Alle Artikel mit dem Schlagwort: Prostitution

Legalisierung, Prostitutionsverbot, Entkriminalisierung, Nordisches Modell – wie gesetzgeberisch umgehen mit Prostitution?

Autorin: Huschke Mau // Mein Name ist Huschke Mau[1], und ich bin eine Frau aus der Prostitution. Momentan bin ich Doktorandin. Seit 2014 bin ich als Aktivistin für das Nordische Modell aktiv und halte Vorträge. Im Januar 2018 habe ich das Netzwerk Ella[2] gegründet, wir sind ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind, und wir definieren das, was wir erlebt haben und noch erleben, als Gewalt. Die Konsequenz, die wir daraus ziehen, ist die Forderung nach der Einführung des Nordischen Modells auch in Deutschland. Wir haben erfahren, wie Prostitution in einer legalisierenden Gesetzgebung ist, und wir finden, dass sie uns nichts als Nachteile gebracht hat. Mit Aussteigerinnen aus Ländern, in denen das Nordische Modell eingeführt worden ist, stehen wir in Kontakt. Wenn man von den gesetzgeberischen Umgängen mit Prostitution spricht, herrscht oftmals eine große Verwirrung. Ist Legalisierung dasselbe wie Entkriminalisierung? Ist das Nordische Modell de facto ein Prostitutionsverbot? Dieser Beitrag soll dabei helfen, die einzelnen Begriffe zu klären und die Konsequenzen der jeweiligen Regelung bezüglich Prostitution für uns Betroffene, aber …

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Presseerklärung zu den Gesprächen über das Nordische Modell im Bundestag und zur Demonstration gegen das Nordische Modell am 15. Oktober 2019

Wir sind das Netzwerk Ella, ein Zusammenschluss von Frauen, die in der Prostitution waren oder noch sind. Wir alle haben Erfahrungen gemacht in der hiesigen Prostitutionsgesetzgebung, die Prostitution legalisiert und wir finden diese Gesetzgebung nicht hilfreich. Wir distanzieren uns von „Sexworkerinnenverbänden“, die eine weitere Legalisierung fordern und begrüßen die Vorstöße einiger PolitikerInnen mehrerer Parteien, die sich für das Nordische Modell aussprechen. Wir begründen das wie folgt: Prostitution ist Gewalt. Sich über finanzielle Mittel sexuellen Zugang zu Frauen und Mädchen zu verschaffen, die diesem Sex sonst nicht zustimmen würden, kann nicht die Art von Sex sein, die wir uns im Jahr 2019 in dieser Gesellschaft noch wünschen. In der Prostitution ist alles auf die Bedürfnisse des Mannes ausgerichtet. Das ist nicht mehr zeitgemäß und war es nie. Weiterhin kann Prostitution de facto kaum von Zwangsprostitution unterschieden werden, weil es viel zu viele Graustufen gibt. Kein Freier kann mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit sagen, ob er gerade eine Zwangsprostituierte besucht hat oder nicht. Das bedeutet auch: es handelt sich hier um Sex, bei dem der Mann nachher nicht sagen …

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Warum es mich verletzt, wenn Allies gegen Prostituierte, die von der Prostitution Anderer profitieren, wettern und gehässig werden…

Autorin: Sabrina // In letzter Zeit wurde ich in sozialen Netzwerken mit dem Prostituiertenhass aus den eigenen Reihen konfrontiert. Verbündete im Kampf für das Nordische Modell zogen über bekannte Prostituierte her, die öffentlich ihre Branche verteidigen. Die, die eigene Bordelle oder Escortagenturen führen, wurden mit MenschenhändlerInnen in einen Topf gesteckt und öffentlich geächtet. Ihnen wurden hohe Strafen gewünscht und ich konnte kaum fassen, dass ich solche Gemeinheiten in meinem „safe space“, also meinen abolitionistischen Verbündetengruppen zu lesen bekomme. Weil ich nun aber nicht allen unterstellen will, dass sie prostituierte Frauen hassen, gehe ich davon aus, dass sie wegen ihrer andersartigen Lebensrealität das System Prostitution vielleicht nicht ganz erfassen und verstehen können. Wie konservative ProstitutionsgegnerInnen tendieren sie vielleicht ein wenig zur Einteilung der Frauen in „Heilige und Huren“. Die Heiligen sind für sie die armen Zwangsprostituierten, die von Menschenhändlern verschleppt und misshandelt und eingesperrt worden sind und wirklich ABSOLUT nicht mehr handlungsfähig sind und keine Möglichkeit haben, aus der Prostitution auszusteigen. Dem, was ich den Kommentaren so entnommen habe, beginnt man eine Hure zu sein dann, …

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Über Konditionierung und Freiwilligkeit in der Prostitution

Autorin: Luise // Immer wieder kommen mir Sätze in den Kopf, wo andere Menschen Dinge sagten wie:„Du hast doch aber gesagt, Du magst das?!“„Du hast aber doch gesagt, Du tust das gerne?!“„Du hast aber doch gesagt, das ist freiwillig?!“„Du hast aber doch gesagt, es macht dir nix aus?!“„Du hast aber doch gesagt, Du willst das?!“„Du hast aber doch gesagt, ….“ Wie oft in meinem Leben, schon in den letzten JahrZEHNTEN, ist es wohl vorgekommen, dass Menschen sich mit einem programmierten oder für Aufgaben spezialisierten Innen unterhielten,das irgendeiner Sache zusagte; versprach, diese zu tun– und später dann sagten (einige, viele, manche) Andere, dass es eben NICHT so sei. Nein, ich mag das NICHT.Nein, das war NICHT freiwillig.Nein, ich will das NICHT.Nein, das hab ich nie versprochen. Und weder der Andere, noch ich selbst, wußte – wußte WIRKLICH – was da eigentlich passiert. Wie oft hatte ich Dinge automatisch getan – und anschließend „vergessen“?Wie oft waren Konditionierungen gelaufen – ohne, dass ich selbst das überhaupt merkte? Wie oft hatte ich zehntausend Fragezeichen unsichtbar über dem Kopf kreiseln, …

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Code Red – Zurück im Laufhaus

Autorin: Sophie // Bevor ich anfange möchte ich betonen, dass das Netzwerk Ella eine UNABHÄNGIGE Interessensvertretung von Frauen aus der Prostitution ist. Wenn ein Mitglied eine bestimmte religiöse oder politische Weltanschauung hat, sagt das nichts über das Netzwerk Ella aus, weil sich die Ansichten der Mitfrauen durchaus unterscheiden und von Aktionen des Netzwerks Ella unabhängig sind. Wie letztes Jahr im Juni fand auch dieses Jahr wieder der „Code Red“ statt, eine Veranstaltung einer internationalen Gemeinde aus den USA, die sich zum Ziel gesetzt hat, sowohl die Rehabilitation von Süchtigen und Obdachlosen, als auch praktische Ausstiegshilfe für Prostituierte zu leisten . Ich habe vor allem Interesse an der praktischen Ausstiegshilfe für Prostituierte und nehme deshalb an Veranstaltungen teil, die sich damit beschäftigen. Um Kritik vorwegzunehmen, muss ich erklären, dass diese Gemeinde nicht darauf abzielt, die Prostitution der christlichen Moral wegen zu verurteilen und zu verbieten. Viele Frauen der Gemeinde waren in der Vergangenheit selbst Prostituierte und zudem oft auch drogenabhängig. Da die einzige Institution, von der sie Hilfe bekamen, die Kirche war, die ihnen in einer …

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Amnesty und die Prostitution

Gestern fand eine Veranstaltung im Leipziger Museum der Bildenden Künste statt, bei der wir Frauen vom Netzwerk Ella über Prostitution gesprochen haben. Dagegen wurde bereits im Vorfeld protestiert. Weil es anscheinend UNMÖGLICH und UNERTRÄGLICH ist, wenn prostituierte Frauen über Prostitution reden. Geht ja wirklich gar nicht! Eine Gruppe, die bei den Protestierenden (Berufsverband erotische und sexueller Dienstleistungen usw) dabei war, war AMNESTY. Amnesty möchte anscheinend nicht, dass Betroffene sprechen. Das wundert uns nicht, hat Amnesty uns Frauen in der Prostitution doch schon vor Jahren unter den Bus geworfen, als sie forderten, “Sexarbeit” komplett zu entkriminalisieren und damit EXPLIZIT AUCH FREIERTUM, MENSCHENHANDEL UND ZUHÄLTEREI MEINTEN. Begründet haben sie das damit, dass jeder Mensch ein Recht auf Sex hätte und dass es DISKRIMINIERUNG wäre, Männern zu verbieten, sich diesen zu kaufen. Für uns hingegen ist klar: es gibt ein Recht auf die eigene Sexualität, aber es gibt kein Recht, jemanden dafür zur Verfügung gestellt zu bekommen. Und: wer dafür ist, dass Freier, Zuhälter und Menschenhändler straffrei bleiben, der ist nicht FÜR uns Prostituierte, sondern GEGEN UNS. Auch …

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Wo leben eigentlich Bordsteinschwalben?

Seit einigen Wochen läuft in Nürnberg die Kampagne “Nachfragen hilft”, die unter anderem die Frage aufwirft, “wo denn die Bordsteinschwalben leben”. Es stimmt, Nachfragen hilft. Was jedoch nicht hilft ist das Objektifizieren und Herabwürdigen von Frauen und Auffallen wollen um jeden Preis. Zoe und Marlen vom Netzwerk Ella haben daher einen Brief an Oberbürgermeister Dr. Maly und die SPD verfasst. Wir sind auf Feedback gespannt. Sehr geehrter Herr Maly, wir haben folgende “Quizfrage” auf Plakaten und Postkarten in Ihrer Stadt gefunden: “Wo leben eigentlich die Bordsteinschwalben?” Als ehemalige Prostituierte stellen wir Ihnen gerne folgende Antwortmöglichkeiten zur Auswahl: a) Frauentorgraben b) Nachbarwohnung c) Hotel Wie meinen Sie, lautet die Antwort der Eltern, wenn ihnen diese vorformulierte Frage von Kindermund gestellt wird? Sie bringt Mütter, Väter, Kinder (die nicht verstehen, warum ihre Eltern gerade keine sinnvolle Antwort geben können), ggf. Lehrer und eigentlich alle Frauen in eine äußerst peinliche Situation. Kein Kind und nur die wenigsten Erwachsenen werden ihre Fragen an die genannte E-Mail-Adresse schicken. Die wenigsten Menschen werden sich durch diese provokant gestellte Frage tatsächlich mit …

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Brief an Frauenministerin Giffey

Nachdem die Praktikantin von Frauenministerin Giffey uns auf unseren Brief vom Valentinstag mit einem Statement geantwortet hat, das den Status quo der Gesetzeslage in der Prostitution verteidigt, habe ich eine ausführliche Antwort verfasst, um auf die Missstände in der Prostitution aufmerksam zu machen. Nun husch husch zur Post, Briefmarke kaufen und ab in den Kasten damit ! (S.) Sehr geehrte Frau Giffey, vielen Dank für die Antwort auf meinen Brief zum Valentinstag. Ich bin Sophie vom Netzwerk Ella, ich war 8 Jahre in der Prostitution, und ich möchte auf die von Ihrer Praktikantin übermittelte E-Mail antworten. Natürlich habe ich vom ProstSchG erfahren und finde dieses in Teilen auch gut. Es könnte wirklich eine Chance sein, ein wenig mehr gegen Menschenhandel vorzugehen, aber die Betonung liegt hier auf „ein wenig“. Denn in der Realität ist es so, dass keine prostituierte Frau sich gern anmelden möchte. Wir vom Netzwerk Ella sind ein Zusammenschluss sowohl von Aussteigerinnen, als auch von Frauen, die noch in der Prostitution sind und die meisten von uns empfinden das ProstSchG als eine Methode, …

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Was geschah, als ich meinen Ex wegen Zuhälterei anzeigte

Autorin: Marlene // Das erste Mal Kontakt mit der Polizei hatte ich während der Arbeit. Es war wie immer – ein Mann klingelte, ich öffnete die Tür, aber herein kam nicht nur er, sondern noch ein weiterer Kollege und zwei Damen. Hauptsächlich ging es ihnen darum, ob ich meinen Gewerbeschein dabei hätte, schließlich muss es in Deutschland selbst im Rotlicht geregelt zugehen. Zumindest, was die Steuern angeht- in anderen Bereichen sieht es schon schwieriger aus mit der “Hilfe”. Vor allem die Damen hatte ich als nett in Erinnerung, nachdem die erste Verwirrung wegen der seltsamen Situation verflogen war. Sie versuchten, mich in ein Gespräch zu verwickeln und herauszuhören, ob ich in einer Zwangslage wäre oder bei anderen Frauen im Haus etwas mitbekommen hätte. Natürlich verneinte ich, denn dass man mit der Polizei nicht spricht, wird dir im Milieu von Tag Eins eingebläut. Mein längerer Weg mit der Polizei begann erst später, als ich mich entschloss, aus der Prostitution auszusteigen und meiner Schwester um Hilfe bat. Sie fuhr sofort los zu mir und widersetzte sich meinem …

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Was passieren kann, wenn prostituierte Frauen und Mädchen bei der Polizei anzeigen

Autorin: Sophie // Beim Gedanken an die Polizei stellen sich bei mir gemischte Gefühle ein. Ich habe einerseits die Erfahrung gemacht, dass es sehr empathische und auch in gewisser Weise fürsorgliche PolizistInnen gibt, andererseits habe ich als ehemals selbst in der Kriminalität Lebende auch sehr negative Erfahrungen gemacht und die Polizei somit nicht als meinen Freund und Helfer gesehen, sondern als eine Instanz mit der man besser nicht in Kontakt kommt. Da ich aus Bayern komme und schon in meiner Jugend Drogen nahm, die ich von viel Älteren bekam, wurde mir wegen des hohen Strafmaßes und der aggressiven Verfolgung von Rauschgiftdelikten, die dort betrieben wird, von meinen Dealern intensiv eingeschärft, dass man mit der Polizei nicht spricht. Ich wurde regelrecht darauf abgerichtet, loyal zu sein, selbst wenn es mir selbst schadet. Somit war es sehr schwer für mich, mit 17 Jahren meinen damaligen Freund anzuzeigen, der mich regelmäßig einsperrte, vergewaltigte und teilweise auch versuchte, mich umzubringen. Um jeden Preis versuchte ich, das Problem selbst zu lösen, unter anderem damit, dass ich ihm selbst einmal ein Messer …

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