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Was geschah, als ich meinen Ex wegen Zuhälterei anzeigte

    Autorin: Marlene //

    Das erste Mal Kontakt mit der Polizei hatte ich während der Arbeit. Es war wie immer – ein Mann klingelte, ich öffnete die Tür, aber herein kam nicht nur er, sondern noch ein weiterer Kollege und zwei Damen. Hauptsächlich ging es ihnen darum, ob ich meinen Gewerbeschein dabei hätte, schließlich muss es in Deutschland selbst im Rotlicht geregelt zugehen. Zumindest, was die Steuern angeht- in anderen Bereichen sieht es schon schwieriger aus mit der “Hilfe”.
    Vor allem die Damen hatte ich als nett in Erinnerung, nachdem die erste Verwirrung wegen der seltsamen Situation verflogen war. Sie versuchten, mich in ein Gespräch zu verwickeln und herauszuhören, ob ich in einer Zwangslage wäre oder bei anderen Frauen im Haus etwas mitbekommen hätte. Natürlich verneinte ich, denn dass man mit der Polizei nicht spricht, wird dir im Milieu von Tag Eins eingebläut.

    Mein längerer Weg mit der Polizei begann erst später, als ich mich entschloss, aus der Prostitution auszusteigen und meiner Schwester um Hilfe bat. Sie fuhr sofort los zu mir und widersetzte sich meinem Willen, die Polizei nicht einzuschalten.
    Ich wollte meinen Ex/Zuhälter nicht anzeigen, ich wollte ihm nichts Schlimmes, ich wollte einfach nur weg. Als Außenstehender, vor allem als “solider” Mensch mag das befremdlich erscheinen, aber wer jemals mit dem Milieu zu tun hatte, kann diese Sichtweise wohl eher nachvollziehen.
    So kam es, dass meine Schwester mit zwei Polizisten vor meiner Haustür stand, die mich dazu bewegen wollten, mit aufs Revier zu kommen und auszusagen. Nach einigem Hin und Her ließ ich mich darauf ein, mit ihnen zu gehen, aber ich wollte nach wie vor keine Aussage machen.


    Mir wurde erklärt, dass meine Schwester ihnen von körperlicher Gewalt erzählt hätte und die ganze Sache deshalb im öffentlichen Interesse sei, es würde also ohnehin ermittelt werden und ich würde um eine Aussage nicht herum kommen. Trotzdem blieb ich an diesem Abend standhaft und fuhr lediglich mit meiner Schwester in die Heimat.
    In den Tagen danach überschlug sich alles, die Akte war an die Dienststelle in meiner Heimatstadt weitergeleitet worden und ich sollte zur Kriminalpolizei. Irgendwann gab ich klein bei und sagte aus. Mein erstes Verhör dauerte um die drei Stunden, mit mir sprachen ein männlicher und einer weibliche Beamter. Hauptsächlich sprach ich mit dem Mann, trotzdem ist mir die Frau bis heute tiefer in Erinnerung geblieben, denn sie stand gegen Ende auf und meinte, die psychische Gewalt hätte wohl die physische überwogen, sie könne deshalb nicht viel für mich machen.
    Das war so ziemlich die letzte Aussage, die ich in dieser Situation noch gebraucht hatte. Stell dich nicht so an, die paar Schläge kann man doch wegstecken- vor allem in deiner Position. So wirkte das Ganze auf mich.


    Die Akte ging zurück an die Behörde in der Stadt, in der ich zuletzt gewohnt und gearbeitet hatte. Von dort aus wurde ich wenige Tage später nochmals kontaktiert, es war ein Beamter der Abteilung für organisierte Kriminalität. Es gäbe noch offene Fragen, ich müsste nochmal zum Verhör kommen. Also ab ins Auto und wieder ein paar hundert Kilometer gefahren. Zu meinem Glück hatte ich hier wirklich fähige, einfühlsamere Polizisten. Zwar waren sie beide Männer und es zog sich wieder über mehrere Stunden, aber ich fühlte mich ernst genommen und hatte auch das Gefühl, dass man mir glaubt. Auch als ich Fragen hatte, wie es nun weitergehen würde, wurde mir so gut es ging geantwortet.
    Ein paar Monate darauf musste ich noch für einige weitere Fragen erneut in meiner Heimatstadt aussagen beim Beamten, der auch schon das erste Verhör geführt hatte. Man merkte ihm zwar an, dass er mit der Materie an sich nicht so häufig zu tun hatte, aber ich war vor allem froh, dass die Frau vom letzten mal nicht dabei war und er mir auch zu glauben schien.

    Monatelang passierte nichts, bis über ein Jahr später die Ladung zum Gerichtstermin kam. Der Prozess an sich war für mich sehr nervenaufreibend – immer und immer wieder erzählen, was passiert war, in einem Saal voller fremder Menschen, neben meinem Ex/Zuhälter (Ja, beim ersten Prozess saß ich wirklich neben ihm, nur ein Stuhl stand zwischen uns. Beschuldigt war er wegen Körperverletzung, Bedrohung und Zuhälterei…) – das geht an die Substanz.
    Damals sah ich auch fast alle Beamten, mit denen ich im Lauf der Zeit zu tun hatte, wieder – einer, der mich mit aus meiner Wohnung geholt hatte, der Beamte aus meiner Heimatstadt und einen der Herren von der Stelle für Organisierte Kriminalität. Die letzten beiden unterhielten sich auch vor dem Saal mit mir, fragten, wie es mir denn jetzt so ginge und was ich so machen würde. Auch der Richter hatte sich vorab danach erkundigt, wie es mir geht und bot mir zwischenzeitlich immer wieder an, eine Pause zu machen, wenn ich das denn bräuchte.
    Ich war damals einfach nur froh, als ich es hinter mir hatte. Wie das Verfahren ausging verfolgte ich nicht weiter. Fast ein Jahr später kam erneut eine Vorladung, mein Ex/Zuhälter hatte Berufung eingelegt. Er war im ersten Prozess zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden.


    Also ging das ganze wieder von vorne los, ich hatte wieder vermehrt Albträume und Panikattacken. Auch die zweite Verhandlung war wieder purer Stress, ich fühlte selbst Tage später noch, wie angespannt ich alleine schon körperlich während meiner Aussage gewesen war.
    Wie auch schon bei der ersten Verhandlung hatte ich Glück und eine Richterin, die zwar sehr gründlich und auch detailliert fragte, aber mir die ganze Zeit das Gefühl gab, dass sie mich nicht wegen meiner Vergangenheit beurteilen würde und mich ernst nimmt. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist und bin mir sicher, dass das ganze auch hätte anders laufen oder ausgehen können, wenn ich nicht an ebendiese Beamten und Richter geraten wäre. Ich verstehe jede Prostituierte, die Angst davor hat, sich der Polizei anzuvertrauen, die Angst hat vor der Ablehnung und Ächtung, die einem entgegenschlagen kann und habe auch selbst lange damit gehadert, ob es richtig war, auszusagen.

    Im Endeffekt nahm mein Ex/Zuhälter seine Berufung zurück, seine Strafe wurde rechtskräftig. Ein Jahr auf Bewährung. Ich versuche bis heute, mit dem Erlebten abzuschließen.

    (c) Marlene

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