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Solidarität mit wem?

    Autorin: Mimi //

    Die Polizei und Behörden sollen für prostituierte Frauen die erste Anlaufstelle sein- ob bei Problemen oder Beratungsansprüchen, der deutsche Staat garantiert den Frauen Schutz und Informationen.
    Soweit so gut. Wir als prostituierte Frauen, dass das nur bedingt der Wahrheit entspricht: Repressalien der Behörden sind an der Tagesordnung, der unterschwellige Generalverdacht zeigt sich bei fast jeder Kontrolle durch Finanzamt oder Polizei, ein leicht angewidertes Gesicht ist beim Betreten der Etablissements keine Seltenheit. Wir vom Netzwerk Ella kennen uns gut aus mit behördlichen Auflagen und Bestimmungen und jeder, der in der Bundesrepublik lebt, weiß wie groß bürokratische Hürden sein können. Wie schwer es ist, einen Brief vom Amt zu verstehen, wie schwer es ist, seine Rechte zu kennen, alles zu durchblicken und zur rechten Zeit richtig zu reagieren. Eine Vielzahl von Gesetzen ermöglicht oft kein spontanes Handeln- man braucht einen gewissen Durchblick.

    In anderen Ländern ist die Polizei ganz anders drauf: Korruption und Seilschaften geben sich die Klinke in die Hand. Auch die Bewohner der jeweiligen Länder haben Kenntnis darüber, und kooperieren aus Angst vor dem Staatsorgan schnell und kompromisslos.

    Man kann sich vorstellen, dass es für Menschen, die keine guten Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, aus einem anderen Land kommen und vielleicht in wirtschaftlicher und persönlicher Not sind, die Gefahr groß ist, auch hierzulande Opfer von Verbrechen durch Mitarbeiter im Staatsdienst zu werden. So geschehen unlängst in Thüringen:
    Eine polnische Frau, in der Vergangenheit prostituiert, wurde aufgrund einer Verkehrskontrolle von Beamten aus der Landespolizeidirektion Gotha zum Zeigen ihres Ausweises aufgefordert. Das tat sie- ihr Pass gefälscht (ja, wir können gern raten warum…) und sie selbst zur Fahndung ausgeschrieben.



    Daraufhin fuhren die Beamten mit der Geschädigten zu ihrer Wohnung, um dort nach weiteren Hinweisen ihrer wahren Identität zu suchen. Diese Gelegenheit nutzten die Polizisten aus, um die Frau in ihrem Zuhause zu vergewaltigen und die Tat auch noch zu filmen. Man kann sich sicher ausmalen, unter welchem Druck und welcher Angst die Frau gestanden haben muss. Die Beamten sprachen in ihrer Verteidigung natürlich von „einvernehmlichem“ Geschlechtsverkehr, welchen die Frau angeboten haben soll, damit die Sache erledigt ist. Natürlich hat man das Angebot nicht ausgeschlagen und die Frau zum Sex benutzt, auch noch dazu gefilmt.

    Das Handy wurde später von den Angeklagten in einen Fluss geworfen, als es zur Anzeige kam, doch der Film ließ sich rekonstruieren und wird eine große Rolle am Tag der Verhandlung spielen. Den Tätern drohen hohe Strafen.
    Warum schreibe ich das auf? Weil dieses Vorgehen eines der größten Verbrechen ist, die uns prostituierten Frauen täglich begegnen. Polizisten sind nicht alle Freund und Helfer, das mussten wir alle schon erfahren und das stimmt uns traurig. Sie sind Freier, sie sind manchmal auch Zuhälter. Ein Vertrauensverhältnis aufzubauen fällt uns allen schwer- wie kann es erst gelingen, wenn man völlig fremd im Land ist, und die eigene Landespolizei als nicht vertrauenswürdig kennt? Beamte sollten das wissen- und nicht noch die Lage ausnutzen. Das ist völlig zu Recht eine schwere Straftat.
    Im Zuge der aktuellen Corona Krise reden alle von Solidarität, dass wir zusammen halten müssen. Das ist richtig, das wünschen sich alle Menschen- doch das scheint mir nur aktuell, weil ALLE betroffen sind. Auch die, die sonst um nichts fürchten müssen. Solidarität hingegen ist immer aktuell- und gerade mit den verletzlichsten unserer Gesellschaft. Dass einer Frau in einem Land sowas passiert, was sich aller Welt als Rechtstaat, modern und fortschrittlich präsentiert, ist ein absolutes Unding- und doch steht es für die täglichen Vergehen an sämtlichen Mitgliedern der Gesellschaft, die unter unserem Radar sind. Gewalt an Frauen ist kein Einzelfall, sondern ein großes strukturelles Problem. Bei prostituierten Frauen sieht man großzügig darüber hinweg, es sind ja schließlich nur Prostituierte, also selbst schuld an der Lage. Was man derer Tage im Zuge der Bordellschließungen im Zuge des Infektionsschutzgesetzes lesen muss, ist hanebüchen. Da werden betroffene Frauen verlacht, aufgefordert, doch endlich einen „richtigen“ Job zu machen, sich gewundert, warum sie nichts Erspartes haben. Die Behandlung durch Staatsdiener ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass wir nur als Ding zur Bedürfnisbefriedigung gesehen werden, auch wenn tausend Freier, die sich für die Pro Sexwork Lobby engagieren natürlich was anderes behaupten. Wir können es dieser Tage besonders gut beobachten, welchen Stand wir in der Gesellschaft haben: einen verdammt niedrigen. Warum sollte das bei den Beamten anders sein? Es ist eben kein individuelles Problem. Zeit, das anzugehen!

    Vielen Frauen droht jetzt die Obdachlosigkeit und somit der absolute Abstieg. Der Staat interessiert sich nicht dafür, wieder einmal sind es Privatinitiativen, die sich für prostituierte Frauen einsetzen. Bitte schaut in diesen Tagen und in allen Tagen eures Lebens, die ihr noch haben werdet nicht weg: macht euch stark gegen die Missstände, gegen Ungerechtigkeit und seid immer solidarisch- da draußen sind Leute, die euch brauchen. Wer helfen mag, kann sich gern an uns wenden- jetzt, und über die Krise hinaus.

    (c) Mimi

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