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Absurde Versprechen für Camgirls – und keiner sagt, wie es wirklich ist!

    Autorin: © Jara Anouk //

    Da ich mich zu Beginn dagegen wehrte, anschaffen zu gehen, überredete mich mein Loverboy (in

    meinen Augen ein zu sanft gewähltes Wort für Zuhälter) dazu, mich auf einschlägigen Amateur-

    Camgirl-Seiten zu versuchen. Das jene Seiten ein wahres Sprungbrett für Pornofilme und

    Prostitution sind, ahnte ich nicht. Und auch nicht, wie demütigend das werden wird und wie sehr

    meine Psyche Schaden davon trägt.

    Ich dachte: Ein bisschen ausziehen und mit dem Hintern wackeln für Männer, die anonym vor einer

    Cam sitzen, sei leichtes Spiel. Immerhin wird genau das in TV-Spots und im Internet suggeriert.

    Ein paar Stunden als Camgirl in der Woche oder im Monat und Du verdienst gutes Geld. Eine

    Verlockung, der viele Mädchen und Frauen folgen, schaut man sich die zahlreichen Seiten

    einschlägiger Anbieter an. Doch die harte Realität ist eine ganz andere.

    Tagtäglich saß ich stundenlang in einem Raum vor drei Bildschirmen mit jeweils einer anderen

    Camgirlseite. Denn nur die Masse an Seiten, auf denen du dich täglich stundenlang präsentierst,

    bringt Geld. Ein bisschen ausziehen und Popowackeln? Fehlanzeige. Du dienst nur einem

    einzigen Zweck vor der Cam: Befehle von notgeilen Usern entgegen nehmen und befolgen.

    Befolgst du sie nicht, wirst du mit dreckige Schlampe, Miststück, Abzockerin und schlimmeren

    Ausdrücken beschimpft.

    Wills du mehr als die obligatorischen 2,-€/min. im öffentlichen Chat von den Usern bekommen,

    musst du weiteren Erniedrigungen zustimmen. 1,-€/min. mehr und du musst nicht nur bildlich

    perfekt abliefern, sondern auch stimmlich. 1,-€/min. mehr und du stimmst zu denjenigen – oder

    zumindest Teile desjenigen – zu sehen, der dich als Vorlage benutzt. Noch mehr Demütigung

    erfährst du mit einem Tool einer Camseite, das sich Dildo-Control nennt. Ein Gerät, das dir als

    beliebtes Camgirl zugeschickt wird. Jenes Gerät, einen Dildo mit verschiedenen

    Geschwindigkeitsstufen, schließt du an deinen Computer an und dank fortschrittlicher Software

    kann der Camuser von Zuhause die Geschwindigkeit des Dildos für 1,-€/min. mehr bestimmen.

    Und dann gibt es da noch den Private Chat. Eine Funktion, die zwar mehr Geld einbringt, mir aber

    stets unheimlich und zuwider war. Warum? Weil du dann einem einzigen User alleine gehörst. Und

    ich wähle ganz bewusst das Wort gehörst. Denn genau so sehen sie es. Ich bezahle dich für einen

    Private Chat, also tust du, was ich dir sage! Klar kannst du jederzeit deinen Rechner zuklappen,

    User oder Praktiken ablehnen. Doch wie oft ohne die Konsequenz, nichts mehr zu verdienen oder

    vom Camportal sanktioniert zu werden? Denn auch das gibt es.

    Als Camgirl unterschreibst du einen Vertrag, in dem genau geregelt ist, was du darfst und was

    nicht. Brichst du eine Regel, zahlst du Strafe oder wirst gesperrt. Und weil du auf mehreren

    Portalen gleichzeitig streamst, gibt es mehrere Verträge mit unterschiedlichen Regeln, die es alle

    zu beachten gilt, während du erträgst, einzig und allein als Sexobjekt zu dienen.

    Doch irgendwann reicht das nicht mehr. Die User wollen mehr. Bietest du das nicht, wirst du damit

    gestraft, dass deine Cam für sie uninteressant wird. Also bot ich mehr und drehte die ersten

    Pornofilme. Am Anfang noch ausschließlich mit meinem Zuhälter, – dessen Gesicht natürlich nicht

    zu sehen war.

    Doch auch das reicht irgendwann nicht mehr. Dann werden die Rufe nach User-Dates immer

    lauter. Und was sich so harmlos anhört, ist nichts anderes als Sex mit Camusern im Gegenzug für

    ein Video dieses Sextreffens, das du auf dein Portal stellen und verkaufen kannst. Was dann folgt?

    Ein zweites User-Date, ein drittes User-Date, ein viertes User-Date…………ein 20. User-Date.

    Und zwischen den Sextreffen tagein, tagaus die Einsamkeit als Sexobjekt vor der Kamera. Und

    dann siehst du deine Abrechnung und du siehst und begreifst, dass das ausgezahlte Geld lediglich

    25% von dem ist, was du diesem Portal eingebracht hast. Ein Camportal als Zuhälter.

    Und irgendwann bist du gebrochen ich zumindest war es. Ich hatte längst Grenzen überschritten,

    war nicht mehr ich, nur noch eine Hülle, ein Sexobjekt. Bot Sex mit fremden Männern für

    Pornofilmchen an. Warum also nicht auch Sex gegen Geld in Wohnungsbordellen? Zumindest, so

    dachte ich damals, wäre ich dann nicht mehr ausschließlich stundenlang einsam vor der Cam.

    Das ich fortan als Prostituierte ganz genauso einsam sein werde, das ist eine andere Geschichte.

    Rückblickend auf die Amateurporno- und Camgirlbranche kann ich heute Folgendes sagen: In

    meinen Augen kann sie durchaus ein Sprungbrett in die Prostitution sein und keiner wirbt oder

    warnt mit dem Hinweis, das deine Filme und Bilder auch Jahre nach einem Ausstieg im Internet

    kursieren und niemand sagt dir, das jeder User eine Camsession mit dem Handy filmen und

    verbreiten kann. Und niemand warnt dich, dass du auf der Straße erkannt wirst und potenzielle

    künftige Arbeitgeber dich eventuell bereits nackt gesehen haben.

    Bin ich ein Einzelfall? Nein, das bin ich nicht! Im Laufe der Jahre bin ich einigen so genannten

    Pornosternchen und Camgirls in Wohnungsbordellen, auf Sexpartys und in Saunaclubs begegnet.

    Wir teilten das gleiche Schicksal.

    Ich sehe die Entwicklung im Amateurporno und Camgirlbereich als äußerst bedenklich. Da werden

    junge Frauen mit Versprechen gelockt, die absurd sind und da ist niemand, der offen über die

    Risiken aufklärt und davor warnt, das sich durchaus auch Zuhälter derart Plattformen zu nutzte

    machen und aktiv Frauen anwerben. Doch genau darüber muss gesprochen werden und wenn

    eine Regierung derart Plattformen duldet, sogar an ihnen mitverdient, muss sie zumindest dafür

    sorgen, dass die Betreiber dazu verpflichtet werden, klar und deutlich über sämtliche Risiken und

    Gefahren aufzuklären und zwar nicht versteckt im Kleingedruckten!

    Tief in mir hoffe ich jedoch, das es einen Wandel in der Gesellschaft gibt und sie diesen immer

    stärker wachsenden Markt der Amateurpornographie mit meinen Augen sieht und erkennt: Dieser

    Markt birgt Gefahren für jeden einzelnen von uns!

    © Jara Anouk

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