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Brief an Frauenministerin Giffey

    Nachdem die Praktikantin von Frauenministerin Giffey uns auf unseren Brief vom Valentinstag mit einem Statement geantwortet hat, das den Status quo der Gesetzeslage in der Prostitution verteidigt, habe ich eine ausführliche Antwort verfasst, um auf die Missstände in der Prostitution aufmerksam zu machen.
    Nun husch husch zur Post, Briefmarke kaufen und ab in den Kasten damit ! (S.)

    Sehr geehrte Frau Giffey,

    vielen Dank für die Antwort auf meinen Brief zum Valentinstag.
    Ich bin Sophie vom Netzwerk Ella, ich war 8 Jahre in der Prostitution, und ich möchte auf die von Ihrer Praktikantin übermittelte E-Mail antworten.
    Natürlich habe ich vom ProstSchG erfahren und finde dieses in Teilen auch gut.
    Es könnte wirklich eine Chance sein, ein wenig mehr gegen Menschenhandel vorzugehen, aber die Betonung liegt hier auf „ein wenig“. Denn in der Realität ist es so, dass keine prostituierte Frau sich gern anmelden möchte.
    Wir vom Netzwerk Ella sind ein Zusammenschluss sowohl von Aussteigerinnen, als auch von Frauen, die noch in der Prostitution sind und die meisten von uns empfinden das ProstSchG als eine Methode, die vor allem dem Staat nützt, der sich damit erhofft, zuverlässiger Steuern eintreiben zu können, die die Prostituierten zu zahlen haben.
    Mir ist bewusst, dass das Gesetz auch gute Seiten hat, aber ich möchte hier erläutern, wie es ankommt und welche Problematik die Legalisierung des Sexkaufs hat.

    Zuallererst ist es zynisch im Zusammenhang von Prostitution von Selbstbestimmung zu sprechen. Ein sehr großer Prozentsatz der sich in Deutschland Prostituierenden sind Armutsprostituierte aus Osteuropa oder aus 3.Welt-Ländern.
    Es ist keine „Selbstbestimmung“, wenn die ökonomische Lage eine Frau dazu zwingt, ihren Körper als Ware anzubieten und zuzulassen, dass Männer, denen es an ausreichend Taktgefühl und sozialer Kompetenz fehlt, auf normalem Wege Frauen kennenzulernen, in ihr Innerstes und Intimstes eindringen zu lassen, nur damit sie und ihre Familien ihr täglich Brot haben. Und das ist noch nicht alles: bei den meisten Frauen steht ein Menschenhändler, Zuhälter oder „Freund“ (=Loverboy) noch hintendran, der von der Prostitution der Frau profitiert.
    Dadurch, dass Deutschland eine solch liberale Gesetzgebung hat, sind wir Attraktionspunkt für Menschenhandel geworden. Dadurch, dass Prostitution als Gewerbe anerkannt wird, ist es sehr schwer, gegen Menschenhändler und Zuhälter vorzugehen, weil Frauen zu verängstigt oder zu abhängig sind, um gegen die Täter auszusagen. Die Polizei kann dies nur bestätigen.
    Nun werden Sie sagen, dass dagegen schon vorgegangen werde, aber man die Freiheit der sich „freiwillig“ Prostituierenden nicht einschränken wolle. Aber auch hier verhält es sich ähnlich. Viele Frauen unterliegen einem ökonomischen Zwang. Studentinnen, Alleinerziehende, Hartz-4-Empfängerinnen und auch andere. Auf der Website https://dieunsichtbarenmaenner.wordpress.com/statistics/ gibt es Statistiken, die das Thema Prostitution sehr gut beleuchten. Viele Frauen leiden an Suchterkrankungen, weil sie es anders nicht ertragen. Außerdem gibt es auch Zahlen dazu, dass die Mehrzahl der Frauen regelmäßig im „Job“ vergewaltigt wird und auch mit posttraumatischen Belastungsstörungen durch den „Job“ zu kämpfen hat. „Job“ deshalb in Anführungszeichen, weil es Hohn ist, bei all der Gewalt von Job zu sprechen. Es ist Missbrauch, wenn eine Frau bezahlt wird, mit einem Mann zu schlafen, auf den sie keine Lust hat. Man spricht auch von Vergewaltigung, wenn eine Frau dazu genötigt wird, mit einem Mann zu schlafen, den sie eigentlich gar nicht will.
    Denken Sie wirklich, all diese Frauen haben einen so unstillbaren Hunger auf Sex, dass sie Freude daran haben, mit bis zu 20 Männern täglich unpersönlichen Sex zu haben? Würde das in Ihnen nicht auch etwas kaputt machen, wenn Sie sich vorstellen, dass Sie bezahlt würden, um wie ein Stück Fleisch, eine Ware, benutzt zu werden und der „Kunde“ sich dann auch noch beschwert oder rabiat wird, wenn ihm nicht passt, dass Sie über Schmerzen klagen, wenn er Ihnen gewaltvoll versucht, sein Glied in jegliche Körperöffnungen zu stecken?
    Für Freier ist es meist Konsens, dass Prostituierte anatomisch anders gestrickt sind, als „normale“ Menschen. Sie haben keine Nerven. Sie spüren keine Schmerzen und wenn doch, dann finden die meisten das auch noch geil.
    Es tut mir sehr leid, Sie mit diesen plastischen Darstellungen konfrontieren zu müssen, aber ich möchte Sie eindringlich bitten, hinzusehen. Prostitution ist Leid. Nur ein winziger Prozentsatz der Frauen leidet nicht, oder gibt zumindest vor, nicht zu leiden. Als wir noch in der Prostitution waren, gaben wir auch vor, das sei normal für uns. Wir ergötzten uns an der vermeintlichen ökonomischen Freiheit, die wir besaßen und mussten uns nach jedem „Arbeitstag“ mit Alkohol, Drogen, Shopping oder Essen „belohnen“. Wir mussten den Schmerz, der unserem Körper und unserer Seele zugefügt wurde zur Seite schieben, dissoziieren, auf Autopilot funktionieren. Die Gewalt war „okay“ für uns, weil wir es anders gar nicht ertragen hätten. Die meisten von uns waren die Gewalt auch schon gewöhnt.
    Über ie Hälfte aller Prostituierten hat schon vor Einstieg in die Prostitution sexuellen Missbrauch erlebt. Viele sind vergewaltigt worden. Viele kommen aus dysfunktionalen Familien, sind ohne Liebe aufgewachsen. Durch Missbrauch und Vergewaltigung haben wir die Dissoziation erlernt. Ein Vorgang, der sich bei traumatischen Erlebnissen einstellt, Geist und Körper werden getrennt. Man verliert den emotionalen Bezug zu sich selbst, um überleben zu können und nicht an dem Schmerz zu Grunde zu gehen.
    Ich persönlich wurde mit 2 Jahren sexuell missbraucht, mit 11 ging es weiter und mit 14 wurde ich vergewaltigt. Dadurch war ich schon so auf sexuelle Gewalt konditioniert, dass die Prostitution, in die ich mit 14 einstieg, sich wie ein „Aufstieg“ anfühlte, weil ich endlich für die Gewalt entschädigt wurde. Bis zu meinem Ausstieg vor 2,5 Jahren habe ich mich zwanghaft prostituiert, selbst wenn es keinen akuten ökonomischen Zwang gab, weil die Traumafolgen mir einen Zwang der Reinszenierung und Retraumatisierung auferlegten, den ich nicht ohne Weiteres beenden konnte.
    So geht es etwa 60% aller Prostituierten, ich meine, dass so viele mit ähnlichen Mechanismen funktionieren. Zahlen, Daten und Fakten finden Sie auch hierzu bei „unsichtbaremaenner“ („wo Sie im Übrigen auch über 350 Freierzitate aus Freierforen finden können, die zeigen, wie entmenschlichend Sexkäufer von Prostituierten sprechen),
    http://prostitutionresearch.com/ , https://linke-gegen-prostitution.de/ , außerdem empfehle ich, einfach mal bei Google zu recherchieren, Huschke Maus Texte zu lesen und sich mit dem Thema zu befassen.
    Vor allem bitte ich Sie, sich mit dem Nordischen Modell zu beschäftigen, das uns Frauen aus der Prostitution einfach massiv helfen würde. Hierbei wird nämlich das Stigma von Prostituierter auf Freier übertragen, Frauen beim Ausstieg geholfen und jeder, der von der Prostitution der Frauen profitiert, wird bestraft. Wenn man Sexkauf als Gewalt anerkennt, bietet sich endlich auch eine Handhabe, um gegen Menschenhandel vorzugehen, weil die Aussage eines zu verängstigten oder abhängigen Opfers dank objektiver Indikatoren gar nicht mehr nötig ist. Ich finde vor allem die Aufklärung und Ausstiegshilfen im Nordischen Modell wichtig, weil das Frauen wirklich hilft. Auch die Entkriminalisierung der Frauen, wie sie das Nordische Modell vorsieht, ist wichtig, weil es aktuell ja so ist, dass Frauen eher Angst vor Polizei und Finanzamt haben, weil massive Strafen und horrende Steuerschätzungen warten, wenn eine Frau nicht einsieht, den Staat an ihrem Missbrauch mitverdienen zu lassen. Wir haben einige Mitfrauen, die von sehr rabiaten und ungerechtfertigten Methoden berichten können.
    Ich bitte Sie: Befassen Sie sich mit der Materie. Für Fragen oder auch zu einem persönlichen Gespräch stehen wir gern zu Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Sophie & Netzwerk Ella

    Was geschah, als ich meinen Ex wegen Zuhälterei anzeigte

      Autorin: Marlene //

      Das erste Mal Kontakt mit der Polizei hatte ich während der Arbeit. Es war wie immer – ein Mann klingelte, ich öffnete die Tür, aber herein kam nicht nur er, sondern noch ein weiterer Kollege und zwei Damen. Hauptsächlich ging es ihnen darum, ob ich meinen Gewerbeschein dabei hätte, schließlich muss es in Deutschland selbst im Rotlicht geregelt zugehen. Zumindest, was die Steuern angeht- in anderen Bereichen sieht es schon schwieriger aus mit der „Hilfe“.
      Vor allem die Damen hatte ich als nett in Erinnerung, nachdem die erste Verwirrung wegen der seltsamen Situation verflogen war. Sie versuchten, mich in ein Gespräch zu verwickeln und herauszuhören, ob ich in einer Zwangslage wäre oder bei anderen Frauen im Haus etwas mitbekommen hätte. Natürlich verneinte ich, denn dass man mit der Polizei nicht spricht, wird dir im Milieu von Tag Eins eingebläut.

      Mein längerer Weg mit der Polizei begann erst später, als ich mich entschloss, aus der Prostitution auszusteigen und meiner Schwester um Hilfe bat. Sie fuhr sofort los zu mir und widersetzte sich meinem Willen, die Polizei nicht einzuschalten.
      Ich wollte meinen Ex/Zuhälter nicht anzeigen, ich wollte ihm nichts Schlimmes, ich wollte einfach nur weg. Als Außenstehender, vor allem als „solider“ Mensch mag das befremdlich erscheinen, aber wer jemals mit dem Milieu zu tun hatte, kann diese Sichtweise wohl eher nachvollziehen.
      So kam es, dass meine Schwester mit zwei Polizisten vor meiner Haustür stand, die mich dazu bewegen wollten, mit aufs Revier zu kommen und auszusagen. Nach einigem Hin und Her ließ ich mich darauf ein, mit ihnen zu gehen, aber ich wollte nach wie vor keine Aussage machen.


      Mir wurde erklärt, dass meine Schwester ihnen von körperlicher Gewalt erzählt hätte und die ganze Sache deshalb im öffentlichen Interesse sei, es würde also ohnehin ermittelt werden und ich würde um eine Aussage nicht herum kommen. Trotzdem blieb ich an diesem Abend standhaft und fuhr lediglich mit meiner Schwester in die Heimat.
      In den Tagen danach überschlug sich alles, die Akte war an die Dienststelle in meiner Heimatstadt weitergeleitet worden und ich sollte zur Kriminalpolizei. Irgendwann gab ich klein bei und sagte aus. Mein erstes Verhör dauerte um die drei Stunden, mit mir sprachen ein männlicher und einer weibliche Beamter. Hauptsächlich sprach ich mit dem Mann, trotzdem ist mir die Frau bis heute tiefer in Erinnerung geblieben, denn sie stand gegen Ende auf und meinte, die psychische Gewalt hätte wohl die physische überwogen, sie könne deshalb nicht viel für mich machen.
      Das war so ziemlich die letzte Aussage, die ich in dieser Situation noch gebraucht hatte. Stell dich nicht so an, die paar Schläge kann man doch wegstecken- vor allem in deiner Position. So wirkte das Ganze auf mich.


      Die Akte ging zurück an die Behörde in der Stadt, in der ich zuletzt gewohnt und gearbeitet hatte. Von dort aus wurde ich wenige Tage später nochmals kontaktiert, es war ein Beamter der Abteilung für organisierte Kriminalität. Es gäbe noch offene Fragen, ich müsste nochmal zum Verhör kommen. Also ab ins Auto und wieder ein paar hundert Kilometer gefahren. Zu meinem Glück hatte ich hier wirklich fähige, einfühlsamere Polizisten. Zwar waren sie beide Männer und es zog sich wieder über mehrere Stunden, aber ich fühlte mich ernst genommen und hatte auch das Gefühl, dass man mir glaubt. Auch als ich Fragen hatte, wie es nun weitergehen würde, wurde mir so gut es ging geantwortet.
      Ein paar Monate darauf musste ich noch für einige weitere Fragen erneut in meiner Heimatstadt aussagen beim Beamten, der auch schon das erste Verhör geführt hatte. Man merkte ihm zwar an, dass er mit der Materie an sich nicht so häufig zu tun hatte, aber ich war vor allem froh, dass die Frau vom letzten mal nicht dabei war und er mir auch zu glauben schien.

      Monatelang passierte nichts, bis über ein Jahr später die Ladung zum Gerichtstermin kam. Der Prozess an sich war für mich sehr nervenaufreibend – immer und immer wieder erzählen, was passiert war, in einem Saal voller fremder Menschen, neben meinem Ex/Zuhälter (Ja, beim ersten Prozess saß ich wirklich neben ihm, nur ein Stuhl stand zwischen uns. Beschuldigt war er wegen Körperverletzung, Bedrohung und Zuhälterei…) – das geht an die Substanz.
      Damals sah ich auch fast alle Beamten, mit denen ich im Lauf der Zeit zu tun hatte, wieder – einer, der mich mit aus meiner Wohnung geholt hatte, der Beamte aus meiner Heimatstadt und einen der Herren von der Stelle für Organisierte Kriminalität. Die letzten beiden unterhielten sich auch vor dem Saal mit mir, fragten, wie es mir denn jetzt so ginge und was ich so machen würde. Auch der Richter hatte sich vorab danach erkundigt, wie es mir geht und bot mir zwischenzeitlich immer wieder an, eine Pause zu machen, wenn ich das denn bräuchte.
      Ich war damals einfach nur froh, als ich es hinter mir hatte. Wie das Verfahren ausging verfolgte ich nicht weiter. Fast ein Jahr später kam erneut eine Vorladung, mein Ex/Zuhälter hatte Berufung eingelegt. Er war im ersten Prozess zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.


      Also ging das ganze wieder von vorne los, ich hatte wieder vermehrt Albträume und Panikattacken. Auch die zweite Verhandlung war wieder purer Stress, ich fühlte selbst Tage später noch, wie angespannt ich alleine schon körperlich während meiner Aussage gewesen war.
      Wie auch schon bei der ersten Verhandlung hatte ich Glück und eine Richterin, die zwar sehr gründlich und auch detailliert fragte, aber mir die ganze Zeit das Gefühl gab, dass sie mich nicht wegen meiner Vergangenheit beurteilen würde und mich ernst nimmt. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist und bin mir sicher, dass das ganze auch hätte anders laufen oder ausgehen können, wenn ich nicht an ebendiese Beamten und Richter geraten wäre. Ich verstehe jede Prostituierte, die Angst davor hat, sich der Polizei anzuvertrauen, die Angst hat vor der Ablehnung und Ächtung, die einem entgegenschlagen kann und habe auch selbst lange damit gehadert, ob es richtig war, auszusagen.

      Im Endeffekt nahm mein Ex/Zuhälter seine Berufung zurück, seine Strafe wurde rechtskräftig. Ein Jahr auf Bewährung. Ich versuche bis heute, mit dem Erlebten abzuschließen.

      (c) Marlene

      Was passieren kann, wenn prostituierte Frauen und Mädchen bei der Polizei anzeigen

        Autorin: Sophie //

        Beim Gedanken an die Polizei stellen sich bei mir gemischte Gefühle ein. Ich habe einerseits die Erfahrung gemacht, dass es sehr empathische und auch in gewisser Weise fürsorgliche PolizistInnen gibt, andererseits habe ich als ehemals selbst in der Kriminalität Lebende auch sehr negative Erfahrungen gemacht und die Polizei somit nicht als meinen Freund und Helfer gesehen, sondern als eine Instanz mit der man besser nicht in Kontakt kommt. Da ich aus Bayern komme und schon in meiner Jugend Drogen nahm, die ich von viel Älteren bekam, wurde mir wegen des hohen Strafmaßes und der aggressiven Verfolgung von Rauschgiftdelikten, die dort betrieben wird, von meinen Dealern intensiv eingeschärft, dass man mit der Polizei nicht spricht.

        Ich wurde regelrecht darauf abgerichtet, loyal zu sein, selbst wenn es mir selbst schadet. Somit war es sehr schwer für mich, mit 17 Jahren meinen damaligen Freund anzuzeigen, der mich regelmäßig einsperrte, vergewaltigte und teilweise auch versuchte, mich umzubringen. Um jeden Preis versuchte ich, das Problem selbst zu lösen, unter anderem damit, dass ich ihm selbst einmal ein Messer in die Brust rammte, das aber im Knochen steckenblieb und somit keinen großen Schaden anrichtete. Als der Leidensdruck und meine Panik davor zu sterben groß genug waren, ging ich zu meinem Heimleiter und ich präsentierte ihm einen Plan, meinen Ex anzuzeigen, ohne selbst aussagen zu müssen. In den Wochen zuvor habe ich meinem Ex größere Mengen Amphetamine zu einem Spottpreis vermittelt, um dafür zu sorgen, dass immer genug im Haus war, ihn mit einem anonymen Hinweis in U-Haft zu bugsieren. Das ist hinterlistig, aber meine Angst vor den Konsequenzen einer Aussage war so groß, dass ich an diesem Tag am kompletten Körper rote Flecken bekam und meine Hände permanent zitterten. Nun ging ich also zu meinem Heimleiter und bat ihn, dies der Polizei zu stecken. Der Mann am anderen Ende der Leitung dachte aber nicht daran, noch am selben Tag bei meinem Ex einzulaufen. Ich denke, ihm war völlig klar, dass ich im Hintergrund saß und Probleme hatte, weil mein Heimleiter sonst natürlich nicht von solchen Mengen Drogen bei einem ihm unbekannten Mann wüsste, und dass ich Bewohnerin dieses Kinderheims war, war der Polizei bekannt. Völlig aufgelöst fing mein Hirn an, Alternativen zu erörtern und mir fiel ein, dass in meinem Kühlschrank im Heim noch Speed war und ich nachweisen konnte keines konsumiert zu haben, aber auf der Kamera des Hauses zu sehen war, dass mein Ex bei mir war.

        So hoffte ich, mit diesen Infos eine sofortige Hausdurchsuchung bewirken zu können, schließlich konnte mein Heimleiter behaupten, der Stoff sei zufällig gefunden worden und eindeutig auf meinen Ex zurückzuführen. So machten wir’s, jedoch musste ich mit zur Wache. Der Polizist der Rauschgiftfahndung nahm die Infos auf und wollte unbedingt eine Aussage von mir. Natürlich negierte ich das, woraufhin er anfing, dass mein Freund so ein lammfrommer Kerl sei, der keiner Fliege was zu leide tue und frug mich, wovor ich denn so Angst hätte. Für mich war das ein Schlag ins Gesicht und ich bin zusammen gebrochen , habe Rotz und Wasser geheult und angefangen herumzuschreien, dass dieser harmlose Kerl mich schlägt und einsperrt und dann jedes Mal mit mir gegen meinen Willen schläft. Dass es so schlimm ist, hat keiner in dem Raum erwartet und man hat mich einfach gezwungen, eine Aussage zu machen. Mir wurde erklärt, dass solche Verbrechen verfolgt werden müssten, egal ob ich Strafantrag stelle oder nicht. Völlig am Ende mit den Nerven packte ich aus und war erleichtert, als mir die Verhaftung bestätigt wurde. In diesem Moment empfand ich den Polizisten als unsensiblen Rüpel, heute bin ich ihm sehr dankbar. Das Verfahren bis zur Verhandlung war sehr anstrengend. Ich musste teilweise wöchentlich zum Polizeipräsidium, um bei der für Sexualdelikte zuständigen Kommission immer wieder meine Aussage zu wiederholen.

        Bei manchen Polizisten hatte ich das Gefühl, dass sie mir nicht glaubten, weil ich knapp gekleidet war und offen mit meinen Erfahrungen als Prostituierte umging. Das tat sehr weh und weil ich all das Erlebte nicht aushielt, versuchte ich mich erst mit einer Überdosis Tabletten umzubringen und wurde dann heroinsüchtig.  Im Nachhinein finde ich sowieso, dass die Art und Weise, wie das Verbrechen aufgedeckt worden war, einfach nur eine Tortur war. Ich musste ständig mit Männern sprechen, nur eine einzige Ermittlerin war weiblich. Männliche Richter, männliche Polizisten… Der Anwalt des Angeklagten verlangte zu guter letzt noch ein forensisches Gutachten, weil meine Mutter an paranoider Schizophrenie leidet und mein Ex behauptete, dass dies wohl auch bei mir der Fall sei. Der Gutachter schenkte mir Glauben und mein Ex bekam insgesamt 5 Jahre Haft, wovon nur 2,5 für das war, was er mir angetan hat und auch wenn mir die Justiz damals in gewisser Weise das Leben rettete, wusste ich, dass sie letztenendes nicht auf meiner Seite war. Ich wusste seit diesem Zeitpunkt einfach, dass man mich vor Gericht nicht ernst genug nahm, um den Täter angemessen zu bestrafen und das in Zukunft aufgrund der Tatsache, dass ich als drogensüchtige Prostituierte bekannt war, niemals passieren würde. Somit zeigte ich seit diesem Tag nie wieder eine Vergewaltigung an, so häufig es auch immer passierte. 
        Meine zweite Erfahrung als Prostituierte mit der Polizei war, als ich mich kurz nach meinem 19. Geburtstag wegen der Anmeldung im Laufhaus melden musste.

        In Bayern muss man als unter 21-Jährige erstmal bei der Polizei vorsprechen, dass man das auch freiwillig mache, usw. Der zuständige Polizist von der Sitte war freundlich und sympathisch, wirkte auf mich irgendwie fürsorglich. Schon eine Woche nach meiner Anmeldung traf ich ihn wieder, weil ein Freier mich angezeigt hat. Dieser Freier war mein erster im Laufhaus und das hat er total ausgenutzt. Ich war vom Escort noch total daran gewöhnt, dass ein „diskreter“ Umschlag mit der passenden Geldsuumme auf den Tisch gelegt wurde und war deshalb überhaupt nicht verwundert darüber, dass dieser Typ das auch machte und es danach zur Sache ging. Es war genau wie der „Girlfriendsex“ beim Escort, außer dass er vor dem Abspritzen schnell den Gummi abzog. „Stealthing“ nennt man das heute, so weit ich weiß. Ich bin total aus der Haut gefahren, sah in den Umschlag und außer einer leeren Grußkarte war da nichts drin. Fuchsteufelswild verlangte ich seinen (leeren) Geldbeutel und nahm mir Perso und Führerschein und sagte, den bekäme er erst wieder, wenn er mir 150€ bringe. Nach zwei Stunden kam er und ich sagte ihm, er solle unten warten, weil ich wusste, dass mein Freund da war und auf mich wartete. Der Freier hatte einen zerknüllten 50er in der Hand, wollte mir weismachen, das seien die 150€ und forderte seine Papiere zurück. Ich schaltete schnell, rief meinen Freund, der Typ rannte zu seinem Auto und mein damaliger Freund stellte sich gerade noch in die Tür und schlug ihn, während ich ihm den 50€ Schein entriss. Bei der Polizei schilderte ich die Geschichte, auch das mit dem Stealthing und wollte das alles anzeigen, aber keiner nahm mich Ernst. Keiner wollte die Anzeige aufnehmen, weil ich selbst Schuld gewesen sei.

        Ich fühlte mich erbärmlich. Mein Ex bekam einen Bewährungswiderruf, 4 Monate für die „Ohrfeige“, meine Anklage wurde fallengelassen und wir zierten die Rückseite der Tageszeitung. Wieder einmal fühlte ich mich bestätigt, dass die Polizei nicht auf meiner Seite war. Es war, als wäre ich als Prostituierte eine Art Opferlamm. Ein Auffangbecken für männliche Aggression. Als dächten sich manche: „Lieber trifft es sie, als unsere Töchter. Sie hat es sich ja ausgesucht.“ Keineswegs möchte ich hier die Polizei durch den Schmutz ziehen, aber ich hätte mir gewünscht, ernster genommen zu werden. Mindestens genauso ernst, wie ein biederes Mädchen aus der bayrischen Provinz, dem so etwas passiert. Warum war das nicht möglich?

        (c) Sophie

        Wie Freier prostituierte Frauen ansprechen, um ins Geschäft zu kommen

          Autorin: Anthonia //

           

          Während ihrer Tätigkeit als Escort traf unsere Mitfrau und Aussteigerin Anthonia die  Freier in der Regel in 4- oder 5-Sterne-Hotels.  Ihre Zielgruppe waren gut situierte Geschäftsmänner, eine Zielgruppe, die sie in der Hoffnung auf einen respektvollen Umgang anvisiert hatte. Den Prozess der Kontaktaufnahme beschreibt sie folgendermaßen:

          „Auch wenn es in erster Linie die körperliche Nähe zu und die unliebsamen Wünsche von  fremden Männern  waren, die mich traumatisierten, so waren bereits die im Vorfeld notwendigen Email-Kontaktaufnahmen zu vielen der Freiern verbale Vergewaltigungen oder Beleidigungen. Stets musste ich mich mühselig durch viele demütigende und mit abstoßenden Details gespickte Zuschriften durcharbeiten, die ich als Antwort auf meine  Anzeige erhalten hatte. Der Inhalt dieser Emails traf mich bis ins Mark, so dass ich während dieses Vorgangs  bereits dissoziierte.“

          Anthonia hat sich entschlossen, uns einige dieser Zuschriften  für eine anonymisierte Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen.  Denn sie reflektieren, welches Frauenbild Freier haben und geben Aufschluss über die Natur von Prostitution und Freiern. Sie zeigen,  was und wen Betroffene tagtäglich über sich ergehen lassen müssen.

          Bei diesen Beispielen handelt es sich nicht um Ausnahmen;  Zuschriften wie diese gibt es sehr viele.

          Sie zeigen, dass wir gar nicht erst zum prostitutiven Akt an sich kommen müssen, um zu realisieren, dass Prostitution Gewalt ist. Der Missbrauch beginnt schon viel früher. Allein viele der Anfragen sind emotionalem und psychischem Missbrauch gleichzusetzen. Welche Frau möchte so angesprochen werden?

           

          Je jünger je lieber- pädophile Wünsche und Prostitution

            Autorin: Mimi //

            Vor einigen Tagen fiel mir ein Artikel in Facebook auf, genauer gesagt war es ein Artikel von Salome Balthus.

            Frau Balthus beschreibt sich als Edelprostituierte und betreibt eine Agentur in einer deutschen Großstadt. Soweit, so gut.  Es ist völlig in Ordnung, und sie wird ihre Gründe haben.

            Allerdings stieß mir im Artikel etwas anderes auf, und veranlasste mich, genauer nachzulesen- und zu forschen.

            Dass Männer, die sich Frauen erkaufen, um sie sexuell zu benutzen, besonders und in einer großen Zahl auf sehr junge Frauen und Mädchen stehen, verwundert niemanden.  Es kann nicht jung genug sein, und ein Blick auf die Straßenstriche der Welt zeigt, dass viele Frauen in der Prostitution noch nicht mal ansatzweise nahe der Volljährigkeit sind.

            Auch hier in Deutschland sind immer jüngere Frauen gefragt, Frischfleisch für den Freier, ganz nach seinem Gusto.

            Frau Balthus schreibt in einem ihrer Artikel, wie sie mit einem ihrer Kunden zugange ist, ein strenger Mann, beruflich verortet im Gerichtssaal. Man möge denken, dass Männer- Richter und Anwälte in dem Falle, wenigstens bemüht sind, moralische Verfehlungen nicht zu begehen, jedoch ist dieser Wunsch nur eine Phantasie und in der Realität sind auch diese Männer voller Abgründe.

            Genau diesen Abgrund beschreibt sie in ihrem Text, und erklärt somit den „Zeitgeschmack“, die latente Pädophilie ihres Kunden.

            Am Ende der Erzählung ist Frau Balthus für ihren Kunden im Rollenspiel nicht mehr nur eine Lolita, was schlimm genug ist, nein, sie ist ein Kind, gerade neun Jahre alt.

            Was gibt einem das jetzt zu denken? Liest man ihren Blog und somit Teile der Kolumne, die sie in der „Welt“ zum Besten gibt, entsteht der Eindruck, dass das Spiel mit pädophilen Phantasien nicht nur ein Zufall ist, sondern direkt von ihr forciert wird.

            Pädophilie als Zeitgeschmack, das lockende Kind, die verführende Lolita und die Verantwortung des Mannes, sich dem werben der jungen Mädchen nicht hinzugeben. Und wenn, dann höchstens als eine Art Rollenspiel, mit einer Prostituierten wie Balthus.

            Ist hierbei wieder die heroisch angedachte Freierdenke, à la „gäbe es euch Prostituierte nicht, dann wären die Straßen voll wilder Männer, die alles an sich reißen, egal ob Kind oder Frau.“ angedacht?

            Oder was soll eine Befriedigung latent pädophiler Gedanken genau bewirken? Dass der Mann sich an einer Frau austobt, sie sich opfert, statt dass er sich ein junges Mädchen missbraucht? Mir wird nicht ganz klar, was hier gemeint ist, und das Spiel mit Identitäten reicht mir wahrlich als Erklärung nicht aus.

            Eine genaue Erklärung, warum Frau Balthus so aggressiv mit dem Kindchenschema wirbt und was ihre eigene Befriedigung an diesem „Spiel“ ist, bleibt dem geneigten Leser offen.

            Die Reichweite, welcher Frau Balthus zuteilwird, ist sehr groß. Und die Gefahr besteht darin, dass pädophile Neigungen (und ja, mir ist bewusst, dass nicht jeder Pädophile ein Täter und nicht jeder Täter ein Pädophiler ist) wieder salonfähig werden, ja als etwas ganz normales erscheint, was eben jeder zweite Mann so mit sich rumträgt.

            Frau Balthus erklärt, dass Männer, die sich ihrer Neigung bewusst sind, aber niemandem schaden wollen, pädophile Genies sind.

            Einer ihrer Kunden ist so ein Mann. Er steht offensichtlich auf kleine Mädchen und auf „Lolitas“ und macht daraus keinen Hehl. Er lässt die Mädchen, so steht es im Text, sich  in ihn verlieben, er empfängt sie sogar in seiner Wohnung.  Er ist natürlich selbstbeherrscht, nach seinen eigenen Angaben und sieht sich als „ungefährliches Versuchsobjekt“ für die Wirkung weiblicher Reize- wohlgemeint der von sehr jungen Mädchen, deren Eltern sie gerade noch  voller Vertrauen in seine Wohnung gelassen haben.

            Ich fasse zusammen: ein Mann, womöglich mittleren Alters, gutsituiert, steht auf Mädchen und junge Frauen, die Eltern vertrauen ihm ihre Töchter an, er gibt ihnen Nachhilfe oder „beschäftigt“ sie einen Nachmittag. Alles ganz normal? Einen bitteren Beigeschmack hat jedoch der Umstand, dass er sich möglicherweise nur deswegen die Kinder in seine Wohnung holt, um sich an ihnen aufzugeilen, soviel Vulgarität sei mir an dieser Stelle gestattet.

            Balthus bezeugt, dass ihr auf gemeinsamen Unternehmungen aufgefallen ist, dass pubertierende Mädchen mit ihm flirten, ein junges Mädchen unter 10 Jahren in seinem Beisein sogar ihren Rock angehoben hat- alles Anlass für diesen Mann, seine Gedanken weiter zu befeuern. Balthus sieht in all dem nicht einen Grund, diesen Mann als Kunden abzulehnen, nein, sie findet, dass dieser Mann ein „Leidender“ ist, der sich quält, weil er seine Sexualität nicht legal ausleben darf.

            Pädophile Genies dürfte es relativ wenige geben, wenn man die verheerenden Zahlen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen allein in Deutschland heranzieht.

            Für die meisten Opfer, mich eingeschlossen, ist diese Art Verklärung von Verbrechen, schwer zu ertragen. Wenn Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Straftaten werden, fühlen sie sich schuldig und schmutzig. Und nicht selten reden die Täter den Kindern ein, sie seien selber schuld, sie hätten den Täter ja verführt. Frau Balthus beschreibt die lockende Lolita in einem ihrer Texte, und genau das hören sich Missbrauchsopfer an- nur leider nicht in einem Spiel, sondern in der Realität. Für Frau Balthus geht das zwar zu weit, aber eine solche Phantasie in den Köpfen ihrer Freier ist für sie scheinbar in Ordnung.

            Der Gedanke, diese Art von zu Recht verbotener Sexualität in irgendeiner Form als ok anzusehen, ist ein schlechtes Zeichen für die Gesellschaft. Kinder und Jugendliche gehören unter besonderen Schutz- und auch wenn ich meine zu lesen, dass Frau Balthus hiermit konform geht, so ist das Zeichen dass sie sendet, an die Männer, an Freier, ein ganz anderes. Latente Pädophilie ist gewiss kein Zeitgeschmack, und es ist auf keinen Fall ok. Aus welchem Grund auch immer Männer Kinder zu sexuellen Zwecken missbrauchen- diese Art Verbrechen in Form eines Rollenspiels in der Prostitution zu verherrlichen, kann ich nur als sehr bedenklich einstufen. Es ist kein gutes Signal und im Übrigen auch alles andere als feministisch- aber das wird der Kauf von Frauen ohnehin nie sein. Sich den Wünschen des Mannes dahingehend dermaßen zu unterwerfen, dass man selbst deren pädophile Neigungen mitträgt, kann nicht im Sinne der Rechte von Mädchen und Frauen sein.

            (c) Mimi

            Prostitution als „Schauspiel“

              Autorin: Anthonia //

               

              Wenn die Tätigkeit Prostitution von Befürworter*innen derselben in der Öffentlichkeit dargestellt wird, wird sehr häufig der Vergleich zwischen Prostitution und  professioneller Schauspielerei erklärend hinzugezogen.

              Die Frage, wie eine Frau/ein Mensch den sexuellen Kontakt mit so vielen wechselnden Partnern bewältigt, wird damit beantwortet, dass im Umgang mit Freiern ja nur eine Illusion hergestellt werde,  die Frau schlüpfe dabei gekonnt in verschiedene Rollen und spiele mit Identitäten. Dadurch entsteht der Eindruck, es handele sich dabei demnach  „lediglich“ um Schauspielerei, und die eigene Sexualität und Seele bliebe durch die dadurch hergestellte Distanz somit unberührt.  Diese Vergleiche lassen Prostitution irgendwie harmlos, gar interessant erscheinen. „Ach so, ist ja nur Schauspielerei, und Schauspielerei ist ja eine Kunst, das ist ja dann nicht so schlimm für die Prostituierte, ist doch toll und kreativ, das macht bestimmt Spaß“,  kann man(n) daraus schlussfolgern …

              Deshalb möchte ich nun mit diesem Mythos aufräumen.

              Während meiner Zeit als Prostituierte war mein gesamter „Auftritt“ während des Treffens mit einem Freier zwar meist gespielt, dieser Akt war aber  nicht mit der wundervollen Tätigkeit einer Schauspielerin zu vergleichen. Er handelte sich vielmehr um eine gefährliche Verleugnung meiner eigenen Bedürfnisse und die Abspaltung meiner Identität:

              Bevor ich ein Hotel betrat, um einen Freier zu treffen, hatte ich mir bereits 3x das stärkste auf dem Markt verfügbare Deodorant unter die Achseln gesprüht, um den Angstschweiß zu hemmen. Ich hatte nämlich jedes Mal eine Scheißangst, die ich überspielen musste.

              Beim Zusammentreffen mit dem Freier spielte ich dann entgegen dem glorifizierenden und vielseitig erscheindenden Vergleich mit „dem Schlüpfen in eine andere Rolle“ und dem „Spiel mit Identitäten“  – TROTZ wechselnder Oufits oder Attitüden – letztendlich immer nur EINE Rolle, und zwar die der (durch den Freier) aufgegeilten Frau.

              Ohne diese eine Rolle hätte Prostitution nämlich bei den meisten meiner Kunden nicht funktioniert.  Sie wollten nämlich, dass ich auch meinen Spaß habe…

              Ich wiederum war auf eine schnelle Erregung und Entspannung des Freiers angewiesen, um einen Termin möglichst schnell und unkomliziert „über die Bühne“ zu bringen  –  vor allem, um die psychische Belastung für mich in Grenzen zu halten. Ein befriedigter Kunde ist eine entschärfte Bombe, von der vorerst keine Gefahr mehr ausgeht. Das bisschen zeitschindende Blabla „danach“ überlebte ich schließlich auch noch. Irgendwie.

              Allerdings glaubten die Freier (die nicht immer, aber auch nicht selten deutlich über 50, mit starkem Bauchansatz, auch vom Charakter her häufig schwer vermittelbar waren) dieses Schauspiel nur allzu gern, sie WOLLTEN mir UNBEDINGT „abkaufen“, dass es sich bei unserem „Date“ ausnahmsweise um echte Lust (meine) handelte. So gut konnte man das ihrer Ansicht nach nämlich gar nicht spielen…..Deshalb ließen mich manche Kunden auch am Ende eines Treffens etwas pikiert  – gar vorwurfsvoll – wissen, dass SIE ja eigentlich diejenigen sein sollten, die Geld von MIR bekommen müssten, da „es“ ja ganz offensichtlich so wahnsinnig lustvoll war für mich. Ein Schlag ins Gesicht nach dieser in Wahrheit qualvollen Begegnung.

              Viel wichtiger als die geschauspierlerte Attitüde und Erregung war aber nicht das Spiel MIT-, sondern das Abspalten VON der eigenen Identität – als Überlebensstrategie, während ein fremder, für mein Emfinden trotz Dusche häufig unangenehm riechender Mann stundenlang meine Körperöffnungen mit Zunge oder anderen Körperteilen penetrierte, während sein Körperschweiß auf meinen gequälten Leib tropfte.  Ohne dieses Dissoziieren hätte ich wahrscheinlich dem meine empfindlichsten Grenzen überschreitenden Freier längst schon einmal mit dem meist neben mir stehenden Nachttischlampe eins übergebraten. Stattdessen stöhnte ich dank Abspaltungsprozess ein bisschen, damit er bloß schnell fertig würde.

               

              Auf den ersten Blick gibt es also Parallelen zwischen Prostitution und darstellender Kunst: Auch bei einem Bühnenschauspiel möchte der Zuschauer ein gutes Schauspiel sehen. Der Zuschauer will eine Illusion.

              Aber: Am Ende des Theaterstücks schließt sich der Vorhang und das Licht geht an. Spätestens jetzt wird der Besucher wieder in die Realität zurückgeholt, es ist klar, dass das von ihm Erlebte nicht echt war.

              Dieses Beenden der Illusion ist bei Prostitution meist nicht der Fall, denn am heute hart umkämpften Prostitutionsmarkt ist Kundenbindung sehr wichtig, um als Prostituierte überleben zu können.

              Somit bleibt beim Kunden das nachhaltige Gefühl, attraktiv und potent zu sein und eine Frau damit beherrscht, bezwungen zu haben.

              Was mir bis heute bleibt, ist die Qual, die auf dieses „Schauspiel“ folgte, dieses schlimme Gefühl, das jeder Mensch kennt, wenn er immerzu – wieder, wieder und wieder – ja anstatt nein sagt.

               

              (c) Anthonia

               

              stream of consciousness // DONA CARMEN und was sonst so schiefläuft

                Autorin: Sophie //

                Disclaimer: Netzwerk Ella besteht aus Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind. Bei uns ist weltanschaulich und religiös vieles vertreten – Atheistinnen, Sozialistinnen, Kommunistinnen, aber auch Christinnen. Wir verstehen uns als unabhängige Interessenvertretung für Frauen aus und in der Prostitution. Einzelmeinungen über Glauben, Politik usw. abseits der Abolition geben nicht die Meinung der ganzen Gruppe wider, weil wir dahingehend bunt gemischt sind. Uns eint das Ziel der Abschaffung der Prostitution.

                 

                Feminismus ist, wie ich bereits festegestellt habe, ein schwer definierbarer Begriff. Auf einem meiner T-shirts steht „Feminism – the radical notion that women are people“. Für mich bedeutet das, dass Frauen Menschenrechte verdienen. Für alle Menschen soll es also dieselben Rechte geben. Dazu gehört auch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Dieses ist sogar durch den allerersten Artikel unseres Grundgesetzes geschützt: „GG Art 1 §§ (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Das klingt toll und wird in Deutschland wahrscheinlich auch besser umgesetzt, als beispielsweise in der dritten Welt.

                Jedoch hat dieses Land wahnsinnige Defizite bezüglich Frauenrechten, die zwar faktisch gleichberechtigt sein sollen, aber nicht gleichbehandelt werden. Um auf die Würde des Menschen zurückzukommen, gibt es in hiesiger Politik und auch in großen Teilen der Gruppen, die eigentlich das Label „Feminismus“ für sich beanspruchen, einen blinden Fleck : die Prostitution. Im Fernsehen sehen wir it-girls, die in ihrer Freizeit nebenbei Pornos drehen; webcamgirls, die ihr „Hobby endlich ausleben“ und dabei gut verdienen; und glückliche Prostituierte, die erzählen, wie toll und mächtig sie sich fühlen, weil sie „sexuelle Macht“ über Männer ausüben, die lieber zu ihnen, als zu deren „prüden Ehefrauen“ gehen. Unsere Medien vermitteln uns also bereits, dass Prostitution das absolute Ultimo sexueller Selbstbestimmung sei. Ist das so? Warum habe ich das nie so wahrgenommen? Wie kann es sein, dass ich mich von 14 bis 22 Jahren prostituiert habe und mich nie sexuell selbstbestimmt und mächtig gefühlt habe? Wenn ich Freiern erzählt habe, mein Hobby zu Geld gemacht zu haben, habe ich gelogen, um mit dem Image des versauten Teens zu mehr Geld zu kommen. Es tut mir inzwischen sehr leid, das falsche Bild, das Männer von uns prostituierten Frauen haben, mit aufrecht erhalten zu haben. Frauen, die die Prostitution kennen, kennen diese Überlebensstrategie wahrscheinlich auch. Vielleicht in anderer Form, aber uns selbst verleugnet haben wir alle. Die Wahrheit ist aber: Ich brauchte das Geld und ich brauchte den Schmerz. Jeden Tag aufs Neue wollte ich mir selbst beweisen, nun endgültig tot zu sein und dass mich keiner mehr verletzen kann, weil jegliches Gefühl in mir ausgelöscht war. Ich wollte der kälteste und skrupelloseste fleischerne Geldautomat auf dieser Erde sein. Jede Beleidigung, jeder blaue Fleck, jeder Riss in meiner Haut, jedes Würgemal, die zerrissene Kleidung, jede Vergewaltigung und jedes Eindringen in die innersten Ecken meiner Psyche bewiesen mir immer mehr, dass ich kein Mensch aus Fleisch und Blut sein kann. Dass ich keine Rechte habe. Dass mich keiner beschützt, außer den Männern, die ich dafür bezahle. Damit meine ich Kumpels, Exfreunde oder die Chauffeure der Escortagenturen, die draußen warteten und Geld verlangten, weil sie für Gefahrensituationen potentiell verfügbar waren.

                Denn wäre wirklich etwas passiert, wäre es nur schwer möglich gewesen zu helfen, weil Freier damit rechnen, dass da wer ist. Außerdem wäre dann ja schon etwas passiert gewesen, also vor Gewalt ist man sowieso nicht wirklich geschützt. Der deutsche Staat hat mir gezeigt, dass er an „der Würde des Menschen“ interessiert ist, nicht jedoch an meiner. Nicht an der Würde prostituierter Frauen. Denn an deren Entwürdigung verdient er nämlich Geld… Nach meinem Ausstieg wurde ich von der Agenturchefin, der ich das Strafgeld für Nichteinhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist nicht zahlen wollte (sie forderte 500€ Strafe, weil ich ihr nicht 3 Monate vorher Bescheid gesagt habe, dass ich aufhören möchte) bei Finanzamt (–>Steuernachzahlung) und Jobcenter (zum Glück erfolglos) angezeigt. Heißt also, statt dass der Staat mir hilft und mich unterstützt, werde ich dafür bestraft, dass ich nur Zuhälter und Exfreunde an meinen Narben verdienen ließ und den Staat dabei außenvorließ. Mein Antrag auf Ratenzahlung wurde abgelehnt, weil die Nachzahlung innerhalb von 6 Monaten komplett bezahlt sein muss und ich einfach zu wenig Geld dazu habe. Es folgten mehrere unangekündigte Besuche bei mir Zuhause und eine Kontopfändung. Gewünscht hätte ich mir jedoch, dass jemand anerkennt, dass ich nun vom Existenzminimum lebe und mein Abitur nachhole und dass mir jemand erklärt, wie man unter diesen Umständen eine plötzlich aufkommende Stromnachzahlung von 500€ behandelt.

                Um solche Fälle zu vermeiden, wollte meine letzte Chefin mit mir zu DONA CARMEN gehen, einer Beratungsstelle für Prostituierte im Frankfurter Bahnhofsviertel. Prostituierte wissen, dass man dort Beratung zum Thema Steuer einholen kann, über Ausstiegshilfe ist nichts bekannt. Die Frauen, die dort arbeiten, bezeichnen sich selbst als Feministinnen. Für sie ist Prostitution auch nicht schlimmer als die Ehe. Der Unterschied sei eigentlich nur, dass man in der Ehe ein Leben lang von einem Mann abhängig ist, in der Prostitution sei man aber selbstbestimmt und unabhängig. Juhu… Zwangsprostitution sei außerdem eher ein Mythos, weil so selten. Oookay… Ich lehnte damals ab, mich von DONA CARMEN beraten zu lassen, weil ich nicht einsah, den Staat an meinem Leid mitverdienen zu lassen und auch, wenn diese Entscheidung zu Ärger führte, bereue ich sie nicht. Anfang Juni hatte ich eine Begegnung mit Mitarbeiterinnen von DONA CARMEN, die mich etwas irritierte. Im Vorfeld muss ich wohl erklären, dass das, was mich zum Ausstieg bewegte, der christliche Glaube war.

                Ich weiß, viele empfinden Christentum und Feminismus als unvereinbar, aber wenn man die Bibel als historisches Werk betrachtet, in der eigentlich nur die bedingungslose Liebe Jesu Vorrang hat und sich dann Jesu Umgang mit Frauen und Prostituierten ansieht, halte ich sogar Jesu selbst für einen Feministen seiner Zeit. Mir persönlich gibt es Kraft, jemanden zu haben, der mich zu Zeiten liebt, in denen ich mich selbst nicht liebe, der mir vergibt, wenn ich mir selbst nicht vergeben kann und zu dem ich all mein Leid klagen kann. So beteiligte ich mich an einer Aktion einer amerikanischen Gemeinde, die einen „Pamper Day“ für die Prostituierten der Stadt verantstalten wollte. Einen Tag lang gratis Maniküre, Massagen, Make Up und Frisuren, um den Frauen einen Tag Entspannung zu ermöglichen. Einen Tag zuvor gingen wir durch das Bahnhofsviertel und verteilten Flyer. Viele Frauen aus der ganzen Welt waren gekommen, um zu helfen und das zog Aufmerksamkeit auf sich. Als wir bei DONA CARMEN vorbeiliefen, standen drei Frauen vor der Tür und eine schrie: „Ihr seid Sklaven des Patriarchats! SKLAVEN DES PATRIARCHATS!!!“ Das verwirrte mich. Mir ist bewusst, dass einiges in der Bibel bezüglich Frauenrechte sehr missverständlich ist, aber dass eine Beratungsstelle, die Prostitution als Akt sexueller Selbstbestimmung weiterempfiehlt, Frauen, die diesen Frauen aus ihrem Leid heraushelfen wollen, als „Sklaven des Patriarchats“ bezeichnet, ist absurd. Ist es feministisch, Zwangsprostitution zu verleugnen und zu verharmlosen? Und warum liegt ihr eigentlich nicht selbst im Laufhaus, wenn es da so toll ist? Prostitution ist nicht selbstbestimmt. Das ist bezahlter Missbrauch. Was Ist daran selbstbestimmt, wenn der Mann mit 150€ bestimmt, dass ich mit ihm eine Stunde „Girlfriendsex“ haben werde? Was ist daran selbstbestimmt, wenn ich für 100€ mehr einem Vergewaltigungsrollenspiel zustimme, weil ich verdammt nochmal das Geld brauche?

                Wo bleibt mein Gefühl von Macht, wenn er es absichtlich so hart angeht, dass das Kondom platzt und ich nun, bis ich einen HIV-Test machen kann, Angst vor einer unheilbaren Krankheit haben muss? Und wieso sollte ich mich fühlen, als würde ich ihn sexuell kontrollieren, wenn ich in zerrissener Wäsche, bespuckt und gewürgt daliege, den restlichen Tag gar nicht oder nur noch auf Koks und Schlaftabletten arbeiten kann und mich einfach nur schmutzig und leer fühle? Ich muss fast kotzen bei dem Geruch von irgendeinem Aftershave und sauren Schweiß und fühle mich nicht, als sei ich mächtig und toll. Wer ist hier nun also „Sklavin des Patriarchats“? Die, die den Missbrauch an Frauen unterstützt und verleugnet, oder die, die Frauen davor bewahren möchte? Und wo ist verdammt nochmal der deutsche Staat hier mit seinem Grundgesetz ??? „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Außer wenn Deutschland an der Verletzung meiner Würde verdient, oder was ???

                 

                (c) Sophie

                Prostitution: eine On/Off-Beziehung

                  Autorin: Stephanie //

                  Ich ertrug den Ekel nicht mehr, die Freier nicht mehr, ihre unmöglichen und teilweise sehr dreisten Forderungen nicht mehr und überhaupt war mir beim Gedanken ans Anschaffen schon ganz anders.

                  Ich versuchte meinen Schritt ins bürgerliche Leben und muss nun heute feststellen, dass dieser Weg ein langer wird und von vielen, sehr vielen Fallstricken begleitet wird.

                  Zu Beginn versuchte ich es mit einem kleinen Job, eine einfache Tätigkeit. Das war gut, denn aufgrund meiner traumatischen Vergangenheit und meinen zeitweise depressiven Schüben bin ich nicht in der Lage, einen hochverantwortungsvollen Job anzunehmen und der Aufgabe entsprechend gerecht zu werden. Ich wollte also niedrig ansetzen und mich dann steigern, so der Plan.

                  Einziger Wermutstropfen: die Bezahlung ist miserabel. Aber das wird schon, dachte ich.

                  Frohen Mutes und unendlich dankbar nichtmehr 10 fremde Männer pro Tag sabbernd über meinen Körper verfügen lassen zu müssen, stürzte ich mich in die Arbeit und fand dort gut Anschluss, arbeitete auch viel und ohne zu murren weit über mein Stundensoll.

                  Doch das Geld reichte nicht. Was also tun? Monatelang lebte ich unter der Bedarfsdeckung, ich sparte an allem, an Essen, an Kleidung, an Luxusgüter kann ich mich nicht erinnern. Als der Frühling nahte besaß ich nicht mal mehr Strümpfe ohne Loch. Ich litt unter Depressionen und war froh, dass mein Job eine gewisse Flexibilität zuließ, sodass ich kaum Krankentage hatte.

                  Ich wohnte in prekären Verhältnissen, das Zimmer auf befristete Zeit, es musste etwas gefunden werden was auf Dauer hält. Und ich hatte Glück, ich fand etwas.

                  Nun kamen die Probleme auf mich zu. Ich habe nichts, gar nichts. Ich war eine Zeit lang wohnungslos, wohnte bei Freunden, Bekannten, in WGs oder in vormöblierten Wohnungen auf Zeit. Nie hatte ich etwas Eigenes besessen oder mir kaufen können.

                  Nun war es soweit, meine erste eigene Wohnung war zum Greifen nah. Doch woher sollte all das Geld für Möbel und Küchengeräte kommen? Ich suchte wie verrückt auf allen Portalen, die einen günstigen Kauf versprachen, aber selbst dort war alles so teuer, dass es mein Budget zu sprengen drohte. Und eine Wohnung ohne Küche, Stuhl, Tisch und Lampen ist einfach nicht wirklich bewohnbar.

                  Ich suchte Hilfen auf. Ich wollte den umständlichen und ewig langen Weg über das Arbeitsamt vermeiden – waren meine Einkünfte doch vorher über die Prostitution gewonnen worden, und ich wollte nicht dass ich mich beschämt vor einem Sachbearbeiter darüber äußern muss. Ich habe Angst dass sie sagen „ach dann gehen sie eben in die Massage oder den Escort, wenn sie es nicht mehr aushalten, aber wir können nichts für sie tun“. Es ist wie „Hose runterlassen“, demütigend. Hinzu kommt das Gefühl, dass man ein Mensch zweiter Klasse ist. Zu arm, schmarotzend gar, dem Steuerzahler auf der Tasche liegend. Das wollte ich mir und meinem angeknacksten Selbstwertgefühl ersparen.

                  Ich versuchte es über einen örtlichen Verein, der Menschen in Notlagen hilft, der leider auch nichts für mich tun konnte. Ich empfand dieses sich outen und um Hilfe bitten absolut unerträglich. Es gibt keine einfachen Hilfen, alles ist mit vielen Zetteln, Formularen und Bescheinigungen verbunden, deren Bearbeitung am Ende nicht selten folgende Aussage beinhaltet: „es tut uns leid, sie haben keinen Anspruch auf irgendwas.“

                  Keinen Anspruch auf Hilfe, keine Unterstützung, nicht mal hilfreiche Angebote. Man ist auf sich allein gestellt und kämpft sich irgendwie durch.

                  Meine Armut werde ich nun wieder in der Prostitution versuchen zu bekämpfen. Diese Entscheidung, zurückzugehen, ist für mich ein herber Rückschritt. Ich fühle mich nicht gut damit und habe sehr große Bauchschmerzen, doch hier habe ich das Gefühl, ich kann etwas tun. Und ich bekomme Geld, am Ende des Tages bin ich endlich handlungsfähig und kann teilhaben an der Gesellschaft.

                  Es ist auch demütigend, aber niemand bekommt es mit. Und man erhält sich einen Handlungsspielraum. Warum gibt es den nicht im bürgerlichen Leben? Wenn man arm ist, hat man keine Chance. Und wenn man allein und arm ist, ist es noch viel schwerer. Prostitution ist daher ein Weg, diesem Dilemma scheinbar zu entfliehen, auch, wenn es große Überwindung kostet und es ein Weg ist, den ich nie mehr gehen wollte.

                  Armut lähmt und macht einen krank und noch einsamer. Man ist ausgeschlossen vom Leben, ausgeschlossen in einem Land, indem es eigentlich keine Armut gibt. Ich wünsche mir, dass es zukünftig für keine prostituierte Frau mehr nötig sein muss, zurück zur Prostitution zu gehen, weil es ihnen als einzige Option erscheint. Es muss mehr Optionen geben. Ich rede hier nicht vom Leben im Luxus, sondern von einfachen Bedürfnisbefriedigungen. Einen Start ermöglichen, in ein neues, selbstbestimmtes Leben. Ohne Hilfe ist dies derzeit nicht absehbar

                   

                  (c) Stephanie

                  Spendenaufruf für praktische Hilfe:

                  Das Netzwerk Ella möchte auch konkrete Direkthilfe für Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, vermitteln. Ella versteht sich als Netzwerk sowohl von Frauen, die in der Prostitution tätig sind, als auch von Frauen, die aus der Prostitution ausgestiegen sind. Eine Verbesserung für Frauen in der Prostitution wird es nur geben, wenn Ausstiegshilfen, auch finanzielle, vorhanden sind. Wir bitten daher um Spenden mit dem Betreff „ELLA Ausstieg“ auf folgendes Konto <Kontodaten auf der Homepage von Ella>. Egal ob 10 Euro oder 100, wir danken für jede Unterstützung.

                   

                  Der Gentleman der Woche: Kolumnist Kai Klankert von der Saarbrücker Zeitung

                    Sorry, dass ich erst jetzt schreibe, Kai, obwohl der Shitstorm gegen Dich ja schon gestern Abend stattgefunden hat. Aber ich konnte mich echt nicht entscheiden, welche Überschrift ich wählen soll: „Hi Kai“ (ahahaha) oder „Kolumnist Kai Klankert kriegt Kloppe“ (jaaaaa, schlechte Alliterationen kann ich auch!!!).

                    Naja, egal, zum Thema. Du bist stellvertretender Leiter des Ressorts Sport bei der Saarbrückener Zeitung und hast in Deiner Kolumne der deutschen Nationalmannschaft empfohlen, es doch mal wie die Mexikaner zu machen: „Eine kleine Sex-Party wäre hilfreich“. Du begründest das wie folgt: „Joachim Löw könnte gerne auch noch kreativer werden. Eine kleine Sex-Party mit 30 Escort-Damen hat auch der mexikanischen Mannschaft nicht geschadet, wie wir eindrucksvoll feststellen mussten. Die Mexikaner waren befreit von jedem Druck, spritzig. Da müssen wir hinkommen. Und zwar schnell. Einen Fehlschuss gegen Schweden können wir uns nicht mehr erlauben.“

                    Dazu kann ich als ehemals prostituierte Frau Dir Folgendes sagen:

                    Erstens, mach Dir keine Sorgen, Kai. Das sind Fussballer. Die gehen sowieso in den Puff, denn sie gehören zu einer der größten Freiergruppe, die es gibt. Aber sie gehen erst nach dem Spiel – Du als Sportheini müsstest das wissen.

                    diesen Text weiterlesen auf huschkemau.de

                    Vom Umgang mit (ehemals) prostituierten Frauen

                      Autorin: Susan //

                      Die emotional aufgeladene Debatte über Prostitution in Deutschland und die aus dem Juli 2017 stammende Gesetzesnovelle schlägt in der Medienlandschaft hohe Wellen.

                      Dies hat nicht selten zur Folge, dass im Fernsehen, Radio oder bei Vorträgen und Tagungen Menschen eingeladen werden, die im engeren und weiteren Sinne mit Prostitution zu tun haben.

                      Hierbei handelt es sich oft um PolitikerInnen, SozialarbeiterInnen, ZuhälterInnen und andere Profiteure der Sexbranche.

                      Auch gibt es öfter den Wunsch, ehemalige prostituierte Frauen einzuladen und mit Ihnen zu sprechen, ihre Stimme zu hören.

                      Das ist grundsätzlich begrüßenswert, sind es doch genau diese Frauen, die aus dem Leben in der Prostitution berichten können. Sie sind Überlebende und Expertinnen und somit für diese Debatte unverzichtbar.

                      Leider ist der Umgang mit ehemaligen prostituierten Frauen nicht immer so, wie es dem Umstand gerecht würde.

                      Frauen, welche die Sexbranche lebend verlassen haben, ausgestiegen sind aus einem System, das viele Opfer fordert und niemanden unbeschadet zurücklässt, haben im bürgerlichen Leben oft Probleme.

                      Sie sind auf Therapien angewiesen, leben an der Armutsgrenze und sind oft mehrfach traumatisiert. Die staatliche Unterstützung ist minimal und nicht ausreichend, um diesen Frauen optimal zu helfen und sie wieder fit für die Alltagsbewältigung zu machen.

                      Wenn dann ehemals prostituierte Frauen auf Podien, Veranstaltungen und Tagungen eingeladen werden, ist das für uns eine Möglichkeit, der Welt zu zeigen, wie das System Prostitution wirklich ist. Das ist wichtig und sehr gut.

                      Es gibt hierbei aber einige Einschränkungen, die jeder Veranstalter beachten sollte. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Fakten benennen. Diese Liste hat natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

                      1.) Anonymität

                      Das Wichtigste ist der Schutz der anwesenden Frau und Ihrer persönlichen Daten. Klarnamen, Wohnort, Alter, Berufsstand und andere sensible Daten müssen absolut geschützt werden und dürfen auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen. Es ist zu akzeptieren, wenn sich die Frau ausschließlich mit Aliasnamen vorstellt und keine weiteren Angaben zu ihren derzeitigen Lebensumständen macht.  Der Veranstalter sollte dies auch in Hinblick auf anwesende Presse und Fotografen beachten. Keine Fotos ohne vorherige Zustimmung.

                      2.) Sicherheit

                      Nicht selten ist bei prostitutionskritischen Veranstaltungen eine große Anzahl von Profiteuren der Sexbranche anwesend. Nicht selten im Gewand von Interessenverbänden oder Einzelpersonen, die Prostitution als empowernd und selbstbestimmte Tätigkeit darstellen.  Diese Personen sind sehr oft gegenüber Aussteigerinnen in der Vergangenheit übergriffig geworden. Verbale Gewaltankündigungen, Stalking, tatsächliche körperliche Angriffe sind hier leider eher die Regel denn die Ausnahme.

                      Der Veranstalter hat dafür Sorge zu tragen, dass der anwesenden Frau nichts geschieht, sie unversehrt zum Veranstaltungsort gelangt, dort abgeholt wird und auch wieder fortgebracht wird. Eventuell straffällig gewordene Personen, Stalker und gewalttätige Menschen sind vorher zu benennen und vom Veranstaltungsgelände fernzuhalten. Hierbei ist es hilfreich, sich mit der Aussteigerin auseinanderzusetzen und zu fragen, mit welchen Personen bereits negative Erfahrungen gesammelt wurden. Nicht alle pro Prostitutionsverfechter sind per se handgreiflich oder übergriffig, sodass doch auch die Möglichkeit besteht, eine Diskussion zu führen. Es ist zwingend notwendig, eine Moderation durchzuführen und Fragen vorher mit der eingeladenen Frau abzustimmen.

                      3.) Anerkennung

                      Wenn überlebende der Prostitution sprechen, vor anderen und mit anderen, dann ist diese Tätigkeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit oder ein Freizeitunternehmen. Aufklärungsarbeit ist Arbeit und sollte auch entsprechend honoriert werden. Ehemals prostituierte Frauen haben einen umfangreichen Wissenstand um das Wesen des „Milieus“ und können anhand persönlicher Erfahrungen viel dazu beitragen, die Dinge einem interessierten Publikum nahe zu bringen.

                      Wie auch bei Referenten auf Tagungen und anderen Veranstaltungen, ist hierbei den Frauen eine Aufwandsentschädigung oder ein Honorar in angemessener Höhe zu zahlen. Schließlich stehen viele Aussteigerinnen mit beiden Beinen im Leben, haben am Tag der Veranstaltung möglicherweise einen Verdienstausfall oder nutzen ihre Freizeit, um in dieser Sache tätig zu sein. Es ist kein Leichtes auf einer Veranstaltung zu sprechen und auch mit einigen Risiken bestückt, sodass eine faire Bezahlung sicher jedem sinnvoll erscheint.

                      Dies wären wichtige Punkte in der Vorgehensweise bei Einladungen. Hierbei sind selbstverständlich immer die Wünsche der Frau im Blick zu behalten. Generell ist ein achtsamer Umgang unabdingbar. Eine Veranstaltung zur Prostitution ist sehr belastend und kann unter Umständen retraumatisierend wirken. Die prostituierte Frau ist sollte nach der Veranstaltung die Möglichkeit haben, jederzeit eine Person zu kontaktieren, mit der sie ein vertrauensvolles Gespräch führen kann, um möglicherweise schnell Hilfe zu bekommen. Auch sollte sie während der Veranstaltung nicht das Gefühl haben, gänzlich ungeschützt und allein zu sein, insbesondere dann nicht, wenn sich bei der Veranstaltung Prostitutionsbefürworter aufhalten.

                      Es wäre wünschenswert wenn Veranstalter sich an diesen Eckdaten orientieren können, um den eingeladenen Frauen den Stress des Verhandelns zu ersparen. Denn nur dann kann eine ausgewogene Diskussion, bei denen die wirklichen Expertinnen zu Wort kommen, gewährleistet sein.

                      (c) Susan