Autor: Ella

Über Konditionierung und Freiwilligkeit in der Prostitution

Autorin: Luise // Immer wieder kommen mir Sätze in den Kopf, wo andere Menschen Dinge sagten wie:„Du hast doch aber gesagt, Du magst das?!“„Du hast aber doch gesagt, Du tust das gerne?!“„Du hast aber doch gesagt, das ist freiwillig?!“„Du hast aber doch gesagt, es macht dir nix aus?!“„Du hast aber doch gesagt, Du willst das?!“„Du hast aber doch gesagt, ….“ Wie oft in meinem Leben, schon in den letzten JahrZEHNTEN, ist es wohl vorgekommen, dass Menschen sich mit einem programmierten oder für Aufgaben spezialisierten Innen unterhielten,das irgendeiner Sache zusagte; versprach, diese zu tun– und später dann sagten (einige, viele, manche) Andere, dass es eben NICHT so sei. Nein, ich mag das NICHT.Nein, das war NICHT freiwillig.Nein, ich will das NICHT.Nein, das hab ich nie versprochen. Und weder der Andere, noch ich selbst, wußte – wußte WIRKLICH – was da eigentlich passiert. Wie oft hatte ich Dinge automatisch getan – und anschließend „vergessen“?Wie oft waren Konditionierungen gelaufen – ohne, dass ich selbst das überhaupt merkte? Wie oft hatte ich zehntausend Fragezeichen unsichtbar über dem Kopf kreiseln, …

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Code Red – Zurück im Laufhaus

Autorin: Sophie // Bevor ich anfange möchte ich betonen, dass das Netzwerk Ella eine UNABHÄNGIGE Interessensvertretung von Frauen aus der Prostitution ist. Wenn ein Mitglied eine bestimmte religiöse oder politische Weltanschauung hat, sagt das nichts über das Netzwerk Ella aus, weil sich die Ansichten der Mitfrauen durchaus unterscheiden und von Aktionen des Netzwerks Ella unabhängig sind. Wie letztes Jahr im Juni fand auch dieses Jahr wieder der „Code Red“ statt, eine Veranstaltung einer internationalen Gemeinde aus den USA, die sich zum Ziel gesetzt hat, sowohl die Rehabilitation von Süchtigen und Obdachlosen, als auch praktische Ausstiegshilfe für Prostituierte zu leisten . Ich habe vor allem Interesse an der praktischen Ausstiegshilfe für Prostituierte und nehme deshalb an Veranstaltungen teil, die sich damit beschäftigen. Um Kritik vorwegzunehmen, muss ich erklären, dass diese Gemeinde nicht darauf abzielt, die Prostitution der christlichen Moral wegen zu verurteilen und zu verbieten. Viele Frauen der Gemeinde waren in der Vergangenheit selbst Prostituierte und zudem oft auch drogenabhängig. Da die einzige Institution, von der sie Hilfe bekamen, die Kirche war, die ihnen in einer …

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Wo leben eigentlich Bordsteinschwalben?

Seit einigen Wochen läuft in Nürnberg die Kampagne “Nachfragen hilft”, die unter anderem die Frage aufwirft, “wo denn die Bordsteinschwalben leben”. Es stimmt, Nachfragen hilft. Was jedoch nicht hilft ist das Objektifizieren und Herabwürdigen von Frauen und Auffallen wollen um jeden Preis. Zoe und Marlen vom Netzwerk Ella haben daher einen Brief an Oberbürgermeister Dr. Maly und die SPD verfasst. Wir sind auf Feedback gespannt. Sehr geehrter Herr Maly, wir haben folgende “Quizfrage” auf Plakaten und Postkarten in Ihrer Stadt gefunden: “Wo leben eigentlich die Bordsteinschwalben?” Als ehemalige Prostituierte stellen wir Ihnen gerne folgende Antwortmöglichkeiten zur Auswahl: a) Frauentorgraben b) Nachbarwohnung c) Hotel Wie meinen Sie, lautet die Antwort der Eltern, wenn ihnen diese vorformulierte Frage von Kindermund gestellt wird? Sie bringt Mütter, Väter, Kinder (die nicht verstehen, warum ihre Eltern gerade keine sinnvolle Antwort geben können), ggf. Lehrer und eigentlich alle Frauen in eine äußerst peinliche Situation. Kein Kind und nur die wenigsten Erwachsenen werden ihre Fragen an die genannte E-Mail-Adresse schicken. Die wenigsten Menschen werden sich durch diese provokant gestellte Frage tatsächlich mit …

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Brief an Frauenministerin Giffey

Nachdem die Praktikantin von Frauenministerin Giffey uns auf unseren Brief vom Valentinstag mit einem Statement geantwortet hat, das den Status quo der Gesetzeslage in der Prostitution verteidigt, habe ich eine ausführliche Antwort verfasst, um auf die Missstände in der Prostitution aufmerksam zu machen. Nun husch husch zur Post, Briefmarke kaufen und ab in den Kasten damit ! (S.) Sehr geehrte Frau Giffey, vielen Dank für die Antwort auf meinen Brief zum Valentinstag. Ich bin Sophie vom Netzwerk Ella, ich war 8 Jahre in der Prostitution, und ich möchte auf die von Ihrer Praktikantin übermittelte E-Mail antworten. Natürlich habe ich vom ProstSchG erfahren und finde dieses in Teilen auch gut. Es könnte wirklich eine Chance sein, ein wenig mehr gegen Menschenhandel vorzugehen, aber die Betonung liegt hier auf „ein wenig“. Denn in der Realität ist es so, dass keine prostituierte Frau sich gern anmelden möchte. Wir vom Netzwerk Ella sind ein Zusammenschluss sowohl von Aussteigerinnen, als auch von Frauen, die noch in der Prostitution sind und die meisten von uns empfinden das ProstSchG als eine Methode, …

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Was geschah, als ich meinen Ex wegen Zuhälterei anzeigte

Autorin: Marlene // Das erste Mal Kontakt mit der Polizei hatte ich während der Arbeit. Es war wie immer – ein Mann klingelte, ich öffnete die Tür, aber herein kam nicht nur er, sondern noch ein weiterer Kollege und zwei Damen. Hauptsächlich ging es ihnen darum, ob ich meinen Gewerbeschein dabei hätte, schließlich muss es in Deutschland selbst im Rotlicht geregelt zugehen. Zumindest, was die Steuern angeht- in anderen Bereichen sieht es schon schwieriger aus mit der “Hilfe”. Vor allem die Damen hatte ich als nett in Erinnerung, nachdem die erste Verwirrung wegen der seltsamen Situation verflogen war. Sie versuchten, mich in ein Gespräch zu verwickeln und herauszuhören, ob ich in einer Zwangslage wäre oder bei anderen Frauen im Haus etwas mitbekommen hätte. Natürlich verneinte ich, denn dass man mit der Polizei nicht spricht, wird dir im Milieu von Tag Eins eingebläut. Mein längerer Weg mit der Polizei begann erst später, als ich mich entschloss, aus der Prostitution auszusteigen und meiner Schwester um Hilfe bat. Sie fuhr sofort los zu mir und widersetzte sich meinem …

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Was passieren kann, wenn prostituierte Frauen und Mädchen bei der Polizei anzeigen

Autorin: Sophie // Beim Gedanken an die Polizei stellen sich bei mir gemischte Gefühle ein. Ich habe einerseits die Erfahrung gemacht, dass es sehr empathische und auch in gewisser Weise fürsorgliche PolizistInnen gibt, andererseits habe ich als ehemals selbst in der Kriminalität Lebende auch sehr negative Erfahrungen gemacht und die Polizei somit nicht als meinen Freund und Helfer gesehen, sondern als eine Instanz mit der man besser nicht in Kontakt kommt. Da ich aus Bayern komme und schon in meiner Jugend Drogen nahm, die ich von viel Älteren bekam, wurde mir wegen des hohen Strafmaßes und der aggressiven Verfolgung von Rauschgiftdelikten, die dort betrieben wird, von meinen Dealern intensiv eingeschärft, dass man mit der Polizei nicht spricht. Ich wurde regelrecht darauf abgerichtet, loyal zu sein, selbst wenn es mir selbst schadet. Somit war es sehr schwer für mich, mit 17 Jahren meinen damaligen Freund anzuzeigen, der mich regelmäßig einsperrte, vergewaltigte und teilweise auch versuchte, mich umzubringen. Um jeden Preis versuchte ich, das Problem selbst zu lösen, unter anderem damit, dass ich ihm selbst einmal ein Messer …

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Wie Freier prostituierte Frauen ansprechen, um ins Geschäft zu kommen

Autorin: Anthonia //   Während ihrer Tätigkeit als Escort traf unsere Mitfrau und Aussteigerin Anthonia die  Freier in der Regel in 4- oder 5-Sterne-Hotels.  Ihre Zielgruppe waren gut situierte Geschäftsmänner, eine Zielgruppe, die sie in der Hoffnung auf einen respektvollen Umgang anvisiert hatte. Den Prozess der Kontaktaufnahme beschreibt sie folgendermaßen: „Auch wenn es in erster Linie die körperliche Nähe zu und die unliebsamen Wünsche von  fremden Männern  waren, die mich traumatisierten, so waren bereits die im Vorfeld notwendigen Email-Kontaktaufnahmen zu vielen der Freiern verbale Vergewaltigungen oder Beleidigungen. Stets musste ich mich mühselig durch viele demütigende und mit abstoßenden Details gespickte Zuschriften durcharbeiten, die ich als Antwort auf meine  Anzeige erhalten hatte. Der Inhalt dieser Emails traf mich bis ins Mark, so dass ich während dieses Vorgangs  bereits dissoziierte.“ Anthonia hat sich entschlossen, uns einige dieser Zuschriften  für eine anonymisierte Veröffentlichung zur Verfügung zu stellen.  Denn sie reflektieren, welches Frauenbild Freier haben und geben Aufschluss über die Natur von Prostitution und Freiern. Sie zeigen,  was und wen Betroffene tagtäglich über sich ergehen lassen müssen. Bei diesen …

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Je jünger je lieber- pädophile Wünsche und Prostitution

Autorin: Mimi // Vor einigen Tagen fiel mir ein Artikel in Facebook auf, genauer gesagt war es ein Artikel von Salome Balthus. Frau Balthus beschreibt sich als Edelprostituierte und betreibt eine Agentur in einer deutschen Großstadt. Soweit, so gut.  Es ist völlig in Ordnung, und sie wird ihre Gründe haben. Allerdings stieß mir im Artikel etwas anderes auf, und veranlasste mich, genauer nachzulesen- und zu forschen. Dass Männer, die sich Frauen erkaufen, um sie sexuell zu benutzen, besonders und in einer großen Zahl auf sehr junge Frauen und Mädchen stehen, verwundert niemanden.  Es kann nicht jung genug sein, und ein Blick auf die Straßenstriche der Welt zeigt, dass viele Frauen in der Prostitution noch nicht mal ansatzweise nahe der Volljährigkeit sind. Auch hier in Deutschland sind immer jüngere Frauen gefragt, Frischfleisch für den Freier, ganz nach seinem Gusto. Frau Balthus schreibt in einem ihrer Artikel, wie sie mit einem ihrer Kunden zugange ist, ein strenger Mann, beruflich verortet im Gerichtssaal. Man möge denken, dass Männer- Richter und Anwälte in dem Falle, wenigstens bemüht sind, moralische …

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Prostitution als “Schauspiel”

Autorin: Anthonia //   Wenn die Tätigkeit Prostitution von Befürworter*innen derselben in der Öffentlichkeit dargestellt wird, wird sehr häufig der Vergleich zwischen Prostitution und  professioneller Schauspielerei erklärend hinzugezogen. Die Frage, wie eine Frau/ein Mensch den sexuellen Kontakt mit so vielen wechselnden Partnern bewältigt, wird damit beantwortet, dass im Umgang mit Freiern ja nur eine Illusion hergestellt werde,  die Frau schlüpfe dabei gekonnt in verschiedene Rollen und spiele mit Identitäten. Dadurch entsteht der Eindruck, es handele sich dabei demnach  “lediglich” um Schauspielerei, und die eigene Sexualität und Seele bliebe durch die dadurch hergestellte Distanz somit unberührt.  Diese Vergleiche lassen Prostitution irgendwie harmlos, gar interessant erscheinen. “Ach so, ist ja nur Schauspielerei, und Schauspielerei ist ja eine Kunst, das ist ja dann nicht so schlimm für die Prostituierte, ist doch toll und kreativ, das macht bestimmt Spaß”,  kann man(n) daraus schlussfolgern … Deshalb möchte ich nun mit diesem Mythos aufräumen. Während meiner Zeit als Prostituierte war mein gesamter “Auftritt” während des Treffens mit einem Freier zwar meist gespielt, dieser Akt war aber  nicht mit der wundervollen Tätigkeit …

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stream of consciousness // DONA CARMEN und was sonst so schiefläuft

Autorin: Sophie // Disclaimer: Netzwerk Ella besteht aus Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind. Bei uns ist weltanschaulich und religiös vieles vertreten – Atheistinnen, Sozialistinnen, Kommunistinnen, aber auch Christinnen. Wir verstehen uns als unabhängige Interessenvertretung für Frauen aus und in der Prostitution. Einzelmeinungen über Glauben, Politik usw. abseits der Abolition geben nicht die Meinung der ganzen Gruppe wider, weil wir dahingehend bunt gemischt sind. Uns eint das Ziel der Abschaffung der Prostitution.   Feminismus ist, wie ich bereits festegestellt habe, ein schwer definierbarer Begriff. Auf einem meiner T-shirts steht “Feminism – the radical notion that women are people”. Für mich bedeutet das, dass Frauen Menschenrechte verdienen. Für alle Menschen soll es also dieselben Rechte geben. Dazu gehört auch das Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Dieses ist sogar durch den allerersten Artikel unseres Grundgesetzes geschützt: “GG Art 1 §§ (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” Das klingt toll und wird in Deutschland wahrscheinlich auch besser umgesetzt, als beispielsweise in der dritten …

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