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Anlässlich der Corona Krise in Berlin, hier eine gemeinsame Stellungnahme vom Netzwerk Ella, Sisters e.V. Ortsgruppe Berlin und Neustart e.V.

    „Keine Kriminalisierung der Prostituierten – Hilfen für Frauen in der Prostitution“


    Stellungnahme zur Schließung aller Prostitutions-stätten in Berlin im Zuge der Corona-Pandemie


    Wir sind eine Gruppe von Menschen, die sich für die Rechte und soziale Absicherung von Frauen in der Prostitution einsetzt. Gemeinsam stehen wir für die Berliner Ortsgruppe des Vereins SISTERS – für den Ausstieg aus der Prostitution! e.V., den Verein Neustart e.V. (mit Kontaktcafé in der Kurfürstenstraße) und das Netzwerk Ella, eine Aktivistinnengruppe für Frauen aus und in der Prostitution. Gemeinsam haben wir das Ziel, das Nordische Modell in Deutschland zu implementieren und Frauen bessere Perspektiven zu bieten.


    Wir begrüßen das Vorgehen des Berliner Senats, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Alle strengen Maßnahmen sind wichtig, um einen Zusammen-bruch des Gesundheitssystems zu vermeiden. Ältere, schwächere, immun-supprimierte und andere vulnerable Gruppen müssen jetzt geschützt werden. Es ist unser aller Pflicht, soziale Kontakte und Unternehmungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
    Folgerichtig hat der Senat heute mit seiner „Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin“ im Absatz 1, Paragraph 2, Absatz 4 folgendes angeordnet:„Prostitutionsstätten (…) dürfen nicht für den Publikumsverkehr geöffnet wer-den. Prostitutionsveranstaltungen im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes dürfen nicht durchgeführt werden.“
    Diese Maßnahme ist zu begrüßen, da sie eine vulnerable Gruppe – Frauen in der Prostitution – schützt und sie vor Ansteckungen bewahrt. Leider hat der Senat sich nicht dazu geäußert, wie er den Frauen helfen will, die jetzt völlig ohne Einkommen oder Unterkunft dastehen. Das ist eine Katastrophe für all die Frauen, die hier jeden Tag die sexuellen Forderungen der Männer befriedigen müssen und am Ende nicht mal genügend Geld zum Leben zur Verfügung haben.


    Die prostituierten Frauen in Berlin kommen mehrheitlich aus den Armenhäusern der Europäischen Union, insbesondere aus Bulgarien, Ungarn und Rumänien. Sie haben keinen Anspruch auf Hartz-IV oder andere Hilfen. Sie leben überwiegend in den Bordellen und sind oft auch obdachlos. Viele haben keine Krankenversicherung. Immer mehr konsumieren illegale Drogen, um die Situation in der Prostitution durchstehen zu können.
    Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Frauen weiter der Prostitution nachgehen, weil sie keine andere Wahl haben oder weil sie dazu gedrängt werden, ist enorm groß. Auch Freier werden nicht von ihren risikobehafteten Praktiken lassen und die Notlage dieser Frauen ausnutzen. Was kann nun helfen?


    Die Frauen brauchen dringend Unterstützung vom Senat! Um die Gesundheit dieser Frauen nicht weiter zu riskieren, muss umgehend für sie eine Lösung geschaffen werden. Diese könnte wie folgt aussehen:
    – Bestrafung der Freier, die jetzt noch Frauen in Bordellen aufsuchen- sichere Unterkünfte für die Frauen, die bereits jetzt auf der Straße leben bzw. durch die Schließung der Bordelle obdachlos werden- eine medizinische Versorgung auch für die Frauen, die über keineKrankenversicherung verfügen, insbesondere Möglichkeiten einer ärztlich betreuten Entzugsbehandlung- finanzielle Unterstützung (Hand-/Tagegeld) für die betroffenen Frauen- Beratungsangebote für das weitere Vorgehen, insbesondere Ausstiegs-möglichkeiten, für die Frauen, die nicht mehr in die Prostitution zurück kehren wollen- die Ausgabe von Lebensmitteln und BekleidungWir fordern den Berliner Senat auf, solidarisch mit diesen Frauen zu sein und nicht wegzusehen! Die Zustände in den Bordellen und am Straßenstrich sind bereits unter „normalen“ Bedingungen menschenunwürdig. In der jetzigen Situation muss der Senat handeln. Die Frauen brauchen Unterstützung! Und: Auf keinen Fall dürfen sie kriminalisiert werden!


    Wir sind gegen das System Prostitution, aber niemals gegen Prostituierte. Unsere Solidarität gehört den Frauen – bisher und auch in diesen Zeiten.
    Mimi und alle Aktivistinnen des Netzwerks Ella sowie:
    www.sisters-ev.de (Ortsgruppe Berlin)Neustart e.V. – www.neustart-ev.de (Kontaktcafé Kurfürstenstraße)

    Corona & Prostitution

      Autorin: Huschke Mau

      Ihr Lieben,

      als Exprostituierte möchte ich heute dringend etwas sagen. Weil andere Frauen in der Prostitution es gerade nicht können. Die haben nämlich gerade mit was anderem zu tun… Mit Überleben.

      Corona hat unser Sozialleben aktuell fest im Griff, und ich begrüsse alle Massnahmen der Regierung und der Länder, die getroffen worden sind (wenn auch sehr spät), und hoffe, ihr seid alle schön vernünftig und isoliert euch, soweit es geht, um Ältere, Menschen mit Immunschwäche, Krebs, anderen Vorerkrankungen usw. nicht zu gefährden. Es gilt jetzt, solidarisch zu sein, solidarisch vor allem mit vulnerablen Gruppen. Und genau darüber möchte ich jetzt sprechen. Denn Frauen in der Prostitution, und zu diesen gehöre ja auch ich, sind auch eine vulnerable Gruppe, und die Frage ist, welche Massnahmen jetzt im Hinblick auf diese Gruppe als solidarisch gelten können. Die Stadt Stuttgart hat Prostitution gerade wegen des Coronavirus VERBOTEN, und bevor ihr jubelt: das ist eine Katastrophe.


      Ich erkläre, warum:


      Die Prostitutionslandschaft in Stuttgart besteht, wie fast überall, zu 80 bis 90% Zwangs- und Armutsprostituierten aus Südosteuropa. Diese Frauen haben oft


      – Keine Krankenversicherung, oder nur eine unzureichende
      – Selbstredend keinen Angestelltenstatus mit Recht auf Lohnfortzahlung
      – Oft nicht mal Anspruch auf HartzIV


      Diese Frauen, und auch die überwiegende Mehrheit der deutschen Frauen in der Prostitution, schaffen aus Zwang und Armut heraus an. Wenn sie heute nicht anschaffen, haben sie morgen kein Geld, nichts zu essen – und nichts zu wohnen.


      Was jetzt in Stuttgart passieren wird, ist, dass sich diese Frauen entweder nicht leisten können, nicht mehr anzuschaffen, oder dass sie es eh ihrer Zuhälter wegen nicht dürfen. Sie werden also heimlich anschaffen, DENN SIE HABEN KEINE ANDERE WAHL. Und das ist der entscheidende Knackpunkt. Sie werden es weiter tun müssen, und sie werden, falls sie dabei erwischt werden, bestraft. Die Bussgelder, die sie einkassieren werden, werden sie mit weiterer Prostitution abstottern müssen, DA SIE KEINE ANDERE MÖGLICHKEIT HABEN. Nur mal so nebenbei: die Zimmermieten für ihre Bordellzimmer laufen wahrscheinlich ebenso einfach weiter. Das bedeutet: zusammen mit den Bussgeldern und den Zimmermieten werden diese Frauen am Ende der Coronakrise noch heftiger verschuldet dastehen als jetzt, und das bedeutet, sie können NOCH WENIGER AUSSTEIGEN ALS JETZT SCHON. Und: sie werden sich in dieser Zeit des gezwungenermaßen heimlichen Anschaffens einem erhöhten gesundheitlichen Risiko aussetzen. Denn die Kohle muss ran. Für Essen, Wohnen, Zuhälter und die Kinder in Rumänien. Und das bedeutet: da eh sehr viel weniger Freier kommen, haben die mehr Macht und können Sex ohne Gummi eher einfordern.
      Sieht so Schutz aus? DEFINITIV NICHT.
      Bitte freut euch also nicht, wenn ihr diese Nachricht lest. Denn für die betroffenen Frauen ist sie schrecklich.


      Was würde stattdessen helfen? Weiterlesen

      „Fuck foward“ vom Radio 1 Live (WDR) – eine Erwiderung von Susan

        Autorin: Susan //

        Podcasts sind eine tolle Sache, um dem Hörer spannende Geschichten und bewegende Reportagen nahezubringen.

        Ich liebe sie und höre bei jeder Gelegenheit. Die letzten Sendungen allerdings ließen mich verzweifelt zurück: das Format „Fuck foward“ vom Radio 1 Live (WDR) stellt sich ziemlich prostitutionsverherrlichend dar. Ist das gewollt? Völlig unkritisch werden Frauen interviewt, die dem Wunsch des Senders offenbar nahekommen, Prostitution als eine schöne Jobalternative dastehen zu lassen. Fakten zum schwedischen Modell und die harten Tatsachen der Prostitution (Gewalt, Zwang, Ausbeutung) werden totgeschwiegen. Ich habe daher einen Brief geschrieben, lest selbst:

        Sehr geehrtes Team von Radio 1Live,

        ich bin Susan vom Netzwerk Ella, einer unabhängigen und säkularen Interessensvertretung für Frauen aus und in der Prostitution. Wir sind die einzige Survivorinitiative in Deutschland und setzen uns für die Implementierung des nordischen Modells ein, welches bereits in anderen europäischen Ländern umgesetzt wird.

        Sexkauf ist von unserem Standpunkt aus betrachtet Gewalt, und zwar gegen die Frau, welche die sexuellen Handlungen gegen Geld für Freier erbringen muss. Niemals hat die Frau wirklich einen Handlungsspielraum und muss die Wünsche der Kunden zur Zufriedenheit erfüllen, wenn nicht, droht ihr sogar eine Klage, wie unlängst in den Medien zu lesen war.

        Ich habe mit großem Interesse ihre Podcasts verfolgt, alle zum Thema Prostitution und viele aus der Reihe „Fuck forward“. Im Grunde finde ich das Format sogar sehr gut, es klärt auf mit Mythen und bringt dem interessierten Hörer einiges näher, was er sich vielleicht nicht auszusprechen getraut.

        Jedoch haben mich die Podcasts zum Thema Prostitution sehr verstört, zum einen sprechen dort nur Frauen, die den sogenannten „Pro- Lobby Verbänden“ wie BeSD angehören, zum anderen, sind alle völlig unkritisch, gar beschönigend.
        Bezugnehmen möchte ich vorallendingen auf den Podcast mit Metchild aka „Madame Kali“ und Jo Hamburger, dem Sexualpädagogen.

        Folgende Kritikpunkte möchte ich an dieser Stelle an Sie herantragen:

        1) Die fast nebenbei gefallene Einwendung seitens Frau Altzschners, dass es zwar auch Zwangsprostitution gebe, man aber keiner Frau einen Gefallen tun würde, es ihr zu verbieten, wenn sie es denn wirklich wolle- diese Formulierung vermittelt dem Hörer den Eindruck, dass Gewalt und Zwang eine kleine Randerscheinung im Milieu der Prostitution sei, keineswegs aber eine Realtität. Durch bewusste (?) Platzierung von ausschließlich Pro Sexwork Aktivistinnen (Josefa Nereus, Mechthild, Ilan Stephani und auch in einem anderen Format im Video Kristina Marlen) erweckt sich der Eindruck, dass hier eine ganz besonders verherrlichende Sichtweise der Prostitution dargestellt werden soll sowie die Folgen und gesundheitlichen Einschränkungen völlig negiert sind.

        2) Die absolut unkritische Darstellung eines Zuhörers, der seine Freundin zum Kuschelsex „nutzt“, hingegen aber bei „One Night Stands“ (womöglich auch prostituierte Frauen?) den Frauen gern ins Gesicht ejakuliert ist geradezu unerträglich. Immer wieder wird das Hurenstigma kritisiert, das tun wir ebenso wie die Pro- Aktivistinnen, und es ist niemandem geholfen, die Ursachen dieses Stigmas nicht zu benennen. Diese Verursacher sind die Männer selbst, die Frauen in „Huren und Heilige“ unterteilen, mit den Huren können sie eh machen was sie wollen, sie sind ja ohnehin keiner guten Behandlung würdig? Wie man ein derart frauenverachtendes und sexistisches Weltbild in einer Sendung des öffentlich rechtlichen Rundfunks unkritisch stehen lassen kann, ist mir unbegreiflich. Diese durch Männer transportierten, erniedrigenden Frauenbilder schaden allen Frauen und insbesondere den Prostituierten, die diese unsäglichen Gewaltphantasien jeden Tag ertragen müssen. Solche Pornophantasien und Gewalt gegen Frauen als einen harmlosen Fetisch abzutun, wie es in der Sendung den Eindruck erweckt, ist beängstigend.

        3) Die völlig unkritische Annahme, dass das nordische Modell kein akzeptabler Weg sei, Menschenhandel und Prostitution einzudämmen, indem die Nachfrage bestraft wird. Madame Kali kann einfach unbelegt Thesen in den Raum stellen, die von Jo Hamburger und Frau Altzschner nicht weiter, als mit bloßer Zustimmung und der Beurteilung von“ Rückschrittlichkeit“, kommentiert werden. Einstimmig scheint man der Meinung zu sein, dass das nordische Modell etwas ganz furchtbares ist, was auf jeden Fall in Deutschland verhindert werden muss.
        Indess kein Wort zu den 80 ermordeten Prostituierten seit 2002, kein Wort zu Zwangsprostitution, kein Wort zu den Verhältnissen in Schweden, wo es mittlerweile gesellschaftlicher Konsens ist, dass man Frauen nicht kauft. Sicherlich hat jedes Gesetz seine Schwachstellen, jedoch ist das nordische Modell nicht umsonst in anderen europäischen Ländern implementiert worden und hat dort die Nachfrage nach Sex , Mädchen und Frauen nachweisbar eingedämmt. Eine derart unreflektierte Haltung zum Thema in einem öffentlich rechtlichen Sendeformat ist einfach unsäglich.

        Ich selbst habe viel Gewalt in der Prostitution erfahren, und dass obwohl mich niemand gezwungen hat einzusteigen, obwohl ich eine Frau deutscher Abstammung bin und über eine Ausbildung verfüge. Prostitution ist Gewalt gegen alle Frauen, auch die nicht- Prostituierten werden durch dieses System erheblich benachteiligt. Es zementiert die Ungleichheit der Geschlechter und es stimmt mich nachdenklich, dass beim WDR derart prostitutionsverherrlichend und unkritisch dem Hörer suggeriert wird, es handele sich hierbei um einen normalen Job der nebenbei auch ganz viel Spaß macht.
        Das ist gefährlich und sehr naiv und entspricht keineswegs der Lebensrealität aller prostituierter Frauen, ich selbst kenne keine Einzige, die es mit Freude macht, und die Zahlen sprechen absolut für sich: aus den Armenhäusern der Welt kommen Frauen und Mädchen zu uns, um hier ausgebeutet zu werden. Ein Freier unterscheidet nicht, ob eine Frau es freiwillig macht oder nicht, es ist ihm im Zweifel völlig egal, und auch Minderjährigkeit ist kein Tabu. Jede Frau wird sagen, dass sie diesen Job gern macht, ob aus Zwang, oder weil sie dem Freier gefallen muss und will. Prostitution ist eine gewaltvolle Scheinwelt, die zu Lasten der Frauen geht, und zwar zu 100%. Es wäre wirklich angemessen, wenn der WDR auch durchaus kritisch zu diesem Thema recherchieren würde.

        Mit freundlichen Grüßen,

        Susan,

        Huschke Mau und Sophie vom Netzwerk Ella

        Prostitution als Geschäft

          Autorin: Maya //

          Ich möchte im Folgenden erklären, warum Prostitution so lukrativ ist für den Staat, die Wirtschaft und auch für kriminelle Strukturen.
          Nicht lukrativ ist es für die Verlierer dieses Systems: die Prostituierten selbst.

          Dass Prostitution kriminelle bereichert muss ja nicht groß erklärt werden. Im Gegensatz zu anderen kriminellen Gütern / Dienstleistungen ist die Prostitution das Geschäft, was das geringste Risiko für Mafia und Zuhälter bedeutet:
          Für die Prostituierte muss oft nicht gezahlt werden, wie zB. für den Kauf von Drogen oder Waffen zum Weiterverkauf. Oft kommt sie „freiwillig“ mit – mit der Hoffnung auf einen anständigen Job im hochgepriesenen Westen, weil sie sich in den Zuhälter verliebt hat, oder weil die Familie bitterarm ist und sie sich für diese opfern möchte / muss. Da ein Großteil der Prostituierten aus EU Ländern sind, insbesondere Rumänien, Bulgarien und Ungarn müssen keine Pässe gefälscht werden. Man nimmt sie einfach im Auto mit über die Grenze.
          Die Prostituierte bringt sofort – d.h. gleich am ersten Tag – Einnahmen ein. Auch eine Straße / ein Autobahnparkplatz reicht aus, um Freier anzulocken, und die ersten Euro sind schon in der Kasse des Zuhälters.
          Auch die Kosten für die Prostituierte dann vor Ort in Deutschland sind sehr gering für die Hintermänner: Miete / Essen / Arbeitsmaterial geht alles von den Einnahmen der Prostituierten selbst ab. Eine Krankenversicherung haben die wenigsten. Die Steuer – wenn denn die Prostituierte überhaupt angemeldet arbeiten sollte – wird von dem „Pauschalmodell“ beglichen – 25 Euro pro Tag an die Steuerkasse der Gemeinde, natürlich auch aus den Einnahmen der Prostituierten.
          So schaffen es Zuhälter mal 100.000 Euro pro Frau pro Jahr zu machen – alles unversteuert.

          Dass die Gemeinde durch den Steuersatz mitverdient habe ich ja oben schon erwähnt.
          Hinzu kommen Einnahmen der Gemeinde, die auch gleichzeitig Einnahmen der Unternehmen / der Wirtschaft sind:
          Der Bordellbetreiber verdient entweder mind. die Hälfte der Einkünfte (50 % plus „gebühren für Handtücher / putzen / Internet…) oder aber er vermietet die Räume für Preise von 100 bis 250 EUro Pro Tag (diesen Betrag muss die Prostituierte erst erarbreiten, um überhaupt ins Plus zu kommen – wenn nicht ein Zuhälter noch seinen Anteil will)
          Was isst die Prostituierte? Kochgelegenheiten gibt es eher selten in Bordellen, und wenn hat die Prostitierte nach einem Arbeitstag in diesem „Job“ nicht den Nerv zu kochen. Das Essen wird also auf Kosten der Prostituierten geliefert. Alles was sie sonst so braucht wird bestellt und ins Haus geliefert – gegen entsprechendes Entgelt: Kondome, sonstige Arbeitsmittel, Drogerieartikel, Wäsche…
          Die Gemeinden, der Staat und die Wirtschaft verdienen gut an den Prostituierten.

          Und die Ausgaben? Wie bereits festgestellt hat die Mafia / die Zuhälter keine weiteren Ausgaben als die eigene Arbeitskraft. und der Staat? Die meisten Prostituierten haben keinen Anspruch auf irgendeine Leistung vom deutschen Staat- sie sind keine Bürgerinnen. Ihnen steht weder Hartz4, noch sonstige Hilfe zu.
          Nach einigen Jahren in der Prostitution braucht jede Person therapeutische Hilfe, um den Missbrauch zu verarbeiten und ins Leben zu finden. Wer zahlt das? wir nicht! im Zweifel niemand. Die meisten Prostituierten haben keine Krankenversicherung. Wenn sie nicht mehr arbeiten können, werden sie einfach wieder in die „Heimat“ geschickt, wo sie erst recht keine Hilfsangebote erhalten. Wie Sklaven, die man nicht mehr braucht. Schnell ausgetauscht durch ein „jüngeres Produkt“.

          Der deutsche Staat, die einzelnen Gemeinden, die Zuhälter und Mafia, die Unternehmen – all die verdienen am dem Missbrauch und der Ausbeutung dieser Prostituierten – und damit auch WIR ALLE.

          Ich hoffe sehr, dass mehr Menschen zum Nachdenken kommen. Alles was um uns herum geschieht hat auch Einfluss auf uns. Es geht uns etwas an. Man kann und muss nicht überall mitmischen und was verändern wollen – aber wenn die Menschenrechtsverletzung vor der eigenen Haustür stattfindet sollten wir!

          (c) Maya

          Das Leben nach der Prostitution: äußerlich angepasst, innen Gewitter

            Autorin: Malina //

            Ich bin Malina, Anfang 20 und komme aus Wien. Ich möchte hier meine Erfahrungen mit Prostitution schildern, sowie meinen Ausstieg.

            Ursprünglich kommt meine Familie aus diversen Ecken Osteuropas und ich selbst habe in einem osteuropäischen Land die Kindheit und Jugend verbracht. Meine Familie war schwierig, Mein Vater hatte Probleme mit Alkohol und Aggression, meine Mutter war (auch deswegen) psychisch krank. Ich war ein ungeplantes Kind und meine biologischen Eltern hatten nicht wirklich die Ressourcen, sich um mich zu kümmern, an der emotionalen Bindung mangelte es bei uns auch. Ich wanderte vom Verwandten zu einer anderen Verwandten, Gewalt war bei uns Teil der familiären Struktur, psychisch, körperlich, intim. Bis zu meiner Pubertät war ich gebrochen. Jetzt weiß ich, dass wir keine Gläser sind und doch nicht so einfach zu brechen, aber ich habe mich auf jeden Fall so gefühlt: Ich war depressiv, fühlte mich wertlos, sah alles Schlechte als meine Fehler an. Große Teile meiner Jugend habe ich in einem Internat für Schülerinnen verbracht und musste die Herausforderungen des Alltags als Teenagerin irgendwie meistern.

            Nach Österreich bin ich über eine alte Schulfreundin mit 16 gekommen, die nach ihrem Austauschjahr in Wien geblieben ist und mich über Sommer eingeladen hat. Da Sommer bei mir die schwierigsten Zeitspannen waren – kein Internat, kein nix – habe ich selbstverständlich zugesagt. Dann bin ich bis heute in Wien geblieben. Es wurde mir unter anderem eine Person vorgestellt, mit der ich eine Beziehung begonnen habe; oder zumindest hat sich das für mich so angefühlt. Mir war so so gut dabei, da es meine Minderwertigkeitskomplexe für eine Weile verstummt hat, ich eine Bezugsperson hatte, die mich angeschaut hat, wenn ich geredet habe, mit mir Zärtlichkeiten ausgetauscht hat, in mir (dachte ich) eine Erwachsene gesehen hat. Meine Beziehung gab mir Wert, den ich sonst nicht finden konnte. Ich habe damals etwas in Richtung Glück gefühlt und das nie loslassen wollen.

            Auch dann nicht loslassen wollen, wenn der Sex in die Richtung BDSM kippte. Ich habe mich mit allem anvertraut, mit den Gewalterfahrungen, mit Schmerz, mit Depressionen, Selbstmordgedanken, einem nicht existenten Selbstwert und habe alle Lügen erzählt bekommen, die es in die Richtung gibt: Dass die Submissive die Kontrolle in der Begegnung hat, dass ich meinen Schmerz in sicherer Umgebung wiedererleben kann, aber diesmal heilen, dass sich schlagen und zusammenbinden und brennen lassen mich emanzipieren könnte. Das Blöde daran ist, das war dann erfolgte, stimmte mit diesem Narrativ überein. In der Dissonanz von Schmerz und Verliebtheit, da ja reichlich vorhanden war, zwischen Gewalt und Bindung kann der Hirn ja nicht weiter, frau fällt in den berüchtigten „subspace“ (nur deswegen kann ich mit Sicherheit behaupten, dass das mit „Kontrolle der Submissiven“ nicht stimmt, frau kann in dem Zustand nämlich so ziemlich gar nix), irgendwo voll entfremdet von der Welt herum und dem *anderen* Schmerz und wenn frau da rauskommt, ist wer da und streichelt und erzählt, wie wunderhübsch und gut und sexy ich nicht wäre. Nie hab ich so viel Gutes über mich gehört wie wenn ich Gewalt an mir ausüben ließe. So kam es dann, dass ich es selbst wollte, selbst initiiert habe.

            Die Veränderungen, die zu meinen „Arbeitserfahrungen“ geführt haben, haben sehr langsam angefangen, wenn klar war, dass meine Schullaufbahn im Herkunftsland nun endgültig abgebrochen war und ich in einer Sackgasse steckte. Zuerst kam nur der Wunsch, gemeinsam Pornos anzuschauen, an denen „Freund*innen“ beteiligt waren –BDSM & Fetisch-Pornos, wo am Anfang die Darsteller_innen Konsens etabliert haben und am Ende zusammen gelacht. Als hätte das den offensichtlichen Schmerz weggenommen, als würden sich alle großartig unterhalten. Irgendwann habe ich mitgemacht, zuerst ohne Gesicht und dann mit. Gerne würde ich sagen, dass ich die Grenze gespürt habe und dass ich mir da wehtue, aber das war nicht so. Alles kam erst, wenn ich mich gewöhnt habe, wenn etwas die neue Normalität wurde. Ich hatte kein soziales Leben außerhalb meiner Beziehung und dem „Freund*innenkreis“, keine Kontrollinstanz.

            Prostitution kam später dazu, in Form von Escorting (zuerst Bekannte, dann auch Unbekannte, zuerst vermittelt und als alle Überreste von meiner „Beziehung“ schon vergangen sind (und damit die Wohnmöglichkeit) auf eigene Faust) und Prostitution in Wohnungen am Rande von Wien. Das habe ich dann irgendwie auch geil gefunden, das sexuelle Interesse an mir, wie viele Menschen ich an einem einzigen Tag dazu bringen konnte mich zu wollen, mich mit allen meinen Unsicherheiten sexy zu finden und mir noch Geld zu geben. Vor allem nach dem Sex hatte ich oft ein kleines High, eine Kombination aus Erleichterung und Stolz, Stolz auf das Einzige, wovon ich dachte, dass ich es kann. Ich bin geblieben, bin in der Prostitution erwachsen geworden und verdrängte alles, aber wirklich alles. In meinem Kopf war es so, als könnte ich eh nie was anderes machen: Ich wusste nicht wie, praktisch und emotional. Die Welt um mich habe ich nicht verstanden, klassische Erfahrungen der Adoleszenz habe ich nie gemacht. Ich hatte keine Alternative im Kopf und zu viel Angst, eine zu suchen. Obwohl klar war, dass nix lange halten wird. Frauen um mich waren kaum älter als 30, es war klar, dass ich mal ausgedient habe. Ich hatte ständige Blasenentzündungen, ständige Pilzinfektionen, ständige Analfissuren, sehr oft Muskelkater, gerade nach BDSM Sex. Ich hatte keine richtige Krankenversicherung, meine Zähne waren kaputt. Ich habe nichts mehr gespürt, ich hatte Freizeit, aber konnte mit ihr nichts anfangen. Sämtliche Reize haben mich erschreckt und überfordert, sogar Regen macht mich bis heute fertig. Aber ich habe lieber verdrängt, getrunken, gekifft, geschlafen, im ewigen Kreis.

            Eine „Kollegin“ hat mich mal auf ihr Abendgymansium mitgenommen, ich habe mich angemeldet, und zuerst für einen Tag, dann für zwei, dann für drei in der Woche die Schule besucht. Langfristig hat es mir gutgetan, aber anfangs war es furchtbar. Ich hatte keine Konzentration, keine Motivation, ständige Angst, einen Freier anzutreffen. Der Austausch mit Menschen außerhalb der Prostitution hat mich aber gehalten und manchmal gab es kleine Erfolge, die mich aber ungemein glücklich gemacht haben. In der Prostitution bin ich fast bis zu meiner Matura geblieben, fünf Jahre ungefähr insgesamt. In meinem letzten Jahr habe ich oft eine Beratungsstelle für Sexarbeiter*innen besucht. Inzwischen finde ich ihren Zugang eine Verhöhnung, aber es hat mir dennoch war gegeben: Ich wurde registriert, hatte etwas in Richtung einer Krankenversicherung, holte mir vom Tageszentrum Kleidung und Essen, wodurch mein Bedarf an Finanzen kleiner wurde und die Arbeitszeit weniger.

            Ausstieg probierte ich zweimal. Zum ersten Mal habe ich bei der Stadt eine Ausbildung zur Hortasssistentin gemacht, eine sehr kurze Ausbildung, gesponsert von der Stadt. Aber es ist nicht wirklich gelungen. Ich konnte nicht schlafen, bekam beim Schrei Flashbacks, war vom Alltag und Zahlungen überfordert, wurde stellenweise rückfällig. Eine neue Reform hat dann meine Ausbildung abgeschafft, es wurde eine längere notwendig. Da wurde ich nochmals für einige Monate rückfällig, dann einen Job als Obdachlosenbetreuerin gefunden, hauptsächlich Nachtdienste, die nicht viel außer meiner Anwesenheit erforderten. Das war vor einem Jahr. Meine Matura habe ich geschafft (und bei der Übergabe schrecklich geweint), habe ein Studium aufgenommen (und es nicht glauben können).

            Jetzt bin ich für die Außenstehende irgendwie normal. Meine Existenz hält sich für Betrachter*innen so ziemlich im Rahmen der Existenzen von Frauen Anfang 20, mit Beigeschmack der Migration. Meinen letzten Job habe ich vor Kurzem verloren, aber habe mittlerweile Anspruch aufs Arbeitslosengeld. Ich bin in der Hochschüler_innenschaft, engagiere mich für Geflüchtete, habe eine kleine Wohnung, gehe im Park spazieren. Auf meinem Tische steht eine künstliche Blume vom Ikea, in meinem Dokumentendepot liegt ein gültiger Aufenthaltstitel, in meinem Laptop eine begonnene Bachelorarbeit.

            Aber ich bin nicht normal. Ich kann nicht schlafen, weine so gut wie jeden Tag, erschrecke bei jedem lauten Geräusch. Soziale Bindung fällt mir schwer, bzw. existiert nicht. Ich fühle mich wertlos, machtlos und leer, denke oft an Suizid wegen dieser *Leere*, wegen dem Verletztsein. Bin von alltäglichen Kleinigkeiten überfordert und irgendwie alt und kindlich zugleich – das Leben ist schwer geworden und das Geschehene lässt mich nicht los, aber das Bewältigen von den Sachen, die Erwachsene halt tun, ist immer noch so so schwierig. Auf intime Beziehungen lasse ich mich nicht ein. Meine Zähne sind immer noch kaputt. Ich bin inkontinent, mit Anfang 20, Blasenentzündung, der Stress, beides – ich weiß es nicht. Sachen, die Menschen in meinem Alter „so tun“, tue ich nicht. Partys meide ich wegen Geräuschen und Lichtern, wegen Typen, die Sätze sagen, die ich von Freiern gehört habe und weil es mir einfach keinen Spaß mehr macht. Ins Kino gehen geht wohl nur bei Kinderfilmen, weil auch Sexszenen manchmal voll unerwartet Flashbacks auslösen. Zukunft sehen fällt mir so schwer. Ich kenne Leben ohne Gewalt nicht. Ich kenne Sex ohne Gewalt nicht. Ich kenne echte, bedingungslose Zuneigung nicht. Ich kenne so wenige Alternativen zum patriarchalen Modell, wenn es zB darum geht, mal eine Familie zu haben. Ich weiß nicht, ob ich daran glaube, dass ich diese Zukunft mal finde.

            Ich möchte alles dafür tun, dass anderen jungen Frauen mein Schicksal nicht zustoßt. Da hilft keine Dekriminalisierung, schließlich war so ziemlich alles, was ich getan habe, legal. Das Einzige, was uns nachhaltig schützen wird, ist ein radikales Umdenken. Ein Denken, das Sexkauf zu etwas Verwerflichem macht, was es ist. Was die Hemmschwelle für Freier enorm erhöht. Was zu Resultat hat, dass Zuhälter in jungen Frauen wie mir mit 16 keine Ware sehen. Und solange sich Frauen prostituieren, wird jede von uns verdinglicht, wird jede von uns zum potenziellen Produkt. Das ganze System in unseren Köpfen muss weg. Ich möchte, dass jedes Mädchen mit meiner Kindheit unabhängig davon eine Chance auf eine gute, erfüllte Zukunft hat, auf Selbstbestimmtheit und Wertschätzung. Ich weiß nicht, was mit mir weiter wird und manchmal ist überleben genug. Aber irgendwann wäre ich gerne die Person, die ich gebraucht habe, als ich jünger war. So richte ich auch mein politisches Engagement aus.

            (c) Malina

            Warum die legalisierte Prostitution Prostituierte kriminalisiert

              Autorin: Sophie //

              Ich bin Sophie vom Netzwerk Ella, einer Interessensvertretung für Frauen aus der Prostitution, die sich für das Nordische Modell einsetzt. Vor drei Jahren habe ich den Ausstieg geschafft, nachdem ich von meinem 14. bis zum 22. Lebensjahr in der Prostitution war.
              Wir vom Netzwerk Ella waren oder sind alle selbst in der Prostitution und haben erkannt, dass der Kauf von Sex Gewalt ist. Aus diesem Grund fordern wir ein Sexkaufverbot und Ausstiegshilfen für Frauen, die aktuell in der Prostitution sind, sowie gesellschaftliche Aufklärung und die Entkriminalisierung der prostituierten Frauen.

              Von der Pro-Prostitutionslobby wird uns im Zuge dieser Debatte häufig vorgeworfen, dass wir uns für eine Kriminalisierung der Prostituierten einsetzten, was ein unsolidarischer Akt sei. Dieser Vorwurf ist schlichtweg falsch und nichts weiter als ein Schachzug aus der Trickkiste der Schwarzen Rhetorik. Das Gegenteil ist der Fall: Das Nordische Modell ist die Entkriminalisierung der prostituierten Frau (Männer sind natürlich mitgemeint!) und im Gegensatz dazu ist die legalisierte Prostitution ihre Kriminalisierung. Warum das so ist, möchte ich anhand von einigen Beispielen erklären.

              Häufig argumentieren Freier, Prostitutionsprofiteure oder aber auch Prostituierte selbst, dass die Prostitution ein Job wie jeder andere sei und ihre Stigmatisierung das größte Problem. Alle Probleme, die Prostituierte in der Gesellschaft hätten, seien auf das Stigma zurückzuführen und das müsse man dadurch beseitigen, dass man Prostitution endlich als normale Profession behandle.
              Aber denken wir doch einmal darüber nach, wie sich das in der Praxis denn äußern würde…

              In Betrieben und Fabriken gibt es in der Regel Vorschriften zu Arbeitszeiten, Pausen, Hygieneregelungen etc. .
              Wenn eine Prostituierte ihren „Job“ nun also so ausführen soll, wie jeden anderen auch, dann müsste man ihr ja eigentlich die Vorgabe machen, dass sie acht Stunden täglich mit einer halben Stunde Pause arbeitet und sich an gewisse Vorschriften hält, die die Hygiene betreffen. Als Beispiele fielen mir hierzu ein, das Bettlaken nach jedem Freier zu wechseln, diesen Akt zu protokollieren, die Türklinken täglich zu desinfizieren, den Mülleimer regelmäßig zu leeren, die verbrauchten Kondome zu protokollieren und eigentlich auch, die Klarnamen der Freier zu erfassen, um sie im Falle eines geplatzten Kondoms und einer im Zusammenhang damit eingefangenen Geschlechtskrankheit haftbar zu machen. Oder um ein neueres Phänomen zu benennen: eigentlich bräuchte die Prostituierte einen kleinen tragbaren „Kassenautomaten“, der zuverlässig erfasst, dass sie auch ja keine Einkünfte am Finanzamt vorbeiwirtschaftet und steuerlich eventuell sogar absetzbare Bons für ihre Freier druckt. Wer das liest, wird die Nachtigall nun trapsen hören und sich an totalitäre, autoritäre und explizit misogyne Regime erinnert fühlen.
              Als ich damals mit 19 meinen einzigen Ausweg aus der Prostitution darin sah, für meinen damaligen „Freund“ schnellstmöglich 30.000€ anzuschaffen, damit er sich eine Autowerkstatt kaufen kann, in der ich dann als Sekretärin arbeiten sollte (Ja! Ich war naiv und schwer verliebt, seufz…), bewarb ich mich in verschiedenen Bordellen in der Schweiz, weil man dort wohl mehr verdienen solle. Im Zuge dessen, dass ich Informationen über die Schweizer Verhältnisse einholte, wurde mir eben auch von den streng kontrollierten Hygienestandards erzählt. Angeblich sei eine Küchenrolle neben dem Bett pflicht und auch die Putzvorgänge würden kontrolliert.
              Eine solche Art und Weise wäre absolut nicht wünschenswert (zumindest schockte mich das damals), aber vollkommen normal, wenn man an der Beruf der Physiotherapeutin oder der Krankenpflegerin denkt. Hier stört es niemanden, dass die Angestellten spezielle Desinfektionspraktiken vornehmen müssen, teilweise mit Mundschutz arbeiten, Schutzkleidung, Unterlagen etc. .
              Dabei ist der Kontakt in der Prostitution viel intimer. Körperflüssigkeiten werden ausgetauscht, Schleimhäute berühren einander, reißen ein, bluten manchmal. Der einzige Schutz ist eine milimeterdünne Latexschicht, die von den meisten Männern noch nicht einmal erwünscht ist. Teilweise sogar verweigert wird. Im Freierforum ao-huren.to berichten Freier täglich darüber, wie sie Prostituierte, die keinen Service ohne Kondom anbieten, dahingehend manipulieren oder vergewaltigen, dass sie gegen den Willen der Frau in sie hineinejakulieren. Das ist gefährlich und absolut menschenfeindlich. Die im 2017 beschlossenen ProstSchG angeordnete Kondompflicht, die ich, auch wenn das ProstSchG insgesamt durchaus zu kritisieren ist, sehr gut finde, wird jedoch von „SexarbeiterInnen“vereinen stringent abgelehnt, weil sie die sexuelle Freiheit der Frau einschränke. Dabei ist sie nichts anderes als eine logische Konsequenz eines legalisierten Systems. In einem Staat wie Deutschland greift der Staat nunmal ins Arbeitsrecht ein und regelt den Rahmen einer Tätigkeit.
              Zusätzliche Hygienemaßnahmen wären also für einen penibel bürokratischen und bis ins Detail regulierten Staat wie Deutschland, bei einem „Job wie jedem anderen“, selbstverständlich. Dass dies aber nicht gewünscht wird, ist Beweis, dass der Verkauf sexueller „Dienstleistungen“ eben kein „Job wie jeder andere“ ist. Die Frau zu übermäßiger Hygiene zu zwingen, wäre stigmatisierend. Es wäre wie im Dritten Reich. Denn nicht die Frauen sind die, die unhygienisch sind oder von Haus aus Krankheiten haben. Es sind die Freier, die stinken, ungewaschen sind, Krankheiten haben und weder einsehen, Körperpflege zu betreiben, noch ein Kondom zu verwenden. In diesem Falle dann die Frau für die Hygiene verantwortlich zu machen, wäre misogyn.
              Wenn aber nun die Behandlung eines Berufs als ein Beruf wie jeder andere stigmatisierend ist, wie kann es dann ein Beruf wie jeder andere sein?

              Damit komme ich zum nächsten Punkt, den Sperrbezirken. In einem legalisierten System muss geregelt sein, wo Prostitution stattfinden darf und wo nicht. Die Stadt München besteht beispielsweise aus 80% Sperrbezirk, hat aber mit eine der höchsten Dichten an Prostitution. Dies liegt nicht nur daran, dass es große und viele Bordelle gibt. Es liegt auch daran, dass ein großer Teil der Prostitution in München illegal stattfindet. Weil München wohl die Stadt in Deutschland ist, in der man als Prostituierte am besten verdient, habe ich dort auch immer wieder gearbeitet. Im Stadtzentrum, also auf deutsch, im Sperrbezirk. Wäre ich erwischt worden, hätte ich eine Geldbuße zahlen müssen. Ich weiß nicht, ob es das ist, was die „SexarbeiterInnen“verbände möchten. Für mich als Prostituierte waren Verbote, Regeln und Regulierungen oder Vorgaben immer belastend. Für mich war es belastend, wenn ich wusste, dass ich etwas tue, das mich Geld kostet, wenn ich erwischt werde, weil ich dann noch mehr Sex haben muss, den ich eigentlich gar nicht möchte, um das zu bezahlen. Außerdem war es belastend, zu wissen, dass ich unerwünscht war und eine „Gefahr für Kinder“. Denn darum geht es ja bei den Sperrbezirken. Da ist mir doch die Freierbestrafung wesentlich lieber. Hier muss nicht ich die Strafe zahlen, wenn ich erwischt werde. Der Freier muss sie zahlen. Denn wegen ihm bin ich ja überhaupt an einem Ort, in einem Hotel oder seiner Wohnung, in einer Agenturwohnung oder whatsoever, wo ich gar nicht sein MÖCHTE. Was ich wirklich MÖCHTE, sind 200€ die Stunde und möglichst meine Ruhe.

              Naja, und dann sind da noch die Steuern. Eine Bundestagsabgeordnete hat mir vor kurzem erklärt, dass der Staat von Prostituierten Steuern nimmt, weil sie ihn eben so viel kosten. 2/3 der prostituierten Frauen gehen aus der Prostitution mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit dem Ausmaß derer eines Kriegsinvaliden oder Folteropfers. 70% der Prostituierten leiden an Depressionen. Viele sind abhängig von Psychopharmaka, Drogen und Alkohol und beanspruchen Therapien (sofern sie überhaupt gezahlt werden), Psychiatrieaufenthalte, Hilfe durch Sozialarbeiter, etc. Sie sind somit eine Risikogruppe, die den Staat besonders viel kostet. Das kann ich ja irgendwie nachvollziehen, aber ich finde, dass dies Kosten sind, die nicht ich zahlen sollte, sondern der, der mich in diese Situation bringt, all diese Hilfen überhaupt zu brauchen. Wenn ich nach einem Freier, der mir gerade einen besonders krassen Hatefuck verpasst hat, wegen eines Nervenzusammenbruchs in die Psychiatrie muss, dann muss ich im legalisierten System trotzdem die Steuer dieses Termins abführen. Ich muss also qua deutscher Rechtslage dafür bezahlen, dass ich gerade psychisch und physisch fertiggemacht worden bin. An dieser Stelle frage ich mich, ob dies nicht eher der Freier bezahlen sollte. Oder teilweise vielleicht auch die Agentur, die mir diesen Freier vermittelt hat. Anzeigen kann ich den Freier ja nicht. Schließlich habe ich ja eingewilligt, gegen Geld mit ihm zu schlafen und dafür, wie hart der Sex sein darf, gibt es ja keine juristische Definition. Sollte man vielleicht so eine auch noch einführen? Wenn Sexkauf schon staatlich geregelt sein soll, dann doch bitte ganz?

              Dann komme ich zu einem Punkt, den das Stigma betrifft. JA, das Stigma ist schrecklich. Ich hasse es selbst, als (Ex-)Prostituierte so stigmatisiert zu sein. Aber ist es wirklich der richtige Weg, das Stigma aufzulösen, indem man Prostitution als einen „Beruf“ wie jeden anderen bewirbt? Huschke erwähnt diesen Punkt immer wieder. Wenn es denn ein Beruf wie jeder andere ist, wieso sollte das Jobcenter Frauen nicht in den Puff vermitteln dürfen? Warum gab es so eine wahnsinnige Welle der Empörung, als das Jobcenter Augsburg eine Frau als Bardame in den FKK Club Collosseum vermittelt hat? Hier hört für mich der ewige Vergleich des Lohnarbeiters, der zwecks seiner prekären Lage zu minder bezahlten Jobs gezwungen ist, mit der Lage der Prostituierten auf. Diese Fälle divergieren in einem Ausmaß, bei dem ich es vermessen finde, dass sexworksupportende Studenten, die ein paar Marx-Zitate auswendig gelernt haben, sie immer wieder anführen. Der Lohnarbeiter hat ein 40fach geringeres Sterberisiko als die Prostituierte und außerdem, um das noch einmal anzuführen, bekommt er von seinem Beruf nicht mit 68%iger Wahrscheinlichkeit eine Posttraumatische Belastungsstörung von seiner Tätigkeit.

              Das sind nun ein paar von einigen Argumenten, warum die Legalisierung der Prostitution eigentlich ihre Kriminalisierung ist. Auch wenn es Stimmen gibt, die das Gegenteil behaupten.
              Für mich als Prostituierte war es jedenfalls so, dass ich mich nicht an Regeln halten wollte und auch gar nicht konnte. Gehen wir davon aus, dass dann auch noch die meisten Frauen gar nicht freiwillig in der Prostitution sind, ist dieses System einfach nur zynisch.
              Ich hoffe, in der deutschen Öffentlichkeit findet endlich bald ein Umdenken statt und die Menschen beginnen, sich mit den Frauen zu solidarisieren, statt ihr Leid als „Job“ wie jeden anderen abzutun.

              (c) Sophie

              Brief an den innenpolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Martin Luthe

                Autorin: Mimi //

                Der FDPler Martin Luthe hat angefragt, warum „so wenig“ Prostituierte in Berlin Steuern abführen – nämlich nur 50.000 Euro im Monat. Das ist ihm zuwenig. Er beklagte im Artikel in der Berliner Morgenpost, vor allem auf dem Strassenstrich Kurfürstenstrasse würden Steuern hinterzogen. Es ist absurd, dass ihn an diesem Elends-, Baby- und Drogenstrich nicht etwa die offensichtliche Zwangsprostitution stört, sondern, dass die dort ausgebeuteten Frauen keine Steuern abführen. (Vielleicht, weil sie alles ihrem Zuhälter abgeben müssen, Herr Luthe?!) Das ist Kapitalismus und Frauenverachtung in Reinstkultur. Und er entblödete sich auch nicht, die Prostituierten der KuFü auch als „Berufsverbrecher“ zu bezeichnen – einen Begriff, der ihnen schon im Dritten Reich anhaftete, bevor man sie wegen „asozialen Verhaltens“ in die Konzentrationslager sperrte. Der Prostitutionsaussteigerin und Aktivistin Mimi vom Netzwerk Ella war das zuviel, deswegen hat sie ihm einen geharnischten Brief geschrieben. Lest selbst:


                „Sehr geehrter Herr Luthe,

                ich schreibe Ihnen als Sprecherin des Netzwerks Ella, einer unabhängigen Interessenvertretung für Frauen aus und in der Prostitution.
                Wir sind alle Frauen, die selbst Erfahrungen als Prostituierte gemacht haben, ausgestiegen sind, gerade aussteigen, oder noch aktiv sind. Wir alle haben ein Ziel: dass das nordische Modell, sprich ein Sexkaufverbot, wie es in Schweden oder Frankreich und anderen Ländern gibt, hier in Deutschland eingeführt wird. Wir betrachten Prostitution als Gewalt gegen Frauen und als Zementierung patriarchaler Systeme, die einer modernen und gleichberechtigten Gesellschaft nicht gerecht werden.
                Nun haben Sie unlängst nachgefragt, was die Prostituierten am Straßenstrich in Berlin so verdienen. Nun würde ich gern wissen, welche Motivation diese Frage hat, denn wie wir alle wissen, sind Steuersünder meist an anderen Plätzen zu verorten und zu ahnden, was mal mehr oder weniger gelingt, sie mögen sich sicher an die Cum Ex Skandale erinnern. Selbst Ihre Partei hatte lange an den Finanzskandalen der Vergangenheit zu arbeiten. Vielleicht nehmen Sie es ja deswegen ganz genau.
                Waren Sie jemals dort, an der Kurfürstenstraße? Ich mag es nicht glauben, denn anders kann ich mir Ihre Anfrage nicht erklären. Wie sie sicher wissen, arbeiten die meisten Frauen dort unter Zwang diverser Art. Cousins, Freunde und Bekannte schicken die Frauen auf den Strich, die sich dort teilweise für 5 Euro und weniger anbieten. Dabei nehmen Sie gefährliche und entwürdigende Praktiken in Kauf, wie z.B. Analsex, Ejakulieren ins Gesicht, GangBang. Darüber hinaus erfahren diese Frauen ein großes Maß an Gewalt, sie werden geschlagen, gewürgt, gejagt und umgebracht. Es stehen dort auch hochschwangere Frauen, die dann „schnell“ entbinden und wieder zurückkehren an den Straßenstrich- weil sie müssen.
                Es gibt durchaus Kontrollen vom Finanzamt vor Ort, aber leider kann keine dieser Frauen Steuern bezahlen. Und wissen sie warum? Weil sie alles Geld an ihren Zuhälter abgeben müssen, der aber offiziell nicht ihr Zuhälter ist, sondern ihr Freund oder Cousin. Das läuft so im Rotlicht, da können Sie sich auch bei spezialisierten Polizeidienstellen informieren. Am Ende hat die Frau nichts, und zum Dank für diese ganze Drecksarbeit, die Ausbeutung, Schmerzen und Hoffnungslosigkeit kommen noch Menschen, die sich überhaupt nicht interessieren, was da abgeht, sondern sich nur für die monetäre Ausstattung dieser Frauen interessieren. Ich finde es gelinde gesagt absolut menschenfeindlich.
                Wir alle zahlen Steuern und das ist korrekt. Frauen in der Prostitution sind nicht reich, sie verdienen kaum was, schon gar nicht hier in Berlin. Jeder will etwas ab vom Kuchen, der Betreiber, die Zuhälter, die Werbeagenturen und die Security und zu guter letzt auch der Staat- und das von Frauen aus einer Ecke, wo man mit gesundem Menschenverstand schon sehen kann, dass das nichts wird.
                Und dann Frauen in der Prostitution im gleichen Atemzug wie deren Profiteure als „Berufsverbrecher“ zu bezeichnen, ist schon nahezu unerträglich und ungerecht, finden Sie nicht auch? Diese Bezeichnung gab es bereits im Dritten Reich für uns prostituierte Frauen, wollen Sie sich ernsthaft mit diesen Leuten auf eine Stufe stellen? Was wäre wenn Sie unter prekären Bedingungen arbeiten, weil Sie müssen, und am Ende wirft man Sie mit Ihrem Ausbeuter in einen Topf und schimpft Sie Verbrecher. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?
                Wenn Sie mögen, helfen Sie uns mit, diese Umstände zu ändern! Sie können den Frauen helfen, indem Sie mit uns für das nordische Modell kämpfen. Dort wird die Frau entkriminalisiert, aber Freier und Zuhälter machen sich strafbar, wenn sie eine Frau kaufen. Steuerbetrug durch Zuhälter und Betreiber dürften sich dann auf ein ganz anderes Maß zusammenschrumpfen. Wenn Sie Interesse an unserer Arbeit haben, so kontaktieren Sie uns gern. Wir erklären Ihnen gern all unsere Forderungen, welche Sie auch auf Netzwerk-Ella.de nachlesen können.
                Vielen Dank für Ihre Zeit,
                Mimi vom Netzwerk Ella“
                Hier der Artikel, in dem Herr Luthe zitiert wird: klick mich!

                Mein Einstieg in die Prostitution

                  Autorin: Anna //

                  Hallo. Ich bin Anna. Meine Geschichte ist folgende:


                  Als ich 15 war hatte ich enorme Minderwertigkeitskomplexe und habe mich immer hässlich gefühlt. Das war die Zeit wo ich mich immer auf Social Media wie Instagram usw mit diesen „Instagrammodels“ verglichen habe. Ich dachte mir, wenn ein Mann die Wahl hätte zwischen mir und denen, jeder würde sich für die entscheiden. Man entscheidet sich also quasi nur für mich aus „Mangel an Gelegenheit“. Dazu muss ich sagen mein Vater hat meine Mutter betrogen und seit dem versuche ich alle Gründe aus dem Weg zu schaffen, wieso ein Mann mich betrügen könnte. Der Vater meines Ex-Freundes hat seine Ehefrau verlassen weil sie ihm zu alt war und er eine jüngere wollte. Das Aussehen war also Punkt 1 bei dem ich anfangen wollte, dass man mich deshalb nie verlässt. Ich wollte aussehen wie diese Models und dachte mir wie komme ich an soviel Geld dass ich mir 18 die ganzen Schönheitsops machen kann. Ich wollte alles – nasenop, Po Implantate, brustimplantate, lipfillers, wangenknochen filler, evtl. Rippe entfernen usw.


                  Dann hab ich überlegt dass ein Sugardaddy die schnellste Möglichkeit wäre um an viel Geld zu kommen, um mir die ganzen ops finanzieren zu können. Also hab ich mich mit 15 auf mysugardaddy.eu angemeldet und dort angegeben ich wäre 18 und Studentin. Ich habe viele Anfragen bekommen und mich für einen entschieden, der war 50, hatte ne IT Firma in der Schweiz, war verheiratet (aber er hat gelogen und meinte sie sind mitten in der Scheidung aber er wohnt noch bei ihr, obwohl er mehrere Wohnungen besaß). Er hatte 2 Kinder und die älteste war 17- 2 Jahre älter als mein echtes ich. Er dachte zwar ich wäre 18 aber irgendwie war mir das dann zu eklig und ich hatte so Angst vor dem Treffen weshalb ich einen Tag davor abgesagt habe.


                  Das Thema Prostitution ließ mich aber nicht los, denn ich brauchte das Geld möglichst schnell und möglichst viel. Dann hab ich mich ein wenig über Prostitution informiert und war total geschockt – 1,2 mio Männer pro Tag? Mehr als 60% verheiratet? Und da waren sie wieder. Die Betrüger. Meine größte Angst. Sich über Prostitution zu informieren war dann wie eine sucht. Ich habe ungefähr alle Dokus angeguckt auf YouTube, alle Interviews und Beiträge und das alles sogar 5 mal oder so, weil nicht soviel neues nachproduziert wurde was ich mir ansehen hätte können. Mit 17 hab ich mich dann auf kaufmich.com angemeldet, allerdings hab ich mich dann wieder nicht getraut. Hatte zuviel Angst dass mich ein Freier ermordet. Aber Prostitution ließ mich nicht los. Deshalb hab ich versucht die verheirateten Männer zu verstehen, die zu Prostituierten gehen. Dann hab ich mich auf so einer Frage und Ratgeber Seite angemeldet und meine Frage dort gestellt und einen Mann kennen gelernt- einen verheirateten Freier. Er hat mir seine Gründe erklärt wieso er zu Prostituierten geht. Er meinte auch er war bei mehr als 120.


                  wir haben Nummern ausgetauscht und waren dann in ständigem Kontakt. Mit 18 war er mein erster Freier. Ich habe mich mit ihm getroffen und den Tag davor soviel geweint. In YouTube Videos habe ich gesehen, dass viele Prostituierte meinten, man weint beim ersten freier oder man übergibt sich oder geht danach direkt duschen. Ich hatte auch mit 2 Prostituierten Kontakt die das gleiche sagten. Allerdings ist bei mir nichts passiert, ich fand den Sex unangenehm und wollte, dass es ziemlich schnell vorbei geht aber das wars.


                  Das war mein Einstieg in die Prostitution, er wurde dann wie mein Zuhälter und bester Prostitutions-Freund zugleich. Er kannte mekne psychischen Probleme und hat mir geholfen in diverse Laufhäuser und Fkk-Clubs und Bordelle rein zu kommen.
                  Ich dachte mir immer, wenn ich das hier mache bin ich die mit der betrogen wird und nicht die betrogene. Ich bin nicht die Ehefrau, die zuhause sitzt und total ahnungslos ist während ihr Ehemann mich im Bordell für Sex bezahlt. Ich dachte ich habe sowas wie Macht, so ekne Kontrolle sozusagen. Ich hab sie nämlich gesehen und hatte sie bei mir, die Betrüger. Meine Schönheitsops hab ich nie gemacht, ab 18 wollte ich sie nicht mehr.


                  Das verrückte bei mir ist, ich hasse diese Männer. Ich hasse es mit ihnen zu reden und zu wissen sie betrügen ihre Frau, ich hab sie angesehen und mir in meinem Kopf diverse Beleidigungen ausgedacht während ich mit ihm geflirtet habe und nett gelächelt habe. Ich dachte mir immer, soooo viele Männer gehen zu Prostituierten und betrügen ihre Frau. Bei jedem Kunden stellte ich mir seine Freundin oder Frau oder die zukünftige Freundin vor und dachte mir, dass ist dein Mann, der mich gerade für Sex bezahlt. Und ich wollte niemals, dass es mein Mann sein wird. Ich hab mir oft gedacht, ich möchte keine Beziehung mehr und keinen Mann mehr, ich habe niemand mehr vertraut. Und dachte jetzt bin ich jung und schön ich kann mit meinem Körper soviel Geld verdienen, ich kann mit euren Männern soviel Geld verdienen während ihr betrogen werdet.
                  Ich hab jeden Tag geweint weil ich dieses Leben so sehr gehasst habe aber irgendwie hab ich mich selbst dazu gezwungen. Irvendwann hatte ich dann einen Freund (der wusste nichts von der Prostitution die hab ich heimlich nebenbei weiter gemacht also hab ich ihn eig auch betrogen und bin kein Stück besser als die ganzen Freier) und bei ihm hab ich dann alles gemacht um ihm gut zu gefallen. Jeden Tag schön gemacht wenn er mich besucht hat, super oft Sex und ausgefallene sexualpraktiken wie zb analsex obwohl es super schmerzhaft war aber ich wollte die perfekte Freundin sein. Irgendwann kam sein Single-Säufer Freund dann auf die glorreiche Idee mit ihm nach Hamburg zu fahren und einen „Männer-Trip“ zu machen. End of the story: sie waren im Stripclub, zwar nur 5 min oder so weil ihnen das nicht gefallen hat aber dann kamen wieder meine Gedanken was wenn es Ihnen gefallen hätte und er ist gar nicht anders als die anderen. Und so war Schluss mit dem Freund und weiter ging’s mit der Prostitution.


                  Ich hab dann ziemlich oft eine Blasenentzündung gehabt und jeden Tag geweint und diesen Job gehasst allerdings hab ich mich irgendwie selbst dazu gezwungen also meine Psyche hat mich dazu gezwungen, wenn man das so erklären kann. Ich hatte dann wieder einen Freund und wollte nie Sex haben und seit ich aus der Prostitution ausgestiegen bin hab ich eig so gut wie keine Lust mehr auf Sex, und dann mach ich es manchmal weil ich mich schuldig fühle und mir denke ich kann ihn nicht solang warten lassen sonst geht er bald zu prostituierten und immer nach dem sex fühl ich mich eklig und könnte weinen. Ich hasse es Sex zu haben, ich hasse es wenn mein Freund erregt ist und so eine bestimmte Atmung hat, wisst ihr was ich meine? Dieses Keuchen wenn sie erregt sind und dieser Blick in ihren Augen. Ich hasse es. Dieser starke Trieb, den sie ausleben wollen weil sie ja sonst einen „Samenstau“ haben. Im Bordell hab ich manchmal von so einem „Balkon“ also kein Balkon aber eben der 2. Stock der offen war und man runter schauen konnte, runter geschaut und hab mich gefühlt wie in einem Dokumentarfilm über Affen. Das Affenmännchen bezahlt das Weibchen für Sex, damit er seinen Trieb ausleben kann. Das ist so primitiv. Wenn Männer irgendwelche dick pics senden oder so „Horny messages“ denk ich immer an Affen. Sex mit meinem Freund fühlt sich auch an wie Prostitution. Ich plane mich bald in Psychologische Behandlung zu begeben.


                  Inzwischen denke ich nicht mehr soviel an Betrug. Sondern durch meine Zeit in der Prostitution hab ich gelernt, dass Frauen einfach Sexobjekte für Männer sind bei denen sie ihren Trieb ausleben und ihren „Samenstau“ (wie oft hab ich dieses eklige Wort zu hören bekommen) los werden wollen. Der Sex mit einer Prostituierten ist bedeutungslos für sie. Klar verlieben sich manche, aber man muss sich immer vorstellen wie er zuhause zu seiner Frau sein wird. Prostituierte sind reine Sexobjekte für Freier und somit hat jede schöne Frau auch wenn sie nicht prostituierte ist, ihren Preis den man ihr bezahlen muss bis sie es macht. Erst letzte Woche wurde mir 300€ für Sex angeboten von einem 46 jährigen, einfach so, er wusste nicht mal dass ich eine ex Prostitutierte bin.


                  Frauen sind keine Sexobjekte die für Männer zur Triebabfuhr zur Verfügung stehen. Deshalb bin ich gegen Prostitution
                  Habe dieses Jahr im Juni mit der Prostitution aufgehört, zumindest hab ich es geplant. Bin dann rückfällig geworden und hab es wieder gemacht zwischen durch. Mein letzes mal war am 9. November .


                  Ich weiß es nicht warum es ein Zwang ist obwohl ich es hasse und warum ich es immer wieder mache obwohl es mich so zerstört.

                  (c) Anna 2019

                  Bitte bewerten Sie dieses Erlebnis!

                    Autorin: Susan //

                    Stellen Sie sich vor, sie wachen morgens auf und es scheint ein ganz normaler Tag. Die Sonne scheint, sie trinken Kaffee, machen sich auf zur Arbeit und begeben sich an ihren Arbeitsplatz. Die Arbeit beginnt, sie tun ihr Bestes, tippen oder werkeln, pflegen oder gestalten, je nachdem, was sie eben so tun. Ab und an lockert ein netter Plausch mit Kollegen die Atmosphäre auf. Ist doch auch gut so, oder etwa nicht?

                    Stellen Sie sich vor, sie kommen zufällig bei Ihrem Vorgesetzten vorbei. Sie sind der Überzeugung, dass dieser sie schätzt, ja, sie gehen auch davon aus, dass er halt auch nicht alles über sie weiß, was ganz gut so ist, denn schließlich geht es ihren Chef nichts an, wie lange sie auf dem Klo sind oder ein privates Gespräch führen am Telefon- was durchaus vorkommen kann. Sie haben die Möglichkeit ihren Chef von ihren Fähigkeiten zu überzeugen, ohne dass sie Gefahr laufen, den wunderbaren Kollegentratsch auf dem Flur untersagt zu bekommen.

                    Sie wundern sich jetzt allerdings, dass ihr Chef sie doch detailliert auf ihre letzten Arbeitstage- und Wochen anspricht. Man habe sie oft reden sehen, ganz oft sogar waren sie verträumt vorm Rechner, unfreundlich zum Kunden, haben gar Witze über diese gemacht.  Wie bitte? Wie kann das sein? Woher weiß er all diese Dinge?

                    Als sie später ihre Kollegin ins Vertrauen ziehen, erfahren sie, dass es seit einiger Zeit Gang und Gäbe ist, sich gegenseitig zu bewerten und diese Informationen auch zur Verfügung zu stellen. Ihre Kollegin zeigt ihnen die neue Wunderwaffe und sie staunen nicht schlecht, dass über jeden Mitarbeiter ein Profil zu finden ist, wo sie selbst beurteilen können, wie dieser sich verhalten hat- oder eben auch nicht. Getarnt wird das Ganze als Feedback, als positiver Anreiz, noch besser zu werden. Toll oder? Oder eher nicht? Wie fühlen sie sich jetzt? Haben sie etwa nichts zu verbergen?

                    Dass das durchaus Realität in der Arbeitswelt von Menschen ist, zeigt sich in den skandalträchtigen Berichterstattungen in den Medien. Zalando * ist mit derartigen Überwachungsregularien gerade in der Kritik, und das völlig zu recht. Wie lange ich letztlich an meinem Arbeitsplatz auf Toilette war, oder ich mit meiner Nachbarin geplauscht habe, sind Dinge, die dem Vertrauen obliegen. Selbstverständlich darf man diese kleinen Freiheiten nicht überstrapazieren, das versteht sich wohl von selbst.

                    Wenn das Überwachen und Bewerten von Menschen als unangenehm empfunden wird, warum, frage ich mich als Exprostituierte, ist das Bewerten von Menschen, insbesondere von Frauen in der Prostitution, dann so salonfähig und florierend? Warum ist es normal, dass man über Frauen schreibt, dass sie „lustlos“ waren, „zu dick“, „keinen Bock“, „geldgeil“ und dergleichen mehr? Wer möchte sowas denn wirklich lesen? Wohl niemand. Diese Bewertungen dienen nur 2 Zwecken: der Befriedigung von Machtgefühlen von Freiern und dem Voyeurismus des Lesers, meist ebenfalls Freier. Niemand interessiert sich wirklich, ob es dieser Frau gut geht, ob das, was man da schreibt wirklich stimmt, ob das, was dort steht, noch mit der Würde des Menschen vereinbar ist. Nein, die Frauen sind nur das Gefäß, indem sich der ganze Hass ablädt, den diese Männer für Frauen empfinden, keineswegs eine objektive Darstellung von Sachverhalten. Und so wie es dem Arbeitgeber im kapitalistischen System auch nicht um ihr Wohlergehen an ihrer Arbeitsstelle geht, in dem er vorgibt, sie zu „feedbacken“, so geht es dem Freier in einem einschlägigen Forum auch nicht darum, einer prostituierten Frau etwas Gutes zu tun.

                    Sie wird gleich zweimal vernichtet- zuvor via körperlicher Gewalt, denn Prostitution ist Gewalt, und im Nachgang wird die „Heldentat“ des Freiers für alle nochmal sichtbar gemacht. „Schaut, wie ich es ihr gegeben habe“- uralte patriarchale Muster lassen mich hier daran zweifeln, in einer fortschrittlichen Gesellschaft zu leben.

                    Nun stellen Sie sich vor, es würde nicht nur ihre Arbeitsleistung und ihre tägliche Laune bewertet werden, sondern nebenbei noch ihre Brüste, Haare, Schenkel, Bauch, Po und Schamlippen. Will man das?

                    Wenn wir ehrlich sind, ist Überwachung und Bewertung von Menschen niemals zielführend. Dass Foren im Internet existieren, indem scham- und respektlos mit Vergewaltigungen geprahlt wird, ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Genauso, wie es Überwachungsmethoden an ein jeder Arbeitsstelle sind. Warum unterscheiden wir noch? Ist es, weil wir prostituierten Frauen es eh nicht wert sind? Wir vom Netzwerk Ella fordern die Bestrafung von Sexkäufern, damit das, was  Freier mit uns tun belangt werden kann. Auch, was diese im Internet über uns verbreiten, denn es ist wider jeglicher Würde und Vernunft.

                    *https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/zalando-zonar-1.4698105

                    (c) Susan 2019

                    Im Hotelzimmer

                      Autorin: Ana //

                      Als ich das erste Mal in dem Hotelzimmer stand, fühlte ich mich ausgeliefert. Jede Faser meines Körpers fühlte sich fremd an und ich hatte Angst einzelne Körperteile zu verlieren wenn ich nicht gut genug auf sie aufpassen würde.
                      Als ich zum zweiten Mal in seiner Wohnung stand und mir erneut die Augen verbunden wurden, hatte ich das Gefühl mich für immer in der Dunkelheit zu verlieren. Mich für immer im endlosen Schwarz verstecken zu können.
                      Nicht sehen zu müssen was er von mir verlangte und was er tat war meine Sicherheit, denn für das Fühlen war mein verloren gegangener Körper verantwortlich.
                      Seit ich meinem Körper einen greifbaren Wert gegeben habe, seit ich ihn verkauft habe.
                      Fühlt mein Körper sich so fremd an.
                      Nicht mehr so als würde er zu mir gehören.
                      Es fühlt sich so an als hätte ich die Verbindung zu meinem Körper damals in dem Hotelzimmer gelassen. Als würde mein Körper ein Jahr später, immer noch in dem Hotelzimmer, darauf warten von mir abgeholt zu werden.

                      – Ana