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Die Zustelladresse

    Autorin: Susan //

    Die neue Gesetzeslage für prostituierte Frauen und Bordellbetreiber in Deutschland treibt wundersame Blüten.

    Nicht genug, dass kaum ein Bundesland richtig weiß was es genau zu tun hat, nein, auch die Akteure des Rotlichts und die, an denen sie gut verdienen – in dem Fall die Frauen und auch Männer die jeden Tag ihren Körper verkaufen müssen –  sind angestrengt von dem Bemühen herauszufinden, wie man sich nun richtig zu verhalten hat.

    Selbstverständlich müssen Prostituierte Steuern zahlen. Es ist schließlich ein ehrenwerter Beruf, den es schon sehr lange gibt, ja fast so lang wie die Menschheit selbst. So die Legende. Und weil dieser Beruf so ehrenhaft und geachtet ist, ist er mit einer ganzen Menge Fallstricke bestückt.

    Zum einen verlangt das neue Gesetz nun eine feste Meldeanschrift für gewerblich tätige Personen. Soweit so gut. Viele Prostituierte haben aber keine Anschrift, oder keine in Deutschland, weil sie selbst reisen oder herumgereist werden, von ihren „Freunden“ und „Managern“. Schließlich will der Kunde Frischfleisch und doch bitte nicht immer dasselbe im Laden.

    Aus diesem Grund hat ein ehrenwerter Geschäftsmann den armen Damen und wenigen Herren jetzt beigeholfen: mit der Zustelladresse.

    So wunderbar einfach. Wenn man keine Wohnung hat oder der liebe Ehemann zuhause nichts erfahren darf nutzt man für nur wenige Euro im Monat oder ganze 99 Euro im Jahr Grundgebühr die Angebote der „Zustelladresse“. Dort wird dann alle Post gebündelt und an die Kundinnen per Whatsapp weitergeleitet. Nun mag der geneigte Leser sich fragen, wie es datenschutzrechtlich möglich ist, Missbrauch mit diesen sensiblen Daten zu vermeiden, doch dazu wird man auf der Seite leider nicht fündig. Lediglich der Hinweis, dass sich in den Geschäftsräumen in Süddeutschland nur „autorisiertes Personal“ aufhalten darf, ist auf der Website des Betreibers zu lesen.

    Fakt ist aber, und das ist wirklich beruhigend, die Sache ist verwaltungsrechtlich geprüft und für sehr gut befunden worden. Das erübrigt sicherlich kritische Fragen in  punkto Datenschutz und Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Und mal ganz ehrlich – es sind doch nur Prostituierte, also genau jene Menschen, die diesen ehrbaren Beruf ausüben, der von keinerlei Nachteilen geprägt ist – an dieser Stelle sei mir etwas Sarkasmus verziehen.

    Den Staat kann und wird es freuen. Endlich entgehen ihm keine Steuereinnahmen durch säumige Zahlungen mehr. Jederzeit können nun auch Frauen, die zu arm sind oder denen es aus anderen Gründen nicht möglich ist, sich eine Wohnung in Deutschland zu suchen, belangt werden.

    Die Idee der Zustelladresse ist oberflächlich betrachtet wirklich grandios. Auf den zweiten Blick ist sie absolut zynisch und menschenverachtend. Selbst Frauen (und wenige Männer), die nicht in der Lage sind, aus welchem Grund auch immer, ihre Post in ihren eigenen 4 Wänden zu erhalten, werden nicht etwa vom Staat unterstützt, mit Ausstiegsangeboten, sozialem Wohnungsbau und Weiterbildungsmaßnahmen. Nein, Menschen die unter so unwürdigen Bedingungen leben müssen, weil sie nicht anders können, weil es nicht anders geht, werden so noch weiter in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Das Problem wird nicht ansatzweise dadurch gelöst, dass man einfach eine Zustelladresse hat. Nein, das zeigt im Kern das wahre Problem der Prostitution:  prostituierte Frauen sind einfach nichts wert. Es gilt lediglich, die Profiteure zu hofieren und die Einnahmen weiter zu sichern. Gesetze werden mit rechtlich fragwürdigen Mitteln einfach unterlaufen. Und an der Situation der Frauen und aller anderen Opfer der Prostitution ändert sich nichts. Sie werden vielleicht irgendwann von Amtes wegen aufgefordert, eine Zustelladresse zu buchen, und ihre Post von unbekannten Dritten lesen zu lassen, um sie dann von unsicheren Diensten wie Whatsapp oder Mail versenden zu lassen.

    Prostituierte Frauen befinden sich nicht nur wegen ihres „Jobs“ in einer Notlage, sondern auch wegen der deutschen Gesetzeslage dazu, Fallstricke, drohende Bußgelder, Verwarnungen allerorten. Und dafür, dass sie in so einer Lage sind, dürfen sie jetzt auch nochmal 99 Euro pro Jahr zahlen. Denn wen könnte man besser abzocken als eine prostituierte Frau? Sie kann sich kaum wehren.

    Prostitution ist eben kein Job wie jeder andere. Nur in diesem ausbeuterischen Milieu können solche Unternehmungen unter dem Deckmantel der Gutmütigkeit hervorgebracht werden. Dies sollte allen zu denken geben. Dieses Thema geht uns alle an.

     

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