Neueste Artikel

Ein paar Gedanken über Hilfe

    Autorin: Luise Kakadu //

    Keine Ahnung, was mich eben geritten hatte.
    Ich habe auf Sexseiten gestöbert.

    Ich weiß nicht wirklich, weshalb.
    Eigentlich wollte ich wohl nur gucken, wer und wieviele Frauen hier in meinem Ort und um mich herum in Not sind – glaube ich.
    Ob es hier Menschen gibt im „Gewerbe“, die vielleicht Hilfe bräuchten.
    Und ich hatte mich auch gefragt, wie das hier in diesem kleinen Ort wohl funktioniert mit der Meldepflicht; den „Aufklärungs- und Beratungsgesprächen“ und den Pflichten des Ordnungsamtes.

    Schon beim 3. Inserat hatte es mich geschüttelt.
    Brechreiz, Zorn, Traurigkeit und eine Flut von Gefühlen kamen über mich.

    Wie können Freier nur glauben, dass diese Frauen irgendetwas „freiwillig“ tun?!
    Wie kann ein Mann es schaffen sich einzureden, dass eine Frau die so aussieht, irgendwelchen Spaß, Freude oder gar Lust daran fühlen könnte, wenn er sie befummelt, belutscht, kratzt, kneift und fickt wie Vieh?!

    Nein, ich will die Frauen nicht abwerten, wenn ich sage, sie sähen soooo aus.

    Aber verdammt nochmal – eine glückliche, zufriedene, starke und seelisch gesunde Frau sieht verdammt nochmal nunmal ANDERS aus.

    Es macht mich traurig.
    Ich denke zurück an mein eigenes Gefangensein in alten Mustern, Traumata und konditionierten Mechanismen.
    Sicher – man merkt durchaus, dass es einem nicht gut geht.
    Man merkt irgendwo und irgendwie, dass „etwas nicht stimmt“.
    Dass man sich Hilfe wünscht, Unterstützung; irgendwas.

    Aber man hat keine Worte.
    Man ist nicht ausreichend bewußt.
    Man kann es nicht formulieren, weil man es auch nicht wirklich fühlen kann.
    Man kann es nicht bezeichnen.

    Und so sucht man vielleicht kopf- und sprachlos nach Hilfe.
    Redet für (Prostitutions-) unerfahrene Helfer wohl wirres Zeug.
    Stammelt irgendwelche Dinge und will einerseits Hilfe haben – andererseits auch nicht.
    Hat keine Ahnung, weshalb und wohin man Hilfe will und wie sie aussehen soll.
    Aber meist will man jenes das angeboten wird, am allerwenigsten.

    Man wird in der eigenen Ohnmacht und Orientierungslosigkeit agressiv.
    Wehrt sich und weigert – weil es gut tut, dass jemand da ist. Aber zeitgleich tut es weh, weil man meint, der andere hört nicht richtig hin.
    Der andere versteht und kapiert nix.
    Dabei versteht man oft SELBST nix.

    Gerade so, als würden ein Blinder und ein Tauber versuchen, sich helfen zu wollen.
    Aber nichts klappt.
    Und man verzweifelt daran auf beiden Seiten.

    Wenn ich mich hier im Ort so umsehe unter all diesen verklebten, in der Kirche laut ihre Christlichkeit bekundenden und doch so engen und kleinbürgerlichen Leuten….
    Wer unter diesen Menschen hier sollte und könnte verstehen, wie das so ist…
    Wenn man schon als Kind dressiert wird Schwänze zu blasen und man auch als Erwachsene noch immer glaubt, das müsse so sein.

    Und doch kann man es kaum noch ertragen und tut es dennoch weiter.
    Immer weiter und weiter.
    Weil man nichts anderes hat.
    Nichts anderes zu sein glaubt.

    Woher soll man dieses „andere“ bekommen?
    Wie kann und darf man es finden?
    All dieses Mehr das man sein kann und ist – außer diesem Schwänze lutschen?!
    Wenn man nur einmal die Chance bekäme, sich auszuprobieren.
    Mutig sein dürfte.
    SEIN dürfte.
    Und sich versuchen in einem „ganz normalen Leben“.
    Zusammen mit anderen „ganz normalen Menschen“.
    Und mit viel Zeit und Geduld.
    Verständnis und Nachsicht.

    Es macht mich traurig.
    So viele Chancen die es gäbe…..
    Aber man kriegt sie nicht.

    Weil es immer irgendwie ums Funktionieren geht.
    Um Erwartungen, Müssen und Sollen.
    Und darum, was ANDERE gerne bequem hätten und einfach.

     

    (c) Luise Kakadu, mehr: https://missbrauchundsexarbeit.wordpress.com/

     

    Die Zustelladresse

      Autorin: Susan //

      Die neue Gesetzeslage für prostituierte Frauen und Bordellbetreiber in Deutschland treibt wundersame Blüten.

      Nicht genug, dass kaum ein Bundesland richtig weiß was es genau zu tun hat, nein, auch die Akteure des Rotlichts und die, an denen sie gut verdienen – in dem Fall die Frauen und auch Männer die jeden Tag ihren Körper verkaufen müssen –  sind angestrengt von dem Bemühen herauszufinden, wie man sich nun richtig zu verhalten hat.

      Selbstverständlich müssen Prostituierte Steuern zahlen. Es ist schließlich ein ehrenwerter Beruf, den es schon sehr lange gibt, ja fast so lang wie die Menschheit selbst. So die Legende. Und weil dieser Beruf so ehrenhaft und geachtet ist, ist er mit einer ganzen Menge Fallstricke bestückt.

      Zum einen verlangt das neue Gesetz nun eine feste Meldeanschrift für gewerblich tätige Personen. Soweit so gut. Viele Prostituierte haben aber keine Anschrift, oder keine in Deutschland, weil sie selbst reisen oder herumgereist werden, von ihren „Freunden“ und „Managern“. Schließlich will der Kunde Frischfleisch und doch bitte nicht immer dasselbe im Laden.

      Aus diesem Grund hat ein ehrenwerter Geschäftsmann den armen Damen und wenigen Herren jetzt beigeholfen: mit der Zustelladresse.

      So wunderbar einfach. Wenn man keine Wohnung hat oder der liebe Ehemann zuhause nichts erfahren darf nutzt man für nur wenige Euro im Monat oder ganze 99 Euro im Jahr Grundgebühr die Angebote der „Zustelladresse“. Dort wird dann alle Post gebündelt und an die Kundinnen per Whatsapp weitergeleitet. Nun mag der geneigte Leser sich fragen, wie es datenschutzrechtlich möglich ist, Missbrauch mit diesen sensiblen Daten zu vermeiden, doch dazu wird man auf der Seite leider nicht fündig. Lediglich der Hinweis, dass sich in den Geschäftsräumen in Süddeutschland nur „autorisiertes Personal“ aufhalten darf, ist auf der Website des Betreibers zu lesen.

      Fakt ist aber, und das ist wirklich beruhigend, die Sache ist verwaltungsrechtlich geprüft und für sehr gut befunden worden. Das erübrigt sicherlich kritische Fragen in  punkto Datenschutz und Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Und mal ganz ehrlich – es sind doch nur Prostituierte, also genau jene Menschen, die diesen ehrbaren Beruf ausüben, der von keinerlei Nachteilen geprägt ist – an dieser Stelle sei mir etwas Sarkasmus verziehen.

      Den Staat kann und wird es freuen. Endlich entgehen ihm keine Steuereinnahmen durch säumige Zahlungen mehr. Jederzeit können nun auch Frauen, die zu arm sind oder denen es aus anderen Gründen nicht möglich ist, sich eine Wohnung in Deutschland zu suchen, belangt werden.

      Die Idee der Zustelladresse ist oberflächlich betrachtet wirklich grandios. Auf den zweiten Blick ist sie absolut zynisch und menschenverachtend. Selbst Frauen (und wenige Männer), die nicht in der Lage sind, aus welchem Grund auch immer, ihre Post in ihren eigenen 4 Wänden zu erhalten, werden nicht etwa vom Staat unterstützt, mit Ausstiegsangeboten, sozialem Wohnungsbau und Weiterbildungsmaßnahmen. Nein, Menschen die unter so unwürdigen Bedingungen leben müssen, weil sie nicht anders können, weil es nicht anders geht, werden so noch weiter in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Das Problem wird nicht ansatzweise dadurch gelöst, dass man einfach eine Zustelladresse hat. Nein, das zeigt im Kern das wahre Problem der Prostitution:  prostituierte Frauen sind einfach nichts wert. Es gilt lediglich, die Profiteure zu hofieren und die Einnahmen weiter zu sichern. Gesetze werden mit rechtlich fragwürdigen Mitteln einfach unterlaufen. Und an der Situation der Frauen und aller anderen Opfer der Prostitution ändert sich nichts. Sie werden vielleicht irgendwann von Amtes wegen aufgefordert, eine Zustelladresse zu buchen, und ihre Post von unbekannten Dritten lesen zu lassen, um sie dann von unsicheren Diensten wie Whatsapp oder Mail versenden zu lassen.

      Prostituierte Frauen befinden sich nicht nur wegen ihres „Jobs“ in einer Notlage, sondern auch wegen der deutschen Gesetzeslage dazu, Fallstricke, drohende Bußgelder, Verwarnungen allerorten. Und dafür, dass sie in so einer Lage sind, dürfen sie jetzt auch nochmal 99 Euro pro Jahr zahlen. Denn wen könnte man besser abzocken als eine prostituierte Frau? Sie kann sich kaum wehren.

      Prostitution ist eben kein Job wie jeder andere. Nur in diesem ausbeuterischen Milieu können solche Unternehmungen unter dem Deckmantel der Gutmütigkeit hervorgebracht werden. Dies sollte allen zu denken geben. Dieses Thema geht uns alle an.

       

      Pressemitteilungen zu den bundesweiten Bordellrazzien am 18. April 2018

        Am Mittwochmorgen hat die Bundespolizei  mit über 1.500 Beamten (BeamtInnen?) in einer bundesweiten Aktion 62 Bordelle gestürmt. 100 Personen sind festgenommen worden, davon 17 Hauptverdächtige. Die Aktion gilt als größte Zugriffsmaßnahme seit Bestehen der Bundespolizei. Die prostituierten Frauen und Ladyboys kamen allesamt aus Thailand.

        Der Vorwurf gegen die Hauptbeschuldigten lautet auf Menschenhandel, Zwangsprostitution, Schleusung und von Arbeitsentgelt.

         

        Wir vom Netzwerk Ella, der Aktionsgruppe für Frauen aus der Prostitution, haben dazu Folgendes zu sagen: Weiterlesen

        Was wir von unseren Verbündeten erwarten

        • Flag
        • Flag

        ein gemeinsames Statement von Ella, der Aktionsgruppe für Frauen aus der Prostitution

        Leider sind auch unsere Verbündeten, also Menschen, die sich für uns Prostituierte engagieren und sich gegen Prostitution aussprechen, nicht immer frei davon, uns unabsichtlich zu verletzen.

        Wir wünschen uns…

        * dass die Tatsache, dass wir uns aufmachen und von unseren seelischen und emotionalen Verletzungen oder von unserer Posttraumatischen Belastungsstörung erzählen, nicht dazu führt, dass wir nicht mehr ernstgenommen werden oder dass wir Sprüche kriegen wie „mach erstmal eine Therapie“ oder „das ist deine gestörte Wahrnehmung, das bildest du dir ein“.
        Dass jenes, was wir über unsere seelischen Wunden sagen, gegen uns verwendet wird, sobald wir etwas sagen, dass anderen nicht passt, ist ganz schlechter Stil.
        Nur mal nebenbei: jede Frau hat im Patriarchat so ihre Traumata erlitten. Das macht sie nicht unzurechnungsfähig.

        * dass wir nicht als „emotional labil“ bezeichnet werden, wenn wir sagen, unter welchen Bedingungen wir wieder einsteigen würden bzw. wenn wir uns mit diesem Gedanken tragen.
        Hört lieber zu, wenn wir von den Gründen berichten, die uns in die Prostitution (wieder-)einsteigen lassen würden – denn damit zeigt sich doch, was gebraucht wird, um die Prostitution abzuschaffen!
        Wir wollen nicht beäugt werden wie ein Sonderling; dass man nicht als “Das Opfer“ gilt, und auf einmal alle betroffen gucken und schweigen, wenn man vom Job erzählt.
        Wir sind Opfer, aber wir sind auch Frauen die sich aus Gründen für Prostitution entschieden haben. Aber wir können klar denken, wir haben Ziele und übernehmen Verantwortung wie jede andere auch. Auch und vor allem wenn wir Familie haben, die wir durchbringen müssen.
        Wir möchten nicht, dass wir in absoluter Armut versacken und unsere Kinder keine Winterschuhe haben können. Nein, wir möchten, dass es uns finanziell ok geht und oftmals ist Prostitution auch für Mütter der einzige Weg!
        Weil sie sonst zu wenig verdienen oder die Arbeitszeit niemals zu den Kitazeiten passen würde.
        Oder weil wir Schulden von Männern gutgläubig übernommen hatten, bevor sie uns verließen und nun keiner hilft, das Problem zu lösen.
        Alleine das ist förderlich für Prostitution. Das sollten unsere Verbündeten mit aufgreifen.
        Wir versuchen zu überleben.

        Wir haben lange gekämpft, um zu überleben.
        Gekämpft, um Therapien zu bekommen und Anerkennung als Opfer.
        Gekämpft, um uns aus der Prostitution alleine zu befreien, weil keiner da war der half.
        So sind wir zwar traumatisiert und Gewaltopfer – haben jedoch gerade hierdurch großes Wissen, Erfahrungen und Ressourcen, welche ernst zu nehmen sind und Respekt verdienen auch von jenen, welche lieber weg sehen.
        Es wird uns nicht gerecht, nur mal so nebenbei angehört und doch nicht ernst genommen zu werden.

        * dass aufhört, dass wir nur ernstgenommen werden (und benutzt und vorgezeigt), wenn wir sagen was von uns erwartet wird („es war immer alles schrecklich / ich würde es nie wieder tun“ etc.). Es sollte nicht, wie es jetzt manchmal ist, darum gehen, dass wir sagen sollen was andere hören wollen – ansonsten werden wir nicht ernstgenommen oder sind „der Feind“.
        Es geht darum, uns zuzuhören. Das ist auch eine Frage von Respekt.  Wir sind nicht dafür da, zu sagen was andere hören wollen bzw. als Beweis dafür benutzt zu werden, wie schrecklich Prostitution ist, während wir zeitgleich mundtot gemacht werden, wenn wir Dinge sagen, die vielen nicht passen: z.B. dass Prostitution zwar die einzige, aber eben eine Option ist, die man uns nicht wegnehmen sollte ohne Alternativen anzubieten
        / z.B. dass wir unter bestimmten Umständen auch wieder einsteigen würden
        / z.B. dass es in der Prostitution eben AUCH gute Dinge gab, wie das Schnattern mit Kolleginnen im Puff, das Geld, das Doppelleben
        – auch wenn die schlechten Seiten natürlich eindeutig überwogen haben.
        Es wäre schön, wenn jenes, was wir Frauen uns im Aufenthaltsraum eines Bordells erzählen, auch in der Öffentlichkeit gesagt werden könnte und dürfte!
        Denn dort ist sichtbar, warum die Frauen eben tun, was sie tun.

        * dass wir nicht gespalten werden in freiwillige und unfreiwillige Prostituierte,
        in Vollzeitprostituierte und Hobbyhure,
        in deutsche und ausländische Prostituierte
        – dass wir nicht Sachen wie „Du als Deutsche / Studentin / kluge Frau hättest doch Alternativen gehabt“
        oder „mit deutschen Frauen habe ich kein Mitleid, die können doch HartzIV beantragen“
        oder das abgelutschte Klischee der sich ein Taschengeld verdienenden Studentin an den Kopf geknallt kriegen.
        Denn niemand kann in uns reinschauen, und wir schulden es auch keinem, andere in uns reinschauen zu lassen – die Gründe für Prostitution sind bekannt: Armut, Gewaltvorerfahrung, dritte Personen die beim Einstieg helfen.
        Die Spaltung in „arme, gezwungene ausländische Prostituierte“ und „freiwillige, selbstständige deutsche Prostituierte“ muss aufhören, denn sie entspricht nicht der Realität, beleidigt uns und ist ein impliziter Vorwurf, sowie ein „selber schuld“.

        * dass nicht auf uns herabgeschaut wird á la „Du hast es aus Armut getan, ICH würde ja lieber hungern als die Beine gegen Geld breitzumachen“ – Prostituierte als moralisch minderwertig zu sehen ist ekelhaft.
        Wenn Du Dich nie prostituieren musstest, freu Dich halt drüber.

        * dass mit Prostituierten, die eine andere politische Meinung haben als wir (nämlich z.B. dass Prostitution nicht schlimm sei und legalisiert gehöre) diskutiert wird, aber sachlich und argumentativ und OHNE dass ihnen ihre Prostitution vorgeworfen wird als „sie machen es ja gerne“, als „freiwillig“, sind quasi Täterinnen weil Schuld daran, dass die Gesellschaft Prostitution verharmlost) usw.
        Frauen in der Prostitution sind vulnerabel und haben oft wenig Handlungsmöglichkeiten.
        Es muss klar sein, dass daran, dass es Prostitution gibt, nicht die Frauen schuld sind, die sie ausüben, sondern jene, die sich ohne Not entscheiden, diese Lage auszunutzen.
        KEINE Frau gehört für ihre Prostitution beschämt.
        KEINE Frau gehört beschuldigt.
        Ihr könnt alle nicht ins uns reinschauen, und wir schulden euch keine Erklärung für unsere Prostitution, also haltet euch mit Urteilen besser zurück. Davon mal abgesehen: gerade aktive Prostituierte können sich gar nicht leisten, (öffentlich) zu sagen, dass sie es nicht gerne machen!

        * und dass aufgehört wird zu sagen, es ginge doch nicht um die „freiwilligen Sexarbeiterinnen“ in der Debatte, sondern um die „armen ausländischen Zwangsprostituierten“
        – denn es geht um uns ALLE in der Prostitution.

        * dass wir nicht auf unsere Prostitution beschränkt werden.
        Es ist wirklich die Pest, als „die Prostituierte“ auf Veranstaltungen angekündigt zu werden, die mal kurz ihre Opfergeschichte erzählen darf und nach uns diskutieren dann „die ExpertInnen“, als PsychologInnen, SozialarbeiterInnen etc. über die „wirklich wichtigen Fragen und die Fakten“.
        Wir sind kein schmückendes Beiwerk.
        Wir sind auch Expertinnen!
        Und den Unterton von „du als Prostituierte kannst das ja alles gar nicht durchblicken oder abstrahieren oder durchdenken, du bist halt bloß ´ne dumme Hure“ abzukriegen, zeigt halt auch, dass manche ProstitutionsgegnerIn nochmal reflektieren sollte.
        Wir können sehr wohl auch denken, wir sind sehr wohl auch politisch, wir haben nicht selten auch studiert.
        Kein Grund also, sich cleverer vorzukommen als wir.
        Davon mal abgesehen: wir sind hier auch nicht im Zirkus, wo Vorführungen mit ach so aufregenden Skandalen für die bürgerlichen Damen und Herren, die sich mal ein bisschen gruseln wollen, stattfinden, die mal in den Abgrund schauen wollen und nachher wieder ins Alles-wie-immer-Heim zurückkehren.
        Solidarische Verbündete sehen uns auf Augenhöhe!

        * dass uns unsere Zeit in der Prostitution nicht vorgeworfen wird. Sprüche wie
        „Guck dich doch mal an!!!“
        „Du siehst doch gut aus!!!“
        „Du kannst doch Deutsch!!! – Für dich gibt es IMMER Alternativen!!!“
        „So schlimm kann das doch nicht gewesen sein!!! – sonst hättest Du das gar nicht so lange gemacht / überlebt / ausgehalten“
        „Du hättest dich doch wehren können!!!“
        „Du hättest doch schon viel früher Hilfe suchen können!!!“
        „Streng dich doch einfach mal ein bißchen an!!“
        „Warum hast Du nicht einfach eine g´scheite Ausbildung gemacht?!“
        sind null hilfreich und ändern nichts.
        Wir sind nicht bescheuert, wir brauchen keine Belehrungen von Leuten die denken sie seien die ExpertInnen über UNSER Leben.
        Wir haben in jedem Moment unseres Lebens das Beste gegeben und getan, innerhalb der Möglichkeiten, die uns zur Verfügung standen. Wenn das Ergebnis nur Prostitution war, sagt das mehr über unsere Lebensumstände und Optionen aus; über das Wegsehen anderer
        – als über uns als Person.

        * dass unsere Grenzen akzeptiert werden.
        Wir erwarten von unseren Verbündeten, dass sie uns nicht unter Druck setzen, um uns im politischen Kampf zu verheizen. Wir erwarten, dass unsere Grenzen akzeptiert werden, dass wir nicht bloßgestellt und bewusst Risiken wie einem Outing ausgesetzt werden, dass wir nicht gedrängt werden, etwas zu tun, was wir (noch) nicht wollen.

        * dass wir nicht darüber belehrt werden, wie unsere Prostitution denn so war, was wir für Erfahrungen gemacht und wie wir sie einzuordnen haben.
        Ihr könnt nicht mit unseren Augen sehen und unsere Seelen fühlen. Ward ihr dabei?

        Wir kennen viele Verbündete, Frauen und Männer, die uns auf Augenhöhe sehen, uns akzeptieren, unsere Grenzen respektieren, uns zuhören und mit uns gemeinsam für Prostituierte und gegen das System Prostitution  kämpfen.
        Wir wünschen uns mehr davon! <3

        Eure Ellas

        Wiedereinstiegsgedankenkreisel

          Jede exprostituierte Frau, die ich kenne, hat sie irgendwann: die Gedanken, wieder in die Prostitution einzusteigen.

          Aber warum?

          Jedes Mal, wenn ich öffentlich über Prostitution spreche, oder überhaupt über Prostitution spreche, erst recht, wenn ich mit Frauen rede, die noch aktiv sind, triggert es mich unglaublich, und ich bekomme schrägerweise das Bedürfnis, wieder anschaffen zu gehen.

          Ich kann es mir nur so erklären, dass anschaffen gehen eben Teil meiner Konditionierung ist, mich selbst zu verletzen, und dass ich eben über diesen Selbstverletzungsteil noch nicht hinweg bin.
          Ist wie wenn man mit dem Rauchen aufhört… Und sich plötzlich so unbekannt gesund und voller Energie fühlt. Das Bedürfnis bekommt, das wieder kaputtzumachen, eine ganze Schachtel am Stück zu rauchen, um nicht mehr so heil zu sein, weil man das heil sein nicht aushält.

          Es ist seltsam, in diesem Moment vergesse ich vollkommen all die negativen Seiten der Prostitution. Ich denke nur daran, dass es mir so bekannt ist… Wohingegen ich mich in dem Leben, das ich jetzt führe, ja fremd fühle, ich passe nicht zu den Menschen, nicht zu den Lebensentwürfen, ich bin Außenseiterin, habe nie dazugehört und werde nie dazugehören.

          (…) Diesen Text weiterlesen auf www.huschkemau.de

          Die arme und die nicht arme Prostituierte

            Autorin: Edda //

            Oder: Die Zwangsprostituierte und die “freiwillige” Prostituierte

            Oder: What the fuck

            Zwei Dinge kamen in Diskussionen um Prostitution neuerdings immer wieder auf.

            1. Es gehe nicht um die “weiße, freiwillige deutsche Prostituierte, die sich nebenbei ein Taschengeld verdient”, sondern um Zwangsprostituierte und Frauen, die sich aus Notlagen heraus prostituieren.
            2. Die Forderung, bis wir das Nordische Modell durchgesetzt hätten, müssten wir auf die straffe Umsetzung des ProstSchG pochen, denn dies sei wenigstens etwas und besser als nichts.

            Dazu habe ich als ehemals prostituierte Frau Folgendes zu sagen:

            Ich möchte Prostitution abschaffen.

            Und will sie keiner einzigen Frau zumuten. Ich wiederhole: keiner.

            Auch nicht der “Freiwilligen” oder der, die sagt, sie habe ein Recht dazu, sie wolle das so, auch nicht der weißen deutschen Studentin, die sich damit ihr Studium finanziert. Weil es keinen Unterschied macht.

            „Ja, aber die weiße deutsche “freiwillige” Prostituierte …“

            Ja, was aber?

            Selbstverständlich respektiere ich die Frau, die das sagt und ihre “Entscheidung”. Aber ich spiele das damit verbundene Leid nicht herunter – auch wenn sie es gegenwärtig noch anders sieht. Ich weiß um die Umstände, die so eine „Entscheidung“ bedingen, es könnte sich – by the way – um Zwang handeln – ich sag’s ja nur.

            Fangen wir ernsthaft diese Diskussion (wieder) an? Auszuklamüsieren, was nun Zwang ist und was nicht?

            Wann habe ich angefangen zu pennen, um nicht mitzukriegen, dass wir uns ob der Basics immer noch nicht klar respektive einig sind?

            So zu tun, als leite sich aus Parametern wie weiß, Sprachkenntnisse, deutsche Staatsangehörigkeit die Legitimation einer Zweispaltung ab, nämlich in arme ausgebeutete Zwangs-Prostituierte vs. „gut situierte“ (oder wie auch immer andere) Prostituierte, ist naiv, zynisch und entbehrt jeder feministischen und wissenschaftlichen Grundlage. Sie lässt Faktoren außen vor, die maßgeblich mitbedingen, ob wir prostituiert werden.

            Wissen wir eigentlich auch schon längst – dachte ich.

            Prostitution ist etwas, was keiner Frau zugemutet werden darf.

            Sie muss weg.

            Es gibt objektive Kriterien, die definieren, was sexuelle Ausbeutung ist. Prostitution ist sexuelle Ausbeutung. Durch eine Umdefinition, die im Grunde das Ende des Herunterbrechens auf die subjektive Ebene ist, nämlich: ich fühle mich nicht ausgebeutet (ich finde es empowernd, ich mache das gerne, etc.), wird die Ausbeutung nicht weniger Ausbeutung. Durch die Spaltung von außen in die, die zwangsprostituiert wird und die, die es „freiwillig tut“, wird die Ausbeutung auch nicht weniger Ausbeutung. So oder so: die Folgen für die Frau und nicht zuletzt für die Gesellschaft bleiben gravierend, ja katastrophal.

            Prostitution schadet. Prostitution tötet. Prostitution macht den Körper und die Seele kaputt. Oft ein Leben lang.

            Diese Dichotomie ist gewaltvoll, denn sie impliziert, dass es eben ein Teil Frauen gibt, denen das zugemutet werden darf. Ergo: auch euch, dir, der (weißen) deutschen Frau neben dir, deiner weißen deutschen Mitaktivistin, die noch studiert und super toll Deutsch spricht und/oder sich mit dem „Spaßfaktor“, sich ficken zu lassen, ihr Essen und ein Bett zum Schlafen finanziert – mit rauschenden Nebeneinkünften (ernsthaft?) – euch, dir, ihr, uns darf das zugemutet werden. Oder durfte uns zugemutet werden oder darf uns gegenwärtig zugemutet werden. Oder woher wisst ihr, dass die Frau neben euch nicht auch prostituiert wurde/wird. Ist euch das eigentlich klar?

            Natürlich ist es wichtig, die Faktoren zu benennen, die Frauen mehrheitlich in die Prostitution bringen. Natürlich ist es wichtig der Tatsache ins Auge zu sehen, welche Frauen mehrheitlich in der Prostitution sind. Das machen wir aber auch schon seit gefühlt hundert Jahren (Prostitution: Mehrfachunterdrückung par excellence) und das hat, zumindest in „unseren Reihen“ niemand negiert. Es wäre nahezu bescheuert und grenzenlos ignorant, das zu tun.

            Aber heißt eben nicht ohne Grund Mehrfachdiskriminierung.

            Prostitutionsüberlebende und PsychotraumatologInnen schreiben sich dazu die Finger wund, aber was hat es gebracht?

            Zwei Freundinnen von mir haben vor knapp 14 Jahren Suizid begangen, beide waren in ihrer Kindheit/Jugend unermesslicher sexueller, körperlicher und anderweitiger sadistischer Gewalt ausgesetzt, beide hatten eine komplexe PTBS, die eine in der Ausprägung einer Borderline-Störung, die andere in der Ausprägung einer DIS. Die eine kam aus „gut-bürgerlichen“ Verhältnissen, die andere aus der Armutsklasse. Was sie sich teilten, war ihr Geschlecht und ihre verinnerlichten Gewaltdynamiken, über deren Reinszenierung in der Prostitution sie sich u. a. die Kontrolle zurück versprachen. Eine andere junge Frau, der oberen Mittelklasse entstammend, Vater CDU-Politiker, schwere neurologische Behinderung (der Vater hatte sie an die Wand geworfen), war, nachdem sie von zu Hause weggelaufen war, einfach durch das soziale Netz gefallen. Was lag da näher, als sich zu prostituieren? Alle 3 weiß, deutsche Muttersprachlerinnen, zwei mit hohem Bildungsabschluss, eine Medizinstudentin.

            10 Jahre später erst sollte ich begreifen, was das eigentlich bedeutete, was sie – mir – gesagt/gezeigt hatten – auch für mich. Es ist nicht schön, das zu erkennen – es ist der Horror.

            Ihr alle solltet das tun: Begreifen, dass diese Geschichten euch alle betreffen, ob ihr wollt oder nicht, und diese Geschichten zur Gewaltseite der Prostitution dazugehören. Unausweichlich.

            Was soll ich jetzt also damit anfangen, dass in epischer Breite erklärt wird, wo die ach so fetten Unterschiede zwischen diesen zwei Schubladen sind, in die man prostituierte Frauen auf Teufel komm raus reinstecken will?

            Eine Sache habe ich genannt, ich (als weiße deutsche Frau, die fließend Deutsch spricht) darf dem Prostitutionsmarkt zum Fraß vorgeworfen werden. Der Ausstieg? Naja, schon auch so‘n bisschen schwer, aber diese unfassbaren Möglichkeiten!!

            Grandiose Aussichten – so ‘ne Schwanzlutscherei gegen Geld. So als Privilegierte, mit Zugang zum Sozialsystem… ist das so, ja? Betrachten wir HartzIV jetzt als “soziale Hängematte”? Obwohl HartzIV für viele Frauen bedeutet, in die Prostitution einsteigen zu müssen, um halbwegs zurechtzukommen? Wo bitteschön ist der Anspruch auf Bafög lebensunterhaltssichernd, wenn einem das soziale Netz fehlt und man keinen Menschen hat, der einen unterstützt, vielleicht auch nicht fähig ist, nebenbei zu arbeiten oder noch ehr zu arbeiten? Was sagt das denn aus, ob eine Frau hierzulande Anspruch auf HartzIV, Bafög, Rente oder sonstwas hat? Reicht das zum leben? Wird es auch ordentlich durchgesetzt? Was sagt das überhaupt aus, Anspruch zu haben? Wann werden wir begreifen, dass ein Anspruch auf dem Papier oft eben auch nur auf dem Papier bleibt und dass viele “Hilfeleistungen” in Wirklichkeit Regelung GEGEN Bedürftige sind?

            Können wir mal wieder über die Klasse Frau sprechen?

            Das zweite ist eine Schlussfolgerung, die ich schon sehr sehr lange mit mir herumtrage und Mira hat darüber auch schon einmal geschrieben. Ich nehme an, es liegt an der mangelnden Selbstreflexion, dass es jede von uns treffen könnte oder jede von uns hätte treffen können. Mit der ganz bestimmten Konstellation hätten wir alle, du, sie neben dir, deine Mitaktivistin, deine Freundin, deine Mutter, deine Tochter auch gegen Geld Schwänze lutschen müssen. Aber mir scheint, dass das einigen so dermaßen fremd und fern erscheint. Ich lese das zwischen den Zeilen, immer dann, wenn dieses _ihr_ und _wir_ so überproportional betont wird. Ihr da, ihr Anderen aus der Sphäre der Gesellschaft, die wir nie betreten würden, die es nicht auf die Kette gekriegt haben, was _mir_ ja niemals passieren könnte. Also _mir_ könnte sowas nie passieren.

            Ich sehe dich zwar, aber zwischen uns ist eine Wand, die unsere Leben fein säuberlich voneinander trennt.

            Eher mache ich sonst was, als meine Würde zu verkaufen – wurde auch schon so gesagt.

            Irgendwas stimmt hier nicht, Leute.

            Oder sagt ihr im allgemeinen Kontext sexueller Gewalt, „sie hat es so gewollt“? Na, dann … so als Feministin.

            Eines ist mir einmal mehr klar geworden: Wir sind am Anfang. Und damit meine ich gar nicht die Bewegung allgemein und das, was sich in den letzten 4 Jahren getan hat – es hat sich eine Menge getan. Ich meine, wir oder eher einige stehen am Anfang von dem, was es heißt zu begreifen, eine Schwester zu sein. Die Empathie für einander aufzubringen. Die Empathie für diese „Anderen“ aufzubringen oder für die, bei der wir kein großartiges Problem sehen – wenn sie sich beispielsweise prostituiert.

            Über Consciousness Raising ist Gras gewachsen.

            Und was das Prostituierten”schutz”gesetz angeht: Habt ihr da wirklich irgendwelche nennenswerten – echten – Änderungen kommen sehen? Die real etwas verändern an dem Status Quo dieses unfassbaren Leidens? Nicht, dass ich das nicht verstehen würde, ich habe das oft auch gedacht, gehofft, gehofft, gehofft, erst das und dann machen wir das große Ganze. Es ist ein riesengroßer Irrtum.

            Ich werde nicht an einem durch und durch kranken Regulationsapparat rumfeilen, Forderungen an ihn stellen, denn es gibt Unterdrückungsverhältnisse, die lassen sich nicht besser oder erträglich machen oder bisschen weniger schlimm, dass man sich eben wenigstens einrichten kann – das geht nicht, mit nichts auf der Welt – Prostitution ist so ein Verhältnis. Das Prostitutionsgesetz als neuer Hoffnungsanker im Abolitionismus – es schmerzt mich, wo wir hingekommen sind bzw. zu erkennen, wo wir stehengeblieben sind – und ich es nicht mal bemerkt habe.

            Prostitution muss weg. An der Nachfrage muss angesetzt werden, die Freier gehören bestraft und geächtet, die prostituierten Frauen entkriminalisiert und nach allen Kräften unterstützt … großflächige Anti-Sexismus-Kampagnen müssen her. Und so weiter. Das Maßnahmenpaket nennt sich das Schwedische (oder auch Nordische) Modell.

            Das brauchen wir.

            Alles andere ist fadenscheinige Makulatur, und diesen Weg, den geht ihr ohne mich.

            Weil ich weiß, dass er abgrundtief falsch ist.

            Und jede Frau in der Prostitution eine zuviel ist.

             

            (c) Edda, Aussteigerin, Aktivistin

            Sachgutbenutzung versus Dienstleistung – oder: warum Prostitution keine Dienstleistung wie jede andere ist

              Autorin: Saskia Nimierski //

              Der Begriff „Dienstleistung“ in Bezug auf die Prostitution wird nicht nur in den Medien, sondern auch auf der offiziellen Homepage des österreichischen Frauenministeriums verwendet, so, als ob Prostitution ein selbstverständlicher Dienstleistungsberuf wäre. Wie z. Bsp. der einer Friseurin, Masseurin oder Fußpflegerin. Wenn man die Abgründe, die bei der Prostitution zum Alltag gehören gesehen hat, ist diese „Beschönigungsrhetorik“ schwer zu ertragen! Man versucht etwas durch- bzw. umzusetzen, was man sich gleichzeitig nicht auszusprechen wagt. Würde man es benennen, könnte es niemand mehr mit seinem Gewissen vereinbaren dieses teils sehr abgründige Terrain der Prostitution als „Joboption“ und als neuen „Dienstleistungssektor“ in Erwägung zu ziehen. Weder aus menschenrechtlichen, noch aus formal-arbeitsrechtlichen Gründen.

               

              Warum handelt es sich bei der Prostitution um keine Dienstleistung? Weil per Definition eine Dienstleistung „nicht körperlich ist und nicht angefasst werden kann“. (siehe u.a.: BWL-Lehrbuch HAK 1) Ein Sachgut ist hingegen „körperlich und kann benutzt und angefasst werden.“ Die Prostituierte, die vom Freier aktiv penetriert und angefasst wird, bietet somit keine Dienstleistung, sondern wird von den Gesetzen des freien Marktes zu einem auf Zeit gemieteten Sachgut, zu einer Ware gemacht. Von einer „Dienstleistung“ könnte bei der Prostitution eventuell dann die Rede sein, wenn die Prostituierte ausschließlich in der aktiven Rolle handeln bzw. aktiv eine Dienstleistung abliefern würde und der Freier passiv diese Dienstleistung in Anspruch nehmen würde. In der Realität ist das aber kaum der Fall. Den Kunden geht es bei der Prostitution in den meisten Fällen um Dominanz und Machtausübung, sowie um das Überzeugen der Frau von seinen Liebesqualitäten, wodurch sich viele Freier in die aktive Rolle begeben anstatt passiv zu bleiben.

               

              Es werden in so gut wie jedem legal angemeldeten Bordell die Frauen den Freiern als zu „Benutzende“ angeboten, was nicht nur aus den Freierstudien, Freierberichten in Freierforen hervorgeht, sondern auch aus den Inseraten der Bordelle. Ich frage mich: Wie kann man eine Branche legalisieren, bevor überhaupt besprochen wird, welche Handlungen welcher Art dabei üblich sind?

               

              Durch den in den letzten Jahren entstandenen „Angebotsüberschuss“ auf dem Prostitutions-Markt wurde dieser zu einem Käufermarkt, das heißt, der Käufer hat auch die Marktmacht. Und da die Branche geschlechtsspezifisch ist, herrscht dort die Macht der Männer, die den größten Teil der Freier ausmachen. Die meisten Freier sind auf der Suche nach dem niedrigsten Preis und den gleichzeitig maximal nutzbaren Praktiken, euphemistisch in der Szene „Service“ genannt, wo wir in Wahrheit wieder beim Thema „Sachgut“ wären. Es entscheidet also nicht die Anbieterin, was bei dem Akt der Prostitution geschieht, sondern der Freier bzw. der Druck der bestehenden Marktverhältnisse. Dies hat zur Folge, dass die sogenannte „Speisekarte“ um immer mehr Zusatzleistungen erweitert wird. Wenn z.B. Analverkehr vor ca. 15-20 Jahren kaum angeboten wurde oder bestenfalls mit einem hohen Aufpreis verbunden war, so wird diese Praktik mittlerweile oft als Standardleistung vorausgesetzt. Die Frau muss heute immer mehr über ihre physischen und psychischen Grenzen gehen und zunehmend unzumutbare Praktiken erdulden, um die Lücke zwischen dem Soll und Ist zu schließen. In einem ‚gängigen’ Dienstleistungs-Beruf, wie etwa dem einer Friseurin, wird diese Lücke u.a. durch längere Arbeitszeiten und gesteigerte Arbeitsleistung rekompensiert; In dem Fall gibt es aber – im Gegensatz zur Prostitution – gesetzlich geregelte Obergrenzen was die zumutbare Arbeitszeit anbelangt und ein definiertes Tätigkeitsprofil.

              Das Problem bei einer voreilig legalisierten Branche wie der Prostitution ist, dass die Grenze zwischen dem, was einer Prostituierten zumutbar ist, und was nicht, nicht klar definiert ist. Von den Sexarbeitslobbyisten kommt meist das Argument, die Prostituierte würde ohnedies nur tun, was ihr Spaß macht, was jedoch nur ganz selten der Fall ist.

              In welcher anderen Branche argumentiert man eigentlich damit, dass die Arbeitszeiten und Arbeitsaufgaben endlos ausufern können, da es den Dienstnehmerinnen, die bisher de facto ein Sachgut sind, ja sowieso Spaß macht?

               

              Man muss auch den Aspekt berücksichtigen, dass der Großteil der Frauen die der Prostitution nachgehen, keine Alternativen haben. U.a., weil die Erwerbslosigkeit unter den Frauen (z.B. im automatisierten Sektor) steigt, weil viele keinen Bildungsabschluss haben, Migrantinnen und Flüchtlinge sind, nur marginale Sprachkenntnisse haben und gesellschaftlich diskriminierten Minderheiten (z.B. Roma) angehören. Aufgrund des gesetzlichen Graubereichs in der Prostitutionsbranche sind sie der Brutalität des männerdominierten Käufermarktes völlig schutzlos ausgeliefert. Gleichzeitig gelten Hilfen zum Ausstieg bzw. Angebote von Alternativen unter den „Pro-Sexarbeits“- NGOs als Diskriminierung(!) der Prostituierten. Es ist mehr als diskriminierend, wann man Menschen die Opfer einer unfassbaren Verteilungsungerechtigkeit sind, als Alternative anbietet, sich als Ware in einer gesetzlich kaum geregelten Branche anzubieten.

               

              Wenn man die Prostitution legalisieren möchte, wäre es spätestens jetzt an der Zeit sich mit den Abgründen dieser Branche auseinanderzusetzen; in erster Linie damit, dass das was in den Bordellen, egal ob legal oder illegal, passiert, nichts mit einer Dienstleistung im üblichen Sinn zu tun hat. Dessen sollte sich auch das Frauenministerium bewusst sein, wenn es auf seiner homepage gleich als ersten Satz schreibt: „Prostitution, das Anbieten von sexuellen Dienstleistungen.”

               

              (c) Saskia Nimierski

               

              Prostitution und die eigene Sexualität

                Autorin: Saskia Nimierski //

                Die Prostitution hat einen enormen Einfluss auf das Sexualleben der Prostituierten. Meiner Erfahrung nach einen zunehmend negativen, je länger man dieser Beschäftigung nachgeht und je mehr sich die Bedürfnisse des eigenen Körpers in denen wildfremder Menschen, die genug Scheine auf den Tisch legen, auflösen. 18 Jahre Prostitution haben in meinem Fall selbstverständlich ziemliche Narben in meinem Sexualverhalten hinterlassen, auch wenn man sich von dem „Abdruck“, den die Prostitution hinterlassen hat, regenerieren und sich wieder ein natürlicher Bezug zum eigenen Körper einstellen kann.

                Der „Abdruck“ bleibt aber, und wenn man vor oder direkt beim Einstieg in die Prostitution ev. kein Problem damit hatte, mit verschiedenen Partnern Sex zu haben (aufgrund einer manischen Erkranung hatte ich diese Schübe ohnehin) und es faszinierend fand, so belehrt die Branche einen schon bald eines Besseren. Zu Beginn hatte ich nur die Bilder von lasziven, coolen, attrakiven Pornostars oder Pop-Stars wie Madonna im Kopf, die, indem sie Erotik öffentlich lebten, nicht nur bewundert, sondern auch (so schien es mir damals) eine gewisse Macht über die Männer hatten. So mag es vielleicht auch von außen aussehen, bis man dann tief in dem sogenannten „Job“ verwurzelt bzw finanziell zur Gänze darauf angewiesen ist und die eigene Sexualität des Geldes und des Freiers wegen immer mehr in den Hintergrund treten muss, ja, gar mit Füßen getreten werden muss, bis sie irgendwann nur noch den Ansprüchen des Marktes unterliegt. Sie ist nicht mehr Privatsache und die „schönste Nebensache der Welt“, sondern etwas, das man unabhängig von Lust, Laune und Verlangen je nach finanzieller Lage mit einem perfekten Lächeln im Gesicht aus dem Hut zaubern können muss.

                Durch diese Übersättigung von Körperkontakt mi Männern, die man privat vermutlich nicht einmal angeschaut hätte, fühlt man sich irgedwan wie ein zwangsgekuscheltes Tier. Die eigene Sexualität verliert immer mehr an Bedeutung und man ist zunehmend froh, wenn man von niemandem angefasst, angehaucht, geschweige denn penetriert wird! Vom „Spaß am Sex“ kann keine Rede mehr sein, wenn Alkohol, Drogen, Psychopharmaka und betäubendes Gleitgel zum Einsatz kommen müssen, um es auszuhalten einen weiteren Freier über sich drüber zu lassen.

                Da solche Alltagsgeschichten aus dem Leben der Prostituierten von Freiern natürlich nicht gerne gehört werden, werden sie auch kaum ausgesprochen. Es ist ein fagwürdiges „Geschäft“, bei dem die Illusion, gegen den Willen der Frau gewollt zu werden, gekauft wird. Da gehört die ganze Hässlichkeit, die das Leben von Prostituierten prägt, einfach nicht dazu. Aber sollte man nicht auch als „Konsument“ darüber informiert sein, unter welchen Bedingungen das, was man als „Dienstleistung“ bezeichnet, stattfindet?

                Es ist das Unaussprechliche, aber jedem gesundhen Menschenverstand Klare, und es muss zwangsläufig von den Freiern verdrängt werden, um diesen Akt überhaupt vollbringen zu können, ohne sich dabei wie ein Vergewaltiger zu fühlen. Wie man es an den Zahlen der Männer, die jährlich in Deutschland und Österreich zu Prostituierten gehen, merkt, funktioniert es für die Freier ganz gut, dieser kognitiven Dissonanz zu entkommen.

                 

                (c) Saskia Nimierski

                Das neue Prostituiertenschutzgesetz und seine Umsetzung im Land Sachsen

                  Autorin: Susan //

                  Da in diesen Tagen eine Anhörung im Landtag zu Dresden bezüglich des neuen Gesetzes stattfindet, fühle ich mich bemüßigt, einmal etwas zu schreiben. Ich selbst arbeite in diversen Bundesländern, unter anderem gern und oft in Sachsen (Chemnitz, Plauen, Leipzig) und Nordrhein- Westfalen (Köln, Bonn). Mein aktueller Text bezieht sich auf das Land Sachsen.

                  Die pünktliche Umsetzung hat das Land längst verschlafen, ähnlich wie die Bundesländer Thüringen und Sachsen- Anhalt weiß man scheinbar nicht so recht, wohin mit diesem Thema und der Verantwortung.

                  Klar ist nur eines: die Anmeldegebühr für ihre eigene, größtenteils kritisch gesehene und unwillkommene Registrierung müssen die Prostituierten natürlich selbst tragen. Nicht genug, dass der Staat mit Steuern jeglicher couleur schon gut an uns verdient, nein, Prostituierte sollen für ihren eigenen Schutz auch zahlen. Ähnlich wie in einem Laufhaus, wenn der Freier dich würgt und du den Notknopf drückst, damit ein breitschultriger Security dich aus deiner lebensgefährlichen Lage befreit. Nicht, dass das umsonst wäre. Keineswegs. Für diese Lebensrettung sind Gebühren fällig. Weiterlesen

                  Über die schöne, weiße, reine Welt der Prostitution

                    Autorin: Luise Kakadu //

                     

                    Eben bin ich aufgewacht.
                    Aufgewacht aus einem Traum.

                    Noch wirkt er nach – und er erinnert mich an mein Aufwachen in der Prostitution;
                    mein ganz reales und echtes Aufwachen im Sein; im Leben.

                    Im Traum war ich Kind, junge und ältere Frau zugleich.
                    Ich war irgendwie alles in einem.
                    Es spielte keine Rolle – und war doch wichtig.

                    Ich wanderte durch eine weiße Welt.
                    Überall um mich waren Schnee und Eis.
                    Ich hatte nur einen Hauch von Nichts am Leib und war barfuß.
                    In der Hand einen Blister Antibabypille.

                    Und ich flüsterte mir zu, dass sie mein Wichtigstes seien.
                    Dass ich aufpassen muß, ganz unbedingt.
                    Nichts, wirklich garnichts dürfe diese Welt beschmutzen.

                    Niemals nicht dürfte mein Blut in dieses Weiß fallen.
                    Und ich muß Sorge tragen, dass dies nicht passiert.
                    Aber…. es waren kaum noch Tabletten im Blister.
                    Und ich hatte grausame Angst, was passieren würde, wenn.

                    Gleichzeitig war mir so bitter kalt.
                    Und egal, wohin ich sah, war nur Weiß.
                    Ich wußte nicht, in welche Richtung ich lief.
                    Nicht, wohin ich laufen sollte.
                    Und auch nicht, wann, wo und ob dieses Weiß jemals irgendwo enden würde.

                    Aber so lief ich
                    weiter und weiter
                    unaufhörlich
                    denn was wäre sonst übrig geblieben?!
                    Ich war vollkommen alleine.

                    Und nichts und keines von mir beschmutzte den Schnee.


                    Da sitze ich nach diesem Traum und fühle mich betroffen.
                    Traurig.
                    Auch wütend.

                    Plastikpuppen-Heiligkeit

                    Für Freier und Täter ist das was sie tun, immer irgendwie …. normal?!
                    Selbstverständlich?
                    Sie sind grundsätzlich unschuldig.
                    Und würden jedwelche Böswilligkeit und Absicht grundsätzlich und vehement bestreiten.
                    Sie tun doch nichts schlimmes?!
                    Nutzen doch nur ein Angebot, das von der Frau ausgeht.
                    Wurden doch nur verführt
                    Konnten doch garnicht widerstehen
                    Waren doch hilflos ausgeliefert an diese Reize der Unschuld? Oder der Sünde?!

                    Als ich anfing mich zu prostituieren, lernte ich das schnell.
                    Freier mögen kein Blut.
                    Freier wollen eine klinisch reine Hure.
                    Freier wollen eine irgendwie heilige, porentiefreine, niemals blutende, niemals riechende – Drecksau.

                    Freier wollen ein Weib, das sich wie ein Weib benimmt – sie aber doch niemals beschmutzt mit ihrem eigenen Sein.

                    Damals, vor inzwischen 27 Jahren, benutzte man Wattepads.
                    Diese dünnen, gepressten Wattedinger zum Abschminken.

                    Oder noch besser – man nutzte Naturschwamm.

                    Der Naturschwamm, den es in Drogerien zu kaufen gibt, wurde in kleinere Stückchen zerschnitten, angefeuchtet und ganz tief in die Scheide eingeführt.

                    Feuchte Wattepads waren aber fast noch besser.
                    Denn man konnte sie, wenn man tief in die Hocke ging und mit den Fingern in sich hinein fühlte, fast exakt über den Muttermund legen.

                    Sicher – solches funktionierte nur selten für länger.
                    Je nach Stärke der Blutung kam diese auch sehr schnell hindurch.
                    Aber welcher Freier will schön „länger“?!

                    Klar, wenn ein Freier fickte, als seist Du totes Tier, verrutschte die Watte unter den Schmerzen der Stöße auch hin und wieder.
                    Dem konnte man dann aber auch noch erzählen, er hätte einen verletzt mit seinem wilden Gerammel.

                    Früher…..
                    Als es noch kein Internet gab und die Männer noch anders waren.

                    Schwierig war es fast immer, diese tief in die innersten Höhlen gefickten Fremdkörper wieder hervorzufischen.
                    Oft mußten Kolleginnen helfen, die dann zwischen den Beinen der Hure saßen und mit spitzen Fingern in den Vaginas nach verlorener Watte fischten.

                    Viele Huren nahmen auch einfach ihre Pille durch.
                    D.h. sie unterdrückten durch das Weglassen der 1 Woche Pause ihre Blutung.
                    Dauerhaft und immer.
                    Ich kannte auch Frauen, die so dermaßen dürr waren, dass sie sie einfach schon deshalb nicht mehr bekamen.

                    Freier stehen oft auf „skinny“ – auf derart abgemagerte Frauen, dass sie aussehen wie Kinder.
                    Dass sie wehr- und schutzlos wirken.
                    Ohnmächtig.

                    Später dann, erfand ein findiger Mann (?) die Soft-Tampons.
                    Soft-Tampons haben die Prostitution revolutioniert.
                    Kein Hygiene-Problem mehr, wie bei den Naturschwämmen, die oft ein großes Problem mit sich gebracht hatten, weil in ihnen kleine Korallenstückchen und/oder Sand waren.
                    Und man sie noch so gut hatte auswaschen können – man konnte von ihnen krank oder verletzt werden.
                    Mit Soft-Tampons hatte sich dies erledigt.

                    Eben sehe ich, die Form hat sich inzwischen verändert.

                    Damals waren sie flach-rund, wie Münzen.
                    Und dick.
                    Und groß.

                    Sie paßten vom Durchmesser her fast auf eine Handfläche. Und waren 1-1,5cm dick.

                    Wenn man sie sich in die Scheide steckte, dann war es, als trenne man das Innen vom Außen.
                    Sie saugten alles auf, das man Selbst war – und der Freier konnte ins Reine ficken, so heftig er wollte.
                    Nichts drang durch sie hindurch.
                    Keine Spur von Rot zeigte sich am Kondom, wenn es hinterher mit reinem, weißen Sperma gefüllt war.

                    Und Freier wollten doch auch so gerne an das Heilige in der Hure und in ihrem Fick in Göttlichkeit glauben.

                    Verrückt, diese Freier.

                    In Foren fordern sie lautstark, Huren sollten pausieren, während sie menstruieren.
                    Dieses Gesundheitsrisiko für Freier sei doch schon Körperverletzung.
                    Es sei doch unverschämt, Freier so derart mit diesem Dreck zu konfrontieren; so ekelhaft und widerlich.
                    Man wisse ja nie, wenn man eine Hure leckt, was man sich da holen könnte.
                    Huren müßten es SAGEN, wenn sie bluten – Freier fühlen sich verarscht.
                    Nur – welche Hure kann es sich leisten, 1 von 4 Wochen nicht zu arbeiten?
                    Welcher Zuhälter würde dies erlauben?!

                    Zeitgleich wollen Freier aber gefälligst, dass Huren ihnen die Arschlöcher lecken.
                    Dass sie ihnen die Schwänze blasen bis zum Schluß. Selbstverständlich ohne Kondom – weil sonst fühlen sie ja nichts.
                    Und möglichst mit Schlucken.
                    Und wie?! Aufpreis???
                    Die Hure soll doch dankbar sein, dass sie dieses tolle Sperma ins Maul bekommt – ist schließlich sein Bestes.

                    Ich hatte in meinem Körper über viele Jahre einen Verbündeten.
                    Tat er es aus Not? Zu meiner Hilfe? Ich weiß es nicht.

                    Jedenfalls kam meine Blutung immer pünktlich; zuverlässig – und immer nur 3 Tage und eher schwach.
                    Sehr selten hatte ich diesbezüglich Probleme mit dem Arbeiten.
                    Und ich habe nie verstanden, dass es Freier gibt, die jede Woche für 50€ mal kurz zum Drüberrutschen kommen.
                    Zuverlässig, 4x im Monat.
                    Und die doch daran glauben, die Hure würde niemals menstruieren.
                    Niemals lügen.
                    Niemals verbergen.

                    Zu meinem Ausstieg dann
                    als ich mit meinem jetzigen Mann bereits gut 2 Jahre meine Seele aufräumte
                    als ich langsam Risse bekam in meinem inneren Glauben, zur Hure geboren zu sein
                    als ich begann, Freier deutlicher zu sehen und zu erkennen
                    beschloß auch mein Körper, nun den Wechsel zu beginnen.

                    Alles in mir begann, zu wechseln, schien es mir.

                    Mein Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Begreifen…

                    Ich ertrug diese Freier nicht mehr.

                    Wie können sie nur?
                    Wie können sie sein, wie sie sind?
                    Erwarten, was sie erwarten?
                    Glauben, was sie glauben?
                    Wollen, was sie wollen?

                    Die reine, weiße und heilige Prostitution….
                    So eiskalt
                    So einsam
                    Und kein Raum für Farben, Lebendigkeit und Sein.

                    Nicht für die Frauen.
                    Nur für die Freier.

                    Mein Körper rebellierte.
                    Meine Blutung wurde unberechenbar.
                    Und unglaublich stark.

                    Die Soft-Tampons funktionierten nicht mehr – trotz ihrer unglaublichen Größe.

                    Wenn ich es doch versuchte, trotzdem zu arbeiten, passierte es nun häufig, dass ich beim aufstehen „danach“ vor dem Bett stand und mir mein Blut die Schenkel hinab lief.
                    Auch der Freier hatte einen überlaufend roten Schoß.
                    Es sah aus wie im Horrorfilm – abgestochen; kurz vor Tod.

                    Und ich fühlte mich auch so.
                    Erdolcht von einem Schwanz.
                    Hineingefahren und zugestochen.

                    Freier waren schockiert!!!!!
                    Wie kann das sein???
                    Wie sieht das denn aus????
                    Nein!!! Damit will ich nichts zu tun haben!!!
                    Und: Oh Gott!!! Da hab ich eben noch geleckt!!!!

                    Ich habe die Freier betrogen
                    Um ihre schöne, heilige und weiße Traumwelt.

                    Habe sie konfrontiert mit dem Blut meiner Seele.
                    Aus über 35 Jahren Stillhalten.

                    Aber auch als ich SAGTE, dass ich gerade menstruiere, waren sie schockiert.
                    Wie? Sie können nicht kommen?
                    Nicht JETZT?
                    Nicht wann sie wollen???
                    Ich blute? Wie kann das sein????
                    Fassungslos.

                    Aber nein, mit Blutung wollten sie ja auch garnicht kommen – das ist ja eklig.
                    Die Blutung soll gefälligst WEG!!!!
                    Jetzt!!! Sofort!!!!
                    Sie befehlen es!!!!

                    Immer öfter gingen mir Gedanken durch den Kopf, wie oft Freier MICH verarscht hatten.
                    Freier, die heimlich von hinten das Kondom abzogen, um mich blank zu ficken und ungefragt zu besamen
                    Freier, die so dermaßen hart, gemein und brutal in mich hinein fickten, dass das Kondom trotz guten Sitzes irgendwann der Belastung nicht mehr Stand hielt und riß – und sie mich dann DOCH besamten.
                    Ob ich wollte oder nicht.

                    Wie oft fand mein Gynäkologe in meinen tiefsten Tiefen kleine Fetzen gerissener Kondome und fischte sie heraus?!

                    Und doch war er oft fassungslos, wie selten dies bei mir vorkäme.
                    Seit 1995 bin ich bei ihm und er wußte, was ich arbeitete.
                    Und er erzählte mir von anderen Frauen in der Prostitution, bei welchen er beim Angeln meist viel öfter etwas fing.
                    Ich hatte größtes Glück in meinem Leben.
                    Größtes Glück, weil ich niemals etwas bekam, von diesen drecks widerlichen Typen.

                    Und nun?
                    Zeigte ich ihnen meinen „Dreck“.
                    Aber Freier wollen ihn nicht sehen.
                    Wollen ihn vergessen.
                    Sich einreden, das Ficken einer Hure sei so sauber und rein, wie Plastikpuppensex.
                    Abwaschen – und gut.

                    Eine Hure darf nicht leben.
                    Darf nicht fühlen.
                    Darf nicht sein.

                    Frau sein ohne zu sein.

                    Und nun geht mein Frau-sein.
                    Zumindest jenes Plastikpuppensein.
                    Jenes Verstecktsein.

                    Erstaunlich, was die Wechseljahre mit sich bringen.
                    Welch Seelenwachstum, Heilung, Klarsicht.

                    Ich lebe!!!
                    Und ich BIN.

                    Freier und Kinderficker haben es nicht geschafft.
                    Ich habe es geschafft, diese Eiswüste der Einsamkeit zu durchwandern.
                    Und sie am Ende DOCH zu markieren.
                    Ich war hier.
                    Und ich habe sie überlebt.

                     

                    (c) Luise Kakadu

                    mehr Texte dieser Autorin auf https://missbrauchundsexarbeit.wordpress.com