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Ich habe mal gedacht, Prostitution wäre gut und super. Bis ich es selbst erlebt habe. Mein Einstieg

    Autorin: Mary //

    Heutzutage liest man im Internet, sofern man in den richtigen, oder wohl eher falschen, Kreisen unterwegs ist, ein Haufen Zeug darüber, wie toll Prostitution ist. Dass es super ist, dass es solche Menschen gibt, dass es ein ganz normaler Job ist, wie auch Bäcker, Lehrer, Bauer oder irgendetwas anderes. Nur, dass es nicht gesellschaftlich akzeptiert ist. Dass man dafür sorgen muss, dass Prostituierte genauso als normal angesehen werden, wie andere Berufe. Dass sie genauso viel Respekt entgegengebracht bekommen.   Sex positivity, oder so, haben sie das genannt. Und ich stand auch total dahinter, damals. Als ich 16 war und nicht genug Geld hatte. Ich habe mir gedacht… Warum nicht? Es ist eine ganz normale Dienstleistung.   Warum ich nicht auch?  

    Es war auch viel zu einfach. Ich musste nicht mal suchen. Ich habe lediglich Bilder von mir in verschiedenen Facebook Gruppen hochgeladen und wollte am Anfang bloß Freunde finden, neue Kontakte knüpfen, die ähnliche, oder vielleicht sogar die gleichen Interessen hatten wie ich. Ich bekam einen Haufen Nachrichten. Viele davon einfach nur Müll, ein paar davon tatsächlich nützlich, unzählige Schwanzbilder und auch ein paar, in denen mir Geld für sexuelle Leistungen geboten wurden. Und zwar für die verschiedensten. Ein Mann wollte, dass ich ihm zwischen die Beine trete, ein anderer wollte mir die Füße küssen und lackieren. Der nächste wiederum wollte wirklich aufs Ganze und wollte direkt Sex mit mir haben. Ich habe ihnen gesagt, dass ich erst 16 bin. Dass ich noch ein Kind bin. Vielleicht war es ihn einfach nicht bewusst, dass das illegal ist. Oder vielleicht war es ihnen auch einfach egal. Vermutlich war es ihnen egal.    Ich weiß noch, als ich mich das erste Mal mit jemandem getroffen habe. Total gefährlich. Richtig dumm. Wir sind in seine Wohnung gegangen, ich habe niemandem gesagt wo ich hingehe und damals war ich auch noch nicht in der Verfassung, mich irgendwie zu wehren. Der Typ war bestimmt 2 Köpfe größer als ich gewesen. Der, der mir Geld dafür gab, dass ich ihm zwischen die Beine trat. Als wir in seiner Wohnung waren, zog er sich aus, stellte sich breitbeinig vor mich. Wie er sich wohl gefühlt hat? Sexuelle Dienstleistungen von einer Minderjährigen entgegenzunehmen? Hat er das Alter ignoriert? Hat er es gar nicht gewusst? Hat man mir das nicht angemerkt? War es vielleicht genau das, was ihn so erregt hat?   Ein anderer wollte, dass ich mich mit ihm treffe, damit er mir die Füße massieren, küssen und die Fußnägel lackieren kann. Außerdem mochte er es gerne, wenn ich mich direkt auf sein Genital stellte, darauf rum trat. Irgendwie merkwürdig. Aber Fetische muss man ja so akzeptieren, wie sie sind, oder etwa nicht? Und wenn ein erwachsener Mann nun mal gerne Windeln trägt, einen Schnuller und so tut, als wäre er ein dreijähriges Baby, ist es auf alle Arten verwerflich und falsch, ihn zu sagen, dass das merkwürdig ist. Kink shaming ist schlecht.   

    Irgendwann ging es dann soweit, dass ich wirklich verzweifelt war. Ich hatte nicht genügend Geld, vorher war es nur eine Art Hobby gewesen. Etwas, womit man sich mal was dazu verdient. Andere 16 Jährige geben Nachhilfe, gehen mit Hunden raus, mähen den Rasen oder schippen Schnee.  Ich hab meinen Körper verkauft.    Ich weiß noch, wie ich damals das erste Mal in ein Auto gestiegen bin. Es hat komisch gerochen, der Typ auch. Aber abhauen ging nicht mehr. Wie denn auch? Ich brauchte das Geld. Ich war darauf angewiesen, weil mir niemand helfen wollte. Weil es egal war, ob ich Hunger hatte, neue Klamotten brauchte, oder mir Dinge für die Schule holen musste.  Seine dreckigen, schwitzigen Finger auf mir, sein stinkender Atem in meiner Nase und seine widerliche Stimme in meinen Ohren. Diese Stimme, die mir die ekligsten Dinge sagte.    „Du erinnerst mich an meine Tochter.“   

    Ist das wirklich so? Denken die Männer, die Frauen kaufen, sich so etwas? Er wusste, dass ich minderjährig war.   „Ich will, dass du weinst.“    Und das tat ich.    „Nenn mich Papa.“    Und das tat ich.    Mein Körper war wie eingefroren und gleichzeitig doch auch wie am Brennen.  Auch noch Tage, Wochen danach konnte ich nicht oft genug duschen gehen. Ständig musste ich mir die Hände waschen, schrubbte mir teilweise die Haut blutig.    Ich werde nie wieder sauber.   

    Damals dachte ich, Prostitution wäre super. Damals dachte ich, dass wir solche Leute brauchen. Schließlich ist Sex ein Menschenrecht, oder etwa nicht? Und wenn jemand einem das verbietet, muss man es sich an anderen Stellen holen, oder? An Stellen, die sich nicht wehren können. Bei Frauen, die nicht nein sagen können, die sich das nicht erlauben dürfen. Bei Frauen, die verzweifelt sind und keinen anderen Ausweg sehen. Das ist richtig so, oder?   Das Prostitution eigentlich nur bezahlte Vergewaltigung ist, war mir damals noch gar nicht klar. Vielleicht schon, aber ich wollte es nicht einsehen, weil ich mein Leben sonst nicht mehr ertragen hätte.   Ich weiß noch genau, wie es mir irgendwann zu viel wurde. Wie es mir irgendwann zu viel wurde und ich versuchte, einen dieser Männer abzustechen. Natürlich wurde dann die Polizei informiert… Und ich als die Böse dargestellt. Das 16-jährige Mädchen, das Geld von einem 40-jährigen bekommen hat, damit er mit ihr schlafen darf. Irgendwo draußen auf einem Kinderspielplatz, in einen von diesen komischen Kletterhütten. Ich war die, die merkwürdig angesehen wurde. Ich war die, die wie der Täterin behandelt wurde. Ich war die, die von der Familie deshalb verstoßen wurde. Und ich war auch die, die bis zum heutigen Tage immer noch schweißgebadet aufwacht, bei Berührungen manchmal komplett ausrastet und sich nicht genug waschen kann. Ich bin die, die nie wieder wirklich sauber wird.

    Ich habe mal gedacht, Prostitution wäre gut und super.

    Bis ich es selbst erlebt habe. 

    (c) Mary

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