Texte
Kommentare 3

Absage durch die Organisatoren der “Kritischen Woche” in Bochum

    Autorin: Pani K. – Netzwerk Ella – 25. April 2023

    Liebe Mitstreiterinnen,
    viele von uns sind Gegenwind, Diffamierung und Ausgrenzung gewöhnt. Hier das neueste Beispiel, das mich selbst betrifft:

    Im Februar hat die Ortsgruppe Sisters Dortmund eine Einladung für eine Veranstaltung im Rahmen der “Kritischen Woche” an der Uni Bochum bekommen:
    “Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Unterstützerinnen, geschätzte kritische Akteurinnen des zivilen Engagements, hiermit möchten wir euch herzlich einladen, bei der Kritischen Woche an der RUB (KriWo) als Veranstalterin teilzunehmen. Die KriWo ist die Kritische Woche, die vom Fachschaftsrat Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum organisiert wird. Die KriWo soll dabei Menschen ermöglichen, gesellschaftskritische Strukturen in Bochum kennenzulernen und sich mit anderen zu vernetzen. […] Dabei soll FINTA und Menschen aus marginalisierten Gruppen Vorzug gegeben werden. Wir erhoffen uns einerseits spannende Vorträge zu wichtigen Themen, die interessierten Teilnehmer*innen viele neue Einblicke eröffnen. Gleichzeitig erhoffen wir uns, dass die Gruppen Werbung für sich machen können und Menschen die vielfältigen Möglichkeiten sehen und wahrnehmen können, sich in der Umgebung zu engagieren. Wir würden uns sehr über eure Vorschläge freuen,
    Solidarische Grüße, euer KriWo-Orga-Zentralkomitee des Fachschaftsrat Sozialwissenschaft […]”

    Kurz darauf hat mich Sisters Dortmund als Referentin angefragt und wir haben gemeinsam ein interaktives Konzept speziell dafür erarbeitet, das aus zwei Teilen besteht: Vortrag und Workshop, für insgesamt drei bis vier Stunden.
    Mit diesem Konzept haben wir uns bei der Fachschaft fristgerecht beworben und am 7. März eine Bestätigung bzw. Zusage erhalten:
    “Liebe Sisters e.V. Ortsgruppe Dortmund, wir freuen uns, dass ihr bei den Kritischen Wochen 2023 teilnehmen werdet. Euer Terminslot ist Donnerstag 18-21 Uhr. [27.04.2023] Ort an der Uni, sowie Werbung werden wir gegen Ende des Monats euch schicken können. […]”

    Die Veranstaltung wurde von der Fachschaft aktiv beworben, auch mit Flyern und Plakaten, und es gab bereits erste Anmeldungen für das Workshop.
    Das hat mir Sisters Dortmund als Information dazu weitergeleitet:
    “[…] es gibt bereits 6 Anmeldungen zu deinem Workshop bei der KriWo. Sie haben auch Fragen/Impulse zugesendet, ich leite sie dir mal weiter:

    • Der Veranstaltungstext spricht von sozialen Folgen – Welche Folgen hat das System der Prostitution für das soziale Leben der Frau, aber auch das Soziale der Gesellschaft? Welche Rückschlüsse kann man bspw. auf Weiblichkeits-, Männlichkeits- und Weltbilder schließen?
    • Welche verschiedenen Gesetze und (nationalen) Gegebenheiten begünstigen welche Profiteur*innen? Welche Art von Gesetzgebung sorgt für welche Art von Profit?
    • Welche Risiken birgt es, wenn man Prostitution als etwas Gutes, oder sogar als etwas Feministsches bezeichnet?
    • Inwiefern kann, wenn wir über Prostitution reden, von einem System die Rede sein? Welche Akteur*innen, welche Beziehungen und Machtverhältnisse gibt es? Und wer hat Macht über wen?
    • Wie “gängig” sind – aus Pani K.´´ s Perspektive – Strategien der Selbstverleumdung und des Einredens (nach dem Motto “So schlimm ist es nicht” oder “Ich kann ja jederzeit gehen”), um in diesem System zu überleben?
    • wie und ob man die sozialistischen älteren/Vorgängerpositionen zum Thema Prostitution sich noch einmal ins Gedächtnis rufen und für heutige Kämpfe nutzen kann
    • wie Aufklärungsarbeit darüber zu leisten ist, welche Auswirkung Prostitution auf ALLE Frauen hat
    • wie diese in Diskussionen immer wieder bemühtes Argument “manche machen das aber freiwillig” zu entkräften ist […]”

    Das waren sehr spannende und tiefgehende Fragen und ich habe mir dazu viele Gedanken gemacht.
    Bis am 19. April eine überraschende Nachricht von Sisters Dortmund kam:
    “seit gestern gibt es auf Instagram und Twitter Shitstorm/Cancel-Versuche von Trans-Aktivist*innen gegen SISTERS e.V. und die Veranstaltung bei der KriWo. Wir seien transfeindlich, sexworkerfeindlich, rassitisch… du kennst es ja. Auch du seist transfeindlich, da du Mitglied bei terres des femmes bist.
    Selbstverständlich sind diese ganzen Anschuldigungen an den Haaren herbeigezogen und ohne irgendwelche Fakten/Argumente unterlegt, allerdings wurde zu Protesten digital und analog aufgerufen. Uns ist es wichtig dich darüber zu informieren, da uns dein Sicherheitsgefühl und Wohlbefinden mit am Wichtigsten ist. […] Je nachdem wie sich der Fachschaftsrat und du entscheiden, wäre eine Alternative, dass du den Vortrag ausschließlich digital hält und nicht vor Ort an der Uni ist. Anbei der Post mit Kommentaren der KriWo auf Instagram: instagram.com/p/CqizUqlstMn

    Ich war zwar beunruhigt, habe meine Teilnahme vor Ort gegenüber Sisters Dortmund jedoch erneut bestätigt und umgehend zwei Firmen in Bochum kontaktiert, die bei Veranstaltungen für Sicherheit und Personen-Schutz sorgen, um freie Termine und Konditionen zu erfragen.
    Ich war fest entschlossen, mich nicht einschüchtern zu lassen: “Ich bleibe dabei, dass es in Präsenz stattfindet. Nur online ist bei diesem Konzept nicht möglich. Wenn die Fachschaft absagt, können wir überlegen, ob andere Orte für die Veranstaltung möglich wären. Wenn die Fachschaft stark bleibt, können auch Sicherheits-Kräfte hinzugezogen werden, vorzugsweise weibliche. Das verursacht zusätzliche Kosten, hat sich aber bisher bewährt.”

    Vergebens, denn am späten Abend kam schon die Absage:
    “Betreff: Veranstaltungsabsage Kriwo 2023
    Liebe Sisters e.V. Ortsgruppe Dortmund, auf dem Plenum des Fachschaftsrat Sozialwissenschaft haben wir beschlossen die Einladung an eure Gruppe für die Kriwo 2023 zurückzunehmen. Die Kurzfristigkeit dieser Absage tut uns sehr leid. Wir werden unser Statement morgen Mittag auf unseren Instagram Kanälen veröffentlichen. Hier findet ihr es bereits jetzt:
    Der Fachschaftsrat Sozialwissenschaft versteht sich profeministisch und positioniert sich seit jeher gegen Rassismuss und Transfeindlichkeit. Aus verschiedenen Gründen sind wir zu der Entscheidung gekommen, die Veranstaltung der Sisters e.V. am kommenden Donnerstag, nicht stattfinden zu lassen.
    Wir befinden uns in einem internen Prozess der Auseinandersetzung. Wir verurteilen jegliche transfeindlichen, ableistischen, rassistischen und menschenfeindlichen Kommentare. In unseren Gesprächen haben wir gemerkt, dass wir aktuell einer differenzierten Veranstaltung und dem personellen sowie emotionallen Aufwand dahinter nicht gerecht werden können.
    Wir finden die Diskussion um Sexarbeit und Prostitution wichtig und wollen uns in Zukunft weiterhin damit auseineinder setzen. Wir laden alle Menschen dazu ein, zu den anderen Veranstaltungen der Kritischen Woche vorbeizukommen und in den Austausch mit uns zu gehen.
    Freundliche Grüße der Fachschaftsrat Sozialwissenschaft & die Kriwo AG”

    Darüber wurde ich wiederum durch Sisters Dortmund informiert und habe am nächsten Tag darauf geantwortet: “Ich würde es begrüßen, wenn Sisters das in den (a)sozialen Medien publik macht. Ich halte mich bewusst daraus und habe keine Accounts dort, um mich vor Häme, Hetze und Hass zu schützen. […] Einseitige Diffamierung. Einseitige Entscheidung. Kein Dialog auf Augenhöhe. Ich werde von der Fachschaft als Unperson behandelt.”

    Ortsgruppe Sisters Dortmund hat darauf prompt reagiert, mit eigener Stellungnahme. Es gab wohl auch viele solidarische Reaktionen in den sozialen Netzwerken bzw. Medien dazu. Vielen Dank für den Beistand und die Solidarität, auch wenn ich es nicht lesen kann!

    Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, dass kritische Frauenstimmen zugelassen, toleriert und gehört werden. Der männer-rechtliche Terror nimmt zu, der “roll back” wird immer massiver, die Repression erfasst auch Personen und Themen, die nichts mit der Transgender-Debatte zu tun haben. Denn ich habe mich noch nie öffentlich mit dem Thema “Transgender” befasst oder dazu gearbeitet. In meinem Vortrag über das System Prostitution kommt das Wort “trans” nicht mal vor.
    Mir wurde tatsächlich die “Kontakt-Schuld” zum Verhängnis: Ich bin beim Netzerk Ella aktiv und auch Mitfrau bei Terre des Femmes – und diese seien “transphob”. Das hat gereicht, um meine Kritik auszuschalten, um meine Rede-Freiheit einzuschränken, um meine Arbeit und Zeit nicht zu bezahlen, um mit mir nicht mal ein Wort zu reden, um mich ohne eine Entschuldigung auszuladen und letztlich auszugrenzen.

    Soll ich das persönlich nehmen, obwohl weder Menschen, die mich verleumdet haben, noch Menschen, die mich ausgeschlossen haben, mich kennen oder mit mir gesprochen haben?
    Soll ich dieses Vorgehen und diese Menschen nun in Analogie zum Akronym “TERF” als “FERM” (Frauen exkludierende radikale Maskulinisten) bezeichnen und verurteilen?
    Soll ich mich mit diesen Menschen streiten, die kritische Stimmen weder respektieren noch wertschätzen?
    Soll ich mich rechtfertigen gegen die Vorwürfe, die keine sind?
    Das ist unter meiner Würde und auch unerträglich absurd und müßig…

    Wir, Frauen aus der Prostitution, sprechen für uns selbst. Es ist heute immer noch wie vor 100 Jahren: Unsere Bühne sind Straßen, unsere Stimmen sind viele, unsere Worte sind stärker als Gewalt!
    Ich rufe heute erneut, wie die schwedischen Abolitionistinnen im Jahr 1999 riefen: Frauen-Frieden! Wir brauchen Frauen-Frieden, in Deutschland und weltweit.
    Frauen sind die Hälfte und die Quelle der Menschheit. Und Frauen sind ein Garant für Leben, Freiheit und Frieden – für alle Menschen.
    Lasst Frauen sprechen!

    3 Kommentare

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert