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Ein paar Gedanken über Hilfe

    Autorin: Luise Kakadu //

    Keine Ahnung, was mich eben geritten hatte.
    Ich habe auf Sexseiten gestöbert.

    Ich weiß nicht wirklich, weshalb.
    Eigentlich wollte ich wohl nur gucken, wer und wieviele Frauen hier in meinem Ort und um mich herum in Not sind – glaube ich.
    Ob es hier Menschen gibt im „Gewerbe“, die vielleicht Hilfe bräuchten.
    Und ich hatte mich auch gefragt, wie das hier in diesem kleinen Ort wohl funktioniert mit der Meldepflicht; den „Aufklärungs- und Beratungsgesprächen“ und den Pflichten des Ordnungsamtes.

    Schon beim 3. Inserat hatte es mich geschüttelt.
    Brechreiz, Zorn, Traurigkeit und eine Flut von Gefühlen kamen über mich.

    Wie können Freier nur glauben, dass diese Frauen irgendetwas „freiwillig“ tun?!
    Wie kann ein Mann es schaffen sich einzureden, dass eine Frau die so aussieht, irgendwelchen Spaß, Freude oder gar Lust daran fühlen könnte, wenn er sie befummelt, belutscht, kratzt, kneift und fickt wie Vieh?!

    Nein, ich will die Frauen nicht abwerten, wenn ich sage, sie sähen soooo aus.

    Aber verdammt nochmal – eine glückliche, zufriedene, starke und seelisch gesunde Frau sieht verdammt nochmal nunmal ANDERS aus.

    Es macht mich traurig.
    Ich denke zurück an mein eigenes Gefangensein in alten Mustern, Traumata und konditionierten Mechanismen.
    Sicher – man merkt durchaus, dass es einem nicht gut geht.
    Man merkt irgendwo und irgendwie, dass „etwas nicht stimmt“.
    Dass man sich Hilfe wünscht, Unterstützung; irgendwas.

    Aber man hat keine Worte.
    Man ist nicht ausreichend bewußt.
    Man kann es nicht formulieren, weil man es auch nicht wirklich fühlen kann.
    Man kann es nicht bezeichnen.

    Und so sucht man vielleicht kopf- und sprachlos nach Hilfe.
    Redet für (Prostitutions-) unerfahrene Helfer wohl wirres Zeug.
    Stammelt irgendwelche Dinge und will einerseits Hilfe haben – andererseits auch nicht.
    Hat keine Ahnung, weshalb und wohin man Hilfe will und wie sie aussehen soll.
    Aber meist will man jenes das angeboten wird, am allerwenigsten.

    Man wird in der eigenen Ohnmacht und Orientierungslosigkeit agressiv.
    Wehrt sich und weigert – weil es gut tut, dass jemand da ist. Aber zeitgleich tut es weh, weil man meint, der andere hört nicht richtig hin.
    Der andere versteht und kapiert nix.
    Dabei versteht man oft SELBST nix.

    Gerade so, als würden ein Blinder und ein Tauber versuchen, sich helfen zu wollen.
    Aber nichts klappt.
    Und man verzweifelt daran auf beiden Seiten.

    Wenn ich mich hier im Ort so umsehe unter all diesen verklebten, in der Kirche laut ihre Christlichkeit bekundenden und doch so engen und kleinbürgerlichen Leuten….
    Wer unter diesen Menschen hier sollte und könnte verstehen, wie das so ist…
    Wenn man schon als Kind dressiert wird Schwänze zu blasen und man auch als Erwachsene noch immer glaubt, das müsse so sein.

    Und doch kann man es kaum noch ertragen und tut es dennoch weiter.
    Immer weiter und weiter.
    Weil man nichts anderes hat.
    Nichts anderes zu sein glaubt.

    Woher soll man dieses „andere“ bekommen?
    Wie kann und darf man es finden?
    All dieses Mehr das man sein kann und ist – außer diesem Schwänze lutschen?!
    Wenn man nur einmal die Chance bekäme, sich auszuprobieren.
    Mutig sein dürfte.
    SEIN dürfte.
    Und sich versuchen in einem „ganz normalen Leben“.
    Zusammen mit anderen „ganz normalen Menschen“.
    Und mit viel Zeit und Geduld.
    Verständnis und Nachsicht.

    Es macht mich traurig.
    So viele Chancen die es gäbe…..
    Aber man kriegt sie nicht.

    Weil es immer irgendwie ums Funktionieren geht.
    Um Erwartungen, Müssen und Sollen.
    Und darum, was ANDERE gerne bequem hätten und einfach.

     

    (c) Luise Kakadu, mehr: https://missbrauchundsexarbeit.wordpress.com/

     

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