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Über Konditionierung und Freiwilligkeit in der Prostitution

    Autorin: Luise //

    Immer wieder kommen mir Sätze in den Kopf, wo andere Menschen Dinge sagten wie:
    „Du hast doch aber gesagt, Du magst das?!“
    „Du hast aber doch gesagt, Du tust das gerne?!“
    „Du hast aber doch gesagt, das ist freiwillig?!“
    „Du hast aber doch gesagt, es macht dir nix aus?!“
    „Du hast aber doch gesagt, Du willst das?!“
    „Du hast aber doch gesagt, ….“

    Wie oft in meinem Leben, schon in den letzten JahrZEHNTEN, ist es wohl vorgekommen,
    dass Menschen sich mit einem programmierten oder für Aufgaben spezialisierten Innen unterhielten,
    das irgendeiner Sache zusagte; versprach, diese zu tun
    – und später dann sagten (einige, viele, manche) Andere, dass es eben NICHT so sei.

    Nein, ich mag das NICHT.
    Nein, das war NICHT freiwillig.
    Nein, ich will das NICHT.
    Nein, das hab ich nie versprochen.

    Und weder der Andere, noch ich selbst, wußte – wußte WIRKLICH – was da eigentlich passiert.

    Wie oft hatte ich Dinge automatisch getan – und anschließend „vergessen“?
    Wie oft waren Konditionierungen gelaufen – ohne, dass ich selbst das überhaupt merkte?

    Wie oft hatte ich zehntausend Fragezeichen unsichtbar über dem Kopf kreiseln, weil ich mich selbst nicht verstand?
    Oder die Anderen?

    Gestern dachte ich kurz mal daran, dass es für mich ganz früher einmal… so Mitte der 90ger, völlig normal gewesen war, pro Schicht 30 Freier zu bedienen.
    Ich verstand nie, worin das Problem liegen sollte?
    Warum fanden Menschen das … ja, wie fanden sie das überhaupt?

    Sie kriegten große Augen und schienen fassungslos.
    Ungläubig.
    Zweifelnd.
    Ich wußte nicht, was sie wohl fühlen.
    Ich wollte mich aber dagegen wehren.
    Es gefiel mir nicht.

    Was soll so besonders sein daran, in 8 Stunden 30 Männer zu ficken?
    Das war NORMAL.

    Heute nun tue ich mich schon schwer, alle 8 Wochen mit dem Mann zu schlafen, den ich liebe.
    Auch DAS scheint NORMAL.

    Heute habe ich Schmerzen, wenn ich nur an Sex denke.
    Meine Hüften brennen und zerren, als würde man mir die Beine hinter dem Rücken verknoten und die Gelenke heraus reißen, wie bei einem knusprigen Hühnchen.

    Mein Anus krampft, meine Scheide brennt und der gesamte Bauch krampft, als gebäre ich ein Kind.

    Ich fühle mich gewürgt, an den Schultern nieder gedrückt, gepackt, festgezurrt und vergewaltigt.

    Egal, wie vorsichtig und zärtlich sich mein Mann mir nähern mag
    – alleine, dass er mich gerne riechen mag – aus 20cm Entfernung – macht Panik und Starre.

    Immer wieder denke ich, dass ich heute all jene Schmerzen fühle, die ich damals nicht hatte fühlen können.

    Und oft, wenn es in mir glaubt, all das sei damals normal gewesen, dann stelle ich mir vor, die vermuteten 30-40 tausend Freier meines Lebens würden sich mit ausgestreckten Armen an den Händen festhalten und an der Straße aufstellen.
    Eine kilometerlange Kette von nackten Männern mit Erektion.

    Und irgendwo läge ein Freier, festgebunden auf dem Gynstuhl.
    Ein besonders widerlicher, gemeiner, gewalttätiger.
    Ein so selbstverständlicher, fordernder, alles benutzender.

    Und all diese anderen Freier aus der Reihe dürfen mit ihm der Reihe nach tun, was sie immer tun. In alle Löcher und so schön „natürlich“, wie sie es mögen.
    In 8 – 12 – Stunden-Schichten.
    So, wie das auch bei den Frauen ist.

    Ich glaube, es bräuchte keine Woche, bis sämtliche Menschenrechtsorganisationen
    sämtliche Männer – und auch Frauen
    toben, wüten und kreischen würden,

    dass man den armen Mann doch befreien müßte.

    Aber für eine Hure ist das völlig NORMAL.
    Schließlich hat sie das doch so GEWOLLT.

    Eigenartig, wie sehr man das vergißt.
    Die Orientierung verliert.

    Das und auch das Andere.

    Wie viele Freier kommen in – je nachdem, wie man es sehen will – 23-27 Jahren „Sexdienstleistung“ wohl überhaupt so zusammen?

    Der erste Freier – nein, Vergewaltiger!!! Er hatte mich ohne Geld aus dem Auto geworfen – mit 16.

    Dann einige Zeit Fotos/Videos.
    Auch Telefonsex.
    Auch „nur“ Massagen.

    Viele mögen das gerne verharmlosen.
    War ja schließlich kein Ficken.

    Und dennoch:
    Man erlebt die Männer als Teufel.
    Man erkennt ihr wahres Inneres.
    Man ekelt sich, vor so viel pervertierter Gewalt.

    Ich hatte Jahre, da fickte ich am Tag sogar 35 – 40 Männer – das sind pro Monat sage und schreibe mehr als 1000 Männer (- Gewalttäter).
    Da gibt das alleine in 1 Jahr schon 12 000.

    Ich hatte aber auch Jahre, da waren es im Monat vielleicht gerade noch 4.

    Wie will man sowas also rechnen?
    Wie will man sich erinnern?
    Erfassen? Begreifen?

    Und wie will man begreifen, dass man all das Geld, das die Freier hierfür gaben, schon zur Hälfte alleine dem „Wohnungsbetreiber“ gelassen hatte?
    Und die andere Hälfte bekam dann fast komplett der „Lebenspartner“.
    Oder Anzeigenplattformen, Gläubiger und Hersteller von Erotikkleidung.
    *Hust*

    Den Schmerz, das Leid, das Elend, blieb am Ende dann für MICH.
    Portionsgerecht aufgeteilt für die nächsten Jahrzehnte.
    „Schöne Erinnerungen“.
    An so viele liebevolle, zärtliche, zugewandte Freier, die sich doch so sehr bemüht hatten, dass auch ICH meinen Spaß habe.

    Wie können Freier nur glauben, dass eine Hure tatsächlich zusätzlich zu all diesem Elend auch noch schöne Orgasmen braucht?

    Erzwungene Orgasmen
    Konditionierte, automatische, gekaufte Orgasmen?
    Orgasmen, die den Freiern beweisen (sollen), wie gut sie sind?!

    Ich bin dennoch dankbar, dass mir all dieser „tabulos-Scheißdreck“, dieses „girlfriend-Getue“ erspart geblieben ist.

    Wenn ich mir nur vorstelle, ich hätte auch noch Sperma schlucken müssen – von 30 tausend Freiern
    Oder mit ihrer „Spucke spielen“ bei „wilden Zungenküssen“.

    Ich glaube, ich wäre längst beim Kotzen erstickt.

    Und da kommen tatsächlich Frauen daher, die behaupten, dass sie bei VÖLLIG INTAKTER, SEELISCHER GESUNDHEIT all das freiwillig und gerne tun.

    Will wirklich irgendwer behaupten, das könne man GLAUBEN??????

    Würde sich nur ein Einziger/eine Einzige jener Menschen, die für die freiwillige Sexwork kämpfen und NICHT selbst Prostituierte/r ist, Betreiber oder anderweitiger Nutznießer dieser Gewalt

    auf diesen oben erwähnten Gynstuhl legen (freiwillig!!!!) und darauf warten,
    dass sich über Jahrzehnte hinweg diese Schlange wartender Freier ihrem Körper widmet?
    Ihnen gut tut und sie mit phantastischen Höhepunkten befriedigt?

    Ein einziger?

    Ist es freiwillige Sexwork,
    wenn bereits in der Kindheit, Väter, Onkels, Mütter, Tanten, Sportlehrer, Kirchenmänner und/oder andere
    diesen kleinen Kinderkörper auf diese
    unsagbar beglückende, befriedigende, wertvolle Arbeit an armen, ungeliebten, schwachen, empfindsamen
    FREIERN
    vorbereitet und trainiert haben?

    Konditioniert und in Körper und Seele hinein gefickt haben, dass dies der einzige und ausschließliche Lebenszweck sei?
    Das Einzige, das man kann?
    Das Einzige, für das man gut ist?
    Die einzige Lebensaufgabe? Lebenszweck und -sinn?
    LIEBE!!!!

    Weil alles andere… dazu ist man eh zu blöd.
    Alles andere… kann man eh nicht.
    Alles andere… hat man garnicht verdient.

    Gehe hin und ficke.
    Und finde darin deine (einzige) Erfüllung.
    So sei es.

    (c) Luise Kakadu

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