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Freier und ihr Sex-Privileg

    Autorin: Pani K. //

    Vorweg: Prostitution existiert, weil es Menschen gibt, die dafür bezahlen.
    Was sind das für Menschen? Wie leben und denken sie? Wie handeln sie und welche Folgen hat das? Was geht es die Außenstehenden an? Das sind nur einige Fragen zu diesem Thema…
    Ich beginne mal mit einer Definition, um Klarheit zu schaffen: – Freier, der
    Substantiv, maskulin; Genitiv: des Freiers, Plural: die Freier. Bedeutung: Ein Mensch, der zum Zweck seiner eigenen sexuellen Stimulation oder Befriedigung andere Menschen gegen Entgelt benutzt oder ihnen Entgelt anbietet.
    Übliche Formen des Entgelts: Geld, Obdach oder Drogen.
    Übliche Formen der Benutzung: Oralsex, Analsex, Vaginalsex, erotische Massage, Praktiken des BDSM, Live-Cam-Sex, Striptease sowie andere sexuelle Praktiken ohne Eindringen in die Körper der Beteiligten.
    Übliche alternative Bezeichnungen: Gast, Kunde, Klient, Sexkäufer.
    Ich benutze den Begriff Freier, weil alternative Bezeichnungen missverständlich und verharmlosend sind.
    Kaum jemand spricht offen über Freier oder mit ihnen, obwohl sie keine soziale Randgruppe darstellen.
    Freier sind in der Regel männlich, gut sozial integriert, in fast allen Altersgruppen und sozialen Schichten zu finden: von Studenten bis Professoren, von Auszubildenden bis Rentnern, von Politikern bis Polizisten, von Firmenchefs bis Arbeitslosen, von Singles bis mehrfachen Großvätern. Oft sind es unauffällige Typen von der Sorte „netter Nachbar“ zwischen 30 und 60 Jahren. Es sind unsere Nachbarn, Kollegen, Vorgesetzte,
    Kommilitonen, Mitschüler, Freunde, Partner; gewiss sogar unsere Väter, Brüder, Ehemänner und Söhne – denn Freiertum ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.


    Freier selbst präsentieren sich gerne als liberal, progressiv, tolerant, frei von Vorurteilen, sexuell offen und hedonistisch. Sie sehen sich in der Regel als Kunden oder Gäste der Prostituierten, manchmal als ihre
    Freunde oder sogar – Opfer.
    Menschen außerhalb der Prostitution sehen Freier meistens so, wie diese selbst gesehen werden wollen, und übernehmen oft widerspruchslos ihre Mythen, wie etwa von “einsamen traurigen Männern” und “gierigen herzlosen Huren”. Diese Sicht und Erzählungen erfüllen eine wichtige Funktion: Sie schützen Freier vor Kritik, lassen sie unbehelligt agieren, befreien sie vor Verantwortung und Konsequenzen, halten die entsprechende Doppel-Moral und oft auch ein Doppel-Leben der “Paysex”-Konsumenten aufrecht.
    Freier sagen oft, sie hätten keine andere Wahl, als für Sex zu bezahlen. Dabei leben die meisten von ihnen in einer Beziehung und verfügen über mehrere akzeptable Alternativen, wie zum Beispiel:
    – Selbstbefriedigung, auf Wunsch auch mithilfe von Sexspielzeugen wie Masturbator oder Sexpuppe;
    – Sexuelle Treffen mit Gleichgesinnten, die ebenfalls unkomplizierte Sexualität bevorzugen;
    – Unverbindliche Sex-Partys und Swinger-Clubs, die sowohl Singles als auch Paare besuchen;
    – Partnerschaftliche Sexualität innerhalb der eigenen Beziehung.


    Sie haben also eine Wahl. Mehr noch: Niemand belohnt Freier mit Geschenken oder Geld dafür, dass sie zu Prostituierten gehen. Und niemand bestraft sie, etwa durch Schläge oder Erwerbsverlust, wenn sie es nicht
    tun. Sie folgen allein ihrer inneren Motivation.
    Freier entscheiden sich in der Tat freiwillig dazu, ihre Sexualität in der Prostitution auszuleben. Sie handeln aus ihrem eigenen Antrieb, oft sogar aus Überzeugung. Denn viele Freier sind fest davon überzeugt, dass sie ein „Recht auf Sex“ haben. Damit ist nicht lediglich das Anrecht auf selbstbestimmte Sexualität gemeint, das ja allgemeingültig ist. Nein, damit ist ein Sonder-Recht gemeint: der berechtigte Anspruch auf Sex mit
    anderen Menschen, insbesondere mit Frauen.
    Dieses Privileg der Verfügungsmacht über Andere, insbesondere zum Zweck der eigenen sexuellen Befriedigung, ist für die meisten Freier basal in Bezug auf ihr Verständnis der Maskulinität – der „echten Männlichkeit“ – sowie der männlichen Sexualität im Allgemeinen.


    Maskulinität bedeutet für Freier in erster Linie: Eigene sexuellen Bedürfnisse als vorrangig erachten und aktiv durchsetzen, selbst auf Kosten anderer Menschen. Vor allem auf Kosten und zum Leid der Frauen und
    Mädchen, denen dieses Privileg erklärtermaßen nicht zusteht, weil sie eben nicht männlich sind.
    Freiertum ist wesentlich mehr als nur „bezahlter Sex“. Es ist eine maskuline Subkultur mit eigenen Regeln und Wertvorstellungen, eine alltägliche Praxis und ein Lebens-Stil für „echte Kerle“, getreu dem Motto: „Ein richtiger Mann nimmt sich, was er will!“
    Wie selbstverständlich werden geschäftliche Abschlüsse in Bordellen gefeiert, sogar Abitur-Partys.
    Leistungs-Prämien für männliche Mitarbeiter werden von Firmen als “Paysex”-Reisen gewährt.
    Auch Bordell-Rundreisen mit „exklusivem Programm“ werden für Freier von darauf spezialisierten Reise-Agenturen organisiert und beworben. Sex-Tourismus ermöglicht Freiern weltweite Erlebnisse.
    In dieser Subkultur sind prostituierte Frauen sowohl Währung als auch Ware. Manche Freier zahlen ihren Söhnen die erste sexuelle Erfahrung, meistens mit einer Frau in einem Bordell. Sie sehen es als ihr väterliches Geschenk und sind stolz darauf, dass ihre Söhne nun „echte Männer“ seien.
    Auch unter Freunden und Kollegen ist es gute Sitte, sich gegenseitig Prostituierte zu schenken oder sie gemeinsam zu benutzen. So wie man eine Flasche Wein als kleine Aufmerksamkeit verschenkt oder
    feierlich zusammen genießt.
    In speziellen Internet-Foren für Freier geben sie sich gegenseitig Tipps und Empfehlungen, berichten über ihre Erfahrungen und Strategien, bestärken sich gegenseitig in ihrem „Anrecht“ auf faire und zufriedenstellende sexuelle Dienste durch prostituierte Frauen. Diese werden auch direkt im gleichen Forum offen und ausführlich beurteilt nach solchen Kriterien wie etwa: frisch, eng, fest, verbraucht, gierig, kaputt, lustlos, willenlos, zickig… Punkte oder Schulnoten für körperliche Merkmale und sexuelle
    Fertigkeiten oder Bewertungen nach Preis-Leistungs-Verhältnis sind genauso üblich.

    Das Entgelt hat dabei sowohl eine materielle als auch eine moralische Bedeutung.
    Erstens demonstriert und bestätigt es die finanzielle Macht des Freiers, zweitens – seine gesellschaftliche Überlegenheit. Für ihn ist eine Prostituierte sowohl eine bezahlte als auch eine käufliche Frau.
    Als bezahlte Frau ist sie einer Dienerin gleich, die seinen Ansprüchen genügen muss und seine Wünsche erfüllen soll – möglichst folgsam und befriedigend. Als käufliche Frau ist sie einer Sklavin gleich: sie verliert ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung und Unversehrtheit, ihr Anspruch auf Respekt und Rücksichtnahme – und damit ihre menschliche Würde…
    Eine Dienerin wird nicht gefragt, ob sie jemanden mag und ob sie jemanden bedienen will.
    Eine Sklavin darf man mieten oder kaufen, teilen oder schenken, ausbeuten oder austauschen, vergewaltigen oder misshandeln, foltern oder töten. Und das alles machen Freier mit Frauen in der Prostitution…
    Sie sagen auch gerne: “Einmal Hure – immer Hure!” Es ist ein Urteil und ein Schicksal, ohne Ausweg und ohne Gnade – ein ewiges Stigma bis in den Tod hinein. Die “Hure” ist verfügbar und entmenschlicht zugleich, was dem Freier ein Hochgefühl der absoluten Macht beschert – einen Kitzel der Omnipotenz.
    Diese gekaufte Omnipotenz wirkt nicht nur mental, sie wird direkt erotisiert und zeigt sich auch körperlich: Freier werden dadurch erregt. Sie werden geil und hemmungslos, respektieren weder Absprachen noch
    Grenzen. Erstens, weil sie die prostituierten Frauen nicht respektieren. Zweitens, weil sie dieses geilmachende Gefühl der Allmacht möglichst intensiv und lange aufrechterhalten wollen. Ein Nein ist für diesen sexuellen Machtrausch abtörnend und in der Welt der Prostitution daher auch nicht vorgesehen.


    Freier erkaufen sich ein Ja, weil sie ein Nein nicht akzeptieren. Sprüche wie: „Stell dich nicht so an!“ – „Was glaubst du, wer du bist?!“ – „Du hast das zu tun, was ich sage!“ sind allgegenwärtig. Entweder zahlt der Freier mehr, damit die Prostituierte nachgibt, oder er greift zur Nötigung, Zwang und Gewalt. Ein Nein kann sie sich kaum leisten, wenn sie heil bleiben und überleben will… Freier zahlen nicht nur für eine Dienstleistung oder kaufen bloß Sex. Sie wollen über den Körper eines anderen Menschen selbstherrlich verfügen und alles damit machen können, was ihnen beliebt.
    Freier fragen oft: „Was ist dein Preis?“ – „Was kostest du?“ – „Kann man dich auch für eine ganze Nacht kaufen?“ – „Bist du dein Preis auch wert?“ – „Was kann man so alles mit dir machen?“ Aber sie fragen niemals: „Magst du mich?“ oder „Hast du Lust auf Sex mit mir?“ Denn Freier wissen, dass
    Prostituierte sie sexuell nicht begehren, sondern nur erdulden – aus finanziellen Gründen und wegen existenzieller Notlagen. Würden Freier wirklich glauben, dass Geld jemanden geil machen kann, würden sie wohl Münzen schlucken, statt Viagra oder andere Potenz-Mittel.
    Dennoch verlangen Freier von prostituierten Frauen wie selbstverständlich Fröhlichkeit, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Entgegenkommen, Lust und Enthusiasmus. Sie reagieren oft aggressiv und empört, wenn sie so
    etwas wie Widerwillen, Lustlosigkeit, Trauer, Ekel oder Langeweile bei Prostituierten wahrnehmen. In der Regel zahlen Freier nicht gerne und nutzen die Notlagen der Frauen in der Prostitution aus, um weniger oder gar nicht zu zahlen. Dagegen versuchen spendable Freier die Prostituierten bis zum letzten Tropfen auszupressen, bis sie all das bekommen, was ihnen vermeintlich zusteht. Ihre angebliche Großzügigkeit dient nur dazu, ihre extrem hohe Erwartungen und Forderungen zu legitimieren.


    Die Ansprüche der Freier in Deutschland steigen stetig, denn Sexhandel wurde gesellschaftlich normalisiert und das Angebot wird immer größer. Auch Flatrate-Sex-Clubs und Sex-Wettbewerbe, wie etwa Blowjob- Contests, sind relativ neu und sehr beliebt bei Freiern. Und es gibt immer mehr junge Freier oder Paare, die gemeinsam Prostituierte benutzen. Früher waren Extrawünsche wie Gruppen-Sex oder Gang-Bang selten, mit der Zeit wurden es immer mehr. Die Nachfrage nach Girlfriend-Sex oder intimen Praktiken, wie etwa Küssen, Kuscheln oder Streicheln, wird auch größer. Praktiken wie Sex ohne Kondom, Analsex und Sperma-Spiele sind fast schon zum Standard geworden.

    Freier fordern schädliche und gefährliche sexuelle Praktiken. Sie sagen oft: „So ist es halt im Huren-Job!“ – „Sie hätte es doch wissen müssen!“ – „Bezahlt ist bezahlt…“ Mit der Bezahlung und dem „Huren“-Stigma
    rechtfertigen sie das eigene Verhalten und verharmlosen die daraus entstehenden Schäden. Freier konsumieren Menschen wie Kondome, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie bevorzugen „leichte Beute“: unerfahrene, verzweifelte, benachteiligte und wehrlose Menschen – etwa Drogenabhängige, Obdachlose oder Geflüchtete. Viele Freier verlangen nach Sex mit minderjährigen, schwangeren, magersüchtigen und
    anderen besonders verletzlichen Frauen. Andere Menschen wie Sex-Puppen zu behandeln, verändert ihre eigene Wahrnehmung und Menschlichkeit: Freier zeigen kaum Mitgefühl oder Reue, spüren weder Schuld noch Verantwortung.


    Dabei spielt Pornografie eine entscheidende Rolle: viele Freier konsumieren Pornografie und viele Porno-Konsumenten werden zu Freiern. Erst werden reale Frauen in einer pornografischen Video- Aufnahme benutzt, dann – live im eigenen Haus, in einem Hotel oder Bordell. Insbesondere Prostitution ist der Ort, wo das nachgemacht wird, was Pornografie vorführt und verspricht. Pornografie wird oft an starke Emotionen gekoppelt und deshalb verinnerlicht, wie „eingebrannt“ – das
    macht sie enorm wirksam. Viele Freier bekommen durch ihr Porno-Konsum spezifische fixe Ideen und verlangen dann, dass alles exakt so gemacht wird – denn sie wollen diese pornografischen Inhalte und
    Vorbilder selbst nachstellen und nacherleben können. Abweichungen werden dabei selten geduldet.
    Frauen in der Prostitution müssen sich diesen Vorbildern anpassen: von Gel-Fingernägeln, Waxing und Intim-Bleiche bis zu Brust-Vergrößerung, Labien-Verkleinerung und Vaginal-Straffung. Immer öfter, denn
    ihre Körper müssen konkurrenzfähig und profitabel bleiben. Aber auch im privaten Bereich stellen Freier und Porno-Konsumenten ebenfalls hohe Ansprüche an ihre Freundinnen und Partnerinnen. Damit steigt
    der Anpassungs-Druck an die Normen der pornografischen Vorlagen auch dort immer mehr. Diese „neue Porno-Welt“, die wie Prostitution auch kein Nein kennt, funktioniert nach einem simplen Prinzip: „Er genießt, sie hat zu liefern“. Diese „geile Botschaft“ ist stets präsent und überall verfügbar,
    denn Pornografie ist Propaganda des Sexismus, vor allem die heterosexuellen Mainstream-Pornos.


    Freier konsumieren, praktizieren und perpetuieren Sexismus und Frauen-Verachtung. Sie benehmen sich oft auch außerhalb der Prostitution respektlos, aufdringlich, aggressiv und rücksichtslos gegenüber Frauen.
    So wird unbekannten Frauen auf Dating-Plattformen „Taschen-Geld“ für unverbindliche sexuelle Treffen angeboten, manchmal auch für ihre getragene Unterwäsche. Sogenannte „Sugar-Daddys“ bezahlen Geld für sexuelle Affären, insbesondere mit jungen Frauen. Freier verlangen Sex als Gegenleistung für Arbeit, Wohnung, Urlaub, sogar für Hilfe in einer Notlage.
    Oder sie suchen gezielt nach Studentinnen und „Hobby-Huren“ für kleines Geld. Viele Freier glauben, dass Frauen prinzipiell verfügbar oder käuflich sind, sie sagen: „Jede Frau verkauft sich doch irgendwie – entweder im Bordell, oder in der Ehe!“ Manche Freier setzen ihre Partnerinnen auch direkt unter Druck: „Wenn du nicht machst, was ich will, muss ich zu einer Hure gehen!“ – „Du bist daran Schuld, dass ich mir Sex bei Prostituierten hole!“ Doch in der Regel belügen sie ihre Partnerinnen und Familien. Wenn Freier ihre Ehefrauen, Freundinnen oder Kinder mit sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken – verheimlichen sie es, leugnen oder
    bestreiten ihre eigene Schuld. Sie riskieren damit die Gesundheit und das Leben von Prostituierten, von sich selbst und sogar von unbeteiligten Familienmitgliedern.


    Für ihr vermeintliches „Recht auf Sex“ gehen Freier in Deutschland sogar vor Gericht, oder wenden sich an die Politik und Abgeordnete, damit ihre Interessen und Ansprüche gewährt bleiben. Freier verklagen soziale Versicherungen auf Übernahme der Kosten für sexuelle Dienste und begründen das mit ihrem Recht auf gesellschaftliche Teilhabe. Und deutsche Richter geben ihnen Recht. Und deutsche Versicherungen zahlen ihnen die sogenannte „Sexual-Assistenz“. Freier verklagen auch Prostituierte, wegen ungenügender Leistung, fehlendem Orgasmus oder zu frühem Orgasmus. Aber auch wegen angeblichen Betrugs, Diebstahls oder Körperverletzung. Sie zeigen Frauen sogar wegen illegaler Prostitution an. Und deutsche Richter geben ihnen Recht. Und Prostituierte in
    Deutschland zahlen Strafen und Bußgelder, werden verfolgt, verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Unzufriedene Freier fordern oft ihr Geld zurück und beschweren sich bei den Bordell-Betreibern, Zuhältern und in Internet-Foren über mangelnde „Professionalität der Sexdienstleister“. Manche von ihnen beklauen Prostituierte oder holen ihr Geld einfach selbst zurück, als Entschädigung für schlechten „Service“.


    Am Anfang der Pandemie war Prostitution in vielen deutschen Städten verboten, doch in der Regel hatten Freier keine Sanktionen zu befürchten. Sie hatten die Notlagen der prostituierten Frauen meistens zum
    eigenen Vorteil ausgenutzt. So kauften manche Freier „Sex-Gutscheine“, um sie später für Sex mit Prostituierten einzulösen, so wie man Schuld-Scheine oder Bank-Schecks einlöst.
    Mit solchen und anderen Methoden werden Frauen in der deutschen Prostitution von Freiern unter Druck gesetzt und dazu gebracht, wie gewünscht zu funktionieren. Ehemalige Freier antworten auf die Frage, warum sie nicht mehr für Sex bezahlen, oft so: „Es hat mir nicht
    gefallen, war nicht schön!“ – „Es war das Geld nicht wert!“ – „Es ist mir doch zu teuer!“ – „Ich habe es im Moment nicht nötig, bekomme auch so genug Sex!“ – „Ich mag kein Sex mit Kondom, aber ohne Kondom ist es mir bei Prostituierten zu gefährlich!“ Jedoch sagen sie nie: „Ich habe erkannt, dass es Unrecht ist!“ – „Ich habe mich geschämt!“ – „Prostituierte haben mir leid getan“.
    Fragt man Ex-Freier, ob sie eine Vergewaltigung begehen würden, sagen manche empört: „Niemals!“
    Gleichzeitig halten sie es für möglich, irgendwann mal wieder eine Prostituierte zu benutzen, es scheint ihnen legitim: „Aber sie hat doch zugestimmt!“ – „Es ist doch nicht verboten!“


    Wären die meisten Freier weiblich – wären Sexkauf und Pornografie sicher längst verboten. Denn die Verfügungsmacht über andere Menschen ist nach wie vor ein Privileg der Männer. Davon profitieren Freier
    auf eine sehr intensive, ja intime Weise – sie sind nicht einfach „Kunden“ oder „Sexkäufer“. Freier begehen aktiv schwere Straftaten: von sexueller Belästigung und Nötigung bis Vergewaltigung und Mord. Sie dürfen
    keine „Schutzgebiete mit Rotlicht“ zum Austoben bekommen.
    Freier sind Verbrecher! Deshalb gehören sie hinter Gitter, so wie andere Verbrecher auch. Doch dort wo Freiertum gesellschaftlich normalisiert ist, ist auch die Gewalt in der Prostitution normalisiert. Das führt
    dazu, dass Opfer und Überlebende allein gelassen, verschwiegen, bagatellisiert, verhöhnt und vergessen werden. Das sind wahre Stigmatisierung und Diskriminierung der Prostituierten hier und jetzt.
    Prostitution hat ihre Wurzeln in der Sklaverei, das ist bis heute deutlich sichtbar. Überwiegend sozial benachteiligte und marginalisierte Frauen geraten in Prostitution und erleiden dort Gewalt. Frauen, die
    wegen ihrer ethnischer, ökonomischer, geschlechtlicher oder gesundheitlicher Merkmale zu einer Gruppe am Rande der Gesellschaft wurden. Und von dieser Gesellschaft weder gehört noch gesehen werden. Wir haben leider sowohl einen „Black Lives Matter“, als auch einen „Whores Lives Matter“ Protest nötig. Denn Rassismus wie Sexismus sind tödlich.


    Freier verursachen einen enormen individuellen und gesellschaftlichen Schaden. Mehr als hundert Frauen sind in der deutschen Prostitution in den letzten 20 Jahren gestorben. Die meisten von ihnen wurden von
    Freiern ermordet. Viele dieser Opfer waren Mütter – ihre verzweifelten Kinder bleiben als Waisen zurück, meistens im Ausland und oft ohne Hilfe… Wofür? Für welche hohen Ideale mussten diese Frauen sterben? Für welche universellen Werte müssen diese Kinder auf ihre Mütter verzichten? Damit irgendwelchen Schwänzen die Eier nicht jucken?..
    Ist das wichtiger, als das Leben oder das Glück von Frauen und Kindern? Ist das die neue deutsche Vorstellung von Demokratie, vom Rechts-Staat und von unveräußerlichen Menschen-Rechten?
    Offensichtlich ist es so, zumindest seit der Legalisierung des Sexkaufs im Jahr 2002, als Prostitution zur „Sexarbeit“ und „körpernahen Dienstleistung“ erklärt wurde.
    Doch Prostitution ist weder Sex noch Arbeit, sondern bezahlte Vergewaltigung. Der Freier will Sex, die Prostituierte will Geld – das ist kein Konsens. Sie erträgt unerwünschten Sex und wird von ihm dafür
    „entschädigt“. Aber je größer ihre Notlage, desto geringer wird diese „Entschädigung“ sein. Sexualität ist in der Prostitution von sich aus unfrei: Du hast einen Vertrag abgeschlossen und damit ist Sex deine Pflicht. Du schuldest dem Freier deinen Körper: jeden verdammten Zentimeter davon! Doch kein Mensch hat das Recht, andere Menschen auszubeuten oder zu vergewaltigen, ob mit oder ohne Vertrag.
    Das legale Freiertum hat einen hohen Preis: verletzte und ermordete Frauen; verwaiste Kinder und zerstörte Familien; wachsende organisierte Kriminalität wie Drogenhandel, Zuhälterei, Menschenhandel,
    Sklaverei und Kinderprostitution. Ohne die Bekämpfung der Nachfrage durch Freier, kann Prostitution nicht abgeschafft werden. Ohne die Abschaffung der Prostitution können weder Menschenhandel noch
    Sklaverei effektiv bekämpft werden.
    Die Gewalt gegen Frauen, Jugendliche und Kinder durch männliche Täter steigt auch außerhalb der Prostitution seit Jahren. Aber der Zusammenhang mit legalisiertem Freiertum, allgegenwärtiger
    Pornografie und staatlich regulierter sexueller Ausbeutung wird nicht erkannt.


    Mehr noch: Einflussreiche Freier in der Politik, Justiz, Polizei und Medien, gemeinsam mit anderen Profiteuren der Sex-Industrie, verhindern mit allen Mitteln sowohl den sozialen Wandel als auch die effiziente Bekämpfung der Nachfrage nach Prostitution. Freiertum ist eine sexistische und menschenverachtende Praxis. Es gibt reale Faktoren, die das Freiertum
    legitimieren und verstärken: Sex-Industrie, Pornografie, sexistische Kultur und Gewalt, sowie sexistische Strukturen in der Gesetzgebung und in der Gesellschaft.
    Doch es gibt auch andere Faktoren: Ohne das Sex-Privileg kann das Freiertum nicht existieren.
    Ohne das Geld der Freier kann das System der Prostitution nicht existieren.
    Immer mehr Menschen setzen sich entschlossen gegen Freiertum und Sexhandel ein und machen so klar:
    Eine Welt frei von Prostitution und Sklaverei ist möglich!
    Freiertum ist Gewalt! Und Gewalt lässt sich nicht per Gesetz regulieren – sie muss bekämpft werden!
    Und sie kann bekämpft werden. Von uns allen – gemeinsam – in jeder Stadt, in jedem Land, weltweit!


    © Pani K. – Netzwerk Ella – August 2022

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