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Feministischer Verrat

    Autorin: Ljubow Kollontai

    Es gab mal eine Zeit, da wussten Feministinnen, dass Prostitution nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat. Dies hieß selbstverständlich nicht, dass man Prostituierte zu verachten hatte, sondern, dass die Institution der Prostitution an sich nicht mit den Idealen der Frauenbefreiung zu vereinbaren war.

    Denn: Es hat weder mit Befreiung noch mit Gleichberechtigung zu tun, Männern und ihren Orgasmen unter Zuhilfenahme von Frauenkörpern zu Diensten zu sein. Und jene Männer, die auf ihr Recht auf Prostitution pochen haben eines nicht verstanden: Sie verbauen sich selbst die Chance, für eine wirklich sexuell befreite Gesellschaft einzustehen – eine Gesellschaft, in der Sex dann stattfindet, wenn alle Beteiligten ihn hundertprozentig wollen und genießen.

    Und so ist irgendwann etwas Seltsames geschehen:

    Innerhalb von wenigen Jahrzehnten hat uns das Patriarchat davon überzeugt, dass Prostitution ein Job wie jeder andere ist und feministisches Empowerment darstellt. Der Stunt war genial: Kritik an der Prostitution selbst ist jetzt frauenfeindlich, denn Frauen hätten ja das Recht dazu, ihren Körper Männern zur Verfügung zu stellen!

    Durch Talkshows werden reihenweise glückliche Prostituierte gereicht. Was offenbar nicht verstanden wird: Sie werden vorgeschoben, sind die sympathischen Gesichter einer Kampagne, deren Nutznießende nicht die Prostituierten selbst sind.

    Man kann ja durchaus in der Prostitution reich werden: Nämlich dann, wenn man nicht Prostituierte ist, sondern von Prostituierten profitiert. Die Profiteure sind Bordellbetreiber, Agenturbesitzer und nicht zuletzt natürlich die Freier selbst. Vehement wird das Recht der Prostituierten verteidigt, sich anbieten zu dürfen. Das ist, wofür ihr einsteht, wenn ihr auf Demos geht, Parolen wie “Sexarbeit ist Arbeit” auf eure Schilder schreibt und euch revolutionär fühlt.

    Prostituierte werden entweder als geldgeile Schlampen, gewiefte Unternehmerinnen oder ungebildete, anderweitig nicht Geld verdienen könnende Individuen dargestellt.

    Dabei gibt es sehr viele Gründe, weshalb man sich prostituieren kann. Das Spektrum der Prostituierten ist sehr breit, eine Fixierung auf sie und ihre Beweggründe kontraproduktiv. Deshalb sollte der Fokus auf die Profiteure der Prostitution gelenkt werden, auf Freier und Betreiber. Denn ein Recht auf die Ausbeutung von Frauen lässt sich nicht so einfach verteidigen wie das Recht von Frauen, Geld auf die Weise zu verdienen, die ihnen zur Verfügung stehen.

    Diese einfache Analyse sollte jede feministische Strömung leisten können.

    Auch werden wir auf viele Art und Weisen gegroomt: Sei es durch sexuellen Missbrauch, sei es durch die Gesellschaft, die dir Prostitution als attraktive Alternative vermittelt, sei es dadurch, dass wir ohnehin schon „damaged goods“ sind und Prostitution da keinen Unterschied mehr machen würde.

    Dann kommen da „Feministinnen“, die in ihren Altbauwohnungen mit Parkett Matcha Latte trinken und Texte darüber schreiben, dass Schwangere ein Recht auf Prostitution hätten und dass Sex ja gut zur Geburtseinleitung sei – während man selbst es problematisch findet, dem eigenen Kind Janoschs Tigerente vorzulesen. Weil dort der Frosch dem unbelebten Holzspielzeug Tigerente einen Kuss aufdrückt, ohne explizit um Erlaubnis zu fragen (Teresa Bücker)

    Oder eine Theologieprofessorentochter gone wild wie Madita Oeming, die Seminare zu “Porn Studies” gibt und es laut ihrer Tweets unter Selfcare versteht, Rektumprolaps-Porno zu schauen während sie dabei alleine Omelettes isst. Oder eine Sibel Schick, die keinerlei Expertise besitzt, aber sich sehr laut darum bemüht stets auf der “richtigen Seite” zu sein und die Prostitution glorifiziert. Oder eine “feministische Influencerin” wie Suzie Grimes, die zwei Monate nach Eröffnung ihres Only Fans-Account (“Keine Nacktbilder!”) vom ÖRR zu Sexarbeit als Expertenstimme interviewt wird und Bilder von sich schießt, wie sie irgendwelche Typen in Fetischkleidung vor dem KaDeWe an die Leine nimmt.

    All diese „Feministinnen“ nehmen sich die Frechheit heraus, Prostitutionskritikerinnen, AUCH UNS, DIE WIR EHEMALIGE UND AKTIVE PROSTITUIERTE SIND, als SWERFs zu bezeichnen – also als höchstproblematische „Sex Worker Exclusionary Radical Feminists“.

    Anscheinend gilt: Hört Betroffenen zu, aber nur dann, wenn sie das sagen, was wir hören wollen.

    Lasst euch nicht hinters Licht führen.

    Ich bin unter anderem Prostituierte, Mittel- bis oberes Mittelfeld. Auch immer noch aktiv. Ich persönlich habe auch nicht die schlimmsten Freier.

    Ich weiß, dass die Freier, zu denen ich “Nein” sage, zu denjenigen Frauen gehen, die nicht “Nein” sagen können. Daher ist für mich ein Bekenntnis zum Nordischen Modell und der Solidarität mit jeder einzelnen Prostituierten eine Selbstverständlichkeit. Denn nur das Nordische Modell könnte einen Normenwechsel herbeiführen, dafür sorgen, dass Prostitution nicht mehr so selbstverständlich konsumiert wird wie jetzt. Nur so lässt sich Prostitution langfristig abschaffen – natürlich nicht auf Kosten der betroffenen Prostituierten.

    Wir können eine gleichberechtigte Welt nur dann erreichen, wenn wir schrittweise auf diese zugehen. Und ie Prostitution als das zu erkennen, was sie ist, nämlich ein mit Gleichberechtigung und einem Geschlechterverhältnis auf Augenhöhe nicht kompatibler Überrest der Sklaverei. Das ist, woraus die Prostitution historisch gesehen hervorgegangen ist. Machen wir uns nichts vor, verschließen wir nicht die Augen. Stehen wir gemeinsam ein: Für das Ziel einer Welt ohne Prostitution. Und bitte, liebe fehlgeleiteten “Feministinnen”: Hört auf feministische Werte zu verraten.

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