Autorin: Susan //
Die emotional aufgeladene Debatte über Prostitution in Deutschland und die aus dem Juli 2017 stammende Gesetzesnovelle schlägt in der Medienlandschaft hohe Wellen.
Dies hat nicht selten zur Folge, dass im Fernsehen, Radio oder bei Vorträgen und Tagungen Menschen eingeladen werden, die im engeren und weiteren Sinne mit Prostitution zu tun haben.
Hierbei handelt es sich oft um PolitikerInnen, SozialarbeiterInnen, ZuhälterInnen und andere Profiteure der Sexbranche.
Auch gibt es öfter den Wunsch, ehemalige prostituierte Frauen einzuladen und mit Ihnen zu sprechen, ihre Stimme zu hören.
Das ist grundsätzlich begrüßenswert, sind es doch genau diese Frauen, die aus dem Leben in der Prostitution berichten können. Sie sind Überlebende und Expertinnen und somit für diese Debatte unverzichtbar.
Leider ist der Umgang mit ehemaligen prostituierten Frauen nicht immer so, wie es dem Umstand gerecht würde.
Frauen, welche die Sexbranche lebend verlassen haben, ausgestiegen sind aus einem System, das viele Opfer fordert und niemanden unbeschadet zurücklässt, haben im bürgerlichen Leben oft Probleme.
Sie sind auf Therapien angewiesen, leben an der Armutsgrenze und sind oft mehrfach traumatisiert. Die staatliche Unterstützung ist minimal und nicht ausreichend, um diesen Frauen optimal zu helfen und sie wieder fit für die Alltagsbewältigung zu machen.
Wenn dann ehemals prostituierte Frauen auf Podien, Veranstaltungen und Tagungen eingeladen werden, ist das für uns eine Möglichkeit, der Welt zu zeigen, wie das System Prostitution wirklich ist. Das ist wichtig und sehr gut.
Es gibt hierbei aber einige Einschränkungen, die jeder Veranstalter beachten sollte. Im Folgenden werde ich die wichtigsten Fakten benennen. Diese Liste hat natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
1.) Anonymität
Das Wichtigste ist der Schutz der anwesenden Frau und Ihrer persönlichen Daten. Klarnamen, Wohnort, Alter, Berufsstand und andere sensible Daten müssen absolut geschützt werden und dürfen auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen. Es ist zu akzeptieren, wenn sich die Frau ausschließlich mit Aliasnamen vorstellt und keine weiteren Angaben zu ihren derzeitigen Lebensumständen macht. Der Veranstalter sollte dies auch in Hinblick auf anwesende Presse und Fotografen beachten. Keine Fotos ohne vorherige Zustimmung.
2.) Sicherheit
Nicht selten ist bei prostitutionskritischen Veranstaltungen eine große Anzahl von Profiteuren der Sexbranche anwesend. Nicht selten im Gewand von Interessenverbänden oder Einzelpersonen, die Prostitution als empowernd und selbstbestimmte Tätigkeit darstellen. Diese Personen sind sehr oft gegenüber Aussteigerinnen in der Vergangenheit übergriffig geworden. Verbale Gewaltankündigungen, Stalking, tatsächliche körperliche Angriffe sind hier leider eher die Regel denn die Ausnahme.
Der Veranstalter hat dafür Sorge zu tragen, dass der anwesenden Frau nichts geschieht, sie unversehrt zum Veranstaltungsort gelangt, dort abgeholt wird und auch wieder fortgebracht wird. Eventuell straffällig gewordene Personen, Stalker und gewalttätige Menschen sind vorher zu benennen und vom Veranstaltungsgelände fernzuhalten. Hierbei ist es hilfreich, sich mit der Aussteigerin auseinanderzusetzen und zu fragen, mit welchen Personen bereits negative Erfahrungen gesammelt wurden. Nicht alle pro Prostitutionsverfechter sind per se handgreiflich oder übergriffig, sodass doch auch die Möglichkeit besteht, eine Diskussion zu führen. Es ist zwingend notwendig, eine Moderation durchzuführen und Fragen vorher mit der eingeladenen Frau abzustimmen.
3.) Anerkennung
Wenn überlebende der Prostitution sprechen, vor anderen und mit anderen, dann ist diese Tätigkeit keineswegs eine Selbstverständlichkeit oder ein Freizeitunternehmen. Aufklärungsarbeit ist Arbeit und sollte auch entsprechend honoriert werden. Ehemals prostituierte Frauen haben einen umfangreichen Wissenstand um das Wesen des „Milieus“ und können anhand persönlicher Erfahrungen viel dazu beitragen, die Dinge einem interessierten Publikum nahe zu bringen.
Wie auch bei Referenten auf Tagungen und anderen Veranstaltungen, ist hierbei den Frauen eine Aufwandsentschädigung oder ein Honorar in angemessener Höhe zu zahlen. Schließlich stehen viele Aussteigerinnen mit beiden Beinen im Leben, haben am Tag der Veranstaltung möglicherweise einen Verdienstausfall oder nutzen ihre Freizeit, um in dieser Sache tätig zu sein. Es ist kein Leichtes auf einer Veranstaltung zu sprechen und auch mit einigen Risiken bestückt, sodass eine faire Bezahlung sicher jedem sinnvoll erscheint.
Dies wären wichtige Punkte in der Vorgehensweise bei Einladungen. Hierbei sind selbstverständlich immer die Wünsche der Frau im Blick zu behalten. Generell ist ein achtsamer Umgang unabdingbar. Eine Veranstaltung zur Prostitution ist sehr belastend und kann unter Umständen retraumatisierend wirken. Die prostituierte Frau ist sollte nach der Veranstaltung die Möglichkeit haben, jederzeit eine Person zu kontaktieren, mit der sie ein vertrauensvolles Gespräch führen kann, um möglicherweise schnell Hilfe zu bekommen. Auch sollte sie während der Veranstaltung nicht das Gefühl haben, gänzlich ungeschützt und allein zu sein, insbesondere dann nicht, wenn sich bei der Veranstaltung Prostitutionsbefürworter aufhalten.
Es wäre wünschenswert wenn Veranstalter sich an diesen Eckdaten orientieren können, um den eingeladenen Frauen den Stress des Verhandelns zu ersparen. Denn nur dann kann eine ausgewogene Diskussion, bei denen die wirklichen Expertinnen zu Wort kommen, gewährleistet sein.
(c) Susan