeministin Andrea Dworkin sagt, „nicht mehr von nur einem Mann vergewaltigen lassen muss, sondern von allen“, sondern mit Empathie und Identifikation.
            Hierbei ist der Spruch „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu“ handlungsweisend.

            (c) Sophie

            Warum sind Freier Arschlöcher? – Teil 2

              Autorin: Ronja

              Ich bin im Herbst 2017 aus der Prostitution ausgestiegen, doch erst jetzt habe ich die Kraft und auch den Rückhalt, meine Erfahrungen ehrlich zu reflektieren und mich für das Netzwerk Ella zu engagieren.

              Da ich diese Serie wichtig finde, möchte ich in meinem ersten Text an die von Huschke und Sophie bereits verschriftlichen Antworten darauf, warum Freier Arschlöcher sind, anknüpfen.

              Meinen allerersten und für lange Zeit einzigen Freier hatte ich im Jahr 2006. Aufgewachsen in einem von Alkoholmissbrauch, Gewalt und Morddrohungen geprägtem Elternhaus brach ich kurz vorher das Abitur und den Kontakt zu meinen Eltern ab.

              Ich hatte bereits eine Traumafolgestörung, die mir aber erst Jahre später bewusst werden sollte, und vor allem Bulimie, die auch finanziellen Druck mit sich brachte.

              Auch wenn ich im Jahr 2006 schon 20 Jahre alt war, lag auch mein erstes Mal noch nicht lange zurück, denn, vermutlich aus Angst vor Männern, die mein Vater mein ganzes bisheriges Leben lang schürte, war ich eine sogenannte Spätzünderin.

              Mein erstes Mal fand noch vor Abbruch des Abiturs statt – mit einem damaligen Lehrer. Das war kein Freier, aber dass ich das kaputt-verquere Machtverhältnis bei dieser Aktion nicht als solches erkennen konnte, spricht wohl auch schon Bände.

              Jedenfalls war ich bei meinem ersten Freier durch und durch noch ziemlich unerfahren und dass ich ein Anbahnen auf irgendeiner Kleinanzeigenplattform überhaupt zustande gebracht habe, war mehr „Glück“ als Verstand. So ließ ich mich auch von ihm im Auto in ein Waldstück mitnehmen und mich hinterher mit weniger Geld als ausgemacht abspeisen.
              Das vor allem weil er auf der Rückfahrt fast beiläufig aber doch sehr bewusst gewählt einfließen lies, dass er beim Zoll arbeitet. Er hatte meine Unerfahrenheit im Milieu natürlich längst durchschaut und so war ich einfach froh, lebend und immerhin mit einem Fuffi und nicht vom Zoll verhaftet (ja, das dachte ich bei dieser beiläufigen Erwähnung) wieder in meiner WG angekommen zu sein anstatt das ich mich noch getraut hätte, auf die eigentliche Abmachung zu bestehen.

              Er blieb für lange Zeit dann aber der einzige Freier, da ich in dieser WG meinen damaligen Freund kennenlernte, der einen SMS-Chat betrieb und ich dort eingestiegen bin und damit auch ziemlich schnell ein für mich ziemlich phänomenales Einkommen hatte. Durch diesen SMS-Chat (für alle, die sowas schon nicht mehr kennen: sogenannte Moderator*innen spielen dort den Kunden vor, dass sie eine Frau auf der Suche nach einem Sex-Kontakt wären und kassieren von den 1,99 Euro pro SMS, die der Kunde zahlt, meist nur wenige Cent. Da mein Ex-Freund aber seine eigene Plattform betrieben hat, blieben bei uns mehr als ein Euro pro generierter SMS hängen – allerdings logischerweise auch mehr Haftungsrisiko) lernte ich dann ziemlich schnell die Lingo der Branche kennen. Also einschlägige Abkürzungen. Und auch Plattformen für Annoncen, auf denen wir Werbung geschaltet haben.

              Die Gewaltphantasien, die ich in diesem Chat lesen musste, sind eine Story für sich und es erschüttert mich bis heute, dass ganz sicher nicht wenige dieser Männer auch im „echten Leben“ Freier waren und sind. Gar nicht mal selten war zum Beispiel die „Phantasie“, eine Frau so besinnungslos betrunken zu machen – also als Bedingung für ein Treffen – dass sie sich hinterher nicht mehr an die sexuellen (Gewalt)Handlungen, die ihr angetan würden, erinnern könnte.

              Anfang 2009 habe ich mich nach einem Gewaltausbruch von diesem Freund getrennt und war dann für ein halbes Jahr in einer psychiatrischen Tagesklinik. Leider war die sozialarbeiterische Betreuung dort ein Witz und so stand ich später in diesem Jahr allein und ziemlich perspektivlos da und alles, was ich wusste und „konnte“ – so redete ich mir zumindest ein – war irgendwas mit Sex-Business. Zu Ämtern habe ich mich teilweise nicht getraut oder habe mich viel zu schnell mit Ablehnungen abspeisen lassen, weil da mein altes Selbstbild von wegen „Du bist nichts wert und darfst keine Hilfe erwarten“ zu präsent war.
              Dass mich im Folgenden immer wieder Freier bezahlten, hat mir zeitweise sogar ein idiotisches, denn in seinem Fundament völlig falsches, Gefühl von „Stolz“ vermittelt.

              Von 2009 bis 2017 hatte ich also immer wieder unregelmäßig Freier. Meist, wenn ich an Behördentüren abgewiesen wurde und einfach nicht wusste, wie ich zwischenzeitlich Dinge wie Ausbildung oder dann zum Schluss das Nachholen des Abiturs anders finanzieren soll.

              Ich kannte die Plattformen, ich kannte die Lingo, und es war so verdammt „leicht“.

              Ich weiß, dass ich immer zu den Privilegiertesten unter den Prostituierten gehörte. Ich unterlag keinerlei äußeren Zwängen außer finanzieller Natur und ich war, wenn auch noch ohne Schulabschluss, gebildet genug um im vorherigen Mail-Kontakt einen Eindruck der Freier einzufordern und solche auszusortieren, die mir zu suspekt oder grenzüberschreitend erschienen – wobei das auch eine zweischneidige Sache ist. Die eigenen Grenzen verschieben sich leicht mit der Dauer im Milieu und dem Grad an akuter Geldnot. Bordell und Escort-Agentur habe ich beides probiert, aber da wurde mir meine Entscheidungsfreiheit doch zu beschnitten also bin ich immer wieder in die komplette „Selbstorganisation“ gefallen.

              Also habe ich jeden einzelnen meiner Freier selbst gewählt. Und trotzdem sind alle Arschlöcher.

              Warum?

              Aus vielerlei Gründen, die alle auf ihr Frauenbild und das vermeintliche Recht auf Sexkauf hinaus laufen.

              Es gibt die, die auf Teufel komm raus „handeln“ wollen. Also entweder hinsichtlich des Preises, oder aber sie wollten Praktiken, die ich nicht angeboten habe. Ich habe mich immer gefragt, warum sie dann nicht von vornherein auf andere Anzeigen antworten oder aber nach meiner ersten Mail mit dem Inhalt „Okay, dann kommen wir nicht zusammen.“ nicht locker gelassen haben.
              Aber inzwischen ist es mir klar: es war in deren Augen ein perfides „Spiel“. Prostituierte sind in deren Augen schwache Menschen, die sich immer wieder brechen lassen. Man muss die Bruchstelle nur ausfindig machen. So deren Denke. Abscheulich.

              Dummerweise war auch ich manchmal in diese Falle getappt, wenn der finanzielle Druck zu akut war. Und hab Freier wie diese damit sogar bestärkt in ihrer verachtungswürdigen „Strategie“.

              Mehr als einmal habe ich auch den Spruch „Also das, was du da machst, ist ganz schön gefährlich, das weißt du schon?“ gehört. Immer schon in Zweisamkeit, wenn man den sichereren Boden für den ersten Eindruck verlassen und ich das Pfefferspray nicht mehr in der Jackentaschen umklammert hatte. Das war keine ernstgemeinte Sorge, das war ein Aufgeilen an meiner Reaktion, da mir trotz aller Souveränität dabei wohl trotzdem immer für den Bruchteil einer Sekunde die Gesichtszüge entglitten sind, weil ich blitzschnell die gesamte Situation und vorherige Kommunikation auf mögliche Warnsignale, die ich vielleicht übersehen hatte, noch mal abklopft und mir Wehr- und Fluchtmöglichkeiten präsent gemacht habe.

              Dann gibt es die Ehemänner, die wirklich davon überzeugt sind, dass sie ihre Frau nicht betrügen solange es mit einer Prostituierten geschieht. Und/oder, die dir ein Ohr abkauen mit dem Gejammer, wie „böse“ ihre Frau sei weil sie ihn nicht ran lässt bis du dir Minuten später denkst: also bei der Rohheit gepaart mit dieser Arroganz ist das kein Wunder, Alter!

              Noch eine Kategorie waren die „Nörgler“. Wehe man kam fünf Minuten zu spät zum vereinbarten Treffpunkt, wehe man sah nicht ganz genauso aus wie erwartet (also in ihrem Empfinden), wehe, die Chemie stimmte sonst irgendwo nicht, wehe, der BJ war nicht tief genug, usw… . Die legen dir das Geld dann mit krass abwertender Mimik hin, die auf kurz oder lang auch etwas mit deinem Selbstbild macht. Beziehungsweise mit dem eh schon beschädigten Selbstbild, wegen dem du das überhaupt machst und machen kannst. Und das weiter anfeuert.

              Aber vor allem gab es in meiner „Laufbahn“ die „Möchtegern-Freunde“. Typen, die dir Bierchen oder Wein oder Joint anbieten oder auch mit dir Essen gehen und man irgendwann recht viele Einblicke in das eigene Leben gibt und von ihnen und ihren Leben bekommt.
              Genau die waren es, die mich so lange im „Job“ gehalten haben und wegen denen ich mir lange schöngeredet habe, dass das, was ich tue, doch nicht so schlimm wäre.

              Sie hätten ja ach so viel Verständnis für dich und deine Beweggründe.

              Aber auch: „Also zu einer, die das NUR wegen dem Geld macht, würde ich nicht gehen.“
              Hallo? Ich hab es auch „NUR“ wegen des Geldes gemacht, aber das wurde dann übersehen.

              Beziehungsweise hatte ich mal einen Freier, bei dem ich regelmäßig auf seinem Schreibtisch in einem Kindergartenträger(! echt unangebrachtes Setting…)-Büro lag, der mir weitere Treffen mit den Worten „Ich hatte das Gefühl, dass du das doch nicht so genießt.“ aufgekündigt hat.

              Ja, Pro-“Sexarbeit“-Aktivisten sagen dann gern, dass der eigene „Spaß“ dazu gehören muss und alle anderen einfach den falschen „Job“ hätten. Aber nein. Ich war eine gute Schauspielerin und ich kenne wirklich KEINE, die tatsächlich so drauf ist, dass sie andauernd Spaß mit jedem x-beliebig aussehenden und agierenden fremden Freier dabei hat.

              Das ist die große Mär, die es hierzu ja immer gibt.


              Und diese „Möchtegern-Freunde“ werden dann eben übergriffig (oder drehen den Einkommenshahn zu), wenn sie merken, dass du bestimmte Teile deines Privatlebens wirklich privat hältst und nicht immer auf Abruf zur Verfügung stehst oder nicht dauerhaft genug Spaß vorspielen kannst.

              Einer meiner letzten Stamm-Freier hat dann auch meine Gedanken, die zum Ausstieg geführt haben, angefeuert. Da war wirklich sowas, vermeintlich, wie eine Freundschaft. Er kannte irgendwann meinen Klarnamen und wusste, wo ich das Abi nachhole und all sowas und ich hab mir von ihm manchmal zwischen zwei Treffen Bücher und CDs ausgeliehen. So „nah“ waren wir uns.

              Bei den Treffen selbst saßen wir stundenlang auf seiner Dachterrasse und haben getrunken und gekifft und es fühlte sich fast wirklich an wie eine Freundschaft.
              Aber am Ende des Abends lief es natürlich auch immer auf den Akt der Prostitution hinaus und ich hab mich irgendwann gefragt, warum es weiter bei diesem Schema bleibt, wenn dieser Mann mich inzwischen doch angeblich als Mensch und „private“ Freundin so schätzt. Warum lief jedes Treffen weiterhin darauf hinaus als zum Beispiel auf das Angebot, mir bei der Suche nach echten Alternativen zu helfen?
              Das „Recht“, Freier zu sein und auch an unserem Abhängigkeitsverhältnis festzuhalten, wurde aber nicht von ihm in Frage gestellt und da ging mir endlich auf, dass wirklich ALLE Freier „misogyne Wichser“ (um Sophies Text zu zitieren) sind.
              Er war einen Scheiß daran interessiert, ob ich da je rauskomme oder nicht – denn, ja, er wusste, dass ich das zwar sogenannt „selbstbestimmt“ aber doch aus der Not heraus mache und mich schon länger nicht mehr wirklich wohl damit fühle.

              Einen anderen mit dem die Gespräche recht privat wurden, hatte ich auch mal, noch 2009. Der bot mir tatsächlich einen echten anderen Job an. Als Übersetzerin englischer Texte für seine Homepage. Aber mit dem Freier bin ich für BJs auf irgendwelche öffentlichen Toiletten verschwunden, sorry, nein, da kann ich nicht plötzlich in ein Chef-Angestellten-Verhältnis switchen. Zu absurd, zu potentiell gefährlich, dass es dann leicht kippt.

              Wieder ein anderer bot mir Jahre später an, zwei Mal die Woche für ihn zu putzen, zum Mindestlohn. Aber, so kam dann heraus als ich für einen kurzen Moment diesen kleinen Strohhalm doch fast erwogen hatte weil mich die Prostitution schon nur noch ankotzte, dabei doch bitte leicht bekleidet und weiterhin mit Sex verbunden. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen sollte, mich über dieses absurde Angebot aufzuregen.

              Es läuft darauf hinaus, dass auch die, die angeblich so an DIR, menschlich, interessiert seien, misogyne Arschlöcher sind.
              Zum Beispiel weil sie im gleichen Atemzug, in dem sie den „intellektuellen Austausch“ mit dir loben, dann Bashing gegen andere Frauen betreiben, die noch weniger Wahl haben.

              „Armutsprostitutierte? Würde ich niemals machen, weil…
              – die keinen Spaß dran hat / das NUR aus Not / für Drogen macht
              – ich das Elend nicht unterstützen will

              – man sich da bestimmt auf kurz oder lang was einfängt
              – ich keine will, mit der ich nicht reden kann
              … ich ja so ein GUTER Kerl bin, also nicht so ein ‚typischer‘ Freier!“

              Alles gehört, und damals leider teilweise geglaubt.


              Fuck you, Typen, die so drauf sind! (Und die anderen natürlich auch)
              Ihr seid wirklich nicht besser als alle anderen Freier, von denen ihr euch ja ach so bemüht abzugrenzen versucht. Ihr seid teilweise solventer und perfider, na herzlichen Glückwunsch.
              Nicht.

              Schlussendlich weiß ich heute, dass meine Zeit in der Prostitution nie so selbstgewählt war, wie ich mir damals einredete. Das Selbstbild als minderwertige Person, das durch mein Elternhaus und meinen ersten langjährigen Partner aufgebaut und aufrecht erhalten wurde, die Traumafolgestörung, die Angst vor Behördengängen und das Pech, an falsche Sachbearbeiter geraten zu sein, der vermeintliche Kick als ich feststellte, dass ich mich auf diese Weise doch selbst und ohne Hilfe über Wasser halten kann und so „liebenswert“ bin, dass mich andere für Zeit mit mir bezahlen… ohne diese Grundvoraussetzungen wäre ich nie da rein geraten.

              Prostitution ist keine selbstgewählte Arbeit.

              Und Freier sind keine netten Typen.

              Niemals.

              (c) Ronja

              Ellas erklären, warum Freier Arschlöcher sind. Eine Serie über die Erfahrung in der Prostitution. Teil 1: Sophie

                Autorin: Sophie //

                Warum sind Freier Arschlöcher?

                Vor kurzem hat Huschke Mau einen Auszug aus ihrem Text über Freier gepostet. Am selben Tag beim Einkaufen habe ich mir unabhängig davon Gedanken über Freier gemacht. Es ging mir nahe, dass sich Freier in der Facebookgruppe des Frankfurter Bahnhofsviertels darüber austauschen, wann sie wieder zu Prostituierten gehen werden und wie sie diese benutzen möchten. Diese Konversation erinnerte mich an meine eigene Zeit im Bahnhofsviertel und daran, dass es auch im Escort nicht wirklich besser war. Aus diesem Grund dachte ich mir, dass wir Frauen vom Netzwerk Ella ja zusammen einen Text oder mehrere erstellen könnten, in dem verschiedene Frauen von ihren Erfahrungen berichten, die sie mit Freiern gemacht haben. Und damit meine ich nicht nur die Horrorerlebnisse. Denn auch die Freier, die einen vermeintlich „gut“ behandeln, sind misogyne Wichser. Weshalb das so ist, wird deutlich, wenn man das Erzählte der politischen Analyse unterzieht. Dieser Bericht ist nun von mir, Sophie. Ich war von meinem 14.-22. Lebensjahr in der Prostitution.

                Anfangs prostituierte ich mich noch nicht in Vollzeit, sondern durchschnittlich nur 1-2 mal pro Monat neben der Schule. Aber das reichte schon, um zu erkennen, was für Typen Freier sein können. Die Unsäglichkeit beginnt bereits damit, dass ich zu meinen ersten Freiern durch die Chatplattform für Jugendliche namens knuddels.de kam. Männer, die sich gezielt Minderjährige für Bezahlsex aussuchten, schrieben mich dort an und boten mir, ohne, dass ich in meinem Profil Andeutungen darauf machte, Bezahlung gegen Benutzung meines Körpers. Da ich durch sexuellen Missbrauch in meiner Kindheit sowieso schon eine schwierige Sexualität hatte, nahm ich die Angebote an und machte schreckliche Erfahrungen mit diesen Männern, die keine Grenzen respektierten. So war es zum Beispiel fast schon Standard, dass man, wenn man auf ein Kondom bestand, um nicht schwanger zu werden, auf zwei verschiedene Arten vergewaltigt wurde, die nicht zu einer Schwangerschaft führen. Angst davor, entführt zu werden, hatte ich mehrmals.

                Einmal sprang ich deshalb sogar aus einem anfahrenden Auto. Insgesamt war es so, dass die Freier vor meiner Volljährigkeit noch grenzüberschreitender waren, als später. Wenn Dinge liefen, gegen die ich mich wehren wollte, wurde mir damit gedroht, dass es für mich nicht gut ausginge, weil es sicher Ärger von den Eltern geben würde und die Polizei einer minderjährigen Prostituierten niemals glauben würde. Ich war naiv und das Machtgefälle riesig. In dieser Zeit habe ich kein Vermögen gemacht, sondern mich einfach nur wieder und wieder retraumatisieren lassen.Also weiter zu meinem 18. Lebensjahr, als ich in den Escort-Service einstieg. Das erste Mal sah ich viel Geld in meinem Leben und auch die Freier waren, wie ich dachte, weniger schlimm. Sie waren reich und man unterhielt sich vorher kurz. Mit manchen verbrachte man auch den halben Tag oder die ganze Nacht, trank und lachte.

                Sie wollten das Gefühl vermittelt bekommen, sie wären auf einem echten Date mit einer echten Frau, mit dem einzigen Unterschied, dass man es sich mit dieser Frau nicht verkacken konnte. Dieser Frau, die man bezahlt, gefällt ja alles, was der Freier tut. Sie macht es ihm leicht, kommt ihm entgegen, sodass sein Ego bloß nicht beschädigt wird. Sie weiß, wie man Fragen diplomatisch beantwortet, wie man schmerzhafte und grobe Griffe in den Intimbereich so umlenkt, dass der Mann sich nicht korrigiert fühlt, sondern das Gefühl hat, man zeige ihm etwas noch viel geileres. Die Escortdame behandelt das Ego des Freiers wie ein fragiles Porzellanservice, das sie unter geschickten tänzelnden Schritten auf ihrem Kopf balanciert. Wenn esnicht ganz so zerbrechlich ist und Widerworte um der Authentizität Willen einfordert, kann sie das erspüren und sein Ego so noch mehr pushen. Der Freier weiß nun noch viel sicherer, dass er am längeren Hebel ist. Denn er kann die Frau haben, weil er sie bezahlt. Obwohl er weiß, dass ihr das nicht gefällt. Aus diesem Grund gefallen ihm die Widerworte umso mehr. Letztlich ist man als Escortlady eine Hellseherin. Bereits in den ersten Minuten des Dates rechnet man anhand des Geruchs, der Mimik, der Gestik und dem Gesagten aus, ob der Mann, der einem da gegenüber steht,gefährlich ist und welchen Service er möchte. Man rechnet seine Chance zu überleben aus und ist erleichtert, wenn sie gut stehen.

                Dann entspannt man sich und rechnet aus, wie lange der Freier wohl bleibt, wieviel Geld er dalässt und wie man die Zeit so gestaltet, dass man möglichst wenig aktiv sein muss. Das heißt Ego streicheln, Interesse heucheln, reden lassen und dann schnell zum kommen bringen. Es ist ein reines Schauspiel. Wenn es gelingt, dann kann man vielleicht einen guten Bericht in einem der Freierforen mit Niveau ergattern. Einen Seitenlangen Bericht, in dem derFreier sich ausgiebig über das Date auslässt. Es wird sorgfältig im Detail beschrieben, ob die Haarfarbe genauso ist, wie auf den Fotos oder ob man es gewagt hat, sich Strähnchen zu machen und wenn ja, dann wird da erstmal gepöbelt. Da der gute Herr jedoch mal nicht so sein will, besinnt er sich jedoch auf wichtigeres: Arsch und Titten, die er auch ausgiebig mit blumiger, aus Pornotitelnentlehnter Sprache beschreibt.

                Tiervergleiche und Objektifizierungen, sowie eine vollständige Entfremdung von jeglicher Menschlichkeit, ich würde sogar sagen ein Kubismus, also eine Zerstückelung des Körpers der Frau durch die Sprache, sind an der Tagesordnung. Die Erfahrungsberichte sind die absolute Deformation jeglicher Realität. Aus der 18jährigen Schauspielerin, deren Sinne durch die Gefahr geschärft sind, die Haut jedoch durch Opiate betäubt, sodass sie die Grobheiten nicht so sehr spürt, wird in der Erzählung plötzlich eine notgeile lüsterne Nymphe, die ihr Leben lang auf einen Freier wie diesen hier gewartet hat. Es ist so demütigend, dass jede Rille der eigenen Vulva in diesem Bericht beschrieben wird und dennoch alles erstunken und erlogen ist. Jede Faser des eigenen Körpers wird deskriptiv dargestellt, dann noch analysiert und bewertet und dennoch ist das nicht man selbst in diesem Bericht. Es ist ein Imperativ, jedem weiteren Freier eine solche Performance zu leisten.

                Ein Befehl, nicht nachlassen zu dürfen, nicht unachtsam zu werden, ja ein Befehl, sich immer mehr in sich selbst zu verkriechen, bis man nicht mehr ist, und immer öfter die Schauspielerin übernehmen zu lassen, die einem das Überleben sichert. Auch die „netten“ Freier erzielen diesen Effekt. Die netten Typen, die erstmal eine Stunde an einem rumschlabbern, bevor sie ihn reinstecken. Manche lecken so lange, bis man das Gefühl hat, man ist komplett taub und die Haut löst sich auf. Oder manchmal machen sie es sogar so lange, bis jede noch so lasche Berührung einfach nur noch schmerzt. Typen, denen man zeigen muss, wie geil man sie findet, weil ihnen das wichtig ist. Sie bezahlen nicht vorrangig für ihren eigenen Orgasmus, sie bezahlen dafür, dass sie sexuell bestätigt werden. Von ihnen kommen Sprüche wie : „Ich komme erst, wenn du gekommen bist“ und wenn du ihnen einen Orgasmus vortäuschst, rammeln sie weiter und sagen „Komm, ein zweites Mal schaffen wir doch, oder?“. Vergebliche Liebesmüh so einen Vollidioten zu befriedigen zu versuchen. Natürlich versucht man es dennoch und schämt sich danach, in den Spiegel zu schauen.

                In dieser Hinsicht ging es mir mit den offen misogynen Arschlölchern etwas besser. Da musste man nicht so schauspielern. Man durfte Nein sagen, das turnte sie an. Aber nur, um es mit Übergriffigkeiten quittieren zu können. Sagte man Nein zu gewissen Stellungen, wurde man trotzdem in diese befördert. Sagte man Nein zu gewissen Praktiken, wurden sie trotzdem vollzogen. Manchmal wurde gerammelt, bis der Gummi riss. „Ups, haha, nicht so schlimm, bin ja gesund“. Manche spuckten, schlugen ins Gesicht und die Freierberichte waren dieselben. „Naturgeile Nymphe, ihr macht es Spaß, wir verstanden uns super, gerne wieder!“. Seitenlange Ergüsse. Es war ekelhaft, aber es sicherte mir Zehntausende.

                Meine Selbstachtung legte ich aber mit den Klamotten ab und ich glaube nach kurzer Zeit war sie auch da nicht mehr vorhanden.Noch viel schlimmer als diese beiden Arten von Freiern waren aber die alten Perversos. Typen, die keine Fake-Orgasmen wollten, weil sie wirklich wussten, wie man eine Frau gegen ihren Willen zum Kommen bringt. Oft waren sie impotent und wollten gar keinen Sex. Sie waren aber dennoch erregt von dem Ekel, den sie einem abspürten, so gut man es auch zu verbergen wusste. Diese Art Mann wusste, dass der Ekel im Blick sich gleich mit Überraschung paaren würde, weil sie es schafften, einen Knopf zu betätigen, der den Körper wirklich Lust empfinden ließ. Eine Lust, die aber rein körperlicher Natur war und den Verstand in Alarm versetzte, weil dieser das gar nicht wollte.

                Es war, als sei das innerste, das man eigentlich tief in sich versteckt hatte, das ja eigentlich so gut wie ausgemerzt war, gewaltsam ausgehoben und auf dem Silbertablett serviert worden. Dieses Innerste wurde vom Freier mit Lust betrachtet. Berauscht von seiner Macht, es geschafft zu haben, die vor ihm liegende Hure zu brechen. Gebrochen wird man nicht von Freiern, die einem nur Gewalt antun, so roh sie auch sein mag. Gebrochen wird man von Freiern, die einen dazu bringen, dass man die Kontrolle über den eigenen Körper verliert. Nun wurde auch das letzte Stück, das einem selbst gehörte, enteignet und zerstört. Diese Typen knüpften ein Band zwischen Zwang und Lust. Es war, als gäbe es kein zurück mehr. Als hätten diese Kreaturen einen für immer verändert. Es war, als sei man seelisch ausgeweidet worden. Männer wie diese tragen auf ganz subtile Weise den Wahnsinn in den Augen. Ich erkenne sie heute von Weitem.

                Eine Begegnung reicht, um in Panik zu verfallen, keine Luft mehr zu bekommen, losschreien zu wollen. Doch wer mich nun danach fragen möchte, wie es mit den devoten Freiern so sei, ob die nicht besser wären, den muss ich auch enttäuschen. Auch sie sind widerlich. Ich erinnere mich an den Ersten von ihnen. Ein kleiner Mann mit langen Haaren und Brille. Ich sollte ihn mit dem Gürtel verprügeln.

                Damals war ich 18 Jahre alt und hatte sowohl körperliche Auseinandersetzungen mit meinem Exfreund, als auch Schlägereien hinter mir, also machte die Gewalt mir, wie ich dachte, nichts aus. Nun war es jedoch so, dass ich mir irre viele Gedanken machte. Zum Beispiel dachte ich darüber nach, ob dieser Mann mich nicht vielleicht doch angreifen würde, wenn ich zu fest zuschlüge. Und ob er mich dann auch mit dem Gürtel verprügeln würde. Oder ob er mich anzeigen könne. Vielleicht die Agentur informieren. Diese Fragen sind der erste Hinweis, dass die Machtverhältnisse dadurch, dass nun ich die aktive Rolle innehabe, weder aufgehoben, noch umgekehrt sind. Erstmal zögerlich begann ich nach einer kurzen Erklärung des Freiers, dass ich so fest schlagen solle, wie ich konnte, dem Kerl seinen behaarten weißen Hintern zu verdreschen. Scheinbar verfehlte ich ein paarmal, was ihn wohl schmerzte. Dass er darüber meckerte, machte mich wütend, weil ich sowieso schon total überfordert war mit der Situation und ich schlug immer fester und schneller. Er machte mich so wütend. Diese Heuchelei, so zu tun, als lieferte er sich mir aus, aber dennoch bestimmte er, was ich mit ihm tun sollte und wie genau. Die Aggression und der Schmerz in seiner Stimme gingen mir gegen den Strich und dennoch machte es ihn an. Es war so ekelhaft.

                Nachdem er weg war, zitterte ich am ganzen Leib und war total aufgelöst. Ich befand mich zwar in einer 120qm Agenturwohnung mit drei Schlafzimmern, Sauna und vergoldeten Wasserhähnen, doch dachte das erste Mal darüber nach, ob das wirklich das Richtige für mich sei. Später im Laufhaus begegnete ich weiteren Elendsgestalten wie diesen. Mit 19 Jahren arbeitete ich für ein paar Wochen in einem Laufhaus, weil ich spontan meine Bleibe verloren hatte und dort gleichzeitig wohnen und arbeiten konnte. Die Freier waren weitestgehend unangenehm. Unter anderem war ein berühmter deutscher Rapper bei mir, der „endlich mal wieder eine Deutsche ficken wollte“. Es brauchte viel Heroin, viel Kokain, viel Alkohol, um die Situation zu ertragen. Ins Laufhaus kamen hauptsächlich ungepflegte Typen, die man erstmal dazu zwingen musste, sich zu waschen oder Perverse. Zum Beispiel Männer, die an einer Hundeleine nackt durch das Treppenhaus geführt werden wollten. Die aber trotzdem, wenn man darüber lachte, aggressiv wurden.

                Die Unterwerfung war nie echt. Sobald das Ego verletzt war, war die wahre Natur, die Täternatur wieder da. An einen Freier aus dem Laufhaus muss ich in diesem Zusammenhang immer wieder ganz besonders denken, weil er mich so stark anwiderte. Es war Nachmittags, irgendwann Mitte der Woche und die letzten Tage liefen nicht so gut. Er war klein und untersetzt und erinnerte mich ein wenig an eine Ratte. Die Art wie er mich ansah, wie er sprach und wie er sich bewegte, hatten einfach wenig Menschliches. Auch sein Geruch. Die Haut wirkte unrein, ungewaschen und schmierig. An der Tür druckste er ewig rum, konnte sich kaum anständig artikulieren. Letztlich bot er mir 80€ dafür, dass ich mir schwarze Strümpfe anzog und ihm meine Heels in den Oberschenkel drückte. Das hielt ich für leicht verdientes Geld, deshalb willigte ich ein. Im Zimmer zog er sich die Hose runter und setzte sich auf das Bett. Ich nahm einen Stuhl, auf den ich mich setzte und begann, ihm den millimeterbreiten metallenen Absatz meiner Pleasers in die Innenseite seines Oberschenkels zu drücken. Das musste schmerzhaft sein, war ihm jedoch nicht genug.

                Nun sollte ich mich mit aller Kraft gegen die Kommode hinter mir stemmen, um so fest zu drücken, dass der Absatz in seinem Schenkel steckenblieb. Die weiße, von Besenreißern durchzogene und schmierige Haut quoll neben dem Heel hervor, wurde blau und riss schließlich ein. Eine eindeutige Quetschung war erkennen und der Absatz steckte tatsächlich im Fleisch. Dieser Typ war völlig wahnsinnig. Er roch säuerlich vom Cortisol, das er ausströmte und ich war kurz davor, mich zu übergeben. Sein Gesicht verzerrte er vor Schmerz, grinste aber gleichzeitig und kicherte wie ein Irrer vor sich hin. Als wäre all das nicht genug gewesen, wollte er nun auch noch, dass ich ihm so fest in den Hodensack kralle, dass meine künstlichen Fingernägel darin steckenblieben und für immer umherschwammen. Ich hatte genug, die Zeit war vorbei, nachzahlen oder gehen. Sein saurer Geruch, das irre Grinsen und die schmierige Haut machen mich heute noch fertig, wenn ich mich daran erinnere.

                Vielleicht fragt mich nun jemand nach den Freiern, die nur zum Reden kommen. Ob die denn nicht etwas leichter zu ertragen waren. Also erstmal gab es davon nicht viele und wenn, dann musste man mit denen über sexuelle Themen sprechen, was teilweise auslaugender war, als Sex selbst. Als Beispiel kann ich von einem meiner Stammfreier, einem Koksfreier, berichten. Seine Fantasie war es, sich für mich zu prostituieren und ich musste ihm stunden- teilweise sogar die ganze Nacht lang ausgiebig beschreiben, auf welche Weise ich ihn zur Prostitution zwingen würde. Nebenbei liefen Pornos und immer wieder betraten fremde oder auch mir bekannte Männer die Wohnung, um Koks zu kaufen oder zu verkaufen. Es war mühsam und sehr anstrengend, sich solche Geschichten einfallen zu lassen. In den Pornos wurden Frauen gezeigt, die von alten ekligen Männern benutzt und vergewaltigt wurden.

                Der Freier identifizierte sich mit ihnen, dachte aber nicht daran, dass auch ich das tun könnte, jedoch im Gegensatz zu ihm auf negative Weise. Meist ließ er die Finger von mir und wenn er übergriffig wurde, dann damit ich ihn bestrafe. Da wir uns schon zwei Jahre kannten, wog ich mich in Sicherheit und ließ ihn auf Betteln und Flehen in meine Wohnung, wo er sich schrecklich aufführte. Er verweigerte zu gehen und als ich ihm mit der Polizei drohte, schrie er rum und warf meine Möbel um und Gegenstände vom Schreibtisch. Letztlich wurde mir wieder einmal erneut klar, dass egal, wie sehr der Freier so tut, als würde er sich dem eigenen Willen beugen, er immer derjenige ist, der in der Machtposition ist. Das wird an jedem Einzelnen dieser Beispiele deutlich. Es gibt einfach keine Gründe, sich die Prostitution schonzureden. Egal, wie oft das gesagt wird, es wird einfach nicht wahr.

                (c) Sophie

                Stoppt die Prohibition in Deutschland!

                  Autorin: Pani K. //

                  Die Situation in Bezug auf Pandemie und Prostitution spitzt sich immer mehr zu. Wir sind quasi über Nacht in der Prohibition „gestrandet“. Eine extrem gefährliche und besorgniserregende Entwicklung!
                  Aus Untersuchungen über Prohibition ist bekannt, dass sie dazu führt, dass in 70 bis 90 Prozent aller Fälle nur Frauen bestraft werden. Ferner sind Machtmissbrauch, Erpressung und Gewalt gegen Frauen in der Prostitution an der Tagesordnung.

                  1. Beispiel: Karlsruhe droht mit Zwang bei Ausübung der Prostitution:

                  „1. Prostitution und Sexkauf jeder Art wird verboten.
                  Hinweise: Bei Zuwiderhandlungen gegen Ziffer 1 kann unmittelbarer Zwang angewendet werden.“

                  2. Beispiel: Bussgeld wird in NRW nur gegen Frauen verhängt, die Prostitution ausüben! Freier bleiben wieder mal verschont.
                  NRW fährt Prohibition und ignoriert die besondere Situation der Frauen in der Prostitution.

                  CoronaSchVO:
                  „§ 3 Freizeit-, Kultur-, Sport- und Vergnügungsstätten
                  (1) Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt:
                  7. Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen.
                  § 7 Handwerk, Dienstleistungsgewerbe
                  (3) Dienstleistungen und Handwerksleistungen, bei denen ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden nicht eingehalten werden kann (insbesondere von Friseuren, Nagelstudios, Tätowierern, Massagesalons), sind untersagt.
                  § 14 Durchsetzung der Verbote, Bußgelder, Strafen
                  (1) Die nach § 3 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz zuständigen Behörden sind gehalten, die Bestimmungen dieser Verordnung energisch, konsequent und, wo nötig, mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Dabei werden sie von der Polizei gemäß den allgemeinen Bestimmungen unterstützt.“

                  Bussgeldkatalog:


                  „Verstoß gegen CoronaSchVO, § 7 Abs. 3: Leistungserbringung ohne Nachweis der medizinischen Notwendigkeit bzw. Leistungserbringung ohne Schutzmaßnahmen.
                  Adressat des Bußgeldbescheids: Person, die die Dienst- oder Handwerks-Leistung erbringt.
                  Regelsatz in Euro: 1.000 Euro“

                  Das ist keine Abolition oder „Nordic Model light“! Das ist staatliche Gewalt gegen vulnerable und verzweifelte Frauen, die trotz Pandemie sich prostituieren müssen. Man kann jetzt gut sehen, wie leicht Legalisierung in Prohibition umkippt.

                  Karlsruhe hat die Frauen verraten und stellt Sexkauf und Prostitution auf gleiche Stufe!
                  NRW tut so, als ob Prostitution eine „körpernahe Dienstleistung“, wie jede andere, wäre.
                  Anstatt Freier zu bestrafen und Frauen zu helfen, die keine Wahl haben und ums Überleben kämpfen, werden Frauen in der Prostitution kriminalisiert und bedroht. 


                  In der momentanen Lage sind Frauen in der Prostitution durch zusätzliche Probleme belastet:


                  1. Obdachlosigkeit bei Frauen, die bisher in Prostitutions-Stätten übernachtet haben.


                  2. Angst und Unsicherheit aufgrund eigener Gefährdung bezüglich Corona-Virus, zusätzlich noch STI.


                  3. Sorge um eigene Kinder und Familien, da finanzielle Unterstützung durch Einnahmen aus der Prostitution momentan unmöglich ist.


                  4. Sorge um die Rückkehr in die Heimat, viele Länder haben die Grenzen auch für eigene Bürger geschlossen.


                  5. Existenzielle Not, da nicht alle einen Anspruch auf staatliche Unterstützung haben.


                  6. Angst vor Polizei, Ordnungsamt, Freiern und Zuhältern, durch neue Formen der Bestrafung, Erpressung, Zwang und Gewalt.


                  7. Verschärfte Sucht-Problematik bei drogenabhängigen Frauen, da nicht nur Geld, sondern auch die entsprechenden Substanzen fehlen.


                  8. Bei depressiven, suizidalen oder traumatisierten Frauen ist mit psychischen Krisen, aktiver Suizidalität und Substanz-Missbrauch zu rechnen.


                  9. Zunahme der Gewalt gegen Frauen in der Prostitution, wie generell gegen Frauen, infolge der Ausgangs-Einschränkungen.

                  Frauen brauchen Hilfe, keine Strafen! Die folgenden zehn Punkte sind dringend nötig, wenn man das große Leid durch Prohibition in der Corona-Pandemie verhindern möchte:

                  1. Prostitution wird nicht bestraft. Bussgelder und Sperrbezirks-Verordnungen für Prostituiere werden ausgesetzt.


                  2. Sexkauf wird untersagt. Sperrbezirks-Verordnungen werden auf Sexkäufer angewendet. Empfänger der „körpernahen Dienstleistungen“ (Sexkäufer) werden durch Bussgeld von mindestens 1000 Euro bestraft und unter Karantäne gestellt. 


                  3. Frauen in der Prostitution werden als Risiko-Gruppe aufgefasst. Entsprechend werden ihnen Corona-Tests und andere medizinische Hilfen angeboten.


                  4. Es werden Unterbringungs-Möglichkeiten geschaffen: Hotels, Ferienwohnungen und andere Optionen. Als Notunterkünfte können in Ausnahmefällen auch Prostitutions-Stätten genutzt werden, sofern sichergestellt werden kann, dass Freier und Zuhälter keinen Zutritt bekommen.


                  5. Tage-Geld, Not-Geld und andere finanzielle Hilfen werden gewährt, auch Fahrkarten für die Heimreise, falls erwünscht. Müttern in der Prostitution wird auch finanzielle Hilfe zu Versorgung ihrer Kinder angeboten.


                  6. Hilfe und Unterstützung bei drohender oder erlittener Gewalt, Bestrafung, Erpressung, Zwang.


                  7. Hilfsangebote bei Substanz-Missbrauch, auch Prävention. Hilfe bei Suizidalität und psychischen Problemen.


                  8. Geeignetes und geschultes Personal, möglichst keine männlichen Fachkräfte im Kontakt mit Frauen: Gefahr der Retraumatisierung und Reviktimisierung! Keine „Freier in Uniform“!


                  9. Gewaltfreie und konstruktive Kommunikation, Akzeptanz und Solidarität für Prostituierte. Klare Ablehnung und Kritik des Sexkaufs, der Zuhälterei und des Profits aus der Prostitution Anderer (Betreiber) sowie der Sex-Indusrie insgesamt. Keine Verharmlosung der Ausbeutung und Inhumanität gegenüber Frauen in der Prostitution.


                  10. Frauen, die sich aufgrund „illegaler Prostitution“ oder „Prostitution im Sperrbezirk“ in Haft befinden, werden amnestiert und freigelassen. Hilfsangebote müssen bereits in Haft erfolgen!

                  Bitte helfen Sie uns. Stoppen Sie Prohibition in Deutschland! Bestraft die Freier! Nein zu Gewalt an Frauen in der Prostitution! 
                  Abolition statt Prohibition – jetzt! 

                  (c) Pani K. für das Netzwerk Ella

                  Ich habe mal gedacht, Prostitution wäre gut und super. Bis ich es selbst erlebt habe. Mein Einstieg

                    Autorin: Mary //

                    Heutzutage liest man im Internet, sofern man in den richtigen, oder wohl eher falschen, Kreisen unterwegs ist, ein Haufen Zeug darüber, wie toll Prostitution ist. Dass es super ist, dass es solche Menschen gibt, dass es ein ganz normaler Job ist, wie auch Bäcker, Lehrer, Bauer oder irgendetwas anderes. Nur, dass es nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Dass man dafür sorgen muss, dass Prostituierte genauso als normal angesehen werden, wie andere Berufe. Dass sie genauso viel Respekt entgegengebracht bekommen.   Sex positivity, oder so, haben sie das genannt. Und ich stand auch total dahinter, damals. Als ich 16 war und nicht genug Geld hatte. Ich habe mir gedacht… Warum nicht? Es ist eine ganz normale Dienstleistung.   Warum ich nicht auch?  

                    Es war auch viel zu einfach. Ich musste nicht mal suchen. Ich habe lediglich Bilder von mir in verschiedenen Facebook Gruppen hochgeladen und wollte am Anfang bloß Freunde finden, neue Kontakte knüpfen, die ähnliche, oder vielleicht sogar die gleichen Interessen hatten wie ich. Ich bekam einen Haufen Nachrichten. Viele davon einfach nur Müll, ein paar davon tatsächlich nützlich, unzählige Schwanzbilder und auch ein paar, in denen mir Geld für sexuelle Leistungen geboten wurden. Und zwar für die verschiedensten. Ein Mann wollte, dass ich ihm zwischen die Beine trete, ein anderer wollte mir die Füße küssen und lackieren. Der nächste wiederum wollte wirklich aufs Ganze und wollte direkt Sex mit mir haben. Ich habe ihnen gesagt, dass ich erst 16 bin. Dass ich noch ein Kind bin. Vielleicht war es ihn einfach nicht bewusst, dass das illegal ist. Oder vielleicht war es ihnen auch einfach egal. Vermutlich war es ihnen egal.    Ich weiß noch, als ich mich das erste Mal mit jemandem getroffen habe. Total gefährlich. Richtig dumm. Wir sind in seine Wohnung gegangen, ich habe niemandem gesagt wo ich hingehe und damals war ich auch noch nicht in der Verfassung, mich irgendwie zu wehren. Der Typ war bestimmt 2 Köpfe größer als ich gewesen. Der, der mir Geld dafür gab, dass ich ihm zwischen die Beine trat. Als wir in seiner Wohnung waren, zog er sich aus, stellte sich breitbeinig vor mich. Wie er sich wohl gefühlt hat? Sexuelle Dienstleistungen von einer Minderjährigen entgegenzunehmen? Hat er das Alter ignoriert? Hat er es gar nicht gewusst? Hat man mir das nicht angemerkt? War es vielleicht genau das, was ihn so erregt hat?   Ein anderer wollte, dass ich mich mit ihm treffe, damit er mir die Füße massieren, küssen und die Fußnägel lackieren kann. Außerdem mochte er es gerne, wenn ich mich direkt auf sein Genital stellte, darauf rum trat. Irgendwie merkwürdig. Aber Fetische muss man ja so akzeptieren, wie sie sind, oder etwa nicht? Und wenn ein erwachsener Mann nun mal gerne Windeln trägt, einen Schnuller und so tut, als wäre er ein dreijähriges Baby, ist es auf alle Arten verwerflich und falsch, ihn zu sagen, dass das merkwürdig ist. Kink shaming ist schlecht.   

                    Irgendwann ging es dann soweit, dass ich wirklich verzweifelt war. Ich hatte nicht genügend Geld, vorher war es nur eine Art Hobby gewesen. Etwas, womit man sich mal was dazu verdient. Andere 16 Jährige geben Nachhilfe, gehen mit Hunden raus, mähen den Rasen oder schippen Schnee.  Ich hab meinen Körper verkauft.    Ich weiß noch, wie ich damals das erste Mal in ein Auto gestiegen bin. Es hat komisch gerochen, der Typ auch. Aber abhauen ging nicht mehr. Wie denn auch? Ich brauchte das Geld. Ich war darauf angewiesen, weil mir niemand helfen wollte. Weil es egal war, ob ich Hunger hatte, neue Klamotten brauchte, oder mir Dinge für die Schule holen musste.  Seine dreckigen, schwitzigen Finger auf mir, sein stinkender Atem in meiner Nase und seine widerliche Stimme in meinen Ohren. Diese Stimme, die mir die ekligsten Dinge sagte.    „Du erinnerst mich an meine Tochter.“   

                    Ist das wirklich so? Denken die Männer, die Frauen kaufen, sich so etwas? Er wusste, dass ich minderjährig war.   „Ich will, dass du weinst.“    Und das tat ich.    „Nenn mich Papa.“    Und das tat ich.    Mein Körper war wie eingefroren und gleichzeitig doch auch wie am Brennen.  Auch noch Tage, Wochen danach konnte ich nicht oft genug duschen gehen. Ständig musste ich mir die Hände waschen, schrubbte mir teilweise die Haut blutig.    Ich werde nie wieder sauber.   

                    Damals dachte ich, Prostitution wäre super. Damals dachte ich, dass wir solche Leute brauchen. Schließlich ist Sex ein Menschenrecht, oder etwa nicht? Und wenn jemand einem das verbietet, muss man es sich an anderen Stellen holen, oder? An Stellen, die sich nicht wehren können. Bei Frauen, die nicht nein sagen können, die sich das nicht erlauben dürfen. Bei Frauen, die verzweifelt sind und keinen anderen Ausweg sehen. Das ist richtig so, oder?   Das Prostitution eigentlich nur bezahlte Vergewaltigung ist, war mir damals noch gar nicht klar. Vielleicht schon, aber ich wollte es nicht einsehen, weil ich mein Leben sonst nicht mehr ertragen hätte.   Ich weiß noch genau, wie es mir irgendwann zu viel wurde. Wie es mir irgendwann zu viel wurde und ich versuchte, einen dieser Männer abzustechen. Natürlich wurde dann die Polizei informiert… Und ich als die Böse dargestellt. Das 16-jährige Mädchen, das Geld von einem 40-jährigen bekommen hat, damit er mit ihr schlafen darf. Irgendwo draußen auf einem Kinderspielplatz, in einen von diesen komischen Kletterhütten. Ich war die, die merkwürdig angesehen wurde. Ich war die, die wie der Täterin behandelt wurde. Ich war die, die von der Familie deshalb verstoßen wurde. Und ich war auch die, die bis zum heutigen Tage immer noch schweißgebadet aufwacht, bei Berührungen manchmal komplett ausrastet und sich nicht genug waschen kann. Ich bin die, die nie wieder wirklich sauber wird.

                    Ich habe mal gedacht, Prostitution wäre gut und super.

                    Bis ich es selbst erlebt habe. 

                    (c) Mary

                    Solidarität mit wem?

                      Autorin: Mimi //

                      Die Polizei und Behörden sollen für prostituierte Frauen die erste Anlaufstelle sein- ob bei Problemen oder Beratungsansprüchen, der deutsche Staat garantiert den Frauen Schutz und Informationen.
                      Soweit so gut. Wir als prostituierte Frauen, dass das nur bedingt der Wahrheit entspricht: Repressalien der Behörden sind an der Tagesordnung, der unterschwellige Generalverdacht zeigt sich bei fast jeder Kontrolle durch Finanzamt oder Polizei, ein leicht angewidertes Gesicht ist beim Betreten der Etablissements keine Seltenheit. Wir vom Netzwerk Ella kennen uns gut aus mit behördlichen Auflagen und Bestimmungen und jeder, der in der Bundesrepublik lebt, weiß wie groß bürokratische Hürden sein können. Wie schwer es ist, einen Brief vom Amt zu verstehen, wie schwer es ist, seine Rechte zu kennen, alles zu durchblicken und zur rechten Zeit richtig zu reagieren. Eine Vielzahl von Gesetzen ermöglicht oft kein spontanes Handeln- man braucht einen gewissen Durchblick.

                      In anderen Ländern ist die Polizei ganz anders drauf: Korruption und Seilschaften geben sich die Klinke in die Hand. Auch die Bewohner der jeweiligen Länder haben Kenntnis darüber, und kooperieren aus Angst vor dem Staatsorgan schnell und kompromisslos.

                      Man kann sich vorstellen, dass es für Menschen, die keine guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, aus einem anderen Land kommen und vielleicht in wirtschaftlicher und persönlicher Not sind, die Gefahr groß ist, auch hierzulande Opfer von Verbrechen durch Mitarbeiter im Staatsdienst zu werden. So geschehen unlängst in Thüringen:
                      Eine polnische Frau, in der Vergangenheit prostituiert, wurde aufgrund einer Verkehrskontrolle von Beamten aus der Landespolizeidirektion Gotha zum Zeigen ihres Ausweises aufgefordert. Das tat sie- ihr Pass gefälscht (ja, wir können gern raten warum…) und sie selbst zur Fahndung ausgeschrieben.

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